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ID0201021100

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  • tocInhaltsverzeichnis
    2. Deutscher Bundestag — 10. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 21. Januar 1954 275 10. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 21. Januar 1954. Nachruf des Präsidenten für den verstorbenen Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts Dr. Höpker-Aschoff 277 B Geschäftliche Mitteilungen 277 C Eintritt des Abg. Rösing in den Bundestag 277 D Glückwünsche zum Geburtstag des Abg. Dr Horlacher 277 D Absetzung der Beratungen des Personalvertretungsgesetzes, der vier Genfer Rot-KreuzAbkommen und des Rechtspflegergesetzes von der Tagesordnung . . . 277 D, 290 D, 291 A Mitteilung über Beantwortung der Kleinen Anfragen 13 betr. Ausführung des Titels „Landwirtschaft" des Bundesvertriebenengesetzes (Drucksachen 142, 193) und 17 betr Verbindlichkeiten der ehemaligen NSDAP (Drucksachen 150, 192) 278 A Fragestunde (Drucksache 186): 1. betr. Aufhebung des Sichtvermerkzwanges für Staatenlose mit Flüchtlingspässen auf Grund internationaler Vereinbarungen: Dr. Mommer (SPD) 278 A, B Dr. Hallstein, Staatssekretär des Auswärtigen Amts . . . . 278 A, B, C 2. betr. Kauf einer Villa in der Stadtgemeinde Süchteln durch den Bund, Frage des Kaufpreises und der Vermittlerprovision: Hellenbrock (SPD) 278 C, D Hartmann, Staatssekretär im Bundesministerium der Finanzen 278 C, D 3. betr. Durchführung und Finanzierung des Schäffer-Plans (Wohnungsbau für Besatzungsverdrängte): Koenen (SPD) 279 A, C, D Hartmann, Staatssekretär im Bundesministerium der Finanzen 279 A, C, D 4. betr. Reihenfolge der Beseitigung von Verkehrshindernissen und Regelung der Kostenfrage nach dem Kreuzungsgesetz: Koenen (SPD) 279 D, 280 C Dr. Seebohm, Bundesminister für Verkehr 280 A, C 5. betr. Preisdiktatur in der Zigarettenindustrie: Ritzel (SPD) 280 C, 281 A Dr. Dr. h. c. Erhard, Bundesminister für Wirtschaft 280 C, 281 A, B 6. betr. Ausgabe von internationalen PortoGutscheinen: Ritzel (SPD) 281 B Dr. Balke, Bundesminister für das Post- und Fernmeldewesen . . . 281 B 7. betr. Veröffentlichung des Entwurfs eines Urheberrechtsgesetzes: Platner (CDU/CSU) 281 D Neumayer, Bundesminister der Justiz 281 D 8. betr. Maßnahmen zum Ausbau der Autobahnverbindung Kassel-Hamm: Platner (CDU/CSU) 282 A Dr. Seebohm, Bundesminister für Verkehr 282 A 9. betr. Berücksichtigung des hessischen Zonengrenzgebietes im Rahmen des Programms der Elektrifizierung der Bundesbahn: Platner (CDU/CSU) 282 B Dr. Seebohm, Bundesminister für Verkehr 282 B 10. betr. Besetzung der Züge des Berufsverkehrs und Abhilfemaßnahmen gegen deren Überbesetzung: Dr. Mommer (SPD) . . . 282 C, D, 283 A Dr. Seebohm, Bundesminister für Verkehr 282 C, D, 283 A 11. betr. Qualität der von der Deutschen Zündwarenmonopolgesellschaft hergestellten Sicherheitszündhölzer: Krammig (CDU/CSU) 283 A Dr. Dr. h. c. Erhard, Bundesminister für Wirtschaft 283 A 12. betr. Benachteiligung gehobener Beamter der Zollverwaltung ohne ReserveOffizieranwärter-Eigenschaft gegenüber Beamten, denen vor 1945 die Eignung als Bezirkszollkommissar (Grenze) zugesprochen worden ist: Krammig (CDU/CSU) 283 C, D Hartmann, Staatssekretär im Bundesministerium der Finanzen 283 C, 284 A 13. betr. Vorlage des Gesetzentwurfs betr. Pensionskasse Deutscher Eisenbahnen und Straßenbahnen: Baur (Augsburg) (SPD) 284 A Hartmann, Staatssekretär im Bundesministerium der Finanzen . . . . 