Ich möchte hier nur an die stetige Steigerung der Produktion erinnern, an die Erfüllung des Wohnungsbauprogramms, an die Erhöhung der sozialen Leistungen. Auf diesen Gebieten und auf vielen anderen ist unendlich viel mehr geschehen, als manche — auch sehr maßlose — Forderungen von uns verlangt haben.
Der Herr Bundeskanzler hat sich dann in seiner Regierungserklärung auch mit einer Analyse des Wahlergebnisses beschäftigt. Ich möchte diese Ausführungen ergänzen. In dem Wahlkampf, der hinter uns liegt, war sich die gesamte Opposition in einer Forderung einig: daß die Regierung, die in den letzten vier Jahren die Verantwortung trug, gestürzt werden müsse. Die Parole: „Stürzt Adenauer!" war die gemeinsame Forderung aller politischen Kräfte in der Opposition. So verschieden auch die programmatischen Ziele der damals nicht gerade geringen Anzahl ,der kleinen und großen oppositionellen Gruppen war, in dieser Forderung
stimmten sie alle überein. Wenn auch die Sozialdemokratische Partei, die nunmehr allein die Opposition in diesem Hause vertritt, in dem, was sie wollte und forderte, sich häufig von den anderen oppositionellen Kreisen sehr wesentlich unterschied, so gab es doch in dieser gemeinsamen Forderung keinen Unterschied: Die Politik des Bundeskanzlers und der hinter ihm stehenden Regierungskoalition müsse durch eine andere außenpolitische und wirtschaftspolitische Konzeption ersetzt werden. Mit dieser Forderung erhielt der Wahlkampf eine echte politische Note. Es ging nicht mehr in erster Linie um ein Bekenntnis zu einem mehr oder weniger zeitoffenen oder angestaubten Parteiprogramm; das Volk wurde aufgefordert, sich zu der Politik der vergangenen vier Jahre zu bekennen und mit dem Stimmzettel die Voraussetzungen für ihre Fortsetzung und Vollendung zu schaffen oder sich für eine radikale Abkehr vom bisherigen Weg zu entscheiden. Die Frage war klar. Ich glaube, daß die Antwort ebenso klar und eindeutig war.
Es gibt in diesem Parlament keine kommunistische Gruppe mehr. Die wiederholte Empfehlung des Kreml, unter allen Umständen zunächst einmal diese Regierung zu stürzen, um dann einen anderen Weg zu gehen, war zu durchsichtig, als daß der deutsche Wähler sie nicht verstanden hätte. In diesem Parlament sitzen auch keine Vertreter radikaler Rechtsgruppen mehr. In Deutschland und vielleicht noch mehr im Ausland wurde oft die Frage diskutiert, wie stark wohl jene Kreise seien, die noch im Ungeist des Dritten Reiches lebten. Auch darüber hat der 6. September Klarheit geschaffen. Weder die Gruppen um Dr. Wirth noch die um Dr. Heinemann, die für die Wahl dieses eigenartige Versicherungsbündnis auf Gegenseitigkeit abgeschlossen hatten — eine Vereinbarung, die gerade vom Standpunkt eines Dr. Heinemann aus so unbegreiflich war —, konnten einen Sitz in diesem Parlament erringen. Der Versuch, auf die verhängnisvolle und unrealistische Parole des „Ohne mich" zurückzugreifen, war ebenso ergebnislos wie das Bekenntnis zu einer mißverstandenen Neutralität, das letztlich ja nichts anderes bedeutete als die Kapitulation vor einem neuen totalitären System und die Resignation vor der Gewalt und dem Unrecht. Das deutsche Volk hat mit einer eindrucksvollen Mehrheit die Parole des Radikalismus von links und von rechts ebenso abgelehnt, wie es illusionären und unrealistischen Schwärmern die Gefolgschaft verweigerte.
Aber auch die größte Oppositionspartei hat eine eindeutige politische Niederlage erlitten. Wie im Jahre 1949 hat das deutsche Volk auch im Jahr 1953 das politische Programm der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands abgelehnt mit dem wesentlichen Unterschied, daß diese Ablehnung im Jahr 1953 noch eindeutiger und noch klarer war.
Der 6. September führte zu einem Vertrauensbeweis für den Bundeskanzler und einer Anerkennung der von der Regierung und der Regierungskoalition geleisteten Arbeit, die nun einmal nicht wegdiskutiert werden können. Die Partei des Bundeskanzlers hat in diesem Hause die absolute Mehrheit errungen. Damit ist der 6. September zu einem Erfolg geworden, wie ihn eine Regierung bei einem Wahlrecht, das jede Stimme zählte, nach vier Jahren der Verantwortung wohl selten erzielt hat.
Das Ergebnis hat aber auch der deutschen Politik der kommenden vier Jahre eine feste und gesicherte
Grundlage gegeben. Das ist nicht nur für die innenpolitische Entwicklung von Bedeutung. Die Entscheidung des deutschen Volkes gibt der starken Mehrheit in diesem Hause auch die Möglichkeit, eine stete und klare Außenpolitik zu treiben, eine Politik der vertrauensvollen Zusammenarbeit mit den Völkern der freien Welt, eine Politik der Wiedervereinigung mit den heute noch von uns getrennten Deutschen jenseits des Eisernen Vorhangs, aber auch eine Politik, die das Ziel der europäischen Einigung mit erhöhter Intensität verfolgen kann.
Es scheint mir nicht sehr sinnvoll zu sein, an dem Wahlergebnis des 6. September nun zu drehen und zu deuteln. Man kommt damit nicht weiter, meine Damen und Herren, wenn man etwa den Verlust der Wahlkreise in einer großen westdeutschen Stadt darauf zurückführt, daß an diesem Tage eine Herbstmesse stattgefunden habe.
Ein Blick in die statistischen Unterlagen beweist sehr eindeutig die Sinnlosigkeit einer solchen Argumentation. Die Ursachen für das Ergebnis des 6. September liegen wahrhaftig tiefer. Verlierer und Gewinner dieser Wahl sollten sich darüber in aller Offenheit Rechnung geben. Der deutsche Wähler hat sich zur Politik der letzten vier Jahre bekannt. Er hat es abgelehnt, denen zu folgen, die kein klares Ziel aufzuweisen vermochten. Die Unentschlossenheit, die Unklarheit und das Verharren in der Negation waren nicht geeignet, den deutschen Wähler zu überzeugen. Mit dem Wahlzettel hat die überwiegende Mehrheit des deutschen Volkes die nachdrückliche Forderung erhoben, die bisherige politische Linie fortzuführen, und zwar — das möchte ich sehr klar sagen — mit den gleichen Mitteln, in der gleichen Weise und auf den gleichen Wegen wie {bisher.
Ebenso eindeutig und klar war aber auch das Bekenntnis des deutschen Volkes zu der neuen rechtsstaatlichen und demokratischen Ordnung und zu der Politik des Friedens und 'der Verständigung. Um so mehr mußten gewisse Kommentare überraschen und enttäuschen, die nach dem 6. September veröffentlicht wurden. Ich bedauere es, daß in Deutschland Stimmen laut wurden, die den Versuch unternahmen, dieses Wahlergebnis zu verfälschen. Es mutet geradezu grotesk an, dem Sieger dieser Wahl, dem Bundeskanzler Dr. Adenauer, politische Absichten zu unterstellen, die das deutsche Volk selber am 6. September so eindeutig abgelehnt hat.
Man sprach sogar von einem ersten Schritt in eine neue totalitäre Politik.
Ich verstehe und würdige, daß aus solchen spontanen Äußerungen die tiefe Enttäuschung des Verlierers spricht. Aber wer sich zu einer solchen unsachlichen Kritik hinreißen läßt, sollte doch bedenken, daß er damit nicht dem deutschen Bundeskanzler, sondern dem deutschen Volk Schaden zufügt.
Es muß hier eindeutig festgestellt werden, daß die Mehrheit in diesem Parlament in der Hand von Demokraten liegt, die sich dagegen verwahren müssen, wenn man ihre Absichten und ihre Gesinnung anzweifelt.
Daran, daß die Opposition die Wahl verloren hat
und daß das deutsche Volk sich gegen sie entschieden hat, ist nichts zu ändern. Das rechtfertigt — ich sagte es schon — vielleicht eine Enttäuschung, aber keineswegs die Behauptung, daß die demokratische Ordnung ihre Verfechter nur in den Reihen der Opposition finde.
Ich hoffe, daß die Arbeit der nächsten Zeit auch den letzten Zweifler überzeugen wird. Wir werden ebenso wie in den vergangenen Jahren hier im Deutschen Bundestag nicht diktieren, sondern diskutieren.
Wir werden, wie ich hoffe, gemeinsam um die richtige Entscheidung ringen.
Auch das Echo, das diese Wahl im Ausland gefunden hat, war oft überraschend und widerspruchsvoll. Die einen — und ich glaube, es waren nicht die Schlechtesten — sprachen mit Befriedigung aus, daß das deutsche Volk einen Beweis seiner politischen Reife erbracht und das Vertrauen gerechtfertigt habe, das man ihm in den letzten Jahren entgegenbrachte. Mit vollem Recht wurde auch festgestellt, daß diese Wahl ein klarer Sieg der europäischen Idee gewesen sei. Andere Kritiker meinten, das Wahlergebnis sei nicht gerade beruhigend. Es gab Stimmen, die es als eine ernste Gefahr für Frankreich interpretierten.
