Rede:
ID0200502700

insert_comment

Metadaten
  • sort_by_alphaVokabular
    Vokabeln: 7
    1. Das: 1
    2. Wort: 1
    3. hat: 1
    4. der: 1
    5. Abgeordnete: 1
    6. Dr.: 1
    7. Gille.: 1
  • tocInhaltsverzeichnis
    2. Deutscher Bundestag — 5. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 29. Oktober 1953 65 5. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 29. Oktober 1953. Geschäftliche Mitteilungen 65 C Änderung der Tagesordnung, — Absetzung der Wahl der Mitglieder des Kontrollausschusses beim Bundesausgleichsamt . 65 C Nächste Fragestunde 65 C Teilnahme des Sprechers des Repräsentantenhauses der Vereinigten Staaten von Amerika an der Sitzung 65 C Präsident D. Dr. Ehlers . . . . 65 D, 67 A Joseph W. Martin, Speaker des. amerikanischen Repräsentantenhauses . . . 65 D Wahl der Mitglieder des Wahlprüfungsausschusses (Drucksache 34) 68 B Wahl der Mitglieder des Richterwahlausschusses kraft Wahl (Drucksache 35) 68 B, 82 A Wahl der vom Bundestag zu entsendenden Mitglieder des Vermittlungsausschusses nach Art. 77 Abs. 2 des Grundgesetzes (Drucksache 3'7) 68 C Wahl der vom Bundestag zu entsendenden Mitglieder des Verwaltungsrates der Deutschen Bundespost (Drucksache 39) . . . . 68 D Wahl der Wahlmänner für die vom Bundestag zu berufenden Richter beim Bundesverfassungsgericht (Drucksache 36) 69 A, 82 A Fortsetzung der Aussprache über die Erklärung der Bundesregierung vom 20. Oktober 1953 69 B Dr. von Merkatz (DP) 69 B Dr. Preusker, Bundesminister für Wohnungsbau '79 A Jacobi (SPD) 82 B Dr. Jaeger (CSU) 83 C D. Dr. Gerstenmaier (CDU) . . . 88 D Haasler (GB/BHE) 94 D Dr. Kather (CDU) 97 C, 103 C Dr. Oberländer, Bundesminister für Vertriebene 100 B Dr. Schöne (SPD) 100 D Dr. Gille (GB/BHE) 102 C Kiesinger (CDU) 103 D Nächste Sitzung 108 D Die Sitzung wird um 9 Uhr 33 Minuten durch den Präsidenten D. Dr. Ehlers eröffnet.
  • folderAnlagen
    Keine Anlage extrahiert.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Joachim Schöne


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die wirtschaftspolitischen Ausführungen des Herrn Bundeswohnungsbauministers veranlassen mich zu einigen kurzen Darlegungen. Zunächst darf ich meiner und meiner politischen Freunde Freude darüber Ausdruck geben, daß der Herr Bundeswohnungsbauminister den abwesenden Herrn Bundeswirtschaftsminister so lebendig vertreten hat. Wir hätten uns noch mehr gefreut, wenn dieses Beispiel Nachahmung gefunden hätte, vielleicht beim Herrn Bundesverkehrsminister, der inzwischen seine Zelte wohl schon abgebrochen hat und wieder auf Reisen gegangen ist

    (Zuruf von der SPD: Sonst schafft er die Kilometer nicht!)

    und dessen Darlegungen über das Verhältnis seiner
    Verkehrspolitik zur sozialen Marktwirtschaft für


    (Dr. Schöne)

    uns sicher außerordentlich interessant gewesen wären.

    (Heiterkeit.)

