Rede von
Paul
Bausch
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die letztmalige Verabschiedung eines Bundeshaushalts in der Sitzungs- und Tätigkeitsperiode dieses Parlaments gibt uns Anlaß, in einer Stunde der Besinnung zu überlegen, welche großen und leitenden Gesichtspunkte für die Finanz- und Haushaltspolitik der größten Fraktion dieses Hauses und darüber hinaus der Regierungskoalition maßgebend waren. Es wird sicher nützlich sein, eine solche Gelegenheit zu benützen, um sich selbst Rechenschaft darüber abzulegen, ob — der großen Linie nach gesehen — der Weg, den man beschritten hat, richtig oder falsch war, an welchen Stellen der eingeschlagene Weg etwa korrekturbedürftig war oder an welchen Punkten andererseits völlige Klarheit darüber besteht, daß der Weg richtig war.
Wir sind keinesfalls der Auffassung, daß wir alles richtig gemacht haben. Wir sind gar nicht der Meinung, daß das, was wir in den letzten vier Jahren getan und unternommen haben, nicht da und dort der Änderung bedürftig sei. Wir mußten in den letzten vier Jahren erst die Erfahrungen sammeln. Wir mußten uns erst Einblick in die ganz neuartigen Verhältnisse verschaffen. Außerdem war alles vollkommen in Bewegung. Wer hätte etwa im Herbst des Jahres 1949, als wir damit angefangen haben, Haushalte zu bearbeiten und Haushalte zu verabschieden, auch nur im entferntesten daran zu denken gewagt, daß wir im Jahre 1953 einen Haushalt mit einen finanziellen Gesamtvolumen von 27 Millionen DM verabschieden würden? Damals haben wir mit 7 Milliarden, wenn ich mich recht erinnere, angefangen. Alles war vollkommen unübersehbar. Wir waren vor die Notwendigkeit gestellt, in ein dunkles Land, in eine vernebelte Gegend hineinzumarschieren. Wir mußten von Fall zu Fall Lösungen finden. Man wird bei aller Schärfe der Kritik wohl nicht bestreiten können,
daß wir solche Lösungen gefunden haben. Aber wir hätten diese Lösungen niemals gefunden, wenn wir uns bei den wichtigsten Entscheidungen über unsere Finanzpolitik nicht von ganz festen und klaren Grundsätzen hätten leiten lassen. Es ist mir ein Bedürfnis, einige dieser Grundsätze in dieser Stunde einmal herauszustellen,
Zum ersten: Wir waren vor die Aufgabe gestellt, für die Bundesrepublik und ihre Finanzgebarung 'einen Raum des Vertrauens zu erwerben und zu erkämpfen. Ohne Vertrauen kann kein Staat, kann keine Gemeinschaft leben. Was aber ,den Deutschen und ihrer neu anhebenden Finanzgebarung in allererster Linie in der ganzen Welt entgegengebracht wurde, war zunächst nichts als Mißtrauen, bitterstes, härtestes Mißtrauen. Dieses Mißtrauen ist ausgelöst worden durch das, was durch das vergangene schlechte und verworfene Regime von Leid und Not über uns Deutsche und darüber hinaus über die ganze Welt gebracht worden ist. Unsere Aufgabe war es nun, darum zu kämpfen, daß an Stelle des Mißtrauens gegen Deutschland das Vertrauen zu Deutschland treten möge. Gerade auf dem Gebiet der Finanzen aber kann Vertrauen auf die Dauer nur dadurch erworben werden, daß eine ganz redliche, ganz ehrliche, sehr sorgfältige und sehr gewissenhafte Finanzwirtschaft getrieben wird.
Darüber, daß aber in der Bundesrepublik eine redliche, ehrenhafte, solide und gewissenhafte Finanzpolitik getrieben worden ist, besteht wohl kein Zweifel.
Jeder in Deutschland hat im Laufe der Zeit gesehen, daß dieser Bundesfinanzminister Schäffer und daß diese Regierungskoalition entschlossen sind, ein ehrliches Spiel und eine ehrliche Geldwirtschaft zu betreiben.
— Sie sagen „na, na"; es gibt leider noch manche Deutsche, die so sagen. Aber es ist unser ganzer Stolz, daß man im Ausland nicht so sagt,
sondern daß man im Ausland der Finanzpolitik dieser Regierung Vertrauen und Achtung entgegengebracht hat.