Lassen Sie mich dem entgegenhalten, was kluge und besonnene Kritiker meinten. In einer großen englischen Zeitung las man die Frage — ich glaube, sie war mit vollem Recht gestellt —, welches andere mögliche Ergebnis den Freunden Deutschlands denn eine größere Sicherheit hätte geben können. Und eine angesehene Zeitung eines neutralen Landes hat sich sehr überzeugend mit den „terribles simplificateurs", mit den schrecklichen Vereinfachern auseinandergesetzt, die den großen Stimmen- und Mandatsgewinn der CDU/CSU sehr töricht in eine Parallele zu dem einstigen Aufstieg der NSDAP bringen wollten. Dieser Kritiker stellt mit Recht fest, man müsse ganz und gar des Sinnes für Proportionen entbehren, um solche Vergleiche auch nur anzudeuten.
Und er fügt die richtige Feststellung hinzu, daß Hitler durch eine nihilistische Opposition und mit hemmungslosen Versprechungen an die Macht gelangte, während der Bundeskanzler Dr. Adenauer und seine Partei auf Grund ihrer Rechenschaftslegung über eine vierjährige Regierungszeit die absolute Mehrheit im Bundestag errungen haben.
Vielleicht werden Sie fragen, warum ich mich noch einmal mit solchen kritischen Stimmen auseinandersetze. Meine Damen und Herren, ich muß zu meinem Bedauern feststellen, daß ein konkreter Anlaß dazu vorliegt, den hier zur Diskussion zu stellen mir gar nicht einmal leicht fällt. In der französischen sozialistischen Zeitung „Le Populaire" hat das Vorstandsmitglied der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands, Herr Fritz Heine, eine Artikelserie veröffentlicht, die in den Nummern vom 3., 5. und 6. Oktober erschienen ist. Herr Fritz Heine setzt sich in diesem Beitrag mit dem Wahlergebnis, mit seinen Ursachen und mit seinen möglichen Folgen auseinander. Ich würde es dankbar
begrüßen, wenn der Sprecher der sozialdemokratischen Fraktion sich ebenfalls mit dieser Veröffentlichung beschäftigen und uns sagen würde, inwieweit seine Partei und seine Fraktion sich mit diesen Ausführungen identifizieren.
Ich verschweige nicht, daß meiner Überzeugung nach von der Antwort auf diese Frage sehr viel abhängen wird, ob es in diesem zweiten Bundestag mehr als im ersten möglich sein wird, zu einer gemeinsamen Außenpolitik in den Fragen zu kommen, von deren Lösung das Schicksal des ganzen deutschen Volkes nach unserer Überzeugung abhängt.
Ich glaube sagen zu dürfen, daß nicht einmal die
Märchenbeilage einer kleinen deutschen Provinzzeitung einen solchen Beitrag veröffentlicht hätte.
Ich möchte nicht alles zitieren, aber Herr Fritz Heine stellt in seinem Artikel unter der Überschrift „Die Wahlkampagne, ein Haßfeldzug gegen die Sozialisten" unter anderem fest:
In Tausenden von Orten wagten die Sozialdemokraten nicht, zuzugeben, daß sie Mitglieder oder Anhänger der SPD waren.
Meine Damen und Herren, ich frage mich wirklich, wo Herr Fritz Heine eigentlich die Monate Juli und August des Jahres 1953 verbracht hat. Hier wird eindeutig den Parteien, die diese Wahl gewonnen haben, unterstellt, sozialdemokratische Wähler mit brutalen Mitteln terrorisiert zu haben.
Dabei konnte wohl jeder ruhige und einigermaßen unvoreingenommene Beobachter feststellen, daß diese Wahl bei aller Leidenschaftlichkeit der politischen Auseinandersetzung sich in einer Atmosphäre der Ruhe vollzogen hat, die geradezu bewundernswert war.
Heine widerspricht sich übrigens. Ich glaube zu wissen, daß er wenige Tage nach der Wahl noch erklärt hat, der Propagandaapparat der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands habe bis in die letzte der 20 000 deutschen Ortschaften hinein geklappt.
Im übrigen verraten solche Äußerungen auch sehr wenig Einsicht, meine Damen und Herren. Wenn frühere Anhänger der Sozialdemokratischen Partei am 6. September nicht diese SPD wählten, dann war das nicht ein Zeichen der Furcht vor einem nicht vorhandenen Terror, aber vielleicht ein Zeichen der Furcht davor, daß die SPD die Regierung übernehmen würde.
An anderer Stelle schreibt Herr Fritz Heine:
Die Bundesregierung hat gewissenlos Steuermittel ausgegeben und für reine Propagandazwecke die Beamten der verschiedenen Ministerien eingesetzt. Sie hat ihre Befugnisse in schockierender Weise mißbraucht.
Und er fährt dann fort, und dafür erbitte ich Ihre besondere Aufmerksamkeit, meine Damen und Herren:
Während die Opposition im Laufe der letzten zehn Tage des Wahlfeldzugs sich nicht über den Rundfunk an die Wähler wenden konnte,
hatten Dr. Adenauer und Wirtschaftsminister Dr. Erhard von der CDU das Monopol dieser Propagandamittel während dieser entscheidenden Tage.
Meine Damen und Herren, ich glaube, ich kann mich mit der Feststellung begnügen, daß der Versuch, ausgerechnet die deutschen Rundfunkgesellschaften einer einseitigen Parteinahme für die Politik der CDU zu bezichtigen, wirklich fehl am Platze ist.
Im übrigen erlaube ich mir hinzuzufügen, daß die deutschen Rundfunkgesellschaften mit den Leitungen der politischen Parteien über die Zuteilung von Sendezeiten an diese Parteien während der letzten vier Wochen vor der Wahl klare und eindeutige Vereinbarungen getroffen haben. Von insgesamt 332 Sendungen wurden der CDU/CSU 87 zugeteilt.
Ich nehme an, daß diese Vereinbarung sogar die Unterschrift des Herrn Fritz Heine trägt.
An anderer Stelle — und das ist das letzte Zitat, das ich bringe — heißt es:
Ehemalige Naziführer forderten die Wähler auf, nicht für die kleinen Splittergruppen, sondern für die Regierungsparteien zu stimmen. Es läßt sich schwer beurteilen, wieviele Wähler sich durch diese Losungen beeinflussen ließen. Es ist jedoch gewiß, daß die CDU/CSU vor allem die Stimmen der Parteien der äußersten Rechten gewonnen hat, ferner derjenigen, die früher nicht wählten, oder derjenigen, die für die Nazis stimmten.
Zunächst einmal bin ich — und lassen Sie mich das offen sagen — der Meinung, daß man endlich mit dieser häßlichen Gesinnungsschnüffelei aufhören sollte,
auszurechnen, wem vielleicht der nominelle Parteigenosse Müller oder Schmidt seine Stimme gegeben hat.
Und ich meine, wir sollten alle froh sein, daß diese Stimmen den aufbauwilligen und demokratischen Parteien in diesem Hause zugeflossen sind.
Es ist uns . gelungen, und mit Erfolg gelungen, wie die Zusammensetzung dieses Hauses zeigt, den Ungeist des Nationalsozialismus, der im letzten Bundestag doch noch in vereinzelten Exemplaren hier im Parlament auftrat, aus diesem Hause zu verbannen. Aber, meine Damen und Herren, auch Herr Fritz Heine sollte wissen, daß auf allen Bänken dieses Hauses Frauen und Männer sitzen, die sich mutig und zum Teil unter Einsatz ihres Lebens gegen die Verbrechen des unseligen Naziregimes zur Wehr gesetzt haben.
Wenn ein maßgeblicher Politiker für eine große demokratische deutsche Partei in einer ausländischen Zeitung, die die Richtigkeit nicht zu kontrollieren vermag, derartige subversive Behauptungen aufstellt, dann sollte er sich darüber klar sein, daß er damit die Vertrauensgrundlage erschüttert, die die unerläßliche Voraussetzung einer jeden Aufbauarbeit in der deutschen Politik sein muß.
Er schadet damit dem deutschen Volk. Ich meine, es müßte die gemeinsame Aufgabe von uns allen in diesem Hause sein, solche Schäden vom deutschen Volk fernzuhalten und dazu beizutragen, daß die demokratische Ordnung erhalten wird und sich entfalten kann, aber nicht zerstört wird.
Meine Damen und Herren! Ich habe im übrigen den Feststellungen, die auch der Herr Bundeskanzler über das Wahlergebnis getroffen hat, nichts mehr hinzuzufügen, und ich glaube, daß die Praxis der nächsten vier Jahre auch noch manchen Zweifler überzeugen wird, vielleicht sogar den einen oder anderen derjenigen, die hier im Hause sitzen.
Meine Damen und Herren! Wir in der Fraktion der CDU/CSU wissen sehr wohl, daß die Entscheidung vom 6. September uns nicht nur eine außergewöhnliche Vollmacht erteilt, sondern uns auch außergewöhnliche Verpflichtungen auferlegt hat. Wir können mit einem berechtigten Stolz feststellen, daß wir das Vertrauen gerechtfertigt haben, das das deutsche Volk uns am 14. August 1949 ausgesprochen hat.
— Ja, wir haben uns vom Wähler überzeugen lassen, weil wir Demokraten sind, Herr Kollege!
Sie dürfen überzeugt sein, daß wir alles tun werden, um auch in den nächsten vier Jahren eine Arbeit zu leisten, mit der wir nach Abschluß der Legislaturperiode wieder vor dem deutschen Volk bestehen können:
Und ich richte hier den wirklich ehrlichen und aufrichtigen Appell auch an die Opposition, sich dieser Arbeit nicht zu entziehen. Es ist nicht meine Aufgabe und auch nicht meine Absicht, meine Damen und Herren, der Opposition Vorschriften oder Vorschläge zu machen. Das stünde mir nicht zu. Aber ich begnüge mich damit — und das wird man mir gestatten müssen —, aus der Rede des Sprechers der Opposition in der Sitzung vom 21. September 1949 einen Satz zu zitieren:
Es ist richtig, daß die Opposition sich nicht in der bloßen Verneinung der Regierungsvorschläge erschöpfen kann. Das Wesen der Opposition ist der permanente Versuch, an konkreten Tatbeständen mit konkreten Vorschlägen der Regierung und ihren Parteien den positiven Gestaltungswillen der Opposition aufzuzwingen.
