Meine Damen und Herren, es wird nicht gewünscht, weitere Erklärungen abzugeben. Eine Aussprache in der ersten Beratung soll nach übereinstimmender Meinung der Fraktionen des Hauses nicht stattfinden.
Der Abgeordnete Dr. Weber hat die Überweisung der unter Punkt 1 a, b und c der Tagesordnung eingereichten Gesetzentwürfe — Drucksachen 124,
125 und 171 — federführend an den Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht und mitberatend an den Ausschuß für Fragen der europäischen Sicherheit beantragt. Ich bitte die Damen und Herren, die für Überweisung an die Ausschüsse stimmen, eine Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Der Überweisungsantrag ist mit Mehrheit angenommen. Damit ist die Überweisung erfolgt.
Wir kommen zu Punkt 2 der Tagesordnung:
Erste Beratung des von der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Schaffung von Familienheimen (Drucksache 5).
Zur Begründung Herr Abgeordneter Lücke; bitte
schön!
Lücke , Antragsteller: Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe die Ehre, Ihnen im Namen meiner Freunde den Entwurf eines Gesetzes zur Schaffung von Familienheimen zu begründen. Erlauben Sie mir zunächst ein Wort zur Vorgeschichte dieses Entwurfs. Der Ihnen vorliegende Gesetzentwurf — Drucksache 5 — lag schon dem ersten Deutschen Bundestag zur Beratung vor. Am 21. Januar 1953 — also vor rund einem Jahre — reichte meine Fraktion diesen Entwurf dem Deutschen Bundestag ein. Wir sind damals im Ausschuß für Wiederaufbau und Wohnungswesen mit der Beratung des Gesetzes aus Zeitgründen nicht fertig geworden. Zur gleichen Zeit standen nämlich in diesem Ausschuß und im Ausschuß für Bau- und Bodenrecht das Baulandbeschaffungsgesetz und die Novelle zum Ersten Wohnungsbaugesetz zur Beratung an. Die Beratung dieser beiden Gesetze hatte den Vorzug vor der Beratung des Familienheimgesetzes, weil das Familienheimgesetz sich weitgehend auf diesen Gesetzen aufbaut. Deshalb war die Verabschiedung des Baulandbeschaffungsgesetzes und der Novelle zum Ersten Wohnungsbaugesetz vor dem Familienheimgesetz notwendig.
Meine Fraktion legt Ihnen also heute den Gesetzentwurf in seiner alten, unveränderten Fassung erneut vor. Bei den Beratungen der Novelle zum Ersten Wohnungsbaugesetz wurde auf das Familienheimgesetz Bezug genommen in der Erwartung, daß die Verabschiedung dieses Gesetzes im neuen Bundestag so bald wie möglich erfolgt. Eine Änderung des Gesetzentwurfs bzw. seine Anpassung an die veränderte Situation, die durch die Verabschiedung der Novelle entstanden ist, hätte verfahrensmäßige Verzögerungen mit sich gebracht, die wir nicht verantworten konnten. Die notwendigen Änderungen liegen in unserem Ausschuß formuliert vor und werden bei den Ausschußberatungen berücksichtigt werden.
Wenn meine Freunde und ich dem Hohen Haus als ersten materiell-rechtlichen Antrag mit Drucksache 5 das Familienheimgesetz einbrachten, so erfüllten wir damit ein Versprechen, das wir unseren Familien gegeben haben, unverzüglich mit den Beratungen dieses Gesetzentwurfs fortzufahren. Die Beratungen wurden, wie uns allen bekannt ist, durch die Wahl am 6. September lediglich unterbrochen.
Zusammengefaßt lautet unsere Forderung, daß die Familie künftighin mehr, als es bisher geschehen ist, in den Mittelpunkt der Wohnungsbaupolitik gestellt wird. Das heißt, wir wünschen, daß
in den kommenden Jahren so gebaut wird, wie es unseren Familien dient. Das ist bisher nicht immer der Fall gewesen.
