Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Antwort des Herrn Bundeswirtschaftsministers hat uns nur insoweit zu befriedigen vermocht, als er uns die Zusicherung gab, daß weitere Maßnahmen der Bundesregierung nicht erfolgen würden, bevor nicht das Baulandbeschaffungsgesetz dem Plenum wieder vorgelegt und von ihm verabschiedet worden sei, woran er allerdings die Bemerkung knüpfte, dies setze voraus, daß das Baulandbeschaffungsgesetz alsbald verabschiedet werde.
— Die Verabschiedung ist eine positive Regelung, Herr Kollege Lücke. Was die positive Einstellung des Herrn Ministers Erhard zu den Fragen, die wir im Baulandbeschaffungsgesetz regeln wollen, anbelangt, so sollten wir allerdings abwarten, wie sie aussieht. Denn seine heutigen Ausführungen haben eine Haltung erkennen lassen, die ich nur deshalb entschuldigen möchte, weil er von seinem Referenten offenbar nicht in allen Punkten eindeutig informiert worden ist. Hätte er nämlich völlig klare Informationen erhalten, dann hätte er seine Ausführungen nicht so sehr auf die Frage abgestellt, ob eine Rechtsverordnung beabsichtigt sei, die diese oder jene Regelung treffen wolle, sondern dann hätte er Kenntnis von einem Protokoll erhalten, das in seinem Ministerium vorhanden ist und das, wenn ich nicht irre, das Datum vom 10. Februar dieses Jahres trägt. Dieses Protokoll hätte ihm, wenn er es gelesen hätte, darüber Auskunft gegeben, daß
in der Tat Absichten bestanden und möglicherweise noch bestehen, auch ohne Rechtsverordnung die Entwicklung weiter voranzutreiben, die trotz der Bemerkungen des Herrn Kollegen Wirths, den ich im Augenblick hier nicht sehe, so aussieht, daß eine erhebliche Preissteigerung und in einigen Orten sogar spekulative Tendenzen bei der Bodenpreisbewertung heute bereits wieder erkennbar sind. In diesem Protokoll ist zu finden, daß das Bundeswirtschaftsministerium, mindestens sein Referent, eine Haltung einnimmt, die sich damit abfindet, daß ein Teil der Preisbehörden in den einzelnen Ländern bereits jetzt und ohne jede rechtliche Grundlage bemüht ist — ich zitiere wörtlich —, „den in der Zwischenzeit erfolgten internen Wertverlagerungen im Zusammenhang mit einer Veränderung der städtischen Baupläne und der Bauordnung besonders in den von Kriegsschäden betroffenen Gebieten Rechnung zu tragen".
„Teilweise", so heißt es wörtlich in dem Protokoll, „sind auch allgemeine Zuschläge auf die Stopppreise vom 17. Oktober 1936 genehmigt worden." Nachdem diese Tatsache feststeht, gewinnt der Erlaß, der vom Herrn Bundeswirtschaftsminister hier erwähnt wurde, eine besondere Bedeutung. In diesem Erlaß wird nämlich an einer Stelle zum Ausdruck gebracht — und das hat nichts mehr mit der eventuellen Entwicklung und der Neufestsetzung in Zukunft zu tun —:
Soweit bisher bereits allgemeine Zuschläge zu den Stichtagpreisen vom 17. Oktober 1936 zugelassen worden sind, ist nunmehr zu berücksichtigen, daß auf die berichtigten Stichtagwerte der Richtpreispläne ein allgemeiner Zuschlag von höchstens 50% erhoben werden darf, durch den der Veränderung der Kaufkraftverhältnisse Rechnung getragen werden soll.
Usw. usw. Damit wird also eine Praxis „legalisiert" — es wird hier der Segen durch ein Ministerium gegeben —, die klar gegen die gesetzliche Regelung verstößt.
