Rede von
Walter
Seuffert
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Drucksache Nr. 4239, über die der Bericht handelt, ist dem Haushaltsausschuß seinerzeit federführend und mitberatend dem Ausschuß für Geld und Kredit überwiesen worden. Da sie in Zusammenhang mit der Drucksache Nr. 4273, die dem Ausschuß für Geld und Kredit überwiesen worden ist, steht und da außerdem die Anträge der Ausschüsse zusammenfallen, haben sich die beiden Ausschüsse auf eine gemeinsame Berichterstattung durch den Ausschuß für Geld und Kredit geeinigt.
In der Vorlage zur Änderung des Gesetzes über die Verteilung des erzielten Reingewinns der Bank deutscher Länder, Drucksache Nr. 4239, ist, wie Sie sehen, zunächst einfach eine Verlängerung des bisherigen Gesetzes beantragt, das bis zum Jahre 1951 einschließlich galt und vorsah, daß der Reingewinn der Bank deutscher Länder, der ursprünglich den Landeszentralbanken als den Kapitalseignern dieser Bank zustand, an den Bund abzuführen ist.
Zuerst hatte sich der Ausschuß mit der vom Bundesrat aufgeworfenen Frage zu befassen, ob Gesetze dieses Inhalts zustimmungspflichtig sind. Bei der Beantwortung dieser Frage hat er die von ihm selbst und auch vom Bundestag mehrfach eingenommene Haltung wieder bestätigt, nämlich daß eine Zustimmungspflicht in diesem Falle nicht vorliegt.
Vor der Beratung dieser Drucksache mußte sich der Ausschuß zwangsläufig auch mit dem von den Abgeordneten Dr. Dr. Nöll von der Nahmer und Genossen eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Änderung der Vorschriften über Gewährung von Ausgleichsforderungen an die Bank deutscher Länder, Drucksache Nr. 4273, beschäftigen. Nach diesem Gesetzentwurf sollten bekanntlich praktisch die Zinszahlungen auf die Ausgleichsforderungen der Bank deutscher Länder entfallen. Das hätte zur Folge gehabt, daß einstweilen bei der Bank deutscher Länder ein Reingewinn nicht angefallen wäre, so daß vielleicht über ein Gesetz über die Verteilung des Reingewinns nicht weiter zu beraten gewesen wäre.
Der Ausschuß hat sich bei der Beratung der Drucksache Nr. 4273 nicht mit den in der Fachpresse teilweise zutage getretenen Erörterungen befaßt, welche Rolle die Ausgleichsforderungen bei der Deckung der Währung spielen und wie von diesem Gesichtspunkt aus ihre Verzinslichkeit oder Nichtverzinslichkeit zu beurteilen ist, sondern er hat sich einfach an die Zahlen gehalten. Es bleibt z. B. nach der Geschäftsrechnung der Bank deutscher Länder für das Jahr 1952 bei 160 Millionen DM Zinszahlung durch den Bund einschließlich Bundesbahn und Bundespost — also einschließlich der sozusagen fiktiv abgeführten Zinsen — nur ein Reingewinn von 143 Millionen DM zurück, von dem 40 Millionen DM in die Rücklagen gehen, 6 Millionen DM als Dividende auf das Kapital gezahlt und 97 Millionen DM an den Bund abgeführt werden. Das heißt mit anderen Worten, wenn diese Ausgleichsforderungen nicht verzinst werden, kann bei der heutigen Situation und, obwohl natürlich der reine Geschäftsgewinn zwangsläufig derzeit im Ansteigen begriffen ist, möglicherweise immer wieder die Lage entstehen, daß von einer Abführung des Reingewinns der Bank deutscher Länder überhaupt nicht die Rede sein kann, sondern nur von einer Zuführung von Mitteln zur Verlustdekkung oder zur Bildung entsprechender Rücklagen bei der Notenbank. Was die Rücklagenbildung anlangt, so kann angesichts der Tatsache, daß die Notenbank bei einer Bilanzsumme von rund 14 Milliarden DM heute nur rund 290 Millionen DM Rücklagen aufzuweisen hat — also eigentlich weniger, als man vernünftigerweise von einer Großbank zu verlangen hätte —, nicht davon die Rede sein, daß diese in absehbarer Zeit weniger stark betrieben werden könnte, als sie in den letzten Jahren betrieben worden ist.
Es hätte also bei Zugrundelegung dieses Antrags Drucksache Nr. 4273 sehr bald die Situation entstehen müssen, daß praktisch der Bundestag oder der Haushaltsausschuß des Bundestages darüber zu beschließen hätte, welcher Verlust bei der Notenbank zu decken oder welche Reserven bei ihr anzusammeln wären. Nach der jetzigen Gesetzeslage ist zwar der Reingewinn der Notenbank an den Bund abzuführen. Wie hoch dieser Reingewinn ist und was vorher an notwendigen Rücklagen auszuscheiden ist, bestimmt aber nicht ein Organ des Bundes, sondern der Zentralbankrat.