    Sodann möchte ich mit Freude feststellen, daß der Herr Bundeswohnungsbauminister gestern Kenntnis von den wirtschaftspolitischen Grundsätzen der SPD bekommen hat. Er hat dafür den Ausdruck „Offenbarungen" gewählt. Nun, meine Damen und Herren, ich weiß gar nicht, ob „Offenbarung" das richtige Wort ist; denn der Abgeordnete Dr. Preusker hätte sich in den abgelaufenen vier Jahren wohl oft und gern davon überzeugen können, daß wir Sozialdemokraten uns im Wirtschaftspolitischen Ausschuß dieses Hohen Hauses mehrfach bemüht haben, unsere Prinzipien nicht nur zu verkünden, sondern effektiv werden zu lassen. Ich denke z. B. daran, wie wir uns bemüht haben, die Schärfe der Bewirtschaftungsmaßnahmen aus den Wirtschaftssicherungsgesetzen herauszubringen.

    (Zustimmung bei der SPD.)

    Oder ich denke daran, wie wir uns um die Abwehr eines Bundesleistungsgesetzes bemüht haben. „Offenbarungen" darf man wohl auch deswegen nicht sagen, weil diese Konzeption der Wirtschaftspolitik der Sozialdemokratie in dem Aktionsprogramm klar und eindeutig klargelegt ist, das ja jedermann zugänglich und sogar käuflich ist.(Heiterkeit.)

    Wir haben mit großer Freude davon Kenntnis genommen, daß bereits einige Kollegen dieses Hohen Hauses sich sehr viel Mühe gemacht haben, sich in die wirtschaftspolitische Konzeption der SPD hineinzudenken

    (Zuruf rechts: In die neue !)

    — das können Sie schlecht beurteilen, weil Sie sie nicht gelesen haben —, so z. B. Herr Prof. Dr. Böhm, der einen sehr beachtenswerten Artikel in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung" vom 24. Oktober 1953 geschrieben hat. Dieser Aufsatz ist Ihnen ja geläufig; denn Sie haben ihn bekommen mit dem Auszug aus den Pressestimmen der Bank deutscher Länder, die Sie ja regelmäßig bekommen und regelmäßig lesen. Nur als Gedächtnisstütze: es ist die Nr. 123. Wir hätten nur gewünscht, daß vielleicht dieses Beschäftigen mit den wirtschaftspolitischen Prinzipien der Sozialdemokratie bereits vor dem Wahlkampf eingesetzt hätte,

    (Beifall bei der SPD)

    und es wäre sicherlich so manches Mißverständnis nicht aufgekommen.

    (Lebhafte Zurufe von der CDU. — Abg. Kiesinger: Ihr hättet klarer davon sprechen müssen! — Weitere Zurufe.)

    — Dafür können wir ja nicht; wir stehen jederzeit zu einer Aussprache bereit. Ich kann es ja verstehen: „Sozialdemokratie und Planwirtschaft", das war so ein niedliches politisches 'Spielzeug für Sie! Und nun meine Bitte an Sie: Vergessen Sie doch bitte einmal Ihren Schmerz über den Verlust dieses so lieben Spielzeugs

    (Lachen rechts)

    und geben Sie sich etwas Mühe, sich in unsere Konzeption hineinzudenken.

    (Beifall bei. der SPD. — Zuruf rechts: Eine „ruhmreiche 100jährige Geschichte"!)

    Herr Preusker hat als anerkannter Freiwirtschaftler zugegeben, daß es Gebiete gibt, in denen die marktwirtschaftlichen Prinzipien nicht funktionieren. Er hat — und das ist vielleicht ein kleiner Lapsus — allerdings im Zusammenhang mit diesen marktwirtschaftlichen Bereichen die Eisen- und Stahlindustrie zitiert. Gestatten Sie mir hierzu ein paar Ausführungen an Hand von zwei Beispielen.
    In den letzten zehn Monaten hatte der Herr Bundeswirtschaftsminister sich bemüht, auf dem Gebiet des deutschen Eisenpreises eine Senkungsaktion herbeizuführen, um zu einer Belebung dieses Wirtschaftsgebietes zu kommen. Er hat es zunächst einmal dadurch versucht, daß er mehr als eine Monatsproduktion von Walzwerkserzeugnissen einschleuste. Diese Maßnahme mußte ohne Wirkung auf das Preisgebiet bleiben. Die Preise gaben nicht nach; sie konnten auch nicht nachgeben. Darüber hinaus hat der Herr Bundeswirtschaftsminister mehrere Propagandareisen bei Eisenschaffung und Eisenverarbeitung unternommen, um hier eine solche marktkonforme Maßnahme zu erreichen. Gleichzeitig aber übernahm er als Bundeswirtschaftsminister die Stabführung bei ,der Festsetzung des deutschen Eisenpreises. Das Ergebnis war, daß auch diese Propagandareise nicht zu dem gewünschten Erfolg führte. Es mußte ja auch schiefgehen, wenn man sich auf der einen Seite um marktkonforme Mittel bemüht und auf der anderen Seite gleichzeitig das Protektorat über ein Bundesregierungseisenkartell übernimmt.

