Rede von
Dr.
Hermann
Ehlers
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Meine Damen und Herren! Ich habe namens des Deutschen Bundestages, auch wenn es in der Presse nicht überall zu lesen war, am 31. Januar dem Herrn Bundespräsidenten die herzlichsten Glückwünsche zu seinem 70. Geburtstage ausgesprochen. Ich darf mich auch hier zum Sprecher des Hauses machen, wenn ich vor dem Plenum diese Glückwünsche ausdrücklich und herzlich wiederhole.
Ich habe weiterhin zu folgenden Geburtstagen zu gratulieren, und zwar wieder in der Reihenfolge des Alters:
zum 74. Geburtstag dem heute leider nicht anwesenden Herrn Abgeordneten Raestrup,
zum 65. Geburtstag am 1. Februar dem Herrn Abgeordneten Gaul,
zum 62. Geburtstag am 26. Januar dem Herrn Abgeordneten Schneider .
und zum 61. Geburtstag am 23. Januar dem Herrn Abgeordneten Dr. Baade.
Ich weise darauf hin, daß die nächste Fragestunde am Donnerstag, dem 25. Februar, um 9.30 Uhr stattfindet. Die Sperrfrist für eingehende Fragen ist Donnerstag, 18. Februar, 12 Uhr.
Die übrigen amtlichen Mitteilungen werden ohne Verlesung ins Stenographische Protokoll aufgenommen.
Der Herr Bundesminister für Arbeit hat unter dem 23. Januar 1954 die Kleine Anfrage 20 der Fraktion der DP betreffend Ladenschlußgesetz — Drucksache 179 — beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache 219 vervielfältigt.
Der Herr Bundesminister für Wirtschaft hat unter dem 27. Januar 1954 die Kleine Anfrage 16 der Abgeordneten Dr. Arndt, Freidhof. Dr, Preller und Genossen betreffend Erstattung der Fahrtmehrkosten an Arbeiter und Schüler im Zonengrenzgebiet — Drucksache 148 — beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache 225 vervielfältigt.
Der Herr Bundesminister der Finanzen hat unter dem 30. Januar 1954 unter Bezugnahme auf § 33 Absatz 1 der Reichshaushaltsordnung eine Ubersicht über die über- und außerplanmäßigen Haushaltsausgaben im Rechnungsjahr 1952 zur Kenntnisnahme überreicht, die als Drucksache 176 verteilt wird.
Im Ältestenrat ist vereinbart worden, daß die heutigen Beratungen wegen der zahlreich angesetzten Ausschuß sitzungen um 15 Uhr beendet werden sollen. Falls wir mit der Tagesordnung dann noch nicht am Ende sind, soll die Beratung der heutigen Tagesordnung morgen 9 Uhr 30 vor der morgigen Tagesordnung fortgesetzt werden. Ich bitte, sich freundlichst darauf einzurichten.
Ich rufe zunächst auf Punkt 1 a) und 1 b):
a) Beratung der Großen Anfrage der Fraktion der FDP betreffend Regelung der verbrieften Reichsschulden ;
b) Beratung der Großen Anfrage der Fraktion der SPD betreffend Regelung der Anleihen des Deutschen Reiches und des Landes Preußen .
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Atzenroth.
Dr. Atzenroth , Anfragender: Meine Damen und Herren! Ich muß zunächst unserem Bedauern darüber Ausdruck geben, daß wir erst heute Gelegenheit erhalten, diese Anfrage vor dem Hohen Hause zu begründen, eine Anfrage, die das Datum des 1. Dezember 1953 trägt und die nach ihrem ganzen Inhalt eigentlich noch im vergangenen Jahre hätte behandelt werden müssen. Mir sind die Gründe nicht bekannt, die den Herrn Präsidenten bewogen haben, diesen Punkt erst jetzt auf die Tagesordnung zu setzen. Wenn es aber auf Wunsch der Bundesregierung geschehen sein sollte, so müßte man gegen ein solches Verfahren Einspruch einlegen.
Es kann nicht derjenige, der gefragt wird, den Zeitpunkt bestimmen, an dem er diese Frage beantworten will; denn damit würden wir die parlamentarische Institution der Großen Anfrage mehr oder weniger entwerten.