Wer noch irgendeinen Zweifel hieran hat, der braucht ja nur zu sehen, wie es um die Deutsche Mark steht. Wie stand es um 'das Jahr 1948 um die Deutsche Mark, als uns die Besatzungsmacht die Währung in die Hand gedrückt hatte? Wenn man damals ins Volk hineinhörte, dann stellte jeder zweite dazu die Frage: Wie lange wird diese Währung halten? Kaum jemand hatte Vertrauen zur Stabilität der Währung.
Und wie ist es heute? Heute ist die deutsche Währung eine der festesten Währungen, die es überhaupt in der Welt gibt.
Das ist der Ertrag einer redlichen und ehrlichen
Finanzgebarung, einer Finanzgebarung, die ganz streng darauf hielt, daß man nicht mehr ausgibt, als man einnimmt, daß gegebene Versprechen auch gehalten werden, einer Finanzpolitik, deren Träger sich ganz einfach und nüchtern an das Wort gehalten haben: „Eure Rede aber sei: ja, ja, nein, nein; was darüber ist, das ist vom Übel."
Ein Kaufmann, der sich in seiner Geschäftspraxis an dieses Wort hält, der gegebene Versprechen auch einlöst, der hat Kredit. Eine Regierung, die das tut, hat auch Kredit. Unsere Regierung hat sich in der Welt Kredit erworben, weil sie sich bemüht hat, nach diesem Rezept zu handeln und einen redlichen, ehrlichen und sauberen Weg in der Finanzpolitik zu gehen.
Wir haben in vielen harten und schweren Entscheidungen Gelegenheit gehabt, die Politik dieser Regierung zu stützen. Es ist uns oft sehr, sehr schwer, — bitterschwer gefallen, nein zu sagen zu irgendeiner Ausgabe, die wir sehr gern bewilligt hätten, für die wir aber keine Deckung hatten. Es war und ist auch heute unser ganzer Stolz, daß wir diese Härte aufgebracht haben, ganz entschlossen nein zu sagen zu Ausgaben, für die wir keine Deckung gesehen haben.
Nun komme ich zum zweiten Grundsatz, der uns bei unserer Arbeit im Haushaltsausschuß bestimmt hat. Wie Sie wissen, haben wir viele, viele Wochen lang im Haushaltsausschuß zusammengesessen. Der Haushaltsausschuß war einer derjenigen Ausschüsse, die wohl die meisten Sitzungen abgehalten haben. Kürzlich hatten wir die 250. Sitzung. Es waren Sitzungen voll von Mühe und Arbeit. Ich weiß nicht, ob man sich im Lande draußen eine genügende Vorstellung davon macht, welches Unmaß von Arbeit hinter diesen 250 Sitzungen des Haushaltsausschusses steht. Ich darf sagen, daß wir von der Christlich-Demokratischen Union und auch wir von der Regierungskoalition — ich hoffe, meine Kollegen von den anderen Regierungsparteien werden mir darin zustimmen — uns bemüht haben, eine Tugend zu praktizieren, die heute in dieser bewegten Zeit da und dort nicht mehr sehr groß im Ansehen steht. Wir haben versucht, die Grundsätze der Sparsamkeit anzuwenden.
Wir haben uns bemüht, auch bei den kleinen Dingen sparsam zu sein. Wie oft haben wir uns darüber gestritten, was nun die Ausstattung eines Zimmers in irgendeinem der Gebäude der Verwaltung höchstenfalls kosten darf!
Wir haben uns die Mühe nicht verdrießen lassen, gerade auf die kleinen und kleinsten Dinge mit großer Sorgfalt einzugehen. Wir haben das deshalb gemacht, damit der Steuerzahler draußen im Lande in dem Bewußtsein leben kann: Wenn die Leute hier in Bonn das Geld des Steuerzahlers ausgeben, dann denken sie an den Steuerzahler.
Sie denken daran, daß das Geld der Steuerzahler hart und sauer und schwer verdient werden muß und daß der Steuerzahler deshalb ein Recht darauf hat, daß die Leute, die sein Geld ausgeben, dies mit Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit und unter Anwendung der Grundsätze der Sparsamkeit tun, die unser Volk in der Vergangenheit wohlhabend und groß gemacht haben.