    (Beifall und Heiterkeit bei der SPD.)

    Das Gesamtergebnis dieser Bemühungen war, daß man aus der Unkenntnis, daß marktwirtschaftliche Prinzipien auf diesem Gebiete ihre Funktion nicht rein erfüllen können, nun nicht zu einem Erfolg kam. Das Ergebnis, das zu bedauern ist, ist, daß die deutsche eisenschaffende Industrie sich gegenwärtig in einer außerordentlich schwierigen Situation befindet.
    Nun das zweite Beispiel aus der Investitionspolitik der Grundindustrie. Herr Dr. Preusker hat als Kronzeugen Herrn Präsidenten Monnet und den Schumanplan angeführt und hat zitiert, daß nach diesem Plan und nach dem Wollen der Hohen Behörde der Zug der Investitionsmittel zum besten Wirt gehen solle. Nun, meine Damen und Herren, liegt die Situation denn hier nicht ganz anders? Die Sozialdemokratie hat bei ,der parlamentarischen Behandlung des Schumanplans darauf hingewiesen, daß die einzelnen Ebenen für die Eisenindustrie der Montan-Union-Länder durchaus unterschiedlich sind und daß die einzelnen zusammengefügt werden sollen mit ganz unterschiedlichen Ausgangspositionen. Denken Sie doch bitte einmal auf der einen Seite an die zementierte Dezentralisierung für die deutsche Eisenwirtschaft und auf der anderen Seite z. B. an die planmäßige Zentralisation in Frankreich. Dieser Tage ging ja durch die Presse die Mitteilung, daß mehr als die Hälfte der französischen Eisenerzeugung sich allein auf vier große Unternehmungen beschränkt. Hier wäre es doch wohl Aufgabe der Bundesregierung gewesen, diese Startungleichheit zu beseitigen und alle Maßnahmen zu treffen, um die Startgleichheit nachzuholen.

    (Zustimmung bei der SPD.)

    Nun haben wir Ansätze für ein solches Bemühen in der Vergangenheit, die auch einmal wieder 'an die Oberfläche geholt werden sollten. Ich erinnere z. B. an die Planungsversuche von Niederbreisig und an das Planungsversuchen des Strathus-Gutachtens. Wenn ich nicht irre, war sogar der der-


    (Dr. Schöne)

    zeitige Bundeswohnungsbauminister an den beiden Planungsarbeiten maßgeblich beteiligt.

    (Heiterkeit bei der SPD.)

