Rede von
Dr.
Hermann
Schäfer
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FDP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache.
Ich komme zur Abstimmung. Es ist gewünscht worden, nach Ziffern abzustimmen. Wir stimmen zuerst über Umdruck Nr. 963 Ziffer 1 ab. Ich bitte diejenigen, die zustimmen, die Hand zu heben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Das erste war die Mehrheit; der Antrag ist angenommen.
Nunmehr stimmen wir über Umdruck Nr. 963 Ziffer 2 ab. Ich bitte diejenigen, die zustimmen, die Hand zu heben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Das erste war die Mehrheit; der Antrag ist angenommen.
Dann bitte ich diejenigen, die dem § 11 mit den soeben beschlossenen Änderungen zustimmen, die Hand zu heben. — Das ist die Mehrheit; angenommen.
Weitere Änderungsanträge zu diesem Paragraphen liegen nicht vor. Ich rufe auf die §§ 12 bis 24, — Einleitung und Überschrift. Ich bitte diejenigen, die diesen Teilen in dritter Beratung zuzustimmen wünschen, die Hand zu heben. — Gegenprobe! — Das erste war die Mehrheit; angenommen.
Ich bitte diejenigen, die dem Gesetz als Ganzem in der Schlußabstimmung zustimmen, sich von den Sitzen zu erheben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Das Gesetz ist einstimmig angenommen.
Es liegt noch ein Entschließungsantrag auf Umdruck Nr. 965 vor. Ich bitte diejenigen, die zustimmen, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! —Enthaltungen? — Einstimmig angenommen.
Es ist ferner über den Ausschußantrag auf Drucksache Nr. 4380 unter Ziffer 2 abzustimmen, die zu dem Gesetzentwurf eingegangenen Petitionen für erledigt zu erklären. Ich bitte diejenigen, die zustimmen, die Hand zu erheben. — Das ist die Mehrheit; angenommen.
Damit ist dieser Punkt der Tagesordnung erledigt.
Ich rufe Punkt 13 der Tagesordnung auf:
Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten ;
Mündlicher Bericht des Ausschusses für Fragen des Gesundheitswesens (Nr. 4397 der Drucksachen; Antrag Umdruck Nr. 955).
Das Wort zur Berichterstattung hat Frau Abgeordnete Dr. Steinbiß.
Frau Dr. Steinbiß , Berichterstatterin: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ehe ich mit meinem Bericht beginne, möchte ich Sie bitten, in der Drucksache Nr. 4397 einen Druckfehler zu berichtigen. In § 9 Abs. 2 fehlt hinter den Worten „sich dabei" das Wörtchen „nicht". Das soll hineingesetzt werden. Sie werden ohne Schwierigkeit die Berichtigungsnotwendigkeit einsehen.
Ferner hat sich der Ausschuß einstimmig noch zu einer Änderung des Mündlichen Berichts Drucksache Nr. 4397 entschlossen. Den entsprechenden Änderungsantrag finden Sie auf Umdruck Nr. 955. Danach sollen in § 21 a Zeile 2 das Wort „Verhütung" und in § 24 b die Worte „und die Erstattung einer Meldung nach § 12 oder § 13" gestrichen werden.
Meine Damen und Herren! Ich werde Ihnen einen kurzen Bericht geben. Ich will ihn nicht nach Paragraphen ordnen, sondern nur die wesentlichsten Punkte herausstellen. Zu dem Gesetzentwurf, der Ihnen vorliegt, darf ich sagen, daß der Regierungsentwurf eine brauchbare Unterlage für die Ausschußberatung geboten hat. Wir haben uns im Ausschuß ständig von dem Gedanken leiten lassen, daß dieses Gesetz kranken Menschen helfen und dies auf die menschlich schonendste und rücksichtsvollste Weise geschehen soll. Der Bundestag hatte seinerzeit gefordert, daß das Gesetz von 1927 zum Aufbau des neuen Gesetzes dienen sollte. Das konnte auch im wesentlichen geschehen.
Die Beratung hat etwas länger gedauert. In der Öffentlichkeit war schon die Meinung geäußert worden, daß eine neue gesetzliche Regelung gar nicht vonnöten sei, weil die Geschlechtskrankheiten im Bundesgebiet wesentlich abgenommen hätten. Das ist aber nicht so. Die Zahl der gemeldeten Neuerkrankungen in bestimmten Bevölkerungsgruppen ist immer noch hoch. Schuld daran ist auch ein gewisser Leichtsinn der Bevölkerung, der begünstigt wird durch die Kenntnis der bedeutend verbesserten Heilmittel. Ein weiteres wesentliches Moment ist das Wiederaufleben einer starken Fluktuation in der Bevölkerung. Denken Sie an den Zustrom vom Osten nach dem Westen und an die zeitweilige Zusammenballung starker Truppenverbände!