Und dann noch ein Drittes, auf das ich hinweisen möchte, wenn ich Rechenschaft über die Grundsätze ablegen soll, die wir gerade auf dem Gebiet der Finanzen und des Haushalts zu praktizieren versucht haben. Wir haben gesehen, daß eine Verwaltung — die Verwaltung ist ja in den letzten vier Jahren mächtig aufgeblüht —
ihre Selbständigkeit haben und über ein Tätigkeitsfeld verfügen soll, auf dem sie frei und unabhängig ihr Werk verrichten kann. Ein Ministerium soll ein Eigenrecht, sein Leiter eine Verfügungsgewalt haben.
Dieses Eigenrecht der Verwaltung haben wir geachtet und respektiert. Wir haben aber andererseits auch gesehen, daß die Verwaltung nur dann fruchtbar ihres Amtes walten kann, wenn sie in einem wirklich lebendigen Spannungsverhältnis zum Parlament steht. Dieses Spannungsverhältnis zwischen der Verwaltung, die von der Organisationsgewalt der Bundesregierung her bestimmt ist, und dem Parlament, das von Fall zu Fall seine Stellung neu bezieht, stets lebendig zu erhalten, dies war ein weiteres besonderes Anliegen, das für unsere Haltung bestimmend war. Noch immer ist es so gewesen, daß eine Verwaltung von einem gewissen Moment an in Gefahr stand, zu verdorren und zu verknorpeln, wenn sie keine Inspiration mehr hatte, sondern nur, von starren Rechtsgrundsätzen geleitet, von Paragraphen und den Bestimmungen der Gesetze angetrieben, ihre Tätigkeit ausübte. So wie jeder Einzelmensch immer erneut der Inspiration bedarf, der schöpferischen und erleuchtenden Gedanken, die seine Haltung bestimmen und ihm immer neuen Antrieb geben, so bedarf auch die Verwaltung ständig der Inspiration. Sie muß neue und schöpferische Gedanken haben. Sie bedarf der ständigen Befruchtung. Der Verwaltung immer neu diese Befruchtung zu geben, ist in erster Linie Sache des Parlaments.
— Ja, ganz sicher, Herr Renner.
Das wäre sehr gut für uns alle, wenn wir diese nie vergäßen!
Da könnten auch Sie wirklich noch einiges hinzulernen.
Ich wage es nicht zu sagen, daß diese gegenseitige Befruchtung von Parlament und Verwaltung in den letzten vier Jahren einen maximalen Standard erreicht hätte. — Das ist sicher nicht der Fall. Ganz gewiß aber hat sich unsere Tätigkeit auf dem Gebiet der Finanzwirtschaft befruchtend für die Arbeit der Regierung ausgewirkt. Darüber hinaus werden die kommenden vier Jahre dem Parlament und der Verwaltung Gelegenheit geben, in gemeinsamer Bemühung einen maximalen Standard gegenseitiger Befruchtung zu erreichen. Der Kontakt zwischen Regierung und Parlament muß verbessert werden.
Es darf nicht sein, daß es in der Verwaltung Männer gibt, denen es an der Achtung und dem Respekt vor idem Parlament fehlt.
Es sollte sich nicht ereignen können, daß in der Verwaltung auf irgendeinem Gebiet irgendwelche Aktionen unternommen werden, ohne daß dabei gleichzeitig geprüft wird, welches die großen konstruktiven Linien sind, die für dieses Gebiet vom Parlament als normativ und bestimmend entwikkelt worden sind. Achten wir doch sorgfältig darauf, daß wir es noch viel mehr, als dies bisher der Fall war, lernen müssen, aufeinander zu hören, damit nicht aus einem Gegensatz, sondern aus einer guten, konstruktiven und spannungserfüllten Zusammenarbeit heraus das gemeinsame Werk von Parlament und Regierung verrichtet werden kann.
Aber nun lassen Sie mich einige kurze Bemerkungen zu dem machen, was Herr Kollege Erwin Schoettle, mein verehrter Landsmann, heute an kritischen Bemerkungen gegenüber der Finanz- und Haushaltspolitik der Bundesregierung entwickelt hat.