An dieser Art der Mitarbeit — dessen dürfen Sie sicher sein — wird niemand im Hause die Opposition hindern.
Ich sagte, meine Damen und Herren, daß die Fraktion der CDU/CSU eine wenn auch knappe Mehrheit in diesem Hause besitzt. Sie hat daraus keine Konsequenzen gezogen. Sie hat keine EinParteien-Regierung gebildet. Sie will schon gar nicht und unter gar keinen Voraussetzungen einen Ein-Parteien-Staat. Die Koalition ist auf eine noch breitere Basis gestellt worden, und wir werden gemeinsam die Politik weiter verfolgen, die in den letzten vier Jahren von der Koalition begonnen wurde. Diese eindeutige Absage meiner Partei an eine Ein-Parteien-Regierung und der Entschluß, die Koalition zu erweitern, sollten die Öffentlichkeit, aber auch die Welt davon überzeugen, daß die verantwortlichen Männer dieser Partei mit Besonnenheit an ihre Aufgaben herangehen und weit davon entfernt sind, ihre Vollmachten zu mißbrauchen.
Meine Damen und Herren! Wenn wir von der Zusammenarbeit sprechen, dann sollten wir uns daran erinnern, daß jedes menschliche Zusammenleben von der Achtung abhängt, die wir einander entgegenbringen.
Das gilt vom Zusammenleben im Staat ebenso wie in anderen Ordnungsbereichen. Diese Achtung beruht, wie wir glauben, auf der Anerkennung der Würde des Menschen. Er ist Sinn und Ziel jeder politischen Arbeit, und niemals kann es eine Institution sein, die diese Stellung für sich beanspruchen könnte, am wenigsten der Staat. Staat, Gesellschaft und Wirtschaft sind des Menschen wegen da und nicht umgekehrt. Wer so vom Menschen denkt und ihn in den Mittelpunkt des Geschehens stellt, der achtet seinen Wert, seine Würde, seine Freiheit und sein Gewissen. In der Anerkennung der menschlichen Persönlichkeit liegt auch das Bekenntnis zu echter Toleranz, die, ohne die eigene Überzeugung preiszugeben, die Überzeugung des anderen achtet. Es ist die Aufgabe nicht nur des einzelnen, sondern — vergessen wir es nicht — auch die Aufgabe des Staates, diese Toleranz zu üben und ihre praktische Verwirklichung zu sichern. Aber dieses Bekenntnis zu praktischer Toleranz rechtfertigt auch die Forderung nach ihrer Verwirklichung auf allen Bereichen.
Dieses Bekenntnis möchte ich interpretieren; denn manchmal wird es dahin mißverstanden, daß Toleranz ein Ausdruck der Grundsatzlosigkeit sein müsse. Wer die Meinung des anderen für ebenso richtig hält wie die eigene, bekennt sich nicht zur Toleranz, sondern zur Wertneutralität. Eine echte Toleranz muß sich im Gebaren zeigen, aber nicht in der Gesinnung. Das gilt für die Zusammenarbeit im Parlament, in der Koalition und mit der Opposition. Aber wenn ich das vorausgeschickt habe, dann deswegen, um anzuschließen, daß nach unserer Überzeugung der besondere Auftrag, der den Parteien der Christlich-Demokratischen und Christlich-Sozialen Union am 6. September erteilt worden ist, uns auch besondere Verpflichtungen auferlegt: nämlich die Vorstellungen und Gedanken zu verwirklichen, die wir in diesen Parteien vertreten. Das Hamburger Programm, das die Christlich-Demokratische Union zur Einleitung des Wahlkampfes beschlossen hat und das in seinen programmatischen Forderungen wohl in jedem einzelnen Punkte auch mit den Vorstellungen meiner politischen Freunde aus der CSU übereinstimmt, ist durch die Wahl vom 6. September nicht überholt, sondern hat an diesem Tage seine besondere Bedeutung erlangt.
Das soll keineswegs heißen, daß wir nun mit einem unpolitischen Dogmatismus an die Arbeit gehen. Wohl aber soll diese Feststellung bedeuten,
daß diese programmatischen Forderungen für die nächsten vier Jahre auch die Richtschnur für unsere politische Initiative und das Kriterium für unsere politischen Entscheidungen sein werden.
Ich möchte meinen politischen Freunden nicht vorgreifen, die in der Diskussion nach mir sprechen und sicherlich einzelne Arbeitsgebiete behandeln werden. Aber zu einigen Fragen lassen Sie mich wenigstens kurz einiges ausführen.
Die eindeutige Feststellung, von der ich sprach, führt zunächst auf dem Gebiet der Wirtschaftspolitik zum klaren Bekenntnis zur sozialen Marktwirtschaft. Durch diese Form der Wirtschaftsordnung haben wir die produktiven Kräfte des Volkes von den Lähmungen der Zwangswirtschaft und von den Fesseln bürokratischen Zwanges befreit und durch einen echten Leistungswettbewerb zur Entfaltung gebracht. Ich unterstreiche allerdings dabei auch die Worte: echter Leistungswettbewerb. Denn in dieser Wirtschaftsordnung darf die wertbestimmende und preisgestaltende Funktion des Verbrauchers nicht willkürlich verkümmert werden. Dabei wissen wir wohl, daß gerade der Bereich der Wirtschaftspolitik weniger als andere Bereiche des öffentlichen Lebens geeignet ist, nach starren dogmatischen Formeln gestaltet zu werden. Beweglichkeit, Anpassungsfähigkeit und Geschmeidigkeit sind unerläßliche Voraussetzungen für eine sinnvolle Ordnung in der Wirtschaft. Das gilt um so mehr, als ja die deutsche Volkswirtschaft nur einen Teil der großen internationalen Wirtschaft darstellt, mit der wir erfolgreich die Zusammenarbeit aufgenommen haben, um sie weiter zu entwickeln. Das bedingt, ja verlangt sogar zum minBesten so lange eine Anpassung an die wirtschaftspolitische Praxis der anderen, als nicht in größerem Rahmen eine Übereinstimmung herbeigeführt werden kann.
Unsere Sozialpolitik nun, meine Damen und Herren, ist nicht etwa ein Anhängsel an die soziale Marktwirtschaft; sie ist vielmehr deren Ziel. Lassen Sie mich hier einen Satz vom Hamburger Parteitag zitieren, den damals mein Freund Albers ausgesprochen hat:
Die Christlich-Demokratische Union ist der
politische Standort der vielen, die vom Geiste
der christlich-sozialen Bewegung beseelt sind.
Sie ist aber mehr. Sie ist die Hoffnung jener,
die der Hilfe der Gemeinschaft bedürfen und
die ihre Sorgen und Anliegen vertrauensvoll
in unsere Hände gelegt haben. Und so erwächst
immer wieder für uns die Verpflichtung, nie
zu erlahmen in der Sorge für alle, die noch
auf der Schattenseite des Lebens stehen. Wir
wollen ihre Sorgen zu unseren Sorgen machen.
Meine Damen und Herren, ich unterstreiche das, und wir wollen in dieser Arbeit fortfahren; denn wir wissen, daß auch die großen und unbestreitbar erfolgreichen Anstrengungen, die in der vergangenen Legislaturperiode unternommen wurden, um die echte soziale Not zu lindern, sie noch nicht völlig zu beseitigen vermochten. Auf diesem Gebiet ist noch ein echter Aufgabenbereich für die Arbeit der nächsten vier Jahre offen. Ich denke in erster Linie an die alten und berufsunfähigen Menschen, die nach einem arbeitsreichen Leben Anspruch darauf haben, daß ihnen die Sorge um das Dasein von denen abgenommen wird, denen sie ihre Lebensarbeit gewidmet haben.
In diesen Bereich gehört auch der Ausbau einer neuen Sozialordnung. Wir haben mit den beiden großen Gesetzen — dem Gesetz über das Mitbestimmungsrecht im Bereich der Grundstoffindustrie und dem Gesetz über das Betriebsverfassungsrecht — einen guten Anfang gemacht, wenn ich auch nicht verschweige, daß die Durchführung des erstgenannten Gesetzes uns enttäuscht hat.
Wir sollten aber bald darangehen, auch die weiteren institutionellen Voraussetzungen für eine Zusammenarbeit aller am wirtschaftlichen Leben Beteiligten zu schaffen. Ich meine, daß wir beispielsweise die Diskussion über die Errichtung eines Organes wieder aufnehmen sollten, das ich als Bundeswirtschaftsrat bezeichnen möchte,
ohne damit in den Vorstellungen des alten Reichswirtschaftsrates haften zu bleiben.
Wir sehen als Beteiligte nicht etwa nur Arbeitnehmer und Unternehmer an. Ich meine, wir sollten uns überhaupt von der etwas zu simplen Formulierung lösen, die nur diese beiden Personengruppen als Sozialpartner anspricht.
In den Rahmen einer solchen, die Sozial- und Wirtschaftsordnung mitgestaltenden Institution gehören alle, deren wirtschaftliche Interessen berührt sind, also auch Landwirtschaft, Handel, Handwerk, freie Berufe und Verbraucher. Wir sollten diesen Gruppen die Möglichkeit eröffnen, am Ausbau der Sozial- und Wirtschaftsordnung mitzuarbeiten. Wir werden damit vielleicht manche Diskussion in diesem Hause ersparen. Selbstverständlich denke ich dabei auch an die Mitarbeit des Deutschen Gewerkschaftsbundes, von dem wir allerdings hoffen, daß er sich in Zukunft wieder zu einer echten parteipolitischen Neutralität und zu einer echten Toleranz im geistigen Bereich zurückbesinnen wird.