In der Regierungserklärung vom 20. Oktober 1953 fordert der Herr Bundeskanzler, daß die Schaffung von Eigenheimen als sozial wertvollster und am meisten förderungswürdiger Zweck staatlicher Wohnungs- und Familienpolitik anerkannt wird. Ähnlich lautende Formulierungen zur bevorzugten Förderung des Eigentums im Wohnungsbau wurden von Herrn Kollegen Ollenhauer, dem Führer der sozialdemokratischen Fraktion, und von den übrigen Fraktionen des Hohen Hauses anläßlich der Debatte über die Regierungserklärung gebraucht. Herr Bundesminister Dr. Preusker hat seither ebenfalls wiederholt diese Forderung herausgestellt.
Warum nun ein Familienheimgesetz, warum ein Zweites Wohnungsbaugesetz, lautet die erste Frage, mit der ich mich auseinanderzusetzen habe. Auch in den offiziellen Erklärungen des ersten Bundestages bestand über die besondere Förderungswürdigkeit dieser Ziele kein Zweifel. In der Praxis mußten wir jedoch am Schluß der vier Jahre feststellen, daß trotz aller positiven Erklärungen zur Förderung des Familienheimgedankens der Siedlungs- und Eigenheimbau gegenüber dem Mietwohnungsbau hoffnungslos ins Hintertreffen geraten ist. Aus den mir vorliegenden, leider immer noch sehr unvollständigen Statistiken seien nur folgende Zahlen genannt. Von den rund 320 000 im öffentlich geförderten Wohnungsbau bewilligten Wohnungen des Jahres 1952 und von den über 190 003 bewilligten Wohnungen des ersten Halbjahres 1953 entfielen 28,4 % bzw. 28,9 % auf Kleinsiedlerstellen und Einfamilienhäuser. Nimmt man die Einliegerwohnungen heraus, die für diese Betrachtung als Mietwohnungen zu gelten haben, so verbleibt ein Eigentumsanteil im öffentlich geförderten Wohnungsbau von 16,3 % für 1952 und von 17,4 % für das erste Halbjahr 1953. Nimmt man die echte Eigentumsbildung in den Mehrfamilienhäusern, soweit sie von privaten Bauherren errichtet wurden, hinzu — das sind z. B. die Häuser, die der private Haus- und Grundbesitz gebaut hat —, so ergeben sich für die echte Eigentumsbildung für 1952 und 1953 lediglich 20 % sämtlicher öffentlich geförderter Wohnungen. Das bedeutet mit anderen Worten ausgedrückt, daß im öffentlich geförderten Wohnungsbau in den letzten vier Jahren nicht einmal jeder Fünfte, der in Auswirkung des Ersten Wohnungsbaugesetzes eine Wohnung erhielt, zugleich Eigentümer dieser Wohnung geworden ist. Es verblieben also rund 80 % der aus Steuergeldern geförderten Wohnungen im Besitz einiger weniger Wohnungsunternehmen.
Das ist eine erschütternde Feststellung. Im Bundesgebiet wurden 2,3 Millionen Wohnungen zerstört. Etwa 10 Millionen Vertriebene und Ostflüchtlinge strömten in das Bundesgebiet ein. Hinzukommt die große Zahl der heimgekehrten Soldaten. Der größte Prozentsatz dieser Menschen verfügte vor dem Kriege bereits über ein persönliches Eigentum, meistens am eigenen Heim. Sie sind jetzt zum Teil als Mieter irgendwo untergebracht. Das bedeutet eine wesentliche Vermehrung der unverhältnismäßig breiten Schichten der eigentumslosen Menschen in unserem Vaterlande. Es kann und darf nicht Sinn dieser unserer Wohnungsbaupolitik sein, daß die Steuergelder dazu verwendet werden, Rieseneigentum in den Händen einiger weniger Wohnungsunternehmen zu schaffen. Vielmehr müssen künftighin die aus Steuergeldern geförderten Wohnungen in das Eigentum einzelner Bürger übergeführt werden, vor allem aber in die Hände solcher wohnungsuchenden Familien, die ihr Eigentum durch den Bombenkrieg oder die Vertreibung aus den Ostgebieten verloren haben. Ebenso muß jungen Familien die Möglichkeit gegeben werden. durch Abzahlung der Wohnung nach und nach Eigentümer derselben zu werden.
