Rede von
Dr.
Victor-Emanuel
Preusker
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Bundesregierung steht in vollem Umfang hinter der Idee des von der Fraktion der CDU/CSU vorgelegten Gesetzentwurfs, „weite Kreise des Volkes zugleich mit der Förderung des Baues sozialer Wohnungen mit dem heimatlichen Boden zu verwurzeln und ihnen den Erwerb von Grundeigentum zu ermöglichen", wie es in § 1 dieses Entwurfs formuliert worden ist. Sie hat dies in ihrer Regierungserklärung vom 20. Oktober 1953 dadurch dokumentiert, daß sie in den nächsten Jahren im Interesse der Stärkung eines gesunden Familienlebens in erster Linie den Bau von Eigenheimen, Kleinsiedlungen und Eigentumswohnungen fördern will.
Der Entwurf der CDU/CSU-Fraktion lag — das hat der Vorsitzende des Ausschusses für Wiederaufbau und Wohnungswesen, Herr Abgeordneter Lücke, vorhin bereits betont — schon dem ersten Bundestag vor. Eine Reihe seiner Anliegen ist bereits in der Novelle zum Ersten Wohnungsbaugesetz, d. h. in der Neufassung des Ersten Wohnungsbaugesetzes vom 25. August 1953, berücksichtigt worden. Der unverändert eingebrachte Entwurf hat diesen Umstand nicht berücksichtigt, weil es ihm offenbar weniger auf die gesetzestechnischen Einzelheiten, als vielmehr auf das Prinzip der vorrangigen Förderung der Eigenheime für Familien angekommen ist.
Es kann keinem Zweifel unterliegen, daß auch das Erste Wohnungsbaugesetz in seiner Neufassung vom 25. August 1953 die Frage der Sicherung des Vorranges der Schaffung von Einzeleigentum im Wohnungsbau nur ungenügend beantwortet hat. Es wird aber sehr genau zu überlegen sein und in dem Ausschuß geprüft werden müssen, ob der in dem Gesetzentwurf vorgeschlagene Weg, bindend vorzuschreiben, daß Bund, Länder und Gemeinden ihre „für den sozialen Wohnungsbau bestimmten Mittel überwiegend zur Schaffung von Familienheimen zu verwenden" haben — § 1 —, das gesteckte Ziel am besten zu erreichen vermag. Die Fixierung einer derartigen Verpflichtung kann örtlich oder zeitlich entweder ein Zuwenig oder ein Zuviel bedeuten, denn man kann nun einmal trotz aller Wünsche, das Eigentum und das Eigenheim zu fördern, namentlich in Großstädten die Wohnform nicht erzwingen.
Die Bundesregierung ist daher der Auffassung, daß es dem Ziel des Gesetzentwurfs viel stärker entsprechen würde, die Eigenheimförderung unmittelbar mit der tatsächlichen örtlichen und zeitlichen Bereitschaft zur Schaffung von Eigenheimen bzw. Eigentumswohnungen in den Städten zu verknüpfen. Grundeigentum — das hat auch Herr Lücke in seinen Ausführungen betont — kann nur durch eigene Leistung, durch eigenen Verzicht auf manchen besonderen Wunsch, auf manche Neigung, kurz, wie er es sagte, durch Opfer und Sparen erworben werden, soll es seine volle soziale Rechtfertigung erhalten und in Zeiten ernster Belastungsproben seine politische Stabilisierungsfunktion zugunsten der Erhaltung der Freiheit und Unabhängigkeit erfüllen können.
Wird daher eine solche eigene angemessene Sparleistung, ein solches persönliches Opfer zugunsten der Eigentumsbildung für die Familie erbracht, so ist es allerdings die feste Absicht der Bundesregierung, diese Leistung auch unter allen Umständen erfolgreich zum Ergebnis des Eigenheims oder der Eigentumswohnung zu führen.
Sie hat hierfür bereits das Instrument des Wohnungsbausparprämiengesetzes zur Verfügung, das dem Eigenheim- oder Eigentumswohnungsparer zu seiner eigenen Leistung noch zwischen 25 und 35 % als Prämie hinzugewährt. Die Bundesregierung ist gewillt, dieses Sparprämiengesetz in seiner eigentumsfördernden Wirkung noch dadurch zu verstärken, daß sie den Sparern bei Erreichung einer bestimmten, etwa zwischen 17 und 19 % der Gesamtherstellungskosten liegenden effektiven Sparleistung die Priorität in der Bewilligung nachstelliger Förderungsmittel einräumt. Sie wird durch
eine großangelegte Aktion alle Kreise der Bevölkerung, insbesondere unsere heranwachsende Jugend, aber auch die wohnungsuchenden jüngeren und älteren Ehepaare, zum selbstverantwortlichen einzelnen oder gemeinsamen Sparen für dieses schöne, in so außerordentlich weitgehendem Maße von ihr unterstützte und geförderte Ziel aufrufen.