Meine Damen und Herren, die menschliche Existenz, ja sogar die menschliche Würde sind bedroht durch die kollektivistischen Tendenzen in unserer Zeit, die in einigen politischen Bereichen nicht weit von uns so erschreckend ihren Ausdruck finden. Deswegen glauben wir, daß wir einer solchen Entwicklung vorbeugen müssen, um nicht die Voraussetzungen dafür zu schaffen, daß sie uns überraschen könnten. Wir glauben, daß es eine der wichtigsten Forderungen ist, die wir aufstellen sollten: Eigentum für alle Schichten unseres deutschen Volkes zu schaffen. Persönliches Eigentum fördert eine verantwortungsvolle Lebensführung des Menschen und seiner Familie. Je mehr Eigentümer wir haben, desto ausgewogener wird auch das soziale Gefüge, desto gesicherter der soziale Friede und desto sicherer auch die Unabhängigkeit des einzelnen von totalitären Einflüssen und Bestrebungen.
Allerdings sind für uns — und auch das sage ich eindeutig und klar — Verstaatlichung und sozialistisches Gemeineigentum keinesfalls eine echte Lösung der sozialen Frage.
Dagegen kann das Miteigentum am Betriebe vielleicht eine besondere Form sein, dem sozialen Ausgleich zu dienen und jenseits von Kapitalismus und jenseits von Sozialismus die soziale Ausgestaltung auch der Marktwirtschaft zu verwirklichen.
Ich habe es begrüßt, daß der Herr Bundeskanzler in seiner Erklärung — als er von der Sorge für die Menschen sprach — auch auf die Jugend zu sprechen kam. Meine Damen und Herren, es ist ein physiologisches Gesetz, das auch in jeder staatlichen Ordnung gilt, daß nun einmal die Jugend von heute das Alter von morgen ist. Die Berufsausbildung der jungen Menschen zu fördern, die heimatlos gewordenen Jugendlichen einzugliedern, den jungen Menschen Aufstiegsmöglichkeiten zu eröffnen, sind Aufgaben, die, wenn wir auch keineswegs in die Zuständigkeiten der Länder eingreifen wollen, auch die Förderung des Bundes genießen müssen. Die besondere Verantwortung und Verpflichtung auf diesem Gebiete ergibt sich obendrein aus der Tatsache, daß nach den Feststellungen der statistischen Ämter gerade die überwiegende Zahl der jungen Wähler der Christlich-Demokratischen und Christlich-Sozialen Union ihre Stimme gegeben und damit ihr Vertrauen bekundet haben. Wir dürfen dieses Vertrauen nicht enttäuschen.
Der Herr Bundeskanzler hat auch von den schweren Gefahren gesprochen, die dem Volke bei einer weiteren sozialen Verkümmerung der geistigen und künstlerischen Berufe erwachsen müssen. Gerade hier sollten wir auch nicht mit den nötigen Maßnahmen zögern, von denen schon die Regierungserklärung sprach. Wir müssen dazu beitragen, die wirtschaftliche Stellung und damit auch die wirtschaftliche Existenz gerade dieser Berufe zu sichern. Ich denke hier ebenso an die freien Berufe wie an Hochschullehrer und Träger der wissenschaftlichen Forschung. Wenn unsere wissenschaftliche Forschung nicht den Vorsprung aufzuholen vermag, den andere Länder in den letzten zwanzig Jahren gewonnen haben, wird das ganze deutsche Volk den Schaden zu tragen haben.
Wer über die Entwicklung auf den deutschen Universitäten und Hochschulen Bescheid weiß und sich dann über das berichten läßt, was sich auf ausländischen Hochschulen und Universitäten ereignet, nicht zuletzt in den Vereinigten Staaten von Amerika, der muß mit Sorge zusehen, daß dieser Vorsprung von Tag zu Tag, ich möchte sagen, von Stunde zu Stunde sich vergrößert. Wenn wir hier nicht auch vom Bunde aus helfend eingreifen, ich glaube, dann versündigen wir uns tatsächlich an der Zukunft unseres deutschen Volkes.
Wenn wir von der Sorge für den Menschen, von der Sorge für den jungen Menschen und damit von der Sorge für die Familie sprachen, dann möchte ich hier der Bundesregierung auch noch eine besondere Bitte mit auf den Weg geben. Wir müssen in diesem Zusammenhang eine Aufgabe erwähnen, deren Lösung an sich schon dem letzten Bundestag aufgegeben war: die Angleichung des Rechts, insbesondere des Familienrechts, an den Grundsatz der Gleichberechtigung von Mann und Frau. Wenn man nicht wüßte, daß im zuständigen Fachministerium die Arbeiten für die Vorlage des Gesetzes so gut wie abgeschlossen sind und deshalb mit seiner baldigen Einbringung zu rechnen
ist, könnte man aus der Nichterwähnung dieses Gegenstandes in der Regierungserklärung zu dem unrichtigen Schluß kommen, daß die Bundesregierung sich der Wichtigkeit und Dringlichkeit dieser Aufgabe nicht bewußt wäre, Die Angelegenheit ist um so dringlicher, als in der Rechtsprechung streitig geworden ist, ob die Sperre des Art. 117 des Grundgesetzes noch in Kraft ist oder nicht. Einerlei, wie die Frage zu entscheiden ist, ich glaube, wir sind uns alle darüber einig, daß die Gerichte bis zur Regelung dieser Frage vor geradezu unlösbaren Aufgaben stehen, die ihre Kräfte und ihre Zuständigkeit bei weitem übersteigen. Der Gegenstand ist von so grundsätzlicher und einschneidender Bedeutung, daß die Lösung nicht überstürzt werden darf. Man wird deshalb bald zu prüfen haben, ob zur Beseitigung der einfach unerträglichen Rechtsunsicherheit auf allen diesen Gebieten eine zeitlich begrenzte Verlängerung bzw. Wiederinkraftsetzung der Regelung des Art. 117 erfolgen muß.
Zur Sache selbst ist zu sagen, daß bei der Anpassung des Familienrechts an die von uns be-jahte Gleichberechtigung von Mann und Frau die natürliche Ordnung der Familie und Ehe Ausgangspunkt und Richtschnur sein muß. Art. 6 des Grundgesetzes, in dem es heißt, daß Ehe und Familie unter dem besonderen Schutz des Staates stehen, steht gleichberechtigt neben Art. 3 des Grundgesetzes. Unter dem Gesichtspunkt der Gleichberechtigung sollte nichts geschehen, was Ehe und Familie gefährden kann. Es muß vielmehr alles getan werden, um diese Institutionen zu stützen und zu stärken.
Meine Damen und Herren, eine besondere Aufgabe möchte ich auch noch nennen, die uns durch das Problem der Heimatvertriebenen und Flüchtlinge gestellt ist. Gerade die CDU/CSU hat auch hier am 6. September eine besondere Verpfichtung übernommen; denn wir wissen, daß es mindestens 50 Prozent der Heimatvertriebenen und Flüchtlinge sind, die uns an diesem Tage ihre Stimme gegeben und ihr Vertrauen bekundet haben.
Alle diese Menschen — wir wissen es — sind durch die politische Entwicklung der Vergangenheit aus ihren echten, organischen Bindungen herausgerissen worden. Ganze Volksgruppen, die durch Jahrhunderte ihr kulturelles Eigenleben geführt und entwickelt haben, sind aufgelöst und zerstreut. Diesen Menschen ihre materielle Lebensgrundlage zu ersetzen, ist unmöglich; noch unmöglicher ist es, ihnen das zu erstatten, was sie durch den Verlust der Heimat und durch den Verlust der geistigen Werte, die sie mit der Heimat verbunden haben, eingebüßt haben. Wir können mit großer Befriedigung feststellen, daß doch eine beträchtliche Anzahl von Vertriebenen und Flüchtlingen wieder die ersten Grundlagen einer neuen Existenz zu schaffen vermochten und daß sie sich nicht mehr als unerwünschte Eindringlinge fühlen müssen. Auch wenn die Erinnerung an die Heimat und der heiße Wunsch, sie wiederzusehen, nicht schwinden werden, — Millionen von Menschen haben doch in ihrer neuen Heimat wieder Boden unter den Füßen gewonnen und wissen, daß sie gleichberechtigte Bürger dieses Staates sind. Das ist auch der Politik der letzten vier Jahre, die hier im Hohen Hause
beschlossen wurde, zu verdanken, die all das schwere Leid natürlich nicht ungeschehen machen kann, wohl aber diesen Menschen das Gefühl einer neugewonnenen existentiellen Sicherheit und die Überzeugung vermittelt, daß ihnen echte Möglichkeiten gegeben werden. Aber gerade das Vertrauen dieser Millionen von Menschen verpflichtet uns, sie auch in den nächsten Jahren nicht zu enttäuschen, sondern von uns aus die Initiative zu ergreifen, die wir gar nicht unseren Freunden und Kollegen aus dem Kreis der Heimatvertriebenen überlassen dürfen und wollen, von uns aus diese Initiative zu ergreifen, um diesen Eingliederungsprozeß auf allen Gebieten mit dem größten Nachdruck zu fördern, damit — ich hoffe es — nach vier Jahren das Problem der Heimatvertriebenen in der politischen Diskussion keine Rolle mehr spielen wird mit Ausnahme der einen, daß diese Menschen auch nach vier Jahren in der gleichen Weise an ihre Heimat denken werden wie heute.