Wir sind der Meinung, daß es eben nicht genügt, daß künftighin Wohnungen irgendwelcher Art geschaffen werden. Der Wohnungsbau darf nicht nur nach wirtschaftlichen, finanziellen und technisch gegebenen Gesichtspunkten ausgerichtet werden; die erstellten Wohnungen müssen so beschaffen sein, daß sich die Familien in allen Phasen des Lebens in ihnen gesund entfalten können. Darum lautet die Grundforderung, die wir an die künftige Wohnungsbaupolitik zu stellen haben, daß überall, wo es möglich ist, Haus und Boden Eigentum der Familien werden. Deshalb soll jeder Familie, die bereit ist, zu sparen und für ihr Eigentum in Selbsthilfe und auf andere Weise etwas zu leisten, der Zugang zum Grund und Boden und zu einem eigenen Heim ermöglicht und erleichtert werden.
Darum bekennen sich meine Freunde zu dem Grundsatz eines geordneten Bodenrechts als einer wichtigen Mitvoraussetzung zur Erreichung dieses Zieles. Die Verabschiedung des Baulandbeschaffungsgesetzes im ersten Deutschen Bundestag hat bereits ein wichtiges Hindernis auf dem Wege zur Verwirklichung dieser Forderung beseitigt.
. Wir nennen das Gesetz „Familienheimgesetz" und haben in § 2 des Ihnen vorliegenden Entwurfs definiert, was wir darunter verstehen. Wir müssen auch in der Sprachregelung mehr und mehr von dem Begriff der Wohneinheit abkommen. Dieser Begriff hat zu einer verhängnisvollen Uniformierung des sozialen Wohnungsbaues geführt. Der Anteil der Ein-, Zwei- und Dreizimmerwohnungen einschließlich Küche, die für eine Familie auf die Dauer zu klein und ungeeignet sind, weil die Wohnflächen nicht reichen, beträgt auch heute noch weit über 50 %. Der Anteil der Vierzimmerwohnungen einschließlich Küche betrug z. B. 1952 lediglich 28 %. Die Ursache für diese Entwicklung liegt darin, daß die Hergabe der öffentlichen Gelder weitgehend schematisch nach Wohneinheiten ohne Berücksichtigung der Familien erfolgte, die solche Wohnungen beziehen sollten. Unser Gesetzentwurf bricht deshalb mit dieser Vorstellung und sieht in § 14 vor, daß die Höhe des zu gewährenden Darlehensbetrages im Einvernehmen mit den Ländern nach der Zahl der Quadratmeter Wohnfläche und nicht mehr nach Wohneinheiten bestimmt wird. Weiter fordern wir, daß das öffentliche Darlehen zur Schaffung von Familienheimen nach der Größe der Wohnfläche und der Zahl der im Familienheim unterzubringenden Familienangehörigen zu bemessen ist. Die Verwirklichung dieser Bestimmung wünschen wir nicht nur für das Familienheimgesetz, sondern wir fordern auch für die Mietwohnung, daß sie zur Familienwohnung wird, d. h. nach Größe und Ausstattung so beschaffen ist, daß sie Raum für die Entwicklung gesunder Familien bietet.
Man fragt uns: Benötigt man ein eigenes Gesetz, um diese Forderung zu verwirklichen, ein Gesetz, das sich überdies noch Zweites Wohnungsbaugesetz nennt? Nun, diese Frage hat in der öffentlichen
Diskussion lebhaftes Echo hervorgerufen, und zwar mit Recht. Auch wir haben uns diese Frage bei der Novellierung des Ersten Wohnungsbaugesetzes vorgelegt. Es hat sich damals bei den Beratungen herausgestellt, daß es nicht möglich ist, diese Konzeption in das Erste Wohnungsbaugesetz einzubauen. Die besondere Problematik des Mietwohnungsbaues läßt sich mit dieser Forderung in einem Gesetz schwer, vielleicht sogar gar nicht vereinigen. Wir meinen jedoch, daß die besonders förderungswürdigen Ziele dieses Gesetzes es wert sind, in einem eigenen Gesetz übersichtlich zusammengestellt zu werden. Im Zusammenhang mit der novellierten Fassung des Ersten Wohnungsbaugesetzes, dem Baulandbeschaffungsgesetz und dem künftigen Bundesbaugesetz muß man dieses Gesetz sehen, wenn man es recht beurteilen will. Es gehört in diese Konzeption und stellt, wie ich bereits einleitend sagte, nichts Neues dar, sondern ist in den letzten vier Jahren so in diese Konzeption hineingewachsen.