284 A 14. betr. Erlaß von Richtlinien für den Wiederaufbau kriegszerstörter landwirtschaftlicher Gehöfte: Mitteilung über schriftliche Beantwortung 284 B 15. betr. Unterstützung von Maßnahmen zur Bekämpfung der Rindertuberkulose: Dr. von Buchka (CDU/CSU) . . . 284 C, D Dr. h. c. Lübke, Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten 284 C, D 16. betr. Maßnahmen zur Steuerung des durch Verlust des Absatzes in der Sowjetzone verschärften Wettbewerbs in der deutschen Fischindustrie: Dr. von Buchka (CDU/CSU) . . . . 285 A Dr. h. c. Lübke, Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten 285 A 17. betr. Vorlage eines Fischgesetzes und eines Handelsklassengesetzes für Erzeugnisse der Fischindustrie: Dr. von Buchka (CDU/CSU) . . . 285 B Dr. h. c. Lübke, Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten 285 B 18. betr. Nachricht in der Zeitschrift „Der Spiegel" über Versendung von Fragebogen an ehemalige deutsche Kriegsgefangene durch eine Dienststelle der amerikanischen Luftwaffe mit dem Ersuchen um Angaben über ihnen aus ihrer Gefangenschaft bekannte industrielle Anlagen: Dr. Lütkens (SPD) . . . . 285 C, D, 286 A Dr. Hallstein, Staatssekretär des Auswärtigen Amts . . 285 C, D, 286 A 19. betr. vermehrte Verwendung von Betonschwellen an Stelle von Holzschwellen durch die Bundesbahn: Brese (CDU/CSU) 286 A, B Dr. Seebohm, Bundesminister für Verkehr 286 A, B 20. betr. Kredite für die Errichtung privater Betonschwellenwerke aus Bundesmitteln: Brese (CDU/CSU) 286 C Dr. Seebohm, Bundesminister für Verkehr 286 C 21. betr. Elektrifizierung der Bundesbahn zwischen Duisburg und Dortmund: Dr. Welskop (CDU/CSU) 286 D Dr. Seebohm, Bundesminister für Verkehr 286 D 22. betr. Ausbau des Emscherweges zwischen Oberhausen und Dortmund: Dr. Welskop (CDU/CSU) 287 A Dr. Seebohm, Bundesminister für Verkehr 287 A, B 23. betr. Zeitpunkt der Fertigstellung und Bekanntgabe des Saargutachtens: Dr. Dr. h. c. Prinz zu Löwenstein (FDP) 287 B, C Dr. Hallstein, Staatssekretär des Auswärtigen Amts 287 B, C 24. betr. Quellen für das Material für ein Interview der UP zur Bewertung der Rede des Herrn Chruschtschew und zur Beurteilung der wirtschaftlichen Lage in der Sowjet-Union: Abgesetzt 287 C 25. betr. Bildung des Verwaltungsrats beim Bundesminister für das Post- und Fernmeldewesen: Schmidt (Hamburg) (SPD) . . 287 D, 288 A Dr. Balke, Bundesminister für das Post- und Fernmeldewesen . 287 D, 288 A 26. betr. Zuschlag für Ausschreibungen, die über den Besatzungskostenhaushalt bezahlt werden durch amerikanische Dienststellen an ausländische bzw. inländische Firmen: Krammig (CDU/CSU) . . 288 A, D, 289 A Dr. Dr. h. c. Erhard, Bundesminister für Wirtschaft 288 B, 289 A 27. betr. Vorschlag des Bundesministers für Familienfragen Dr. Wuermeling auf Prüfung der Frage der Verweigerung der Ablegung des Richtereids in religiöser Form und Feststellung über die Handhabung von Ehescheidungen an den betreffenden Gerichten: Dr. Menzel (SPD) 289 A, B Dr. Schröder, Bundesminister des Innern 289 A, B 28. bis 31. wegen Zeitablaufs abgesetzt; Mitteilung über schriftliche Beantwortung . . 289 C Beratung der Übersicht 2 über Anträge von Ausschüssen des Deutschen Bundestages betr. Petitionen (Umdruck 8 bzw Drucksache 212) 289 C Beschlußfassung 289 C Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes betr. das Übereinkommen Nr. 63 der Internationalen Arbeitsorganisation vom 20. Juni 1938 über Statistiken der Löhne und der Arbeitszeit in den hauptsächlichsten Zweigen des Bergbaus und des verarbeitenden Gewerbes einschließlich des Baugewerbes sowie in der Landwirtschaft (Drucksache 126) 289 C Überweisung an den Ausschuß für Arbeit 289 D Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes betr. das Übereinkommen Nr. 88 der Internationalen Arbeitsorganisation vom 9. Juli 1948 über die Organisation der Arbeitsmarktverwaltung (Drucksache 127) . . . 