Einige grundsätzliche Fragen haben im Ausschuß eine lange Diskussion unter Beiziehung von Sachverständigen gefunden und zu Änderungen des Entwurfs geführt. Andere Änderungen beruhen lediglich auf der Weiterentwicklung der Strafgesetzgebung und der verwaltungsrechtlichen Vorschriften und brauchen hier nicht erörtert zu werden.
Ich möchte sagen — und das ist sehr wesentlich, meine Damen und Herren —, daß wir die strittigen Punkte im Ausschuß übereinstimmend klären und zu einer Lösung kommen konnten. Das erste und wichtigste Problem war, ein wirksames Seuchengesetz zu schaffen und trotzdem das Recht der persönlichen Freiheit und die Wahrung des persönlichen Geheimnisses zu respektieren. Der Ausschuß hat dabei in allen Zweifelsfällen dem Schutz der Person den Vorrang vor etwaigen behördlichen Maßnahmen gegeben. So konnte er sich nicht entschließen, die Krankenhauseinweisung allgemein in das Ermessen des Gesundheitsamtes zu stellen, sondern hat dieses Ermessen stark eingeschränkt. Ob aus einer besonderen Gefährdung durch Zeitumstände, Truppenlager, Flüchtlingsbesiedlung eine Untersuchung größerer Personenkreise notwendig ist, kann nicht mehr vom Gesundheitsamt allein entschieden werden, sondern nur von der Landesregierung im Einzelfall und befristet. So ist wohl jeder Willkür oder Schärfe vorgebeugt.
Ein anderer Schwerpunkt war der § 6. Der Regierungsentwurf sah vor, daß ein Strafantrag gegen Personen, die bei vorliegender Geschlechtskrankheit Geschlechtsverkehr ausüben, auch vom Gesundheitsamt gestellt werden könne. Der Ausschuß kam jedoch einstimmig zu der Ansicht, dem Gesundheitsamt diese Vollmacht nicht zu belassen, zumal der Regierungsvertreter aus verschiedenen Bundesländern Berichte vorweisen konnte, die zeigten, wie selten ein Gesundheitsamt zu solch einem Antrag gezwungen war. Der Wunsch des Kranken, sein Geheimnis auch für eine gerichtliche Verfolgung nicht preisgeben zu müssen, ist damit respektiert.
Eine andere wichtige, für uns zwar selbstverständliche Frage: Wer darf Geschlechtskranke behandeln? Nur der Arzt! Dem Arzt allein ist diese Aufgabe überlassen. Daraus erwachsen ihm besondere Pflichten und Rechte. In der Praxis sieht sich der Arzt oft Patienten gegenüber, die uneinsichtig sind und häufig auch disziplinlos handeln. Diese Patienten muß der Arzt dem Gesundheitsamt melden, und das Gesundheitsamt kann nicht auf eine namentliche Meldung in diesen Fällen verzichten, weil diese disziplinlos handelnden Patienten eine objektive Gefahr der Weiterverbreitung der Krankheit bedeuten und wir dieser nicht durch eine falsche Rücksichtnahme Vorschub leisten dürfen. Aus statistischen Gründen werden alle Geschlechtskranken, aber ohne Namensnennung, gemeldet, weil wir ja eine einwandfreie Übersicht über den Stand der Krankheit haben müssen.
Kommt es nun dazu, daß sich das Gesundheitsamt zu einer zwangsweisen Einweisung in das Krankenhaus gezwungen sieht, dann müssen hier die Vorschriften des Art. 104 des Grundgesetzes berücksichtigt werden, die vorsehen, daß eine Zwangseinweisung nur durch Richterspruch möglich ist. Da bei Böswilligen die Gefahr der Weiterverbreitung, wie ich schon sagte, besonders groß ist, muß hier schnell gehandelt werden.
In dem Gesetz ist neu die Forschung nach der Ansteckungsquelle, d. h. nach der Person, bei der der Patient sich angesteckt hat. Diese Nachforschungsverpflichtung ist tatsächlich ein erheblicher Fortschritt gegenüber dem alten Gesetz. Soll unsere Arbeit wirklich das Ziel erreichen, den Rückgang der Geschlechtskrankheiten noch zu verstärken, ja letzten Endes diese sogar zum Erlöschen zu bringen, so können wir auf die Infektionsquellenforschung nicht verzichten und brauchen die Mitarbeit des Arztes. Wir fordern den Einsatz der praktizierenden Ärzte in zumutbarem Maße. Der Ausschuß wollte unter „zumutbar" verstehen, daß der Arzt einen so wirksamen Einfluß auf den Patienten nehmen soll, wie es billigerweise von ihm verlangt werden kann. Auf den § 13, der diese Fragen regelt, darf ich besonders aufmerksam machen. Gegenüber dem Gesetz von 1927 wird den Minderjährigen unter 18 Jahren eine erhöhte Aufmerksamkeit geschenkt. Die durch das Gesetz angeschnittenen„ Fragen sind ja nicht allein durch ein Seuchengesetz zu lösen, sondern sie bedürfen einer sexual-pädagogischen Ergänzung. Die hier notwendigen seelischen Kräfte sollen in erster Linie durch das Elternhaus, weiterhin durch das Jugendamt und Gesundheitsamt gewährt werden. Der Arzt hat hier eine große Aufgabe. Seiner Beurteilung ist es überlassen, ob der Jugendliche sittlich gefährdet erscheint und er ihn demgemäß dem Gesundheitsamt melden muß.