Es ist jetzt nicht der Zeitpunkt, zu den Fragen eingehend Stellung zu nehmen. Ich möchte nur der allzu oft geäußerten Meinung vieler Wohnungsunternehmen entgegentreten, die heute behaupten, daß eine stärkere Eigentumsförderung im Wohnungsbau bisher nicht möglich gewesen sei. Ich könnte Ihnen eine Reihe gemeinnütziger Genossenschaften und gemeinnütziger Gesellschaften aufzählen, die auch bisher bereits unter den recht schwierigen Bedingungen bis über 80 % Kleinsiedlungen und Eigenheime geschaffen haben. Vor allem erinnere ich an die kirchlichen Siedlungsträger und Siedlungsdienste. Zweifellos gehört und gehörte dazu eine wesentlich größere Anstrengung als zur Errichtung vieler Mietwohnungen. Diese Unternehmen, die sich also bisher vornehmlich das Ziel stellten, unseren Menschen über den Wohnungsbau zu einem Eigentum zu verhelfen, sind natürlich wirtschaftlich gesehen gegenüber solchen Unternehmen im Nachteil, die fast ausschließlich Mietwohnungen bauten, um sie zu verwalten. Das Familienheimgesetz geht von der Vorstellung aus, daß es die vornehmste Aufgabe der Wohnungswirtschaft, insbesondere der gemeinnützigen Wohnungswirtschaft sein muß, den Wohnungsbau immer mehr als Träger für andere durchzuführen und die Heime nach der Fertigstellung an eigentumswillige Bevölkerungskreise abzugeben. Um die Erfüllung dieser Forderungen zu erleichtern, werden die Bestimmungen zur Förderung des sogenannten Vorrats-Eigenheimbaues noch stärker ausgebaut werden.
Erlauben Sie mir hierzu noch eine Bemerkung allgemeiner Art. In Zusammenhang mit dem Gesetz wirft man der CDU/CSU-Fraktion vor, nun in den Stadtkernen — in München an der Liebfrauenkirche, in Köln am Domplatz und in Berlin am Zoo — Kleinsiedlungen und Eigenheime bauen zu wollen. Böswillige Kritiker stellen diese Behauptung auf. Um auch unseren Menschen in den Großstädten die Möglichkeit zum Erwerb des Eigentums an einer Wohnung zu geben, haben wir im ersten Bundestag einmütig das Gesetz zur Schaffung des Wohnungseigentums verabschiedet. Dieses Gesetz ermöglicht es auch in den Städten, in mehrgeschossigen Häusern nach und nach die Mietwohnung durch das Wohnungseigentum abzulösen.
Wir haben mit dem Wohnungsbauausschuß verschiedene Reisen gemacht, um zu prüfen, wie es in anderen europäischen Ländern aussieht. Ich hatte kürzlich Gelegenheit, mit einem wohnungspolitischen Team eine Fahrt durch die Vereinigten Staaten zu machen. In England ist das Familienheim, so wie es dieses Gesetz vorsieht, die Norm des Wohnungsbaus. Amerika hat seit 1950 von den jährlich 1 Million Wohnungen, die dort gebaut werden, über 90 % als Einfamilienhäuser errichtet mit dem klaren Ziel, seine Bewohner, vor allem seine Arbeiter, so mit einem persönlichen Eigentum zu versehen, ihnen aber zugleich eine Wohnmöglichkeit zu geben, die der Familie entspricht.
Es gibt noch einen Grund für unseren Gesetzentwurf. Für größere Familien, vor allem für kinderreiche, wurden in den letzten Jahren kaum geeignete Häuser gebaut. Die Bestimmungen dieses unseres Entwurfs sollen sichern, daß künftighin vor allem für kinderreiche Familien gebaut wird. Auch in den Ländern, in denen das noch nicht der Fall ist, müssen entsprechend dem Beispiel des Landes Nordrhein-Westfalen auf dem Wege der Zahlung von Lasten und Mietbeihilfen Möglichkeiten gefunden und vervollständigt werden, für diese Familien, soweit es erforderlich ist, die größeren Wohnungen finanziell tragbar zu gestalten.