289 D Überweisung an den Ausschuß für Arbeit 289 D Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes betr. das Übereinkommen Nr. 96 der Internationalen Arbeitsorganisation vom 1. Juli 1949 über Büros für unentgeltliche Arbeitsvermittlung (Neufassung 1949) (Drucksache 128) 289 D Überweisung an den Ausschuß für Arbeit 289 D Erste Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur einheitlichen Anwendung des § 397 des Angestelltenversicherungsgesetzes vom 28. Mai 1924 (Drucksache 158) 290 A Farny, Minister für Bundesangelegen- heiten des Landes Baden-Württemberg 290 A Überweisung an den Ausschuß für Sozialpolitik 290 C Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über das Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Italienischen Republik über Arbeitslosenversicherung (Drucksache 164) 290 C Überweisung an den Ausschuß für Arbeit 290 C Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes betr. die Vereinbarung vom 23. Februar 1953 über die Regelung der Schweizerfranken-Grundschulden (Drucksache 159) 290 D Überweisung an den Ausschuß für Geld und Kredit und an den Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen 290 D Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über den Beitritt der Bundesrepublik Deutschland zum Abkommen über die Vorrechte und Befreiungen der Sonderorganisationen der Vereinten Nationen vom 21. November 1947 und über die Gewährung von Vorrechten und Befreiungen an andere zwischenstaatliche Organisationen (Drucksache 156) 290 D Überweisung an den Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten 290 D Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über den Beitritt der Bundesrepublik Deutschland zu der Konvention vom 9. Dezember 1948 über die Verhütung und Bestrafung des Völkermordes (Druck- sache 162) 291 A Dr. Schmid (Tübingen) (SPD) . . . 291 A Frau Dr. Ilk (FDP) 291 B Neumayer, Bundesminister der Justiz 291 D Höfler (CDU/CSU) 292 B Haasler (GB/BHE) 292 D Dr. von Merkatz (DP) 292 D Überweisung an den Rechtsausschuß und an den Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten 293 A Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über das gerichtliche Verfahren bei Freiheitsentziehungen (Drucksache 169) . . 293 B Neumayer, Bundesminister der Justiz 293 B Maier (Freiburg) (SPD) 294 A Becker (Hamburg) (DP) 295 B Dr. Czermak (GB/BHE) 295 D Dr. Bucher (FDP) 296 C Cillien (CDU/CSU) 297 A Dr. Menzel (SPD) 297 B Überweisung an den Rechtsausschuß und an den Ausschuß für Fragen des Gesundheitswesens 297 B Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betr. Entschädigung der Fischer im Luftwaffenübungsgebiet Großer Knechtsand (Drucksache 139) 297 C Wehr (SPD), Antragsteller . . 297 C, 300 B Hartmann, Staatssekretär im Bundesministerium der Finanzen . 299 A, 301 A Müller-Hermann (CDU/CSU) 299 C Müller (Wehdel) (DP) 300 A Überweisung an den Ausschuß für Besatzungsfolgen und an den Haushaltsausschuß 301 C Beratung des interfraktionellen Antrags betr. Überweisung von Anträgen an die Ausschüsse (Umdruck 9 [neu]) . . . . 301 C, 302 Beschlußfassung 301 C Nächste Sitzung 301 D Anlage: Interfraktioneller Antrag betr. Überweisung von Anträgen an die Ausschüsse (Umdruck 9 [neu]) 302 Die Sitzung wird um 9 Uhr 33 Minuten durch den Präsidenten D. Dr. Ehlers eröffnet.