Ich möchte in diesem Zusammenhang auch ein Wort zu denen sagen, die heute noch darauf warten, ihre Heimat und ihre Familie wiederzusehen. Ich glaube, das ganze deutsche Volk war in den vergangenen Wochen in einer echten inneren Bewegung, als wir hörten, daß viele tausend Kriegsgefangene aus der Sowjetunion zurückkehrten, Menschen, die zehn und mehr Jahre auf diesen Tag gewartet hatten. Ich möchte in dieser Entscheidung der Sowjetunion das erste Zeichen erblicken, sich von den harten und unmenschlichen Methoden abzukehren, die das deutsche Volk seit Jahren leidenschaftlich verurteilt hat, und ich kann nur den Wunsch wiederholen, den auch der Herr Bundeskanzler in seiner Regierungserklärung zum Ausdruck gebracht hat, daß damit eine Aktion begonnen, aber hoffentlich nicht abgeschlossen wurde.
Aber auch dort, meine Damen und Herren, wo vielleicht individuelle Schuld noch zu sühnen ist, sollte man sich die ernste` Frage vorlegen, ob nicht endlich der Zeitpunkt gekommen ist, vom Recht der Gnade auch dann Gebrauch zu machen, wenn bisher die Vorstellung des Rechts noch im Wege stand.
Denen, die inzwischen heimkehren durften, versichere ich auch für die Fraktion der CDU/CSU, daß wir alles tun werden, um gerade ihnen durch die Tat zu beweisen, daß die Heimat auf sie gewartet, aber sie niemals vergessen hat.
Meine Damen und Herren! Ich möchte, wie ich schon sagte, nicht mehr einzelne Bereiche anschneiden; aber eine Frage von hoher politischer Bedeutung muß ich ansprechen: das künftige Wahlgesetz. Der letzte Bundestag hat ein Wahlgesetz beschlossen, das nur für diese Wahl Gültigkeit hatte. Wir müssen daher diese gesetzgeberische Aufgabe in Angriff nehmen, und wir sollten es so rasch wie möglich tun.
Die Erfahrungen im letzten Bundestag haben uns allen doch gezeigt, daß die Voraussetzungen für eine echte und sachliche Auseinandersetzung nicht oder nur in beschränktem Maße gegeben sind, wenn die Ausrechnung von Erfolgschancen und wahlarithmetischen Erwägungen die sachliche Entscheidung behindert.
Die außerordentliche politische Bedeutung, die einem guten Wahlgesetz zukommt, möchte ich hier noch einmal unterstreichen, ohne damit etwa eine Diskussion über dieses Problem zu eröffnen. Ich verschweige allerdings dabei nicht, daß die Christlich-Demokratische und Christlich-Soziale Union nach wir vor das Personen- und Mehrheitswahlrecht anstrebt.
Wir sind überzeugt, daß es wie kein anderes eine echte politische Willensbildung fördert und der Zersplitterung auch ohne mechanistische Mittel entgegenwirkt. Wir glauben, daß es die echte, klare Verantwortlichkeit schafft, die Gewählte und Wähler verbinden sollte.
Wenn wir uns in dieser Weise mit den Aufgaben beschäftigen, die dem neuen Bundestag auch für die kommenden Jahre gestellt sind, dann wird uns wieder mit schmerzlicher Klarheit deutlich, daß Millionen deutscher Frauen und deutscher Männer noch immer daran gehindert sind, an dieser Aufbauarbeit teilzunehmen. Diese für das ganze deutsche Volk so unerträgliche Trennung zu beseitigen, muß immer wieder im Mittelpunkt aller unserer politischen Erwägungen stehen.
Schon in der ersten großen politischen Debatte im Deutschen Bundestag im Jahre 1949 haben Bundesregierung und Parlament auf diese Tragik hingewiesen und die Forderung erhoben, Deutschland die Einheit wiederzugeben. Regierung und Parlament haben sich zu Sprechern der 18 Millionen Deutschen in der sowjetisch besetzten Zone Deutschlands gemacht, und sie haben erklärt, daß sie alles daran setzen würden, das deutsche Volk wieder zu vereinigen. Bis auf die wenigen Stimmen, die jetzt nach dieser Wahl auch hier im Bundestag verstummt sind, waren wir uns über dieses Anliegen immer einig. Es ist darum unsere Pflicht, auch diese erste Debatte nicht vorübergehen zu lassen, ohne ein Wort des Grußes und der tiefen menschlichen Verbundenheit an unsere Mitbürger in der sowjetisch besetzten Zone zu richten. Sie leben noch immer von uns getrennt in der Unfreiheit. Daß hier kein Wandel eingetreten ist, ist nicht Schuld des deutschen Volkes.
Am 17. Juni haben mutige Männer und Frauen uns in der Bundesrepublik und in der ganzen Welt gezeigt, daß sie in der Hoffnung auf Freiheit leben. Mehr als 600 Menschen haben dieses Bekenntnis zu ihrem deutschen Vaterland und zur Freiheit mit ihrem Leben bezahlt, viele Hunderte und vielleicht viele Tausende sind verhaftet und zu unmenschlichen Freiheitsstrafen verurteilt worden. Ihrer unterschrockenen und mutigen Haltung ist es nicht zuletzt zuzuschreiben, daß die ganze Welt wieder wachgerüttelt wurde. Ihr Bekenntnis zur Freiheit ist unter dem Einsatz von Panzern und in den Gefängnissen und Zuchthäusern verstummt. Aber vielleicht spricht gerade dieses erzwungene Schweigen jetzt eine noch lautere Sprache als vorher.
Mit Dankbarkeit und mit Befriedigung stelle ich allerdings fest, daß die freie Welt dieses Anliegen des deutschen Volkes inzwischen zu dem eigenen gemacht hat, und ich meine, wenn die Bundesregierung in den letzten Jahren keinen anderen Erfolg aufzuweisen hätte als dieses Bekenntnis zur Mitarbeit an der Verwirklichung dieser Schick-
salsfrage des deutschen Volkes, dann wäre diese
Politik der vergangenen Jahre schon gerechtfertigt.
Das, was uns angeht, hat der Herr Bundeskanzler an den Särgen der Toten des 17. Juni in Berlin gesagt: „Wir werden nicht ruhen und wir werden nicht rasten, bis ganz Deutschland wiedervereinigt ist in Frieden und in Freiheit."
Leider hören wir noch Äußerungen, die uns zeigen, daß man dieses Anliegen des deutschen Volkes nicht überall versteht oder verstehen will. Es ist widersinnig und unrecht, diesen einheitlichen Wunsch aller Deutschen als den Ausdruck eines falschen Nationalismus auszulegen und Deutschland deswegen als Herd der Unruhe zu bezeichnen. Am wenigsten sollte man uns unterstellen, daß wir die Zusammenarbeit mit der freien Welt und daß wir die Einigung Europas nur zu dem Zweck anstreben, ein Machtpotential zu schaffen, um dieses Ziel der deutschen Politik mit Gewalt durchzusetzen. Man sollte endlich wissen und verstehen, daß wir Deutschen die Grauen eines Krieges zur Genüge kennengelernt haben und daß wir uns der Verpflichtung gerade gegenüber dem eigenen Volke bewußt sind, alles zu tun, um den Frieden zu erhalten. Wer und was berechtigt eigentlich andere, uns zu unterstellen, daß wir an Macht denken, wenn wir von Recht sprechen?!
Meine Damen und Herren, ich erinnere hier an die Erklärung, die der Herr Bundeskanzler am 27. September 1951 vor dem Bundestag abgegeben hat und die die Zustimmung aller großen Parteien des Bundestages gefunden hat. Ich erinnere an die Entschließung der Vollversammlung der Vereinten Nationen vom 20. Dezember 1951 und benutze diesen Anlaß, um auch daran zu erinnern, aß damals neben dem Herrn Bundesminister Dr. Schäfer und mir der vor wenigen Wochen verstorbene Regierende Bürgermeister der Stadt Berlin Ernst Reuter vor dem Sonderausschuß der Vereinten Nationen die Ziele der deutschen Politik in der Frage der deutschen Wiedervereinigung erläutert hat. Mit Professor Ernst Reuter haben nicht nur die Stadt Berlin und das ganze deutsche Volk, sondern alle Völker und Menschen, die sich zur Freiheit bekennen, einen aufrichtigen, mutigen und unerbittlichen Kämpfer für die Grundrechte und Grundfreiheiten der Menschen verloren. Ihm zu danken ist mir ein inneres Bedürfnis.
Und ich erinnere zuletzt an die Entschließung des Bundestags vom 1. Juli 1953, die gegen die Stimmen der kommunistischen Gruppe angenommen wurde. Immer kam darin zum Ausdruck der einmütige Wille des deutschen Volkes zur Wiedervereinigung. Die wenigen armseligen Rotgardisten, die noch vor kurzer Zeit die Redefreiheit im Parlament dazu mißbrauchen durften, von Demokratie und Ordnung zu sprechen, wenn sie Terror und Anarchie meinten, werden unsere Diskussionen über diese Frage nach dem Willen des deutschen Wählers gottlob nicht mehr stören.
Ich habe es begrüßt, daß der Herr Bundeskanzler in seine Ausführungen über die Wiedervereinigung Deutschlands auch einen klaren Hinweis darauf aufgenommen hat, daß Bundestag und Bundesregierung niemals bereit sein werden, die sogenannte Oder-Neiße-Linie anzuerkennen.