    Alle diese Bemühungen aber, von Niederbreisig und Strathus wegen der Aufsprengung der Investitionsengpässe — so sagte man damals — blieben Versuche und Ansätze. Das einzig Positive aus dieser Erinnerung ist eigentlich, daß auch bei der Koalition die Erkenntnis vorherrscht, daß Eisen 'und Stahl ein Gebiet ist, in dem eben die marktwirtschaftlichen Prinzipien nicht rein gelten und gelten können. Es hat doch praktische Versuche gegeben, die Belebung auf diesem Sektor herbeizuführen. Ich denke z. B. an die Investitionshilfe. Sie wäre sicherlich ein Hilfsmittel gewesen, Versäumtes nachzuholen. Aber wenn es zwei Jahre braucht, bis die ersten Maßnahmen daraus effektiv werden, dann, kann man nur sagen, hat man zu Versäumtem noch weitere, neue 'Säumigkeit hinzugefügt. Wir haben z. B. im Wirtschaftspolitischen Ausschuß des vergangenen Bundestages festgestellt, daß die Bürgschaftsmittel des Bundes aufgestockt werden könnten, und es ist der Ausschuß gewesen, der von sich aus diese Mittel um 100 Millionen DM für die Grundindustrie aufgestockt hat. Der Herr Bundeswirtschaftsminister wußte davon nichts, er konnte es auch nicht wissen; er war nicht da. Aber all diese Maßnahmen waren zu wenig, und sie kamen zu spät.
    Sehen Sie, meine Damen und Herren, gerade das Investitionsgebiet der Grundstoffindustrie wäre ein Ansatzpunkt für eine Investitionspolitik nach Vorstellung der Sozialdemokratie. Es kommt nämlich darauf an, erstens bestehende Schwierigkeiten in der deutschen Eisenindustrie auszuräumen, zweitens mit wirtschaftspolitischen Mitteln zu verhindern, daß Schwierigkeiten, die bei der Eisenschaffung liegen, sich in die darüber liegenden Wirtschaftsbereiche der Verarbeitung usw. erstrekken und dorthin ausstrahlen, und drittens geht es darum, die bewußten und bekannten Startnachteile der deutschen Eisenindustrie auszugleichen.
    Nur das, meine Damen und Herren, wollte ich Ihnen in wenigen Worten zu den Ausführungen des Herrn stellvertretenden Bundeswirtschaftsministers

    (Heiterkeit bei der SPD)

    sagen. Wir werden ja hoffentlich bald Gelegenheit haben, von dieser Stelle aus ausführlich über die marktwirtschaftliche Konzeption der FDP, über die marktwirtschaftliche Konzeption der CDU und über die 'marktwirtschaftliche Konzeption der SPD zu sprechen, und wir sollten uns für diese Auseinandersetzung Muße und Zeit nehmen

    (Richtig! bei der CDU)

    und sollten mit aller Deutlichkeit sine ira et studio diese Dinge ansprechen. Ich darf Ihnen nur heute erklären, daß die Opposition auf dem wirtschaftspolitischen Gebiet immer bereit ist, auf den Gebieten, auf denen marktwirtschaftliche Prinzipien wirksam werden können, alles zu tun, um die Voraussetzungen für einen wirklichen Wettbewerb, einen fairen Wettbewerb zu schaffen.

    (Bravo! in der Mitte und rechts.)

    Eben deshalb haben wir es so lebhaft bedauert, daß der Herr Bundeskanzler übersehen hat, das Kartellgesetz zu erwähnen.

    (Lachen und Händeklatschen bei der SPD.)

    Es würde mich sehr freuen, wenn wir baldmöglichst die Debatte über die marktwirtschaftliche
    Konzeption — hier und da, vielleicht um das neue Kartellgesetz — von dieser Stelle aus führen könnten.
    Ich darf Ihnen ferner namens meiner Freunde erklären, daß Sie uns immer bereit finden werden, auf den Gebieten, auf denen marktwirtschaftliche Prinzipien nicht genügend wirksam werden können, wirtschaftspolitisch alles zu tun, um eine schnell wirksame und vom gesamtwirtschaftlichen Wohl diktierte aktive Wirtschaftspolitik zum Zuge zu bringen.

    (Beifall bei der SPD.)