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    *) Siehe Anlage Seite 302 Anlage zum Stenographischen Bericht der 10. Sitzung Interfraktioneller Antrag betreffend Überweisung von Anträgen an die Ausschüsse (Umdruck 9 [neu]) Der Bundestag wolle beschließen: Die folgenden Anträge werden ohne Beratung gemäß § 99 Abs. 1 der Geschäftsordnung dem zuständigen Ausschuß überwiesen: 1. Antrag der Abgeordneten Dr. Horlacher, Dr. Dr. h. c. Müller (Bonn) und Genossen betreffend Verordnung über die Beimischung inländischen Rüböls und Feintalgs (Drucksache 146) 2. Antrag der Abgeordneten Dr. Kihn (Würzburg), Dr. Dollinger, Stücklen, Stiller und Genossen betreffend Autobahnstrecke Frankfurt-Nürnberg (Drucksache 149) 3. Antrag der Abgeordneten Dr. Dr. h. c. Prinz zu Löwenstein, Walz, Trittelvitz, Seiboth, Schneider (Bremerhaven) und Genossen betreffend Reiseverkehr mit dem Saargebiet (Drucksache 170) an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten; an den Haushaltsausschuß (federführend), an den Ausschuß für Verkehrswesen; an den Ausschuß für Gesamtdeutsche und Berliner Fragen (federführend), an den Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten*), an den Ausschuß für Angelegenheiten der inneren Verwaltung. Bonn, den 19. Januar 1954 Dr. von Brentano und Fraktion Ollenhauer und Fraktion Dr. Dehler und Fraktion Haasler und Fraktion Dr. von Merkatz und Fraktion *) Vgl. Seite 301 C
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    Rede von Dr. Fritz Neumayer


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Entwurf eines Gesetzes über das gerichtliche Verfahren bei Freiheitsentziehungen war bereits in der ersten Legislaturperiode des Deutschen Bundestages vorgelegt worden. Er ist in der Sitzung des Bundestages vom 11. September 1952 in erster Lesung behandelt worden. Der Entwurf konnte jedoch in der ersten Legislaturperiode des Bundestages nicht mehr erledigt werden. Er wird nun dem Hohen Hause erneut vorgelegt, nachdem einige Änderungen vorgenommen worden sind, die sich aus Wünschen des Rechtsausschusses und des Bundesrates ergeben haben.
    Der Entwurf als solcher stellt das Ausführungsgesetz zu Art. 104 Abs. 2 des Grundgesetzes dar. Er behandelt die Freiheits entziehungen, nicht dagegen die Freiheits beschränkungen. Dazu möchte ich folgendes sagen. Die Freiheitsbeschränkungen sind in dem Entwurf deshalb nicht geregelt, weil Art. 104 Abs. 2 eine vorherige Entscheidung des Gerichts bei Freiheitsbeschränkungen nicht vorsieht. Dadurch würde auch eine zu große Erschwerung für die Verwaltung herbeigeführt werden. Der Staatsbürger ist aber gegenüber Freiheitsbeschränkungen nicht schutzlos, sondern er hat die Möglichkeit, die Nachprüfung des die Freiheitsbeschränkung anordnenden Verwaltungsaktes im Wege der Verwaltungsgerichtsbarkeit zu erreichen.
    Diese verschiedenartige Behandlung der Freiheitsentziehung und der Freiheitsbeschränkung macht eine Abgrenzung der Freiheitsentziehung von der Freiheitsbeschränkung erforderlich. Ich darf hierzu die Begründung zu § 1 des Entwurfs verweisen.
    Der Entwurf behandelt nicht die Freiheitsentziehungen, die nach bundesrechtlicher Regelung schon jetzt nur auf Grund einer gerichtlichen Entscheidung zulässig sind oder bei denen durch künftige Bundesgesetze das Verfahren abweichend geregelt werden soll. Er regelt ferner nur das Verfahren, nicht das materielle Recht. Für eine bundeseinheitliche Regelung des materiellen Freiheitsentziehungsrechtes fehlt in weitem Umfang die Gesetzgebungskompetenz des Bundes. Art. 104 Abs. 2 bezieht sich nach herrschender Auffassung nur auf die Freiheitsentziehung durch die öffentliche Gewalt. Sie umfaßt also nicht den freiwilligen Eintritt in eine Anstalt, sie umfaßt nicht die Einlieferung eines Geisteskranken in eine Anstalt durch den Vormund oder durch einen sonstigen gesetzlichen Vertreter. Eine Freiheitsentziehung im Sinne des Entwurfs liegt vielmehr nur dann vor, wenn die öffentliche Gewalt als solche die Freiheitsentziehung verfügt. Das materielle Unterbringungsrecht kann der Bund infolgedessen nicht für alle Fälle regeln.