Für die Ablehnung des Antrags Drucksache Nr. 4273, die Ihnen gemäß den Beschlüssen beider Ausschüsse in dem Mündlichen Bericht Drucksache Nr. 4479 vorgeschlagen wird, war letzten Endes folgende Überlegung maßgebend. Irgendeine Diskussion im Bundestag darüber, ob die Ablieferung seitens der Notenbank an den Bund nach Haushaltsgesichtspunkten als angemessen zu betrachten ist, oder irgendeine Diskussion vom Standpunkt der Haushaltshoheit dieses Parlaments darüber, ob die Reservenbildungen, die Rücklagenpolitik, die Geschäftspolitik, die auf Diskontsätzen dieser Notenbank und ähnlichem beruht, haushaltsmäßig so oder so zu beurteilen sind, würde praktisch den Grundsatz der Selbständigkeit in der Geschäftsführung der Notenbank, zu dem sich alle Fraktio-
nen dieses Hauses bekannt haben, außer Kraft setzen. Es hat in der Tat keinen Sinn, von Selbständigkeit der Notenbank zu sprechen, wenn man derartige Rechte für das Parlament in Anspruch nimmt.
Nachdem die Ausschüsse also zur Ablehnung des Antrags Drucksache Nr. 4273 entschlossen waren, beschränkten sie sich nun aber nicht darauf, die ursprünglich beantragte Verlängerung des bisherigen Abführungsgesetzes vorzunehmen. In dem neu eingefügten § 1 a sind vielmehr über die Verteilung und Verwendung des Reingewinns der Notenbank Gedanken niedergelegt, über die in den Besprechungen des Bundestagsausschusses für Geld und Kredit aus Anlaß der Beratung des Bundesnotenbankgesetzes bereits völlige Übereinstimmung erzielt war. Jene Beratungen — das kann an dieser Stelle gesagt werden — müssen ja ohne parlamentarisches Ergebnis abgebrochen werden. Es ist jedoch beabsichtigt, das Ergebnis dieser Beratungen so aktenkundig zu machen, daß es verwendbar ist und später daran angeknüpft werden kann.
Schon bei der ersten Lesung des Bundesnotenbankgesetzes war von verschiedenen Seiten des Hauses das Problem der endgültigen Verpflichtung aus den Ausgleichsforderungen und ihrer Regelung zur Sprache gekommen, die auf der einen Seite den Kern unserer öffentlichen Schuld, auf der anderen Seite aber auch das Rückgrat in unserer ganzen Währungsstruktur und unserem ganzen Zentralbank- und auch sonstigem Banksystem darstellen. Ein großer Teil der Ausgleichsforderungen liegt heute mehr oder weniger provisorisch auf den Schultern der Länder. Es war seinerzeit verlangt worden, die Regelung dieser Ausgleichsforderungen alsbald in Angriff zu nehmen.
Es bestand von vornherein Einigkeit darüber, daß die endgültige und klare Regelung dieses Problems nicht nur die Klärung der Frage der Bundesnotenbank voraussetzt, sondern vor allen Dingen auch in engem Zusammenhang mit der nach Art. 107 des Grundgesetzes neu zu ordnenden Verteilung der finanziellen Einnahmen und Ausgaben zwischen Bund und Ländern steht und deswegen eine abschließende Lösung noch nicht spruchreif ist.
Der Ausschuß für Geld und Kredit hat aber schon vor einiger Zeit sein Augenmerk auf diejenigen Fälle gerichtet, in denen die Regelung bestimmter Ausgleichsforderungen unabweisbar dringlich erschien. Es sind das vor allen Dingen die Fälle von liquidienenden oder solchen Instituten, die in Konkurs gehen mußten. Immer wieder kommt es in diesen Fällen dazu, daß die Gläubiger solcher Institute ihr Geld einfach deswegen nicht erhalten, weil die Zahlungen auf die Ausgleichsforderungen, d. h. auf die Verpflichtungen der betreffenden Länder und damit auf das Rückgrat unseres ganzen Kreditsystems, nicht erfolgten und auch nicht erfolgen konnten. Unsere derzeit geltenden Vorschriften bieten in der Tat formell nur Möglichkeiten zur Zahlung auf solche Ausgleichsforderungen, wenn derjenige, dem sie abgenommen werden, gleichzeitig eine Verpflichtung zum eventuellen Rückkauf übernimmt. Aber es ist klar, daß abwickelnde Institute eine solche Verpflichtung nicht übernehmen können.
