Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nachdem der Kollege Ohlig die Aussprache eröffnet hat, bin ich natürlich gezwungen — und ich will mich dem Zwang gern fügen —, zu seinen Ausführungen Stellung zu nehmen. Ich kann zunächst anknüpfen und bestätigen, was Kollege Atzenroth entwickelte. Ferner darf ich auf etwas hinweisen was vollkommen vergessen wird. Als wir in Unkel — ich habe ja die Ehre gehabt, dem sogenannten Unkeler Kreis vorzusitzen —über diese ganzen Themata eingehend berieten, standen wir vor der Tatsache, daß auch bei der Entschädigung für die Vertriebenen eine bestimmte Obergrenze da war und daß wir darum die Relationen feststellen wollten. Dann haben wir diese Obergrenze auf Wunsch und Bitten der Vertriebenen im Plenum fallenlassen. Da wir das wußten, haben wir unsererseits diese Obergrenze, die im Regierungsentwurf mit 150 000 Mark gesetzt war, auch gestrichen und sind zu der Lösung gekommen, wie Sie sie jetzt in § 47 als Vorschlag vorfinden.
Es ist gesagt worden, daß wir einmal wieder das große Kapital schonen wollten, und daß wir wieder die kleinen Vermögen vernachlässigten. Das spricht sich alles so leicht aus. Man sollte etwas vorsichtiger bei solchen Zahlen sein. Ich darf ein paar Zahlen nennen: Ich habe mal ausgerechnet, wenn jemand am Stichtag ein Vermögen von 20 000 Mark hatte und einen Schaden von 10 000 DM, also ein Drittel, gehabt hat, dann kommt er nach dem jetzt geltenden Recht in den Genuß einer Senkung seiner Abgabe von 7500 DM um 975 DM, nach unserer Vorlage um 1000 DM. Hat jemand ein Vermögen von 40 000 Mark gehabt, hat die Hälfte verloren und hatte am Stichtag 20 000 Mark Vermögen, dann erhält er nach dem jetzt geltenden Recht 1875 DM Senkung seiner Abgabe durch die in § 47 vorgesehene Ermäßigung, nach unserer Vorlage bekommt er 3500 DM Senkung. Das will also praktisch bedeuten, daß ich dem Betreffenden bei 20 000 Mark Vermögen immerhin noch 4000 Mark, also 25 %, abnehme, nachdem er schon 50 % verloren hatte. Nun will ich Ihnen die Zahlen weiter geben. Wenn ich jetzt hingehe — die Dinge sind ja doch in Tausenden von Fällen existent — und folgendes Beispiel nehme: Jemand hat am Stichtag noch ein abgabepflichtiges Vermögen von 20 000 Mark — er hatte 40 000 Mark —, dann würde er nach heute geltendem Recht eine Abgabe von 7500 Mark zu zahlen haben, und davon wird ihm die Hälfte, nämlich 50 %, erlassen. Er zahlt also 3750 Mark, d. h. er hat bereits vorweg zwei Drittel seines Vermögens verloren. Nun sind wir allerdings der Meinung, daß man ihm dann wirklich nicht noch einmal die Hälfte oder drei Viertel abnehmen darf.
Wenn ich in die größeren Vermögen gehe, da Wird die Sache interessant, weil sich in dieser Tonart, Kollege Ohlig, so leicht nach draußen reden läßt. Was sind denn die „großen Vermögen"? Die großen Vermögen sind doch nicht Geldvermögen, sondern Betriebsvermögen. Sind Sie denn ein einziges Mal — ich will ein Beispiel nennen — in dem ungeheuer zerstörten Düren gewesen und haben die riesengroßen Papierfabriken gesehen, bei denen die Schädigung — ich habe eine besichtigt und mich eingehend über diese Fragen orientiert — bei etwa 8 bis 10 Millionen liegt und das vorhandene Vermögen noch 2 Millionen beträgt? Die Folge ist, daß die Maschinen nicht mehr angeschafft werden können, daß von dieser Firma heute Hunderte von Arbeitern nicht beschäftigt werden können, weil die Beschäftigungsgrundlage, das Betriebsvermögen nicht da ist. Nun wollen Sie dem noch, statt ihm zu helfen, von den zwei Millionen Werten, die er behalten hat, also von den 20% seines Ausgangsvermögens, wieder eine Million ab-. nehmen! Zu deutsch: wir nehmen ihm 90 v. H. ab und geben ihm keine Chance, wieder aufzubauen und die Arbeitsplätze zu schaffen, um seine Arbeiter unterzubringen.
Ich brauche nicht weiter auf die Behauptung einzugehen, es bestehe eine Diskrepanz zwischen unserer ablehnenden Haltung zur Erhöhung der Unterhaltshilfe und unserer jetzigen Stellungnahme. Wer im Lastenausgleichsausschuß dieses Thema mit verhandelt hat, der weiß doch: Maßgebend für die Entscheidung, daß wir die Unterhaltshilfe nicht erhöhen konnten, war nicht die Frage der Aufbringung der Mittel, sondern die Erkenntnis: Wir müssen einmal mit einer falschen Sozialpolitik aufhören. Als im Dezember 1952 die Sozialrenten erhöht wurden, geschah das in Anpassung an vorherige Entwicklungen der Preissteigerung in der Lebenshaltung. Als wir die Teuerungszuschläge zur Unterhaltshilfe beschlossen, war die Teuerungswelle bereits abgeschlossen, nämlich ein Jahr später als die Erhöhung der Sozialrenten. Wir haben also bei den Sozialrenten nur etwas nachgeholt, was wir bei der Unterhaltshilfe durch das Teuerungs'zulagengesetz, das wir alle miteinander einstimmig angenommen haben, bereits vorweggenommen hatten.
Und das Letzte. Ich begnüge mich mit dem Hinweis auf die Tatsache, die Kollege Atzenroth nannte. Was ist denn in Wirklichkeit geschehen? In Wirklichkeit ist die Einnahme des Lastenausgleichsfonds wesentlich höher, Gott sei Dank wesentlich höher, als eine gewissenhafte und vorsichtige Schätzung des Bundesfinanzministeriums ergab. Was haben wir miteinander getan? Ich erinnere Frau Kollegin Krahnstöver an unsere Verhandlungen in Homburg. Wir haben gesagt, wir müssen jetzt dafür sorgen, daß die Mittel, die mehr kommen, möglichst schnell herausgehen. Wir haben miteinander überlegt, wie wir das tun können. Wir werden in kurzer Frist im Kontrollausschuß die entsprechende Vorlage zu beschließen haben, deren Ziel einzig und allein ist, den Geschädigten besser und schneller zu helfen. Wir versündigen uns also nicht an den Geschädigten; wir möchten aber auch ein Stück sozialer Gerechtigkeit für jene, die durch die Kriegseinwirkung schon außerordentliche Schäden erlitten haben, deren Berücksichtigung wir jetzt für unsere Pflicht halten. Wir werden damit unserer Gesamtkonzeption nicht untreu; denn das haben wir bereits, wie ich bei meiner Begründung sagte, am Schluß der Beratungen über die Annahme des Gesetzes gemäß dem Vorschlag des Vermittlungsausschusses hier im Hause feierlich erklärt.
Nun noch zum Anwurf des Kollegen Kohl. „Dafür werden Sie ja bezahlt". Herr Kollege Kohl, erlauben Sie mir, Ihnen zu sagen, daß ich es für unter meiner Würde halte, Ihnen auf einen solchen Vorwurf eine Antwort zu geben.