    Soweit eine Gesetzgebungskompetenz des Bundes gegeben ist — und das gilt für die Fälle der Bekämpfung von übertragbaren Krankheiten, von Geschlechtskrankheiten, der Freiheitsentziehung auf Grund der Fürsorgepflichtverordnung oder der Ausländerpolizeiverordnung —, liegt bereits eine bundesrechtliche Regelung des materiellen Rechts vor.
    Der Bundesrat hat wegen der verschiedenen Gesetzgebungskompetenz für das materielle Recht Bedenken gegen den Entwurf geltend gemacht und die Herausnahme der praktisch wichtigsten Fälle der Freiheitsentziehung, nämlich jene der Unterbringung von Geisteskranken und von Rauschgift- und Alkoholsüchtigen, aus dem Entwurf vorgeschlagen. Demgegenüber ist darauf hinzuweisen, daß wichtige Gründe der Rechtseinheit gegen diese Auffassung des Bundesrates sprechen. Das Kabinett hat daher an dem Entwurf in dieser Form festgehalten. Diese Gründe sind in der Stellungnahme der Bundesregierung zu den Änderungsvorschlägen des Bundesrates unter Ziffer 3 angegeben.
    Zu den Grundsätzen des Verfahrens darf ich im einzelnen noch kurz folgendes bemerken. Die Zuständigkeit liegt bei den Zivilgerichten. Auch hierzu führt die Begründung das Nähere aus. Das Gericht entscheidet im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit. Auch hierüber liegen Ausführungen in der Begründung vor. Der Entwurf sieht die Anordnung der Freiheitsentziehung durch das Gericht vor. Es ist sichergestellt, daß, wenn das Gericht die Freiheitsentziehung angeordnet hat, diese in gewissen Abständen vom Gericht wieder überprüft wird.
    Ich darf nun noch kurz auf die Abweichung e n des neuen Entwurfs gegenüber dem in der ersten Legislaturperiode eingebrachten Entwurf hinweisen. Ich sagte schon, daß der neue Entwurf Anregungen berücksichtigt, die im Bundesrat oder in Beratungen des Unterausschusses während der ersten Legislaturperiode geäußert worden sind. Im


    (Bundesminister Neumayer)

    wesentlichen handelt es sich hier um Einzelheiten des Verfahrens. Wichtig ist, daß der neue Entwurf im § 4 Abs. 1 bei der Unterbringung wegen Geisteskrankheit die obligatorische Beiordnung eines Rechtsanwalts vorsieht. Bei der Unterbringung wegen Alkohol- oder Rauschgiftsucht wird die fakultative Beiordnung eines Rechtsanwalts vorgeschlagen. Diese Neuerung dient der Verschärfung des Rechtsschutzes.
    Ich erlaube mir, dem Hohen Hause den Entwurf mit der Bitte um Genehmigung vorzulegen.


Rede von Dr. Carlo Schmid
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Die Vorlage ist eingebracht und begründet. Ich eröffne die Aussprache der ersten Beratung.
Das Wort hat der Abgeordnete Friedrich Maier.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Friedrich Maier


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Der Entwurf eines Gesetzes über das gerichtliche Verfahren bei Freiheitsentziehungen, Drucksache 169, liegt dem Hohen Hause schon zum zweiten Mal vor. Obwohl die Bundesregierung auf einen vom Bundestag im Jahre 1951 einstimmig angenommenen Antrag hin im Jahre 1952 einen entsprechenden Entwurf vorgelegt hatte, ist es zu keiner Entscheidung des Plenums des ersten Bundestages gekommen, weil die Ausschußberatungen nicht rechtzeitig abgeschlossen wurden. Diese Tatsache ist um so bedauerlicher, als das seitherige Länderrecht auf diesem Gebiet ein buntscheckiges Bild zeigt und nur die beiden Länder Hamburg und Niedersachsen den Forderungen des Art. 104 des Grundgesetzes in Landesgesetzen voll Rechnung getragen haben. Zwar erhärtete eine Entscheidung des Bundesgerichts vom 4. Februar 1952 die von Herrn Staatssekretär Dr. Strauß bei der Einbringung des ersten Entwurfs vorgetragene Auffassung, daß Art. 104 bereits geltendes Recht sei. Aber die öffentliche Kritik konnte während der letzten Jahre an Hand von Fällen aus der Praxis immer wieder darauf hinweisen, welche Rechtsunsicherheit in der Frage des zwangsweisen Freiheitsentzuges im Volke Platz gegriffen hat. Noch ist wohl in unser aller Erinnerung der Fall Dr. Corten, Hamburg, wo es einem Arzt nach seinem Willen gelungen ist, seine nicht geisteskranke Frau in eine Heil- und Pflegeanstalt zu bringen. Noch steigt aus der Erinnerung auf der Fall Rauch, der im September 1952 das Land Hessen beunruhigt hat. Und manchem Kollegen und mancher Kollegin ist die Tragödie des Obergärtners Leopold Göttel aus Langenselbold noch gegenwärtig, der einen schweren Kampf gegen ein unberechtigtes Entmündigungsverfahren durchzustehen hatte. Beispiele, bei denen entweder Rechtsunsicherheit oder Willkür zum Schaden Betroffener zur Verletzung des Art. 104 führte, gibt es mehr, als sie in der Öffentlichkeit bekanntwerden.