Das Recht der deutschen Menschen auf ihre Heimat auch jenseits der Oder-Neiße-Linie ist unverzichtbar. Das auszusprechen scheint mir gerade jetzt notwendig, nachdem die Sowjetunion ihrer Deutschlandnote vom August 1953 erneut die bekannten Grundzüge eines Entwurfs für einen Friedensvertrag mit Deutschland beigefügt hat, in denen es heißt: „Das Gebiet Deutschlands ist durch die Grenzen festgelegt, die von den Großmächten auf der Potsdamer Konferenz bestimmt wurden". Die Oder-Neiße-Linie wurde nicht als Grenze festgelegt. Allerdings kann ich auch hier nicht verschweigen, daß das demonstrative Schweigen, mit dem die Opposition die Feststellung des Bundeskanzlers vor wenigen Tagen begleitet hat, mich eigenartig berührt hat.
Eine Äußerung der Zustimmung zu einer klaren programmatischen Forderung des ganzen deutschen Volkes, die auch in diesem Hause niemals Gegenstand der Meinungsverschiedenheit zwischen Regierung und Opposition war, bedeutet wirklich noch keinen Verzicht auf eine wirksame Oppositionspolitik.
Darum erscheint mir dieses Schweigen als ein bedauerliches Zeichen einer politischen Verhärtung, von der ich nur hoffen kann, daß sie sich auflockern wird.
— Ja, vielleicht haben Sie es nötig, wenn Sie davon sprechen!
Um aber keinen Anlaß zu absichtlichen oder unabsichtlichen Mißdeutungen zu geben, sage ich auch hier noch einmal, was der Herr Bundeskanzler ausgesprochen hat: daß niemand in Deutschland auch nur daran denkt, die mit der Oder-Neiße-Linie zusammenhängenden Probleme etwa mit Gewalt zu lösen. Ausschließlich friedliche Wege müssen gesucht und gefunden werden.
Meine Damen und Herren, ich sagte schon, daß uns die Entscheidung der Wähler nicht nur ermächtigt, sondern verpflichtet, in der Außenpolitik der letzten vier Jahre fortzufahren. Ich glaube, wir sind uns aber auch darüber einig, daß kein verantwortlicher deutscher Politiker in Zukunft eine andere Außenpolitik vorschlagen könnte als die einer engen und vertrauensvollen Zusammenarbeit mit den Völkern der freien Welt und einer ebenso entschiedenen und klaren Absage an den östlichen Totalitarismus.
Das ist alles andere als etwa ein Ausdruck der Sterilität und Unbeweglichkeit, vielmehr der der Beharrlichkeit und der Entschlossenheit und der Stetigkeit. Gerade diese unbeirrbare und geradlinige Politik war es, die dem deutschen Volk das Vertrauen und die Freundschaft der Welt eingebracht hat, und sie war es auch, die den deutschen Wähler am 6. September zur Stimmabgabe zugunsten dieser Politik veranlaßt hat.
Die erregenden Ereignisse, die in dieser Zeit weltpolitischer Spannungen um uns herum geschehen, dürfen wir nicht unterschätzen, aber auch nicht überbewerten. Das Schicksal von Völkern spielt sich in langen Zeitabschnitten ab. Es ist auch weitgehend von Vorgängen beeinflußt, auf die die Nationen vielleicht keinen unmittelbaren Einfluß haben. Auch rein tatsächliche Gegebenheiten wirken hier mit. Wir spüren es und wissen es ja, daß die geographische Lage unseres Vaterlandes uns zumindest an einem Punkt des weltpolitischen Geschehens mitten in das Spannungsfeld gestellt hat. Aber die notwendige und richtige Erkenntnis, daß einzelne Fakten und Faktoren gegeben sind, die wir nicht zu ändern vermögen, darf nicht etwa das Gefühl auslösen, daß wir damit auch in dem Bereich, der unserer Bestimmung oder Mitgestaltung unterliegt, auf Entscheidungen verzichten dürfen. Ich weiß, daß die Opposition in vielen Fragen der Außenpolitik anderer Meinung war und vielleicht auch noch ist. Aber ich hoffe doch, daß in allen Diskussionen sichtbar werden möge, daß wir sachliche Meinungsverschiedenheiten über die Methode austragen und nicht über das Ziel.
Ich muß noch etwas in Erinnerung rufen. Sie, meine Herren von der Opposition, haben dem Bundeskanzler, Sie haben der Mehrheit dieses Hauses in den vergangenen Jahren das Recht bestritten, überhaupt eine aktive Außenpolitik zu betreiben. Sie haben erklärt, daß das Volk ein Mandat dazu nicht gegeben habe, und Sie haben wiederholt eine Entscheidung des Volkes verlangt. Nun, ich glaube, darüber sollten wir uns als Demokraten einig sein — gleichgültig, auf welcher Bank wir sitzen —, daß diese Entscheidung, die Sie erwartet haben, nunmehr vorliegt.
Ein wesentlicher Teil dieser Politik ist die Politik der europäischen Integration, und sie fortzusetzen, meine Damen und Herren, scheint mir eine der wichtigsten Aufgaben der Bundesregierung zu sein. Die europäischen Staaten haben sich in den vergangenen Jahrzehnten selbst an die Ketten gefesselt, die ein entarteter Nationalismus geschmiedet hat. Die Vorstellung, daß der nationale Staat das Ende einer historischen Entwicklungsfolge sei, war ein verhängnisvoller Irrtum. Ein Etappenziel wurde mit dem Endziel verwechselt. Das dynamische Denken, das die Nationen zusammengeführt hatte, wurde durch das statische Denken abgelöst, das keine neue Entwicklungsmöglichkeit mehr sah und sich darauf beschränkte, das, was in der Vergangenheit mit starken Kräften gestaltet worden war, mit schwachen Kräften zu erhalten. Der Ausbau der Landesgrenzen als strategische Befestigungsanlagen war ein ebenso sinnfälliger Ausdruck mangelnder Gestaltungskraft wie die Vorstellung, daß man die Gesetze der wirtschaftlichen Vernunft durch die vom Autarkie-Denken bestimmten Regeln der wirtschaftlichen Unvernunft ersetzen könne.
Der Lebensraum der europäischen Völker wurde kleiner, und die Grenzen wurden enger. Sinnfälliger und tragischer Ausdruck dieser erstarrten Politik waren dann die Katastrophen, die in immer kürzeren Abständen Europa an den Rand des Abgrundes geführt haben. Der Wille, diese Grenzen zu sprengen und einen größeren Lebensraum zu schaffen, wird getragen und unterstützt von der
wachsenden Erkenntnis, daß die vermeintlichen Interessengegensätze in Wirklichkeit gar nicht bestehen. Den ersten Schritt auf diesem Wege haben wir mit der Gründung der Montan-Union zurückgelegt. Der Vertrag über die Europäische Verteidigungsgemeinschaft steht, wie ich hoffe, vor der Ratifizierung. Die europäische politische Gemeinschaft wird Gegenstand entscheidender Beratungen auf der Haager Konferenz der Außenminister sein.
Ich bedauere, daß die Ausführungen des Herrn Bundeskanzlers in seiner Regierungserklärung und seine zusätzliche Interpretation Kommentare ausgelöst haben, die mir wirklich unberechtigt zu sein scheinen. Er hat darauf hingewiesen, daß nach wie vor das Ziel der Außenpolitik auch in der Wiederherstellung der eigenen Unabhängigkeit, der Wiedervereinigung Deutschlands und dem Zusammenschluß Europas bestehe, und er sagte, nachdem das deutsche Volk alles getan habe, um die abgeschlossenen Verträge in Kraft zu setzen, dürfe es auch hoffen, nun in den Genuß des Status der Unabhängigkeit zu kommen. Eine englische Tageszeitung schrieb vor kurzem selbst, es sei eine Anomalie, daß die Bundesrepublik noch dem Besatzungsstatut unterstehe.
Ich glaube, daß diese Feststellung richtig ist, und ich meine, daß der Bundeskanzler die Auffassung des ganzen deutschen Volkes wiedergegeben hat, wenn er diesen Wunsch nach Unabhängigkeit und Selbständigkeit aussprach.
Das Wort „Souveränität" hat er ebensowenig gebraucht, wie ich es tun möchte. Wir glauben nicht mehr an den absoluten Wert staatlicher Souveränität als letzte und echteste Ausdrucksform nationaler Existenz und Koexistenz. Wir sind im Gegenteil bereit und entschlossen, von dieser Unabhängigkeit und Selbständigkeit gerade im Sinne des Art. 24 des Grundgesetzes Gebrauch zu machen.
Um so erstaunlicher ist es dann, einen Kommentar zu lesen, in dem der Regierung vorgeworfen wird, sie habe Frankreich angehalten, den EVG-Vertrag zu ratifizieren, und man habe darin einen seltsam drohenden Ton gehört. Ich glaube, so sollte man nicht diskutieren. Sollte es denn im Ernst nicht erlaubt sein, den Partner eines Vertrages an die Erfüllung der von ihm freiwillig eingegangenen Verpflichtung zu erinnern, ohne der Erpressung beschuldigt zu werden?
Selbstverständlich wissen wir, daß die Entscheidung nur bei Frankreich und im französischen Parlament liegt. Niemand von uns käme auf den absurden Gedanken, Forderungen zu stellen oder Ratschläge zu erteilen. Aber darf die deutsche Bundesregierung nicht sagen, was sie hofft und wünscht, darf sie diejenigen, die mit ihr die Verträge unterschrieben haben, nicht an die Gemeinsamkeit der Interessen und die Gemeinsamkeit der Aufgaben erinnern, die gerade in der Präambel zu diesem Vertragswerk so eindrucksvoll dargelegt wird? Im übrigen hat der Herr Bundeskanzler, wie ich meine, gar nichts anderes getan als wenige Tage nach ihm der Haager Kongreß der Europäischen Bewegung, der einmütig beschlossen hat, alle beteiligten Regierungen und Parlamente um
eine beschleunigte Ratifizierung der Verträge zu bitten, und der sich ungehalten über die Verzögerung geäußert hat. Meine Damen und Herren, auch das scheint mir keine unberechtigte Intervention, sondern, ich glaube, sagen zu können, eine sehr berechtigte Mahnung zu sein.