Es handelt sich um eine Wiederholung unserer Anfrage, die wir bereits am 2. Juni 1953 vor dem ersten Bundestag begründet haben. Wir haben damals den Herrn Bundesfinanzminister gefragt,
1. ob er bereit ist, eine Aufwertung der Anleihen der öffentlichen Hand vorzunehmen,
2. ob er weiterhin bereit ist, den Gläubigern dieser Anleihen im Rahmen des Altsparergesetzes auch eine zusätzliche Entschädigung zu gewähren, und
3. ob er unserem Vorschlag folgen will, zur Finanzierung dieser Aufwendungen Mittel aus dem gewerblichen Vermögen der öffentlichen Hand zu nehmen.
Der Herr Bundesfinanzminister hat damals die beiden ersten Punkte, zwar mit den üblichen Einschränkungen, aber doch, wie es das Haus wohl allgemein verstanden hat, positiv beantwortet, wogegen er über den dritten Punkt geschwiegen hat. Ich darf vielleicht einen Teil seiner Antwort aus dem damaligen Protokoll in Erinnerung bringen. Er sagte damals:
Es wird . . . angestrebt, schon im Hinblick auf den erwähnten, zugunsten der ausländischen Reichsmark-Gläubiger in London vereinbarten Termin,
— das war nämlich der 31. Dezember 1953 —
noch dem derzeitigen Kabinett
— also dem ersten Bundeskabinett —
den Entwurf über eine gesetzliche Regelung der verbrieften Schulden des Reiches, der Reichsbahn, Reichspost und des ehemaligen Landes Preußen vorzulegen.
Das ist nicht geschehen. Das derzeitige Kabinett ist durch ein neues abgelöst worden; aber auch diesem neuen Kabinett ist die Vorlage bis heute nicht zugegangen. Eine solche Verzögerung ist unerträglich, nicht nur im Hinblick auf die betroffenen Kreise, sondern auch wegen der möglichen Folgen gegenüber den Auslandsgläubigern.
Und nun zur Sache selbst.
Bei der Währungsreform sind die Gläubiger des Reichs, des Landes Preußen, der Bundesbahn, der Bundespost und noch einige andere Gläubiger leer ausgegangen. Sie waren die einzigen Forderungsberechtigten, die keine Aufwertung erfahren haben. Die Bundesrepublik aber, zum Teil allerdings auch die Länder, haben desungeachtet es als selbstverständlich angesehen, die Vermögenswerte des Reichs, der Reichsbahn und der Reichspost zu übernehmen. Sie haben aber nichts getan, um auch die Verpflichtungen dieser Vermögensträger einzulösen.
In § 30 des Währungsgesetzes ist eine Regelung der Entschädigungsansprüche für Wertpapiere, die Rechte gegen das Reich verbriefen, ausdrücklich vorgesehen. Gegenüber den Auslandsgläubigern hat die Bundesregierung solche Ansprüche auch ausdrücklich anerkannt; denn in einem Schreiben des Herrn Bundeskanzlers an die Alliierte Hohe Kommission vom 6. März 1951 heißt es:
Die Bundesregierung bestätigt hiermit, daß sie für die äußeren Vorkriegsschulden des Deutschen Reiches haftet.
Die Bundesbahn und die Bundespost haben bereits seit längerem die Absicht bekundet, die Verbindlichkeiten der Reichsbahn und der Reichspost zu regeln, und auch der Herr Bundesfinanzminister hat wiederholt seine Bereitschaft zur Regelung dieser Fragen erklärt. Er hat sich dabei im Herbst 1950 anläßlich der Diskussion über den Lastenausgleich ausdrücklich für eine quotale — ich bitte, das Wort zu beachten: quotale — Regelung dieser Umstellung ausgesprochen.