    Bei der Beratung des ersten Gesetzentwurfs ist dem Rechtsausschuß des ersten Bundestages eine ganze Reihe solcher Fälle von den verschiedensten Seiten zur Kenntnis gebracht worden. Die Einweisung von Geisteskranken in Heil- und Pflegeanstalten und die zwangsweise Absonderung von Tuberkulose- und Geschlechtskranken in Heilstätten sind Freiheitsentziehungen, die im öffentlichen Interesse geboten sein können. Aber mindestens ebenso wichtig ist der Schutz der gesunden Bevölkerung gegen einen mißbräuchlichen Freiheitsentzug.
    Damit vieltausendfach geschehenes Unrecht, wie es im „Dritten Reich" an der Tagesordnung gewesen ist, nie wieder geschieht und mit Rücksicht darauf, daß das höchste menschliche Gut die persönliche Freiheit ist, hat der Parlamentarische Rat die Grundgesetzbestimmung des Art. 104 geschaffen. Deshalb sollte auch bei der Beratung des Entwurfs dem Betroffenen der größtmögliche Rechtsschutz eingeräumt werden. Bei der Prüfung des Gesetzentwurfs und insbesondere bei seiner Behandlung in den zuständigen Ausschüssen sollte vor allem darauf geachtet werden, daß es unmöglich gemacht wird, bei Bestehen von sogenannten guten Beziehungen zu irgendwelchen Persönlichkeiten, seien es Ärzte oder sonstige, einem Menschen, ohne daß seine Gemeingefährlichkeit feststeht, die Freiheit zu entziehen.
    Eine Gefahr in dieser Hinsicht stellt schon § 1 des Entwurfs dar, nach dessen Fassung jeder gesetzliche Vertreter, dem das Personensorgerecht zusteht, über die Unterbringung seines Kindes, Mündels oder Pfleglings in einer geschlossenen Anstalt eigenmächtig entscheiden kann. Das läuft meines Erachtens dem Art. 104 Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes zuwider, der besagt: „Über die Zulässigkeit und Fortdauer einer Freiheitsentziehung hat nur der Richter zu entscheiden." Im übrigen sollte sie deshalb unmöglich sein. Wenn man voraussetzt, daß Eltern ihre Gewalt niemals zu einer Einsperrung ihres Kindes in einer Anstalt mißbrauchen — eine Annahme, die angesichts der vielen Kindesmißhandlungen und Kindesaussetzungen, von denen wir täglich lesen, kaum gerechtfertigt erscheint —, und davon ausgeht, daß einer Entmündigung das unbedingte Anhören durch den Richter und zwei Gutachten vorausgehen, so klafft doch bei der Übertragung des Personensorgerechts an einen Pfleger hier eine besonders große Lücke. Es bedürfte nur der Gutgläubigkeit eines Menschen, der sich, überredet, mit der Übertragung der Sorge für seine Person an einen Pfleger einverstanden erklärt, um diesem Pfleger das Recht zu einer Isolierung des Pfleglings zu geben.
    Die Mehrzahl der Fälle, in denen eine Verwahrung in einer Anstalt zu Unrecht erfolgt ist, umfaßt ja gerade diejenigen Personen, die nicht voll geschäftsfähig bzw. labil sind. Sie bedürfen dem Gesunden gegenüber, der sich gegen eine mißbräuchliche Anstaltsunterbringung selbst zu wehren vermag, eines besonderen Schutzes. Vor allem ist im Hinblick auf das Personensorgerecht des Ehegatten daran zu denken, daß es nicht wie im Falle Dr. Corten möglich sein darf, einen Ehepartner zu Unrecht zu isolieren.