Mit besonderem Ernst hat der Herr Bundeskanzler in seiner Regierungserklärung auch das deutsch-französische Problem angesprochen Er hat seiner Meinung Ausdruck gegeben, daß die freundschaftliche Verständigung zwischen diesen beiden großen Nachbarvölkern eine Voraussetzung einer gesamteuropäischen Zusammenarbeit und Integration sein wird. Er hat damit in aller Offenheit und Sachlichkeit eine Feststellung getroffen, die unbestreitbar richtig ist. Wir haben uns über diese Frage in diesem Hohen Hause schon wiederholt unterhalten. Immer wieder trat dabei auch das Saarproblem in den Vordergrund. Vor wenigen Wochen hat sich nun auch die Beratende Versammlung des Europarats in Straßburg mit dieser Frage beschäftigt und hat mit überwältigender Mehrheit die Empfehlung Nr. 57 angenommen, in der es heißt:
Die Versammlung ist sich der Schwere des Saarproblems bewußt. Es könnte die deutschfranzösischen Beziehungen ernstlich gefährden und der Schaffung der Europäischen Gemeinschaft im Wege stehen, wenn es nicht in Kürze gelöst wird.
Für die Mehrheit der deutschen Delegierten hat mein Freund Gerstenmaier dieser Empfehlung, die sich nicht auf den Inhalt, sondern auf das Verfahren bezog, mit Recht zugestimmt und gesagt: „Die Saarfrage ist eine, vielleicht sogar d i e entscheidende Probe auf die Kraft der Solidarität, die in unseren Völkern erwacht ist." Dasselbe hat wenige Wochen später der französische Außenminister Robert S c h u m a n gesagt, als er mit dem Freimut, den wir an ihm gewöhnt sind, im Haag erklärte:
Die große Aufgabe ist es nun, den unseligen deutsch-französischen Gegensatz endgültig aus der Welt zu schaffen. Noch bleibt die Saarfrage zu lösen. So lange wird es kein geeintes Europa geben, solange es keine Saarregelung gibt, die von allen drei Beteiligten — Deutschland, Frankreich und dem Saarland — frei akzeptiert werden kann. Andererseits kann es keine Saarlösung ohne ein geeintes Europa geben.
Ich stimme dem ohne jeden Vorbehalt zu. Aber wie könnten wir eine solche Lösung finden, wenn nicht im Wege der Verhandlungen! Und wie könnten diese Verhandlungen erfolgreich gestaltet werden, wenn sie nicht eingebaut werden in die Verhandlungen um die Schaffung des geeinten Europas! Ausgangspunkt solcher Verhandlungen kann und wird die wiederholte Erklärung der französischen Regierung sein, daß sie nicht beabsichtigt habe, auch nicht beabsichtige, den völkerrechtlichen Status der Saar im Wege der einseitigen Annexion zu ändern. Diese Haltung ist auch in dem Briefwechsel zwischen der deutschen und der französischen Regierung bestätigt, der aus Anlaß der Unterzeichnung des Montanvertrags stattfand und in dem die französische Regierung ausdrücklich erklärte, daß eine Anerkennung des gegenwärtigen Status der Saar nicht verlangt und nicht erwartet wird.
Meine Damen und Herren, wir sind uns demzufolge zwischen Frankreich und Deutschland doch wohl darüber einig, daß die endgültige Regelung des Saarproblems einem Friedensvertrag oder einem Vertrag vorbehalten sein muß, der an die Stelle eines Friedensvertrags treten könnte. Das schließt nicht aus, nein, das verlangt gerade, daß nunmehr Verhandlungen aufgenommen werden, um eine solche Lösung zu finden, die vielleicht einmal in dem endgültigen Friedensvertrag ihre Bestätigung erfahren kann.
Wir wissen natürlich, daß im Laufe der letzten Jahre im Saargebiet Tatsachen geschaffen wurden, die wir in ihrer faktischen Bedeutung auch dann nicht leugnen können, wenn wir sie bedauern. Niemand erwartet oder verlangt aber doch von uns, daß die Lösung des so bedeutungsvollen Problems etwa darin bestehen sollte, daß wir uns der empirischen Kraft des Faktischen beugen und die Rechtsgültigkeit dessen anerkennen, was ohne unsere Mitwirkung geschehen ist.
Dazu bedürfte es doch keiner Verhandlungen! Und es ist auch wahrhaftig kein Ausdruck einer mangelnden Verständigungsbereitschaft, wenn wir daran erinnern, daß das Saargebiet innerhalb der Grenzen des Deutschen Reiches von 1937 liegt, wenn wir aussprechen, was alle Welt weiß, daß die Einwohner des Saargebiets Deutsche sind, und wenn wir darauf hinweisen, daß die Praxis der Behörden im Saargebiet unserer Überzeugung nach nicht mit Art. 10 der Konvention über die Menschenrechte in Einklang steht
und daß wir darum eine freie Willensentscheidung des Volkes an der Saar erwarten, damit dieses Volk dann mit Frankreich und mit uns über diese Frage entscheiden kann, von deren Beantwortung doch unser gemeinsames Schicksal abhängt.
Darum begrüßen wir auch die von der Beratenden Versammlung des Europarats empfohlene Konferenz der acht Mächte, weil wir glauben, daß der gute Wille und der Einfluß auch der anderen europäischen Staaten, die sich ebenso wie Frankreich und Deutschland zu dieser Konvention über die Menschenrechte bekennen, eine wesentliche Förderung der dringend gewordenen Lösung der Saarfrage darstellen kann.
Allerdings glaube ich, meine Damen und Herren, daß alle diese Fragen mit einer fortschreitenden wirtschaftlichen und politischen Integration an Bedeutung verlieren. Ziel der wirtschaftlichen Integration ist es, einen großen gemeinsamen Markt zu schaffen. Mit der Montan-Union ist er auf einem wesentlichen Teilgebiet schon verwirklicht. Je weiter die wirtschaftliche Integration vorangetrieben wird, um so unwesentlicher wird die Frage, wo produziert wird und wer produziert.
Das gleiche gilt für, die politische Integration, zu der ich sagen möchte, daß unserer Überzeugung nach politische und wirtschaftliche Integration sich gegenseitig bedingen. Wir sind uns wohl darüber einig, daß es mit diesem Ziele der politischen Integration unvereinbar wäre, bestehende Grenzen auszubauen, willkürliche Grenzen zu legalisieren oder gar neue zu errichten.
Aus dieser Erkenntnis heraus sollten die Gespräche zwischen Frankreich und Deutschland bald
aufgenommen werden. Ich hoffe und wünsche, daß sie in dem Geiste geführt werden, der in der Präambel zum Vertrag über die Montan-Union zum Ausdruck kommt, in der Absicht nämlich, an die Stelle der jahrhundertealten Rivalitäten einen Zusammenschluß der wesentlichen Interessen zu setzen und die Grundlagen für eine weitere, vertiefte Gemeinschaft unter Völkern zu legen, die lange Zeit durch blutige Auseinandersetzungen entzweit waren, um einem nunmehr allen gemeinsamen Schicksal die Richtung zu weisen.
Meine Damen und Herren, ich zweifle nicht daran: Verhandlungen, die in diesem Geiste der Freundschaft und des gegenseitigen Verständnisses, aber auch im Geiste der gemeinsamen Verantwortung geführt werden, werden von Erfolg sein. Sie müssen es sein, weil wir alle darum wissen, daß diese europäische Integration die Frage ist, von deren Beantwortung — ich sagte es schon — Leben oder Sterben des europäischen Kontinents abhängen wird. Ich sage das alles im Sinne einer echten, ehrlichen und offenen Ansprache an unser großes französisches Nachbarvolk. Wir wollen, wie es Schuman im Haag sagte, eine echte, neue, beständige Form der europäischen Zusammenarbeit in einer neuen Einheit. Sie kann und wird es nicht geben, wenn Frankreich und Deutschland sich nicht daran beteiligen. Wir werden beide aber nur dann an einer solchen Gemeinschaft beteiligt sein, wenn wir daran gehen, die Steine, die uns nun einmal noch trennen, aus dem Weg zu räumen. Es genügt nicht, sie beiseite zu schieben, und es genügt noch weniger, so zu tun, als wären sie nicht da.
Ich weiß, es gibt Stimmen, die, wenn wir von I der europäischen Integration sprechen, schon wieder auf ein angebliches deutsches Hegemoniestreben verweisen, die von der deutschen Stärke sprechen und die Furcht äußern, Deutschland könne diese Stärke mißbrauchen. Meine Damen und Herren, ich sage es klar und deutlich allen jenen, die diese Vorstellung noch haben, die sich nicht frei machen können von diesem Gefühl der Sorge, der Furcht und der Angst vor Deutschland: Wir wollen nicht mehr und nicht weniger als Sicherheit, politische, wirtschaftliche und soziale Sicherheit für unser Volk und für jeden einzelnen in unserem Volk. Aber wie können wir denn die Furcht und das latente Mißtrauen besser beseitigen, als wenn wir uns zusammenschließen? Worin besteht denn diese immer wieder mit Skepsis diskutierte deutsche Stärke? Darin doch, daß es gelungen ist, den Lebenswillen, den Selbsterhaltungswillen des deutschen Volkes wieder anzusprechen, ihn zu befreien und die Menschen aus der Lethargie der Verzweiflung zu wecken. Man sollte das doch nicht als ein Zeichen der Bedrohung, sondern als ein Zeichen der Sicherung Europas ansehen, was hier in Deutschland geschaffen wurde. Es ist ja nicht nur für Deutschland allein geschaffen worden, sondern für die freie Welt.