Ich muß sagen, daß ich eigentlich etwas bekümmert darüber bin — schade, daß Schoettle nicht da ist; ich hoffe, daß er wiederkommt —, nun nur, nur das Nein aus seinen Worten herausgehört zu haben, nur Kritisches gehört zu haben. Ich glaube, wenn ich in seine innerste Herzkammer hineinblicken könnte,
dann würde ich feststellen können, daß es dort
ganz anders aussieht, als er uns das hier geschildert hat. Denn ich kann mir nicht denken, — -
— Wollen wir doch nicht so sensibel sein! Sie sind ja nun wirklich auch nicht sensibel. Sie machen doch reichlich Gebrauch davon, Ihrer Überzeugung Ausdruck zu geben, und dann wollen Sie uns doch bitte dasselbe Recht zugestehen. Ich bin der Meinung, daß auch Sie bis ins Innerste hinein von dem Glauben und von der Überzeugung erfüllt sind, daß diese Bundesregierung nicht nur Schlechtes, sondern auch einige ganz ausgezeichnete Dinge gemacht hat,
nur haben Sie nicht den Mut, das auszusprechen,
und diesen Mut hätte ich Ihnen von Herzen gern gewünscht.
- Ich habe sehr aufmerksam zugehört. Aber ich habe kein positives Wort gehört, sondern nur negative Dinge! Das aber genügt nicht. Dies trägt nicht der Bedeutung der Stunde Rechnung. So können wir nicht miteinander umgehen, daß eine Gruppe von Menschen da ist, die sich ehrlich und redlich bemüht, vier Jahre lang die Last der Verantwortung zu tragen, und dann kommt die Opposition und sagt: Das war ja alles nur schlecht!
— Doch, doch, Herr Kollege Gülich, genau das wurde gesagt.
Ich habe genau zugehört. Die letzten Ausführungen des Kollegen Schoettle gingen etwa dahin: Im wesentlichen waren es reaktionäre Tendenzen, die bei der Regierung wirksam waren. Das, was sonst so gemacht worden ist, nun, das ist aus den allgemeinen Zeitläuften entsprungen, das ist im großen und ganzen von selber gekommen. Nein, meine Damen und Herren, in dieser Welt entsteht nur der Unsinn, nur der Blödsinn von selbst. Alles, was an guten und nützlichen Dingen in dieser Welt entsteht, das muß erkämpft und erarbeitet werden. Und wir haben gekämpft und wir haben gearbeitet. Wir haben vieles für unser Volk erreicht. Es hätte uns mit Befriedigung erfüllt, wenn Sie auch anerkannt hätten, daß die Frucht unserer Arbeit eine Reihe von positiven Ergebnissen war, die sich segensreich für unser Volk ausgewirkt haben.
Kollege Schoettle hat an den Deckungsmethoden Kritik geübt, die beim Haushalt 1953 angewandt worden sind, so z. B. daß der Fehlbetrag von 1951 nicht in den Haushalt eingestellt worden ist. Das ist eine Sache, die auch uns Kummer gemacht hat und die auch uns nicht gefällt. Sie hat auch dem Finanzminister nicht gefallen. Aber bei der Anspannung des Haushalts, unter der wir leiden, ist
es doch sonnenklar, daß es auf dem Gebiet der Finanzpolitik genau so geht, wie etwa auf dem Gebiet der Militärwissenschaft. Clausewitz hat einmal gesagt: „Der Krieg ist ein System von Aushilfen". Ich glaube, jeder Finanzminister, gleichgültig ob er von der CDU oder von der SPD gestellt wird, wird von Fall zu Fall ein System von Aushilfen ersinnen müssen,
um praktische Lösungen für die jeweiligen Probleme zu erreichen.
— Ein System von Aushilfen! — Ich halte es für eine durchaus legale Maßnahme, wenn etwa versucht wird, im Einvernehmen mit den Trägern der Sozialversicherung die Lösung zu finden, die nunmehr realisiert wird.
Nachdem die Träger der Sozialversicherung vom Bund laufend in bar große Summen, geradezu Riesensummen zugeschossen bekommen und nachdem sie große Summen frei disponibel haben, ist es doch nichts Unbilliges, wenn sich der Bund mit ihnen ins Benehmen setzt und eine Lösung anstrebt, wie sie nun gefunden wurde.
— Doch, das stimmt! Das ist genau das, was ich
meine und was meine Überzeugung ist. Ich halte diese Lösung nicht etwa für eine schlechte, sondern für eine ganz gute und ordentliche Sache.