Nicht nur kinderreiche Familien brauchen solche Wohnungen, sondern auch die Großfamilie, die durch die Flucht und die Umwandlungen in unserer Bevölkerungsstruktur entstanden ist, vor allem auch die junge Familie. Wir dürfen es nicht mehr zulassen, daß über die Kleinstwohnungen, die man vornehmlich jungen Ehepaaren anbietet, unsere jungen Familien in ihrer Entwicklung gehemmt werden.
Schon allein die Aufführung dieser Gedanken wäre überzeugend genug für die Vorlage eines Familienheimgesetzes. Ich muß jedoch. noch einige Förderungsbestimmungen erwähnen, die hier enthalten sind. In einer Reihe wichtiger Bestimmungen ist sichergestellt, daß den Familienheimen die ihnen gebührende Förderung auch in finanzieller Hinsicht zuteil wird. Vor allem ist daran gedacht, für die Erreichung des Familienheimes keine größeren Eigenleistungen zu fordern als für vergleichbare Mietwohnungen. Es war doch bisher so, daß von den Wohnungsuchenden eine wesentlich höhere Eigenleistung gefordert wurde, wenn er eine Siedlerstelle oder ein eigenes Häuschen errichten wollte; sie ging bis zu 40 % und mehr der Baukosten. Bei. Mietwohnungen wurde dagegen in der Regel nur eine Eigenleistung von etwa 10 % gefordert.
Wir wollen niemand ein Eigenheim schenken. Wer ein Eigenheim haben will, muß sparen und Opfer bringen. Jedoch sollte die höhere Eigenleistung, die oft unter härtesten persönlichen Anstrengungen aufgebracht wird, vermehrt dazu dienen, das errichtete Haus schuldenfrei zu machen. Darum befaßt sich der Entwurf auch mit der Frage, der vorzeitigen Rückzahlung der Landesmittel. Wir sind der Meinung, daß derjenige eine Belohnung in Form einer Prämiierung verdient, der seine Landesmittel vorzeitig zurückzahlt. Es führt zu weit, die Einzelheiten hier zu erläutern.
Mir verbleibt zum Schluß noch die Aufgabe, mich mit den Kritikern dieses Gesetzentwurfs auseinanderzusetzen. Es gibt im Bauwesen das geflügelte Wort: „Wer am Wege baut, hat viele Meister!" Ich kann Ihnen sagen, daß gerade dieses Gesetz die Wahrheit dieses Wortes bestätigt hat. Ich will nicht die vielen lancierten Presseartikel im einzelnen diskutieren, die vornehmlich in der Fachpresse erschienen sind und die sich lediglich die formellen Mängel des Entwurfs zum Vorwand genommen haben,
um die grundsätzliche Zielsetzung des Gesetzes zu diskreditieren. Ich erhielt auf der Amerikareise zwei Artikel, die sich mit dem Gesetz befaßten. Da stand etwas von einem Eigenheimkomplex oder von einer fixen Idee. Interessant bei diesen beiden Artikeln war, daß der eine von einem uns allen hier nicht unbekannten kommunistischen Journalisten stammt und der andere von dem Schreiber einer extremen Rechtsrichtung. Diese beiden Extreme waren immer bereit, eine Konzeption zu bekämpfen, wenn sie wirklich dem Wohle des sogenannten kleinen Mannes dient.
Wenn ich jedoch die Gruppe der Kritiker betrachte, ergibt das schon ein bemerkenswertes und aufschlußreiches Bild. Auf der einen Seite stehen die Millionen Familien, die stärkstens an diesem Gesetz interessiert sind. Von dort findet der Entwurf lebhafteste und ungeteilte Zustimmung. Auf der andern Seite stehen die am Wohnungsbau wirtschaftlich interessierten Kreise. Hier sind es im besonderen die großen Mietwohnungsunternehmen, die in dem Gesetz eine Gefahr für ihre Existenz sehen. Ich kann diesen ruhig sagen, daß den Initiatoren dieses Gesetzes völlig klar ist, daß wir auch künftighin einen sehr hohen Prozentsatz von Mietwohnungen für solche Menschen brauchen, die noch keinen festen Standort haben oder auch nicht am Eigenheim interessiert sind, vor allem aber auch für ledige Personen. Das aber steht alles im Gesetz. Es muß also mit der Kritik etwas anderes gemeint sein.