Sie wäre sehr froh, wenn sich dabei insgesamt ein Überwiegen der durch eigene Vorleistungen gerechtfertigten Anrechte auf Eigenheime oder Eigentumswohnungen ergeben würde. Die Bundesregierung glaubt aber, daß es der Erfüllung dieses von ihr sehr ernst verfolgten Wunsches dienlicher ist, nicht von vorfixierten Majoritätsbindungen für öffentliche Förderungsmittel, sondern unmittelbar von den durch intensive Aufklärung erreichbaren Einzelleistungen und Anstrengungen auszugehen.
Das gleiche gilt für die Sicherung der erststelligen Finanzierung der Eigenheime oder Eigentumswohnungen. Der § 12 des Entwurfs sieht hier ebenfalls für die Kapitalsammelstellen und Sozialversicherungsträger feste gesetzliche absolute oder prozentuale Bindungen für die Anlage ihrer Mittel vor. Das Erste Wohnungsbaugesetz hat sich in dieser Hinsicht auf eine Ermächtigung beschränkt, weil es das notwendige Ziel einer fortlaufenden Kräftigung eines wieder voll funktionsfähigen Kapitalmarktes nicht stören wollte. Diese Ermächtigung brauchte bisher auch nicht angewandt zu werden, weil im Wege freiwilliger Vereinbarungen mit den Kapitalsammelstellen mit sehr gutem Erfolg eine noch weit höhere Finanzierungsleistung für den Wohnungsbau sichergestellt werden konnte.
Die Bundesregierung hat diese freiwillige Vereinbarung mit den Kapitalsammelstellen am 2. Dezember 1953 für das Jahr 1954 erneuert. Dabei haben die Kapitalsammelstellen auf ausdrücklichen Wunsch der Bundesregierung zugesagt, im Jahre 1954 ihre besondere Aufmerksamkeit der Förderung von Einzeleigentum zuzuwenden. Zwang — darin werden wir, glaube ich, auch mit Herrn Lücke durchaus in Übereinstimmung sein — soll man nur dort gebrauchen, wo er zum Wohle der Gesamtheit unumgänglich geboten erscheint.
Mit der Freiwilligkeit wird man auch in allen anderen Fällen ungleich mehr erreichen können. Für die Bundesregierung liegt kein Grund vor, an diesem Prinzip zu zweifeln; es hat sich bisher, wie besonders der überwältigende Wahlerfolg des 6. September eindrucksvoll unterstrichen hat, sehr gut bewährt. Die Kapitalsammelstellen haben sich, wie eben bereits betont, für das Jahr 1954 verpflichtet, der Förderung des Einzeleigentums ihre besondere Aufmerksamkeit zu widmen.
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Die Bundesregierung wird sehr wachsam die Einhaltung dieser Verpflichtung beobachten.
Sie sieht aber auf Grund der bisherigen Finanzierungsleistungen der Kapitalsammelstellen und im Rahmen ihrer gesamten Kapitalmarktförderungspolitik keinen Grund, dirigistische Maßnahmen zu verstärken.
In der gleichen Richtung bewegen sich gewisse Bedenken, Typenpläne für die Eigenheime auf Landesbasis und im Austauschwege auf Bundesebene festzulegen. Die Absicht, auf diese Weise zu einer Verbilligung der Bauvorhaben beizutragen,
wird aber durchaus positiv bewertet. Die Bundesregierung glaubt, durch die Förderung der allgemeinen Rationalisierung des Baugeschehens und eine vernünftige weitere Normung von Bauelementen diesem Ziel näherzukommen als durch die Inkaufnahme der Gefahr einer Uniformierung des Eigenheimbaues. Die Bundesregierung kann immerhin darauf hinweisen, daß es im Verfolg ihrer elastischen Maßnahmen gelungen ist, im abgelaufenen Jahr 1953 die Produktivität der Bauleistung um nicht weniger als 9 % in einem Jahr zu steigern. Das ist, wenn Sie die Möglichkeiten, Rationalisierungsmaßnahmen in irgendeinem Zweige der Wirtschaft durchzuführen, einmal durchdenken, eine außergewöhnliche Leistung. Die Bundesregierung wird im Rahmen ihrer Versuchs- und Vergleichsbauten im Jahre 1954 diese Bemühungen neben der Förderung des Wiederaufbaus in den zerstörten Stadtkernen in besonderem Maße auf die Verbilligung von Eigenheimbauten richten. Sie darf dabei auf die bisherigen Ergebnisse ihrer Untersuchungen verweisen, nach denen namentlich der Bau von zweigeschossigen Einfamilien-Reihenhäusern durchaus mit dem Bau mehrgeschossiger Mietwohnungsgebäude kostenmäßig zu konkurrieren vermag.