Nun die weitere Frage, die Kollege Schoettle angeschnitten hat, die Sache mit den Mitteln, die für die Erfüllung der Verträge bereitgestellt sind. Er hat gesagt, für die Erfüllung der Verpflichtungen aus den Verträgen stünden im Haushaltsplan 950 Millionen DM. Diese Beträge werde man aber wahrscheinlich gar nicht bezahlen müssen. Es wäre deshalb seiner Meinung nach besser gewesen, diese hohe Summe nicht in den Haushalt hineinzuschreiben. Dann hätte man bei den Deckungsmitteln doch etwas mehr Luft bekommen. Demgegenüber ist folgendes zu sagen: Für uns von der CDU und von der Regierungskoalition gilt, auch was diese Verträge anlangt, das, was ich eingangs gesagt habe: Wenn man Verträge geschlossen hat und wenn man sich verpflichtet hat, bestimmte finanzielle Leistungen zu vollbringen, dann ist man auch verpflichtet, die Deckungsmittel für diese Leistungen in den Haushalt einzustellen.
Unser außenpolitisches Handeln würde unglaubhaft werden, wenn wir anfingen, die Deckungsmittel für die Verpflichtungen aus den Verträgen, die wir abgeschlossen haben, aus dem Haushalt herauszustreichen. Das wollen wir nicht. Wir stehen zu den Verträgen. Wer zu der Bereitstellung dieser Mittel für die Erfüllung der Verträge nein sagt, muß folgerichtig ja sagen zur Leistung von Besatzungskosten, die dann vielleicht viel höher sein werden als die Beträge, die wir zur Erfüllung der Verpflichtungen aus den Verträgen bereitgestellt haben.
Vergessen wir nicht, daß bis zum heutigen Tage
noch das Besatzungsstatut vom 8. April 1949 gültig
ist, in dem vorgesehen ist, daß die Hohen Kommissare uns während seiner Dauer jederzeit durch
einseitige Anordnungen Besatzungslasten in beliebiger Höhe auferlegen können. Der, der die Verträge und die aus ihnen erwachsenden Kosten verneint, der bejaht das Besatzungsstatut und die
Besatzungskosten! Der muß dann aber auch ehrlich
genug sein, das auch draußen im Lande zu sagen.
— Die Ehrlichkeit ist ein wichtiges Element der Politik, Herr Professor Gülich! Wir gedenken sie nicht wegzulassen. Sondern wir gedenken sie auch in Zukunft zur Grundlage unserer Politik zu machen.
Sie werden doch im Ernst nicht bestreiten können, daß, wenn Sie nein zu den Verträgen sagen, Sie dann ja sagen zum Besatzungsstatut
und zur Vollmacht der Alliierten, uns auch in Zukunft durch einseitige Anordnungen zu regieren.
Was die übrigen Bemerkungen des Kollegen Schoettle anlangt, so habe ich nicht die Absicht, auf seine allgemeinen finanz- und steuerpolitischen Ausführungen einzugehen. Die Fragen des Steuersystems, der Einrichtung einer Bundesfinanzverwaltung und alle diese Fragen sind hier sehr häufig und sehr eingehend erörtert worden.
Ich möchte nur noch ein Wort zu seinen kritischen Bemerkungen über die Wirtschaftspolitik sagen. Die Wirtschaftspolitik steht in einem ganz engen Kontakt mit der Finanzpolitik. Ich habe schon darauf hingewiesen, daß wir mit einem Haushalt angefangen haben, der etwa 7 Milliarden DM in Ausgaben und Einnahmen umfaßte. Jetzt sind wir bei einem Haushalt mit 27 oder 28 Milliarden DM angelangt. Ich habe mich oft darüber gewundert, daß wir es fertig gebracht haben, für die sich ständig steigernden Staatsausgaben die erforderlichen Deckungsmittel zu beschaffen. Dabei haben sich die finanz- und steuerrechtlichen Grundlagen, die für die Einnahmeseite bestimmend sind, eigentlich kaum geändert. Gewiß, wir haben das eine Prozent Umsatzsteuer zugeschlagen. Dafür haben wir aber zweimal Senkungen der Einkommensteuer .vorgenommen. Obwohl also die steuerrechtlichen Grundlagen gleichgeblieben sind, haben wir es fertiggebracht, im Haushalt 1953 Staatsausgaben in Höhe von 27 Milliarden DM zu decken.
Wie ist aber nun dieses Kunststück möglich gewesen? Doch einfach deshalb, weil sich das Produktionsvolumen der deutschen Wirtschaft ständig vergrößert hat und weil sich deshalb auch die Steuereinnahmen erhöht haben.