Darum sind die Stimmen schon ernster zu nehmen — es sind Gott sei Dank wenige —, die mit immer größerer Hartnäckigkeit behaupten, daß unser Volk und unsere Familien kein Eigentum mehr wollten. Hier dürfen wir nicht ohne Grund jene Kreise vermuten, die grundsätzlich gegen die Zielsetzung dieses Gesetzes eintreten. Ein Schreiber in einer bekannten westdeutschen Zeitung wirft mir vor, woher ich den Mut nähme, zu behaupten, daß so viele Menschen überhaupt noch bereit seien, die Last eines Eigentums auf sich zu nehmen, die damit verbundenen Kosten zu tragen usw. Nun, die Antwort darauf lautet, daß an der Bereitschaft breitester Schichten unseres Volkes, zu einem persönlichen Eigentum zu kommen, gar kein Zweifel vorhanden ist. Wäre sie nicht mehr vorhanden, so wäre es um die Entwicklung unseres Volkes und um die Sicherung unserer innenpolitischen Freiheit in der Zukunft schlecht bestellt. Diesen Kritikern muß immer und immer wieder gesagt werden, daß die persönliche Freiheit des Menschen auf die Dauer nur denkbar ist, wenn sie sich auf Eigentum in irgendeiner Form gründen kann. Haben wir ausgerechnet in Deutschland vergessen, daß der Bolschewismus zur Aufrichtung seiner Herrschaft zunächst überall das persönliche Eigentum des einzelnen vernichten mußte? Hat man vergessen, daß am 17. Juni in der Ostzone die rebellierenden Arbeiter die Staatsläden zerschlugen? Die kleine reizende Szene, wo dieselben Arbeiter den Laden mit der Aufschrift „Privates Eigentum" unversehrt ließen, soll hier nicht unerwähnt bleiben. Wenn wir die Eigentumsfreudigkeit unserer Familien nicht mehr ermutigen und fördern, werden wir auf die Dauer eben diesem Kollektivsystem, das aus dem Osten drohend vor uns steht, nicht wirkungsvoll begegnen können.
Mir war eine Bemerkung am Ende unserer Amerikareise anläßlich der Schlußbesprechung in Washington, die ein führender Gewerkschaftler machte, besonders aufschlußreich. Er führte zur
Begründung des unverhältnismäßig hohen Anteils des Eigenheimbaus am amerikanischen Wohnungsbau — über 90 % — an: Wie sollen wir Amerikaner unseren Arbeitern die Verantwortung für die Öffentlichkeit, gegenüber Staat und Gemeinden klarmachen, wenn wir ihnen nicht die Möglichkeit bieten, über Haus und Hof Eigentümer, Steuerzahler und somit echte Mitglieder der Gemeinde zu werden?
Mir wurde die Entwicklung im Bergarbeiterwohnungsbau zur Kenntnis gebracht. Der Anteil der Eigentumsmaßnahmen, die wir im Bergarbeiterwohnungsbau gefördert haben, ist dort beachtlich gestiegen. Ich kann jedoch den Kritikern, die nun immer wieder behaupten, der Eigentumswille sei geschwunden, auch noch mit einigen exakten Zahlen antworten. Im Jahre 1952 wurden erstmals seit dem Zusammenbruch zwei große Befragungen im Ruhrgebiet und im Münchener Raum durchgeführt. Bei der Befragung der wohnungsuchenden Bergleute wurde festgestellt, daß über die Hälfte aller Befragten eindeutig ein Eigenheim mit Garten wünschten. Weitere 25 % wollten ein Ein- oder Zweifamilienhaus mit Garten, mit der Möglichkeit, es später als Eigentum erwerben zu können.