Die Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten steht ja überhaupt in starkem Zusammenhang mit allgemeinen Fürsorgeproblemen. Das Gesundheitsamt hat die Verpfichtung — das ist neu in diesem Gesetz —, vorbeugend auf diesem Gebiet der Geschlechtskrankenfürsorge tätig zu sein. § 14 verpflichtet das Gesundheitsamt zur Zusammenarbeit mit der öffentlichen und privaten Fürsorge.
Ein besonders schwerwiegender Abschnitt betrifft die hier besonders delikate Schweigepflicht. Die allgemeine Pflicht zur Verschwiegenheit über dienstliche Angelegenheiten schien im Gesetzentwurf nicht ausreichend gesichert. Der Ausschuß hat gegenüber dem Regierungsentwurf in § 16, der die Schweigepflicht behandelt, den Kreis der Personen, welchen eine Mitteilung über einen Geschlechtskranken gemacht werden kann, weiter eingeengt und insbesondere ein gesundheitliches oder erzieherisches Interesse einer dritten Person nicht für ausreichend erachtet, diese Schweigepflicht zu brechen. Nur die Personen, die unmittelbar mit der Durchführung des Gesetzes zu tun haben, können in den Kreis der Geheimnisträger einbezogen werden.
Den Abschluß des Gesetzes bilden die Bestimmungen über die Regelung der Kostenfrage. Die Kosten der Untersuchung und der Behandlung werden für die Versicherten von den Trägern der Krankenversicherung getragen — dies gilt auch für die freiwilligen Mitglieder —, in begründeten Fällen, wenn die Inanspruchnahme einer Kasse die Untersuchung und Behandlung gefährden würde, von den zuständigen Rentenversicherungsträgern; im übrigen aber übernimmt sie die öffentliche Hand, falls die betreffenden Personen die Kosten nicht selber tragen können. Sofern eine Krankenhausunterbringung nur der Verhütung der Ansteckung dient, fallen die Kosten der öffentlichen Hand anheim.
Noch ein Wort zu den Strafbestimmungen. Wir wollten im vorliegenden Gesetz nicht die härteren Strafbestimmungen ausgesprochen haben, die § 327 des Strafgesetzbuches vorsieht, wie ja überhaupt Strafbestimmungen in dem Gesetz sich auf wenige Punkte der Gefährdung der Gesundheit eines anderen Menschen beschränken. Die Verstöße gegen technische Vorschriften seitens des Behandelnden sollen lediglich als Ordnungswidrigkeiten geahndet werden.
An einer letzten Frage darf ich nicht vorbeigehen. Es handelt sich um das Problem der Wohnungsbeschränkung für Prostituierte. Viele von Ihnen vermissen vielleicht die Übernahme des ursprünglichen § 17 des alten Gesetzes, der die Frage der Kasernierung zum Gegenstand hatte. Sehr lange und sehr gründlich haben wir uns im Ausschuß um die Regelung dieser Frage gesorgt und sind einstimmig zu dem Beschluß gekommen, sie in diesem Gesetz nicht zu behandeln. Der Entwurf des Gesetzes zur Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten geht davon aus, daß Kranken geholfen werden soll und daß das — ich wiederhole es — auf die menschlich schonendste, rücksichtsvollste Weise geschehen soll. Es erschien uns deshalb nicht notwendig, diesen Entwurf zum Anlaß einer Debatte über die Kasernierung der Prostituierten zu nehmen. Im Grundgesetz ist die Freizügigkeit und die Unverletzlichkeit der Wohnung garantiert. Wir können auch, so sehr wir dies wünschten, nicht die freiwillige Ansammlung von Prostituierten in bestimmten Straßen oder Häuserblocks, die von ihnen selbst aus Gründen
ihres Gewerbes gesucht werden, verbieten, zumal, wie gesagt, die Kasernierung der Prostituierten durch Art. 11 des Grundgesetzes eindeutig verboten ist. Im weiteren geht die internationale Gesetzgebung dahin, reine Gesundheitsgesetze zu schaffen und Fragen wie diese gegebenenfalls in besonderen Gesetzen zu regeln.
Ich möchte wünschen, daß dieser langerwogene Beschluß des Ausschusses allen denen, die so sehr an dieser Frage interessiert sind, die Gewißheit gibt, daß hier sorgfältig und überlegt gehandelt worden ist.
Ich bitte das Hohe Haus, dem Gesetzentwurf mit den erwähnten Änderungen seine Zustimmung zu geben.