Nur die Macht des Isolierten ist gefährlich oder könnte gefährlich sein. Der Sinn einer Gemeinschaft ist es, diese Sorge und Furcht zu nehmen und die Stärke des einen Partners dem anderen nutzbar zu machen.
Aber ich meine, wir brauchen die Notwendigkeit dieser Politik der europäischen Verständigung gar nicht mehr zu betonen. Ja, ich habe sogar manch-
mal den Eindruck, als sei man in den Parlamenten der europäischen Staaten noch hinter der Meinung der Öffentlichkeit weit zurück.
Es gibt noch zu viele, die sich in diese Kandare des Nationalismus verbissen haben, die sie sich selbst angelegt haben. Aber ich glaube, wir müssen uns mit diesen berufsmäßigen Reaktionären gar nicht mehr auseinandersetzen.
Ich meine, wir sind im Bundestag nach den Wahlen sogar etwas weiter als vor den Wahlen, nicht nur wegen der veränderten Mehrheitsverhältnisse, sondern weil ich kurz vor den Wahlen auch eine Äußerung eines maßgeblichen Sprechers der Opposition las, die mich doch optimistisch gestimmt hat. Man hat damals zwar nicht unsere Wege gebilligt, aber man hat doch erklärt, daß man diese europäische Integration ja vielleicht auf einem anderen Boden, auf einer anderen Ebene, etwa durch den Einbau in den Europarat, anstreben könne. Ich begrüße diese Erkenntnis, wenn ich allerdings auch daran erinnern möchte, daß vor einigen Jahren, als wir den Beitritt zum Europarat diskutierten, hier von dieser Stelle aus von einem Redner der Opposition gesagt wurde, der Weg nach Europa gehe gerade an Straßburg vorbei. Aber wenn die Erkenntnis, daß diese Entscheidung damals richtig war, inzwischen gekommen ist, dann wollen wir uns gern darüber mitfreuen.
Am 10. September vorigen Jahres haben die Außenminister einen besonderen Auftrag gegeben. Sie haben in Vorwegnahme des Art. 38 des Vertrages über die Europäische Verteidigungsgemeinschaft die Sonderversammlung in Straßburg gebeten, ein Statut für eine Europäische Gemeinschaft auszuarbeiten. Ich möchte auf Einzelheiten dieses Entwurfs nicht eingehen oder, sagen wir richtiger, nicht heute eingehen; ich hoffe sehr, daß wir über diese Frage sehr bald einmal hier in diesem Bundestag eine Aussprache führen werden, und behalte mir auch vor, für meine Fraktion die entsprechende Initiative zu ergreifen. Dieses Statut einer europäischen Verfassung wurde fünf Monate später vorgelegt. Es war inzwischen Gegenstand von Verhandlungen der Außenminister in Paris und in Baden-Baden und zuletzt Gegenstand der Konferenz der Außenminister-Stellvertreter in Rom. Meine Damen und Herren, ich kann nicht unser Bedauern darüber verschweigen, daß die sichtbaren Fortschritte auf diesem Wege noch sehr gering sind. Diese Konferenzen haben keine Entscheidungen gebracht, ja, manche Entscheidungen bleiben vielleicht sogar ein wenig hinter der Entscheidung vom 10. September 1952 zurück. Ich habe die Hoffnung und den Wunsch, daß die deutsche Bundesregierung das ihre tun wird, um auch auf der bevorstehenden Haager Konferenz nicht nur eine Diskussion zu erreichen, sondern zu Entscheidungen zu kommen. Ich möchte allerdings besonders sagen — um jedes Mißverständnis zu vermeiden —, daß ich weiß, wie sehr sich gerade die deutsche Delegation in Rom unter der Leitung von Staatssekretär Professor Hallstein bemüht hat, Fortschritte zu erzielen, und ich danke, auch in meiner Eigenschaft als Vorsitzender des europäischen Verfassungsausschusses, diesen Delegierten und ihrem Leiter aufrichtig für ihre zweifellos erfolgreichen Bemühungen. Denn wenn die Konferenz von Rom überhaupt sichtbare Ergebnisse
hatte, dann ist das nicht zuletzt auch der Mitarbeit der deutschen Delegation zu verdanken.
Meine Damen und Herren, ich habe mich mit dieser Frage der europäischen Integration noch beschäftigen wollen, weil ich darin das Kernstück der zukünftigen deutschen Außenpolitik sehe. Ich stimme im übrigen vollkommen mit dem überein, was der Herr Bundeskanzler am Schlusse seiner Ausführungen gesagt hat, als er betonte, daß die Außenpolitik der Bundesregierung in allen ihren Bestrebungen ausschließlich darauf gerichtet sein werde, auf allen Gebieten und für alle Fragen Lösungen zu suchen, die dem friedlichen Ausgleich dienen. Ebenso uneingeschränkt unterstreiche ich für meine politischen Freunde und für mich selbst die Erklärung des Herrn Bundeskanzlers, daß es kein Problem gebe und kein Problem geben dürfe, für das nicht mit den Mitteln der Verhandlung eine klare Regelung erreicht werden könne, und daß die Mittel der Gewalt nur immer neue Konflikte zu schaffen geeignet seien. Ziel und Aufgabe der deutschen Politik muß es sein, die Zusammenarbeit mit allen denen zu suchen, die uns Partnerschaft und Freundschaft anbieten, um gemeinsam mit ihnen Freiheit und Frieden zu erhalten und Freiheit und Frieden auch denen zu vermitteln, die sie heute noch entbehren. Freiheit und Frieden wünschen wir nicht um ihrer selbst willen, sondern wir wissen, ja, vielleicht wissen wir es besser als viele andere, daß sie die einzigen Grundlagen für eine beständige verläßliche wirtschaftliche Ordnung und für eine echte soziale Sicherung sind, in der jeder von uns leben soll.
Wir haben Anlaß, an dieser Stelle auch jener zu gedenken, die an diesem politischen Ziel mitgearbeitet haben. Es war meiner Meinung nach nicht ein Ausdruck politischer Klugheit, aber vielleicht ein Ausdruck einer etwas verfrühten hämischen Gesinnung, als man einmal sagte, die Wegbereiter dieser europäischen Zusammenarbeit wie Robert Schumann und Alcide de Gasperi seien verschwunden und ein Dritter, Konrad Adenauer , würde auch verschwinden. Sie sind alle drei nicht verschwunden, meine Damen und Herren, auch wenn sic zur Zeit auf verschiedenen Ebenen und in verschiedenen Aufgabenbereichen ihre Arbeit fortsetzen.
Aber wir wissen es auch: Um das Ziel erfolgreich zu erreichen, brauchen wir auch in Zukunft die fördernde Unterstützung der Vereinigten Staaten, für die wir dankbar sind, und ebenso das Verständnis und die Bereitschaft zur Mitarbeit, die das Vereinigte Königreich uns gerade in den letzten Wochen und Monaten zugesagt hat.
Am Schlusse möchte ich noch sagen, daß ich die Hoffnung nicht aufgebe, auch das russische Volk und die russische Regierung möchten endlich erkennen, daß Deutschland nur den einen Wunsch hat, an dem Aufbau einer sinnvollen und in sich tragfähigen neuen Ordnung teilzunehmen, nicht um das Verhältnis zum russischen Volk zu belasten, sondern um im Interesse des Weltfriedens und der Weltsicherheit die Spannungen zu beseitigen, die in der Unfreiheit von Millionen deutscher Menschen bis zur Stunde allerdings noch ihren unseligen Ausdruck finden. Es geht nicht um Machtzuwachs, und noch weniger denkt irgendeiner von uns, an eine aggressive Haltung. Aber ich glaube, die europäische Integration könnte, wenn sie konsequent weitergeführt wird, sowohl für uns, die wir dieser europäischen Gemeinschaft angehören, wie auch für Rußland und für die übrige Welt eine Garantie des Friedens und der Sicherheit bedeuten, die für alle, denen es wirklich um den Frieden geht, von unschätzbarem Wert sein müßte.
Meine Damen und Herren! Für die Fraktion der Christlich-Demokratischen und Christlich-Sozialen Union danke ich dem Herrn Bundeskanzler für seine Regierungserklärung und versichere ihm, daß er der vertrauensvollen Mitarbeit seiner Fraktion gewiß sein darf. Mit ihm und — ich wage zu sagen — dem gesamten Deutschen Bundestag hoffe ich, daß wir gemeinsam die Aufgaben lösen, die uns gestellt sind, in der verpflichtenden Überzeugung, daß wir alle den gleichen Auftrag haben, an der Sicherung des politischen Friedens in der Welt ebenso wie des sozialen Friedens in unserem Volk mitzuwirken, damit wir auch alle nach vier Jahren über unsere Arbeit Rechenschaft ablegen können vor denen, denen wir Verantwortung schulden, und das ist nicht nur das deutsche Volk, sondern darüber hinaus die freie Welt.
Ich hoffe, daß wir in dieser Zusammenarbeit uns
finden mit allen, die eines gleichen guten Willens
sind und die mit uns um eine neue und bessere
Ordnung ringen wollen, in der es wohl noch Gegensätze geben wird — die wird es immer geben, und
wir werden sie nicht aus der Welt schaffen können —, aber in der es keinen Austrag der Gegensätze mit den Mitteln der Gewalt mehr geben darf.