Zu dem gleichen Ergebnis kommt die durch Herrn Professor Rücker im Münchener Raum mit größter Sorgfalt und unter möglichster Ausscheidung aller Fehlerquellen durchgeführte Befragung von 5400 Angehörigen aller Berufsschichten. Es wurde festgestellt, daß 65 % aller Befragten das frei stehende Einzelhaus, das Reiheneinfamilienhaus oder das Zweifamilienhaus, also genau das, was wir unter Familienheim verstehen, wünschten.
Meine Damen und Herren, Sie werden danach sicher verstehen, daß die Industriegewerkschaft Bergbau Ende 1952 in einem Schreiben an den Vorsitzenden des Wiederaufbauausschusses darauf hinwies, daß damals auch im Bergarbeiterwohnungsbau — von dem ich bereits sagte, daß heute erfreulicherweise der Eigentumsanteil steigt — am wirklichen Bedarf vorbeigebaut worden sei. Dieses Schreiben der Industriegewerkschaft Bergbau an mich schließt mit der Feststellung:
Sie mögen daraus ersehen, daß viele Kräfte am Werke sind, den Eigenheimgedanken des Bergarbeiters zu ersticken und statt des längst vergangenen ländlichen Großgrundbesitzes einen neuen erstehen zu lassen, der sich nicht an Hektar, sondern an Wohnungseinheiten messen läßt.
Zur Ergänzung: bei 60 Frauenorganisationen in Schleswig-Holstein haben wir eine ähnliche Befragung durchgeführt. Es entschieden sich 92 % für das Einfamilienhaus. Selbst in Berlin führte die Deutsche Angestellten-Gewerkschaft eine Erhebung bei den Angestellten durch. Davon entschieden sich selbst in Berlin 36 % aller Befragten für ein Einoder Zweifamilienhaus, am Rande der Stadt Berlin. Es ist also einfach nicht wahr, daß unsere Menschen kein Eigentum wollten. Wir sollten alles tun, um die Eigentumsfreudigkeit in unserem Volk zu steigern, weil erst diese Voraussetzung die Erfüllung der staatspolitischen Aufgabe, die wir zu leisten haben, ermöglicht.
Weitere kritische Stimmen befürchten, daß der Entwurf den Aufbau unserer Städte verhindere oder vor allem in den Stadtzentren den Wohnungsbau unmöglich mache. Dieser Vorwurf ist einfach nicht berechtigt. Selbstverständlich muß der Wiederaufbau in unseren Stadtkernen in einer
zeitgemäßen und vernünftigen Form gefördert werden. Im Rahmen der Stadtplanung besteht jedoch keinerlei Schwierigkeit, vor allem an den Stadträndern, durch Reihenbauweise im Sinne des Familienheimgesetzes zu bauen.
Schließlich sagt man, das erforderliche Land für eine derartige Eigentumspolitik stehe nicht zur Verfügung. Ich habe rein rechnerisch untersuchen lassen, wieviel Land man zum Beispiel benötige, um für 4 Millionen Familien Wohnungen zu schaffen. Das Wohnungsbauministerium erklärt, daß fast 4 Millionen Familien noch nicht ordnungsmäßig untergebracht seien, daß wir also noch fast 4 Millionen Wohnungen benötigten. Wenn ich zugrunde legte, daß für diese 4 Millionen Familien etwa 800 qm je Familie genommen würden — das kommt aber bei weitem nicht in Frage, weil wir mit weniger Fläche auskommen —, benötigte man Land von etwa 12 % des Gebietes von Schleswig-Holstein. Sie können die Rechnung fortsetzen: das ist etwas mehr oder weniger — ich habe es nicht genau durchgerechnet — als 1 % der Fläche der Bundesrepublik. Der Mehrbedarf ist also wirklich nicht so erschütternd. Auch für Mietwohnungsbauten braucht man Land. Jedoch bleibt die Aufgabe hier, den erforderlichen Landbesitz gerecht zu verteilen, ihn nicht einem einzelnen wegzunehmen. Auch hier sollten in der Zurverfügungstellung von Bauland für Familienheime der Bund mit seinem, die Länder, die Städte und Gemeinden mit ihrem Landbesitz ein Vorbild geben.