Rede von Dr. Richard Jaeger
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Gille.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von: Unbekanntinfo_outline


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (GB/BHE)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: ()

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist mir eine aufrichtige Freude, namens meiner politischen Freunde Herrn Dr. Kather und den heimatvertriebenen Abgeordneten seiner Fraktion, für die er gesprochen hat, dafür zu danken, daß er die Aufgaben, die im gegenwärtigen Augenblick der Vertriebenenpolitik auf dem sozialen und wirtschaftlichen Sektor noch gestellt sind, umrissen hat. Wir stimmen mit ihm fast ausnahmslos überein. Wir sind der Meinung, daß es jetzt darauf ankommen sollte, das Instrument, das diese Vertriebenenpolitik zu handhaben hat, so stark und so wirkungsvoll wie möglich zu machen. Wir meinen, daß das nicht allein ein Anliegen der Vertriebenen-Abgeordneten — gleichgültig, welcher Fraktion — sein sollte, sondern daß eigentlich alle, die an der Hebung der Produktivkraft unserer Volkswirtschaft interessiert sind, endlich Verständnis dafür finden sollten, daß hier noch unendlich viel ungenutzte Produktivkraft vorhanden ist, die im Interesse des Ganzen schnellstens zur Wirkung gebracht werden sollte.
    Allerdings sollte man diese gemeinsame Aufgabe nicht so anfassen, daß man Unterscheidungen macht, welche Fraktion für diese Aufgabe den zuständigen Minister gestellt hat oder nicht gestellt hat. Herr Dr. Kather, darauf kann es doch wohl nicht ankommen! Ich glaube nämlich nicht, daß wir, besonders wenn wir zu den Regierungsparteien gehören, unser Mandat als Bundestagsabgeordnete richtig sehen, wenn wir sagen: „Wir sind dadurch von der Teilnahme an der Verantwortung freigestellt" oder „Uns hat man die Teilnahme versagt". Ich meine, jeder Abgeordnete, zumindest jeder Abgeordnete der Regierungsparteien, sollte sich voll verantwortlich fühlen für das, was die Bundesregierung in den einzelnen Ministerien in unser aller Namen tut oder unterläßt.

    (Beifall in der Mitte.)

    Ich stimme Ihnen zu, Herr Dr. Kather, wenn Sie hier die Auffassung vertreten haben, das Ergebnis der letzten Wahl dürfe nicht so gesehen werden, als ob im Zuge einer wirtschaftspolitischen Eingliederung der großen Masse der Vertriebenen auch eine politische Konsolidierung stattgefunden hätte.

    (Abg. Dr. Kather: Genau das Gegenteil habe ich gesagt!)

    — Verzeihung, dann habe ich Sie falsch verstanden. Ich hatte schon die Befürchtung, Sie wollten hier die Prognose aufstellen, die dreieinhalb Millionen Wähler Ihrer Fraktion könnten das nächste Mal zum BHE kommen.

    (Lachen in der Mitte.)



    (Dr. Gille)

    Aber Scherz beiseite: ich glaube — und vielleicht wird mir Herr Dr. Kather insoweit zustimmen —, wir sollten alle Veranlassung haben, das Problem der Heimatvertriebenen — es sind immerhin Millionen — vom Standpunkt der politischen Konsolidierung aus mit außerordentlichem Ernst zu. betrachten. Ich bin allerdings der Meinung, daß diese Frage noch nicht ausgestanden ist. Wir wollen heute dankbar anerkennen, daß diese Millionenmasse in all den Jahren der Not und Verzweiflung Disziplin und Verantwortungsbewußtsein gegenüber dem Staatsganzen bewahrt hat. Wir haben aber alle Veranlassung, uns der Verpflichtung bewußt zu bleiben, auch alles zu tun, damit es in Zukunft so bleibt.
    Ganz wenige Worte zu den außenpolitischen Ausführungen von Herrn Dr. Kather, dem ich auch insoweit weitestgehend zustimmen kann. Ich schlage vor, das unglückliche Wort vom Kondominium aus dem deutschen Sprachschatz zu entfernen. Jetzt einmal ein Wort an die Presse: es ist doch mehr als merkwürdig, daß der Herr Bundeskanzler mit aller nur wünschenswerten Deutlichkeit die Unterstellungen zurückgewiesen hat, die ihm im Zusammenhang mit diesem Wort gemacht worden sind. Die deutsche Presse — wenigstens einige der Herren — scheint im Augenblick keine andere Aufgabe zu finden, als so zu tun, als ob dieses Dementi des Herrn Bundeskanzlers unwahr wäre, immer weiter über diesen unglückseligen Ausdruck zu debattieren und lange Leitartikel darüber zu schreiben. Wer sich nur einigermaßen die Mühe macht, dem Inhalt des völkerrechtlichen Begriffs Kondominium einmal nachzugehen, der kann mir nur recht geben, wenn ich die Bitte ausspreche, diese Dinge im deutschen öffentlichen Raum nicht mehr zu erörtern. Das ist kein Begriff, der uns auch nur einen Schritt oder auch nur einen Zentimeter der Lösung der Fragen entgegenbringt.