Am 2. Juni hat er bei der Behandlung der Großen Anfrage unter Verweisung auf die im Londoner Schulden abkommen und im D-Mark-Bilanzgesetz vorgesehenen Fristen auf die Dringlichkeit dieses Problems hingewiesen. Auch aus dieser Rede darf ich noch einmal zitieren. Er sagte:
Es ist für die bilanzierenden Kaufleute von wesentlicher Bedeutung, baldmöglichst einen Überblick zu erhalten, in welchem Umfang ein solcher Ausgleich durch Umstellung der Forderungen gegen das Reich erfolgen kann.
Also eine Fülle von Versprechungen, aber es ist nichts geschehen.
Bei dem betroffenen Personenkreis handelt es sich — zum Teil wenigstens — um Menschen, die sich in bitterer Not befinden. Gewisse Kreise, insbesondere aus den freien Berufen, hatten solche Wertpapiere in der Absicht gekauft, sich damit einen Rückhalt für ihren Lebensabend oder für Zeiten der Not zu sichern. Diese Menschen weisen heute mit Recht auf die große Ungerechtigkeit hin, die ihnen widerfahren ist. Während der Beamte seine Pensionsansprüche über die Währungsreform hinweg behalten hat und während die Renten aus der Sozialversicherung doch im wesentlichen im Verhältnis 1 zu 1 umgestellt worden sind und nachdem man auch einem weiteren Personenkreis durch das Altsparergesetz zusätzliche Hilfe hat zukommen lassen, haben diese Kreise noch nicht einmal eine Aufwertung ihrer Forderung erfahren.
Man kann nun nicht einwenden, die von ihnen seinerzeit hergegebenen Mittel hätten zum größten Teil der Kriegsfinanzierung gedient. Darauf hatten diese Menschen ja keinen Einfluß. Wenn es unter ihnen solche gegeben hat, die die Kriegsfinanzierung bewußt unterstützen wollten, so darf man daran erinnern. daß auch Beamte ihre Pension weiter erhalten, die dem damaligen Regime aus Überzeugung gedient haben, und daß sich unter den Empfängern von Sozialrenten auch führende Mitglieder der früheren Deutschen Arbeitsfront befinden.
Nein, der Anspruch der Gläubiger von Anleihen der öffentlichen Hand kann nicht bestritten werden, und er wird ja auch dem Grunde nach nicht bestritten. Nur über das Wie und über die Höhe der Entschädigungsansprüche scheinen Meinungsverschiedenheiten mit dem Herrn Bundesfinanzminister zu bestehen. Dabei kann doch eigentlich kein Zweifel darüber vorhanden sein, daß — aus dem Charakter dieser Forderung — zunächst einmal die Einbeziehung in die Währungsgesetzgebung eine zwingende Notwendigkeit ist. Es darf unter keinen Umständen ein Unterschied gemacht werden zwischen den Gläubigern von Bankguthaben, die auf dem Umweg über Ausgleichsforderungen über die Banken quotal befriedigt worden sind, und denjenigen, die ihr Geld dem Staate direkt gegeben haben. Sie leiden sowieso unter dem Nachteil, jetzt schon sechs Jahre ohne Befriedigung warten zu müssen.
Man muß sich noch darüber unterhalten, ob nicht auch eine Anpassung an die Entschädigung notwendig ist, die das Hohe Haus seinerzeit einstimmig den Altsparern zugebilligt hat. Denn zumindest bei jenen Anleihegläubigern, die ihre Papiere über die ganze Zeit des Krieges hinweg durchgehalten haben, liegen die gleichen Voraussetzungen wie bei den Altsparern vor.
Nun scheint der Herr Bundesfinanzminister in der langen Zeit, die seit der Besprechung unserer ersten Anfrage vergangen ist — also mehr als ein halbes Jahr —, allmählich auf den Gedanken gekommen zu sein, diesen Fragenkomplex mit anderen Problemen zu verbinden, die sich schon bei der Einbringung des Lastenausgleichsgesetzes gezeigt haben. Dem muß aber mit aller Entschiedenheit widersprochen werden. Man kann nicht Dinge miteinander verkoppeln, die nichts miteinander zu tun haben. Die hier zur Aussprache stehenden Forderungen gehören einmal in die Währungsgesetzgebung und zum andern — eventuell — in die Gesetzgebung betreffend die Altsparer. Sie müssen also auch eine dementsprechende Regelung finden. Auf keinen Fall können sie in einem Sammelgesetz behandelt werden, das ganz andere Grundlagen hat und das — wir müssen wohl aus unseren Erfahrungen sagen — noch sehr, sehr lange auf sich warten lassen wird. Wir haben ja einige Erfahrungen mit dem Lastenausgleichsgesetz hinter uns.