Im Rahmen dieser ersten Lesung würde es zu weit führen, auf alle weiteren durch diesen Entwurf angesprochenen Probleme im einzelnen einzugehen, über die man im Ausschuß ausführlich sprechen muß. Ich nenne nur die verfassungsmäßig schwierigen Fragen von Eingriffen in das Verhältnis Bund-Länder-Gemeinden, die Frage des vorgeschlagenen Betreuungszwangs für Eigenheime, die Finanzierung von Erschließungsmaß, nahmen der Gemeinden aus Mitteln des sozialen Wohnungsbaus, die Folgerungen hinsichtlich der Steuer- und Gebührenbefreiungen, die ja eine wesentliche Bedeutung für die mehr oder weniger große Förderung von Eigenheimwohnungen haben werden.
Es soll nochmals ausdrücklich betont werden: das Ziel des Entwurfs deckt sich mit den Plänen der Bundesregierung. Die Bundesregierung und insbesondere das Bundesministerium für den Wohnungsbau hat es sich daher als Aufgabe gestellt, zum frühestmöglichen Zeitpunkt die Voraussetzungen zur Erreichung dieses Ziels in einer Weise zu schaffen, die alle Schwierigkeiten dieses Entwurfs wirklich ausräumt, die darüber hinaus im Rahmen der im ganzen abgestimmten Gesamtkonzeption der Bundesregierung zu einer Regelung aller Wohnbaufragen führt, die aus einem Guß ist, den Zwang des Dirigismus weiter abbaut, die Bewilligungs-
und Genehmigungsverfahren, insbesondere die sogenannte Kästchenwirtschaft, wesentlich vereinfacht und überdies verspricht, für eine längere Periode Bestand zu haben. Dieser Erfolg kann aber nach der Auffassung der Bundesregierung wohl weniger durch ein weiteres Sondergesetz erreicht werden, das ohne innere Verzahnung und Abstimmung neben und zum Teil gegen das Erste Wohnungsbaugesetz gestellt wird. Herr Lücke wies j a vorhin bereits darauf hin, daß die Realisierung des Familienheimgesetzes in der vergangenen Legislaturperiode deswegen so große Schwierigkeiten gemacht habe, weil die Konzeption des Ersten Wohnungsbaugesetzes vollkommen anders gewesen sei.
Wenn man das jetzt als Sondergesetze nebeneinanderstellt, bleiben diese Unterschiedlichkeiten der Konzeption genau so bestehen, und das darf nach dem Willen der Bundesregierung nicht sein. Hier soll ein Guß und eine einheitliche Konzeption daraus werden, damit alle Bereiche der Wohnungsbaupolitik ohne Schwierigkeiten und ohne Hemmungen ineinandergreifen und ineinanderverzahnt werden.
Es ist deshalb die Absicht der Bundesregierung, nunmehr aus dem Ersten Wohnungsbaugesetz unter Einbau der wertvollen Gedanken dieses Entwurfs
und des Wohnbausparprämiengesetzes ein in sich geschlossenes, ein einheitliches Wohnbaugesetz, d a s Wohnungsbaugesetz, entstehen zu lassen.
Dieses Gesetz wird also noch viel weiter gehen als der hier erneut vorgelegte Entwurf. Es soll eine Art Magna Charta des Wohnbaues in allen seinen Erscheinungsformen werden, wobei die Schaffung von Einzeleigentum, Eigenheimen oder Eigentumswohnungen für Familien im Rahmen der tatsächlichen, besonders geförderten Einzelsparleistungen nicht zu einem schematischen, sondern zu einem wohnungspolitisch viel wirksameren und sich ständig steigernden organischen Vorrang kommen soll.
Dieses Ziel einer dauerhaften Magna Charta des Wohnungsbaues, eines widerspruchslosen Ineinandergreifens aller besonders wichtigen Maßnahmen — Eigenheimbau, Wiederaufbau zerstörter Stadtkerne und Versorgung der sozial besonders schwachen Schichten unseres Volkes mit Wohnungen und seine reibungslose Einordnung in die gesamte wirtschafts- und finanzpolitische Konzeption der Bundesregierung—dürfte es doch wohl wert sein, Herr Lücke, sehr ernst genommen zu werden. Es darf nicht so sehr darauf ankommen, w i e ein wertvolles Ziel erreicht wird. — Wir werden darüber im Ausschuß miteinander reden. — Es ist entscheidend, daß es in gerechter Abwägung aller zu berücksichtigenden Notwendigkeiten überhaupt und dazu möglichst schnell erreicht wird. Dazu wird nach der Auffassung der Bundesregierung viel eher das von ihr zur Zeit vorbereitete umfassende Wohnbaugesetz führen, das durch die tragende Idee dieses Entwurfs befruchtet wird, aber auch gleichzeitig seine Realisierung im Rahmen der Gesamtkonzeption der Bundesregierung gewährleistet.