Wir Deutschen haben ja eine fabelhafte Fähigkeit, uns herumzustreiten. Von dieser Fähigkeit hat der Kollege Schoettle auch bei seiner Auseinandersetzung über die Wirtschaftspolitik des Bundes reichlichen Gebrauch gemacht. Mag man aber nun über die Wirtschaftspolitik der Bundesregierung denken, wie man will, — jedenfalls ist es eine Tatsache, daß sich das Produktionsvolumen der deutschen Wirtschaft unter der Herrschaft dieser Regierung geradezu ungeheuerlich erweitert hat und daß deshalb auch die Staatseinnahmen entsprechend gestiegen sind. Niemand wird leugnen können, daß wir von der Regierungskoalition ein gerüttelt und geschüttelt Maß von Leistung erbracht haben, um dieses Ergebnis zu erzielen. Von selbst ist das alles nicht so gekommen. Ich wollte einmal sehen, wie es bei uns aussähe, wenn die Rezepte, die die SPD in den Jahren 1948 und 1949 für die Wirtschaftspolitik entwickelt hat, an Stelle der sozialen Marktwirtschaft verwirklicht worden wären. Wo wären wir da hingekommen!
Also, aufs Ganze gesehen, haben wir allen Anlaß, im Rückblick auf die letzten vier Jahre zu sagen, daß wir gut und redlich gewirtschaftet haben. Wir haben allen Grund, dankbar dafür zu sein, daß es uns in so weitgehendem Maße gelungen ist, das gesteckte Ziel zu erreichen. Wir können die Resultate dieser Finanzpolitik mit gutem Gewissen und in ehrlicher Überzeugung vor den breiten Schichten unseres Volkes vertreten.
Ich möchte nicht versäumen, in dieser Stunde dem Leiter der Finanzverwaltung des Bundes, dem Bundesfinanzminister Schäffer, für seine hingebende und schöpferische Arbeit für unser Volk den herzlichen Dank unserer Fraktion auszusprechen.
Wenn wir in den letzten 4 Jahren oftmals vor einer schwierigen Situation gestanden haben, habe ich mich oft gefragt: „Wird Herr Schäffer wohl wieder eine Lösung finden?" Bei unserer Ausschußarbeit waren wir uns immer wieder darüber einig, daß man einen Bundesminister zu dem Zweck hätte, damit ihm in einer kritischen Situation
etwas einfalle. Ich muß sagen, daß dem Finanzminister Schäffer immer etwas eingefallen ist. Meistens war es etwas Gutes.
Es ist in der heutigen Zeit, in der so viel Kritik geübt und in der so viel Negatives hervorgehoben wird, dringend nötig, einmal frei, deutlich und so laut, daß es alle Welt hört, unsern Dank denjenigen auszusprechen, die etwas Gutes für unser Volk geleistet haben.
Nun noch einige wenige Bemerkungen zu den vorliegenden Anträgen. Wir haben als Ergebnis der zweiten Beratung zu verzeichnen gehabt, daß der Haushalt des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten abgelehnt worden ist. Das war ein unvorhergesehenes Ereignis.
— Ja, wir können es auch später behandeln; das ist durchaus richtig. Dann werde ich die Bemerkungen darüber zurückstellen. Ich behalte mir aber vor, bei der Beratung des Einzelhaushalts dazu noch einige Randbemerkungen zu machen.
Abschließend möchte ich sagen: Wer auch immer in Zukunft die Verantwortung für die Finanz- und Haushaltspolitik der Bundesregierung tragen wird,
— niemals, wird man an dem vorbeigehen können, was an guter und ehrlicher Arbeit in den letzten vier Jahren geleistet worden ist. Für diejenigen, die in diesem Hause auch in Zukunft wirksam und tätig sein werden, werden die Erfahrungen, die wir 'in den letzten vier Jahren gesammelt haben, wertvolle Wegweiser für die Arbeit der Zukunft sein. Wenn in den kommenden vier Jahren die Rezepte realisiert werden, die für die Finanzpolitik dieser Regierung und für die Haltung der Regierungskoalition bestimmend waren, dann wird die Deutsche Mark auch in Zukunft in ihrem Wert erhalten bleiben, dann werden die Wohlfahrt, der Wohlstand und das soziale und innere Gefüge unseres deutschen Volkes auch in Zukunft sich weiter steigern, verbessern und verstärken. Was wir von der CDU aus dazu tun können, um diesen Kurs auch in Zukunft zu verfolgen, das werden wir tun. Denn wir sind alle der Überzeugung, daß der Weg, den wir gegangen sind, der rechte und der gute Weg war.