Rede von
Rudolf
Kohl
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(KPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (KPD)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich stelle fest, daß für dieses Gesetz das gleiche Urteil zutrifft, das Herr Kollege Schellenberg für das vorhergehende Gesetz geprägt hat, daß nämlich dieses Gesetz längst fällig gewesen ist. Nach meiner festen Überzeugung hätte es auch ohne Schwierigkeiten von seiten des Bundesarbeitsministeriums diesem Bundestag längst vorgelegt werden können; denn es ist doch unbestritten, daß es in seinem Gesamtaufbau nur in wenigen Punkten von dem früheren Reichsversicherungsamt abweicht. Das Vorbild war also zweifellos gegeben. Es wäre aber nach meiner Überzeugung eine Frage der Zweckmäßigkeit ge-
Wesen, zu gleicher Zeit mit diesem Gesetz auch die Frage der Errichtung von Sozialgerichten zu erledigen, da zweifelsohne die Schaffung einer Aufsichtsbehörde und die klare Abgrenzung ihres Tätigkeitsgebiets mit der Sozialgerichtsbarkeit eng verbunden ist. Wer aber den vorliegenden Entwurf der Bundesregierung kennt, wer sich über die Gründe der Zurückhaltung eines solchen Gesetzes im klaren ist — man versucht auch dort, ähnlich wie in der gesamten Arbeitsgerichtsbarkeit, den Berufsrichtern den Vorrang gegenüber den alten und erfahrenen Sozialpraktikern zu geben —, der wird verstehen, daß dieser Entwurf nicht zur gleichen Zeit dem Bundestag vorgelegt wurde. Die Einfügung der Sozialgerichtsbarkeit in die allgemeine Gerichtsbarkeit wird — darüber müssen Sie sich im klaren sein — mit Recht zu heftigen Auseinandersetzungen führen.
Man muß zu diesem Gesetzentwurf, obschon man ihn bejaht, trotzdem einige kritische Bemerkungen machen, weil auch hier eine Tendenz vorhanden ist, die in ihrem wesentlichsten Kern nicht als fortschrittlich, sondern als rückschrittlich anzusprechen ist. Ich führe das besonders charakteristische Beispiel des § 5 an, der sich mit der Änderung einiger Bestimmungen der Reichsversicherungsordnung beschäftigt. Das gilt beispielsweise von § 878, der sich mit der Zuständigkeit der Aufsichtsbeamten beschäftigt, in dem gewisse Voraussetzungen für die Ausübung ihrer Tätigkeit gesetzlich geregelt werden.
Diese Änderungen erscheinen uns nach zwei verschiedenen Gesichtspunkten hin als politisch so wertvoll, daß man einiges dazu sagen muß. Die alte Bestimmung der Reichsversicherungsordnung spricht in ihrem § 878 ausdrücklich davon, daß — neben dem Recht der Prüfung des Betriebes — auch während der Betriebszeit den Prüfungsbeamten Bücher und Listen zur Einsicht vorzulegen sind. Ich weiß aus Erfahrung, daß gerade diese Bestimmung der Reichsversicherungsordnung von den Unternehmern immer auf das schärfste bekämpft worden ist, weil gerade durch die Einsichtnahme Mißstände aufgedeckt werden konnten, deren Verschleierung nach dem jetzt vorliegenden Entwurf nun endgültig möglich ist. Die Unternehmer wünschen im Betrieb keine Einsichtnahme. Sie wünschen allein Herr im Hause zu sein.
Daß diese Regierung dem Unternehmer in einer solch entscheidenden Frage entgegenkommt, entspricht ihrer gesamten politischen Willensbildung. Bei der zweiten Lesung wird die Möglichkeit bestehen, einige Änderungen dazu zu verlangen.
Man geht sogar noch weiter und verlangt die Streichung des Abs. 2, der die Strafbestimmungen für die Verweigerung der Einsichtnahme enthält, so daß den Unternehmern Tür und Tor geöffnet ist, in ihren Betrieben die Aufsichtsbehörden hinter das Licht zu führen.
Wir sind der Meinung, daß sogar eine Änderung der Bestimmung des § 878 im fortschrittlichen Sinne dahingehend am Platz gewesen wäre, den Betriebsrat mit einzuschalten, der zweifelsohne die Verhältnisse im Betrieb am besten und genauesten kennt und zu dem die Arbeiter bei Nichtbeachtung der geltenden Unfallverhütungsvorschriften in erster Linie kommen. Weder im Betriebsverfassungsgesetz, das ja von Ihnen so gelobt wird, noch in anderen Gesetzen ist dieses Recht des Betriebsrats ausdrücklich festgelegt. Wir werden auch hier
Gelegenheit nehmen, bei der zweiten Lesung dieses Gesetzes einen dementsprechenden Antrag einzureichen.
Wir wünschen aber auch — das möchte ich abschließend sagen — bei diesem Gesetz weitestgehende Aufrechterhaltung der ländermäßigen Bedingungen.