Zum Schluß komme ich noch auf eine kritische Stimme zu sprechen, die behauptet, daß ein derartiger Gesetzentwurf die zügige Durchführung des Wohnungsbauprogramms gefährde. Diese Gefahr besteht auch nicht. Die Wohnungsunternehmen, vor allem die gemeinnützigen, sollen wie bisher bauen. Wir müssen und wollen den Wohnungsbau steigern;
aber sie sollen nicht mehr bauen, nur um zu verwalten, sondern sollen echte Trägerfunktionen übernehmen und die fertigen Häuser nach und nach in das Eigentum von eigentumswilligen Familien überführen.
Diese Forderung wird seit Jahren gestellt.
Für den einzelnen ist es sehr schwierig, selber zu bauen, vor allem wegen des noch undurchdringlichen Formalismus. Viele Baulustige werden davon zurückgeschreckt. Darum sieht unser Gesetzentwurf vor, daß von der Möglichkeit des Baues von sogenannten Vorrats-Eigenheimen oder Häusern von der Stange in großem Umfange Gebrauch gemacht wird.
Ich darf mir in diesem Zusammenhang eine Bemerkung erlauben. In der Fülle der kritischen Stimmen wird mir zu Unrecht vorgeworfen, ich sei ein Gegner der gemeinnützigen Wohnungswirtschaft, insbesondere der gemeinnützigen Wohnungsbaugenossenschaften. Wer das gelesen hat, was ich über den Wohnungsbau gesagt habe — ich muß das zur Rechtfertigung dieser Genossenschaften und auch meiner Arbeit erklären —, der weiß — es liegt alles schriftlich fest —, daß ich nie etwas gegen die Genossenschaften und die gemeinnützigen Wohnungsunternehmen als solche gesagt habe.
Ich kritisiere jedoch hier, wie ich es auch in der Vergangenheit getan habe, solche Unternehmen, die zum Selbstzweck geworden sind,
die ihre Aufgabe nicht mehr darin sehen, als überschaubare Genossenschaften für den einzelnen zu bauen, sondern sie darin erblicken, zu bauen, um zu verwalten.
— Dasselbe gilt für die privaten Wohnungsunternehmen. Selbstverständlich wird im Familienheimbesitz darin kein Unterschied gemacht. Ich betone noch einmal, es geht uns darum, daß wir ohne Verzögerung durch den Einsatz der gesamten Wohnungswirtschaft in der Form des Vorrats-Eigenheims bauen können und so der Wohnform nach die Voraussetzungen dafür schaffen, daß später eigentumswillige Kreise Besitzer solcher Wohnungen werden. Und, verehrter Herr Kollege Albers, wir beide sind uns darüber klar, daß hierbei die Genossenschaften wie bisher beispielhaft vorangehen werden.
Meine Freunde und ich hoffen, daß der Gesetzentwurf im Ausschuß für Wiederaufbau und Wohnungswesen — ich darf bitten, ihn an diesen Ausschuß zu überweisen — so beraten wird, wie wir es im ersten Bundestag in diesen Fragen getan haben: sachlich, kritisch, um möglichst zu einem gemeinsamen Ergebnis zu kommen.
Ich darf zum Schluß noch einmal sagen, meine Freunde und ich sind bereit, jeden Weg mitzugehen, der zu einer Verbesserung dieses Gesetzes führen kann. Wir sind jedoch nicht bereit, durch irgendwelche Maßnahmen — gleich, welcher Art — die Verabschiedung dieses Gesetzentwurfs zu verzögern. Wir legen ein Gesetz vor, das der Familie dienen soll. Über die Familie wird viel gesprochen. Ich glaube, das Hohe Haus tut gut daran, hier eine Tat zu setzen und den Familien Voraussetzungen zu schaffen, unter denen eine gesunde Entwicklung möglich ist. Adalbert Stifter sagt in seinem „Nachsommer" ein ernstes Wort, das hier zum Schluß angeführt sei: „Alles Gute im Staat und in der menschlichen Gesellschaft kommt von der Familie." Helfen wir alle, den Gesetzentwurf zu verwirklichen, um diesem Wort zu entsprechen.