Ein besonders großer Teil derartiger Fälle wird in der nächsten Zeit auf uns zukommen, wenn mit Abschluß der Wertpapierbereinigung bei den Pfandbriefen sowohl Kapital- wie Zinsfälligkeiten aus inzwischen fällig gewordenen Anleihen, insbesondere Pfandbriefen, zur Auszahlung kommen müssen, eine
Frage, die die betreffenden Institute zu einem erheblichen Teil, insbesondere die verlagerten Institute, in nicht unbeträchtliche Liquiditätsschwierigkeiten bringen wird. Diese Fragen waren vom Ausschuß für Geld und Kredit bereits in den letzten Jahren mehrfach behandelt worden.
Die Bank deutscher Länder hatte in den beiden letzten Jahren Maßnahmen getroffen, und zwar durch Einstellung von je 15 Millionen DM in den beiden letzten Jahresbilanzen als Rückstellung für derartige Zwecke, um in den dringendsten Fällen eingreifen zu können, Maßnahmen, deren rechtliche Zulässigkeit nicht ganz unbestritten war, die aber sachlich sowohl von dem zuständigen Ministerium bejaht als auch vom Ausschuß ausdrücklich begrüßt worden sind.
Im Hinblick auf diese Sachlage und darauf, daß eine entsprechende Bestimmung, wie gesagt, bei den Beratungen für das Bundesnotenbankgesetz einstimmig bereits vorgesehen war, haben die beiden Ausschüsse es für richtig gehalten, in § 1 a Ziffer 4 — die anderen Bestimmungen dieses Paragraphen darf ich, da sie nicht weiter von Bedeutung sind, übergehen — einen Betrag von 30 bis 40 Millionen DM vorzusehen, der jährlich aus dem Gewinn der Bank deutscher Länder zur Regelung derartiger dringlicher Fälle bereitzustellen ist. Die Bedenken, die wegen eines etwaigen Vorgriffs auf die zu Art. 107 des Grundgesetzes vorzunehmende Verrechnung oder überhaupt auf die endgültige Abrechnung zwischen dem Bund und den Ländern über Ausgleichsforderungen von den Ministerien vorgetragen worden sind, hielten beide Ausschüsse nicht für ausreichend, zum Teil wegen Kompetenzschwierigkeiten, zum Teil wegen Schwierigkeiten, die den Entschlüssen der beteiligten Stellen sonst gegenüberstehen, die Möglichkeit wieder hinauszuschieben, in derartigen Fällen, die ja auch sehr wesentliche Interessen gerade der Gläubiger der beteiligten Institute berühren, eingreifen zu können. Der Betrag von 30 bis 40 Millionen DM erschien nach den Unterlagen, die gegeben wurden, ausreichend, den bestehenden Bedürfnissen für die nächsten Jahre Rechnung tragen zu können. Auf der anderen Seite ist er nach denselben Unterlagen so bemessen worden, daß trotz dieses Tilgungsfonds weiterhin eine Gewinnabführung der Notenbank an den Bund in der etwa den letzten Jahren entsprechenden Höhe erwartet werden darf.
Die Beschlüsse wurden im Ausschuß für Geld und Kredit einstimmig gefaßt, im Haushaltsausschuß gegen wenige Stimmen.
Ich darf nur noch eine Berichtigung anbringen. In § 1 a Abs. 1 Nr. 3 nach dem Ausschußbericht, wo davon die Rede ist, daß zur Bildung von Rücklagen für bestimmte Zwecke bis zu 10 O/o des danach verbleibenden Teils des Reingewinns verwendet werden, soll noch eingefügt werden, wie das eigentlich selbstverständlich ist, daß das durch Beschluß des Zentralbankrats festgelegt werden soll. Ich werde dem Herrn Präsidenten eine schriftliche Aufzeichnung darüber geben.
Im Anschluß an die Gedanken, die die Ausschüsse hier verwirklicht haben, wurde Einigkeit erzielt über das Ihnen weiter vorliegende Initiativgesetz der Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP auf Drucksache Nr. 4554, das zu demselben Zweck, den ich in der Berichterstattung berührt habe, eine entsprechende Abführung aus dem Reingewinn der Landeszentralbanken vorsieht, woraus wieder ungefähr 30 bis 40 Millionen DM jährlich erwartet werden können. Es steht also in engem Zusammen-
hang damit. Es entspricht einer interfraktionellen Vereinbarung, wenn ich bitte, dieses Gesetz hiermit gleichzeitig als begründet anzusehen.
Ich muß auch hier noch eine rein formale Berichtigung nachtragen. In § 12 Abs. 1 Nr. 3 des Landeszentralbankgesetzes in der Fassung, die dieser Paragraph nach der Drucksache Nr. 4554 erhalten soll, muß es in der hier entsprechenden Bestimmung über die Bildung von Rücklagen auch heißen: „durch Beschluß des Verwaltungsrats mit Genehmigung des Finanzministers".
Ich bitte also, meinen Vortrag gleichzeitig als Begründung für diesen in der Tagesordnung hiermit verbundenen Punkt anzusehen und sowohl die Anträge des Ausschusses wie diesen Gesetzesantrag anzunehmen.