    (Beifall beim GB/BHE.)

    Ein letztes! Herr Dr. Kather hat mit vollem Recht betont, daß im Rahmen der deutschen Ostpolitik das Recht auf Heimat eine' sehr beachtliche Rolle spielen wird und spielen muß, das Recht auf Heimat, das wir nicht nur für die deutschen Vertriebenen in Anspruch nehmen, sondern mit genau der gleichen Ehrlichkeit für alle Menschen, die zum osteuropäischen Raum, der sich zum freien Abendland zu bekennen wünscht, gehören und dort siedeln. Mit dem Begriff Recht auf Heimat hat es eine etwas eigenartige Bewandtnis. Er ist heute, das dürfen wir nicht verkennen, noch nicht Inhalt des anerkannten Völkerrechts. Unsere Aufgabe muß es sein, dahin zu kommen. Es ist nämlich ein Begriff, der in Millionen Herzen so fest verankert ist, daß er nicht herauszureißen ist. Das. gesunde Rechtsgefühl von Millionen ist hier der Schrittmacher für die Bildung eines völkerrechtlichen Begriffs. Die Wissenschaft sollte es sich sehr angelegen sein lassen, den Inhalt dieses Begriffs und seine Abgrenzung zu anderen völkerrechtlichen Begriffen, insonderheit zu dem Begriff des Selbstbestimmungsrechtes sehr bald zu untersuchen und auf eine solche Grundlage zu stellen, daß es der deutschen Politik gelingen kann, diesen Begriff zu einem anerkannten Begriff des Völkerrechts zu gestalten.
    Wenn ich gesagt habe, daß das Gefühl für das, was von diesem Begriff umschlossen wird, in Millionen Menschen lebt, dann darf ich dafür vielleicht einen kurzen Hinweis geben. Es kann nicht bestritten werden, daß bei den jetzigen Bewohnern der deutschen Ostgebiete das Gefühl, daß sie irgendwie rechtlich nicht fundiert liegen, wenn sie dort stehen und arbeiten, wie alle Nachrichten bezeugen, sehr weit verbreitet ist. Für meine Heimat Ostpreußen sind Tausende von Belegen dafür beizubringen, daß die dort angesiedelten Bauern das Gefühl haben, sie stehen nicht auf eigenem, sondern auf fremdem Volksgrund.
    Eine letzte Bitte. Die Fragen der deutschen Ostpolitik mit dem Ziel der Wiedergewinnung der deutschen Ostgebiete sind so heikel, ,daß sie eigentlich ein für allemal aus dem Thema aller Sonntagsreden und aus der Themenstellung aller lückenfüllenden Leitartikel verbannt werden sollten. Wir haben die herzliche Bitte an die Bundesregierung, insonderheit an den Herrn Bundeskanzler, diese Frage mit den ,dazu berufenen und auch erfahrungsgemäß in den Stand gesetzten Vertretern der deutschen Ostgebiete zu besprechen. Wir legen entscheidenden Wert darauf, bei all diesen Bemühungen in enger Fühlungnahme mit der amtlichen deutschen Außenpolitik zu bleiben. Nur dann ist es möglich, auf diesem sehr heißen Territorium keine Fehlschritte zu tun und kein Porzellan zu zerschlagen.

    (Beifall beim GB/BHE.)