Merkwürdigerweise ist bisher noch niemals die Behauptung aufgestellt worden, die von uns angestrebte Regelung sei für die Bundesrepublik finanziell untragbar. Eine solche Behauptung wäre im Hinblick auf die Haushaltslage und die Forderungen nach Steuersenkung verständlich und würde gerade von uns unterstützt werden. Dabei darf aber darauf hingewiesen werden, daß der bei weitem größte Teil der gewaltigen Summe von 400 Milliarden Reichsmark Reichsanleihen sich in den Händen von Banken und öffentlichen Körperschaften befand, die durch Ausgleichsforderungen befriedigt wurden. Wir haben schon im Zusammenhang mit unserer ersten Anfrage darauf hingewiesen, daß man keine Mittel aus dem Haushalt in Anspruch zu nehmen braucht. Aus den Mitteln, die die Gläubiger dieser Anleihen aufgebracht haben, sind damals zum Teil Anlagen und Werke geschaffen worden, die heute im Besitz des Bundes und der Länder sind oder an denen sie wenigstens beteiligt sind. Was liegt also näher, als diese werbenden Vermögen zur Abdeckung der Verpflichtungen des Bundes zu verwenden? Es ist nicht zu befürchten, daß eine Veräußerung mit Verlust für die öffentliche Hand notwendig wird. Die Gläubiger von Wertpapieren des Reiches können mit Wertpapieren entschädigt werden, die sich auf diese Vermögenswerte beziehen. Dabei käme es auch nicht zu irgendwelchen Zusammenballungen von neuer wirtschaftlicher Macht; denn die Streuung des Anleihebesitzes ist ganz erheblich.
Einer Diskussion über diese Vorschläge hat sich der Herr Bundesfinanzminister bisher leider entzogen. Aber auch wenn man diesen Vorschlägen nicht folgen will, besteht immer noch die Möglichkeit einer Befriedigung der Gläubiger durch Gewährung neuer Schuldtitel. Nach den mir vorliegenden Zahlen handelt es sich um rund 26 Milliarden Reichsmark, die auf Publikumsgläubiger entfallen, davon 14 Milliarden Reichsmark auf die Sozialversicherungsträger. Es bleibt also ein Rest von 12 Milliarden Reichsmark umzustellen. Wir
würden gern dem Haushalt auch die Zinsen von diesen 1,2 Milliarden DM ersparen; aber diese müßten, wenn man unseren Vorschlägen nicht folgen will, doch aufgebracht werden. Vielleicht legt der Herr Bundesfinanzminister dem Hause noch bessere Vorschläge vor. Das muß jedoch jetzt sofort geschehen. Wir können damit nicht auf das Kriegsfolgenschlußgesetz warten. Die Regelung dieser Aufwertung ist nicht nur im Hinblick auf die zum Teil schon abgelaufenen Fristen, sondern vor allem im Hinblick auf die Notlage der betroffenen Kreise dringend.
Bei der Behandlung der ersten Anfrage ist zum Schluß ein Antrag des Abgeordneten Dr. Bertram angenommen worden, die Bundesregierung zu ersuchen, dem Hause alsbald einen Gesetzentwurf auf der Grundlage dieser Anfrage vorzulegen. Dieser Antrag ist bedauerlicherweise völlig verpufft. Leider ist es uns nach der neuen Regelung der Geschäftsordnung nicht mehr möglich, wieder einen solchen Antrag einzubringen. Ich möchte deswegen mit noch größerer Eindringlichkeit an den Herrn Bundesfinanzminister appellieren, daß er diesen Gesetzentwurf nun endlich vorlegt. Wir sind sonst bereit, die Frage durch Vorlage eines Initiativgesetzentwurfs, der schon paraphiert vorliegt, vorwärtszutreiben.