    Ferner sollte das Verhalten, das einem in einer Heil- und Pflegeanstalt Einzuweisenden zur Last gelegt wird, Gegenstand einer tatsächlichen Überprüfung durch das Gericht schon vor der Erstattung des ärztlichen Gutachtens sein, damit man dem kranken unschuldigen Menschen das gleiche Recht wahrt, wie man es dem schlimmsten Massenmörder zugesteht, dem man unter Übernahme nicht unbeträchtlicher Kosten auf die Staatskasse jede Gelegenheit zu seiner Verteidigung gibt. Man würde damit den Arzt auch von einer allzu großen Verantwortung entlasten.
    Als beste Lösung erschiene mir, wenn, wie mein Kollege Greve bei Einbringung des ersten Gesetzentwurfs angeregt hat, eine Ärztekommission das ärztliche Gutachten erstattete und wenn, wie Kollegin Nadig einmal vorgeschlagen hat, von einer kleinen Fachkommission, an der der Jurist, der Arzt und Psychiater und der Fürsorger beteiligt


    (Maier [Freiburg])

    sein sollten, die schwerwiegende Entscheidung der Zwangsverwahrung getroffen würde. Dort, wo es der Zustand des Betroffenen zuläßt, sollte unter allen Umständen seine Anhörung erfolgen. Geisteserkrankungen oder Suchtzustände begründen an sich noch keine Zwangsmaßnahmen. Erst wenn diese Krankheitserscheinungen gemeingefährlich werden, ergibt sich eine Rechtsgrundlage zum zwangsweisen Eingreifen des Staates. Bei der Feststellung der Gemeingefährlichkeit, die das Gericht zu treffen hat, sollte man nicht strenger vorgehen, als man sonst bei Gemeingefährlichkeiten in der Öffentlichkeit zu dulden bereit ist.
    Das Gesetz muß auch ganz konkret herausstellen, daß eine Anstaltsbedürftigkeit nicht gleichbedeutend mit einer Gemeingefährlichkeit ist. Dem nicht unter Personensorgerecht stehenden Menschen muß es, solange er nicht gemeingefährlich ist, selbst überlassen bleiben, sich in eine Anstalt zur Kur zu begeben, genau so wie man niemanden zwingen kann, sich einer Operation zu unterziehen. Grundsätzlich ist zu sagen, daß niemand mangels einer anderen Unterbringungsmöglichkeit in eine geschlossen e Heil- und Pflegeanstalt eingewiesen werden darf. Die Heil- und Pflegeanstalt ist kein Altersheimersatz. Es dürfte deshalb nicht vorkommen, daß man aufsichts- und betreuungsbedürftige alte Menschen, die ihr Leben lang ihre Pflicht getan haben, mit ihrer Arterienverkalkung in die Heil- und Pflegeanstalt einweist. Hier erwächst der Gesellschaft die Pflicht, entsprechende Altersheime in genügender Zahl zu errichten. Die betreuungsbedürftigen Alten dürfen nicht bei den Irren ihren Lebensabend verbringen.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    In der Zeit zwischen der ersten und zweiten Vorlage hat sich in der Öffentlichkeit eine rege Diskussion über das Problem der Freiheitsentziehung entwickelt, an der neben Richtern, Anwälten, Psychiatern, Amtsärzten und Fürsorgern sich auch breiteste Kreise der Bevölkerung beteiligten.
    Meine Freunde und ich begrüßen die Vorlage, begrüßen es, daß endlich dieses schwierige Problem der zwangsweisen Verwahrung eine gesetzliche Regelung auf Bundesgrundlage erfährt.
    Wir sind der Meinung, daß das vorliegende Gesetz auch in diesem Hohen Hause auf breitester Grundlage beraten werden sollte, damit alle Gründe für und gegen einzelne Bestimmungen des Entwurfs, für und gegen die Anregungen des Bundesrats, ob sie von juristischer, ärztlicher oder fürsorgerischer Seite kommen, entsprechend gewürdigt werden und eine gute Vorlage an das Plenum zurückkommt. Wir schlagen deshalb die Überweisung an den Rechtsausschuß — federführend —. an den Ausschuß für innere Verwaltung, den Gesundheitsausschuß und den Ausschuß für Verfassungsschutz vor. Ich bitte das Hohe Haus, diesem Antrag zuzustimmen.

    (Beifall bei der SPD.)