Dann heißt es in dem Protokoll: „Um die Baulandpreisbildung im Rahmen des Möglichen aufzulockern, soll eine Reihe von Maßnahmen in Aussicht genommen werden." Es wird dann auf die Ausnahmegenehmigung nach § 3 der Preisstoppverordnung hingewiesen, und es werden im einzelnen Ausführungen gemacht, die erkennen lassen, daß der Bundeswirtschaftsminister die Praxis einzelner Preisbildungsstellen, die sich schon seit längerer Zeit über die gesetzlichen Preisstoppvorschriften hinweggesetzt haben, nicht nur kennt, sondern ausdrücklich billigt. Es sieht so aus, als sollten die Preisbildungsvorschriften für Bauland zum großen Teil nicht mehr beachtet werden, ohne daß man im Bundeswirtschaftsministerium — jedenfalls nach diesem Protokoll — gewillt ist, die angekündigte gesetzliche Auflockerung abzuwarten.
Was übrigens die Frage der Gesetzwidrigkeit anbelangt, so nimmt vielleicht der Herr Bundeswirtschaftsminister Gelegenheit, meine Ausführungen im einzelnen nachzulesen und sich dabei Gedanken darüber zu machen, ob es — unabhängig von den übrigen rechtlichen Streitfragen — möglich ist, derart weitgehende Rechtsverordnungen ohne Befassung des Parlaments zu verabschieden. Ich darf auf eine Zusage des verstor-
benen Bundeswohnungsbauministers Wildermuth hinweisen, der in einem ähnlichen Fall ausdrücklich erklärt hat, die Bundesregierung denke nicht daran, derartige Verordnungen zu erlassen, ohne dem Parlament ein Mitspracherecht zu geben. Zumindest der Bundesrat dürfte einen Anspruch darauf haben, von solchen Verordnungen rechtzeitig Kenntnis zu erhalten, um die Möglichkeit zu haben, zu ihnen Stellung zu nehmen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mehr als der Herr Bundeswirtschaftsminister hat sein Koalitionskollege Wirths Gelegenheit genommen, die inzwischen eingetretenen Zustände zu harmonisieren. Er hat dargetan, und das ist natürlich etwas, was durchaus den Tatsachen entspricht, daß der Stopppreis heute weitgehend nicht mehr eingehalten werde. Ich habe eingangs meiner Ausführungen keinen Zweifel darüber gelassen, daß auch wir diese Situation kennen und uns klar darüber sind, daß Maßnahmen getroffen werden müssen, um hier eine vernünftige Regelung herbeizuführen. Der Unterschied der Auffassungen liegt lediglich darin, ob man dem Ministerium, der Bundesregierung, das Recht zubilligen soll, der- artige Maßnahmen von sich aus zu treffen, oder ob nicht dieses Parlament berufen ist, in solchen Fragen Stellung zu nehmen und aus seiner Verantwortung Entscheidungen zu treffen. Es kann keinem Zweifel unterliegen, daß die Frage der Bodenpreise auch eine Frage des Lebensstandards ist und daß die Bodenpreise in irgendeiner Form Auswirkungen auf die Kosten beim Bauen haben. Auch für den sozialen Wohnungsbau sind es keine Bagatellen, die hier in Rede stehen. Kollege Wirths sollte doch einmal daran denken, was es bei Eigenhennen und bei der Kleinsiedlung bedeutet, eine ) auch nur geringfügige Erhöhung der Baulandkosten in Kauf nehmen zu müssen. Das wirkt sich doch bereits aus. Auch sonst ist es so, daß die Baulandpreise keinesfalls ohne Bedeutung sind.
Es ist aber etwas schon heute Feststellbares passiert, was Bedenken auslösen muß. Wir haben uns wiederholt in diesem Hause über die Notwendigkeit unterhalten, Entscheidendes zu tun, um in den zerstörten Stadtkernen zu einem verstärkten Wiederaufbau zu kommen. In diesen zerstörten Stadtkernen wirkt sich schon jetzt die von mir kritisierte Preisrechtsverordnung Nr. 75 zum Teil so aus, daß erhebliche Bodenpreissteigerungen eingetreten sind, die eindeutig spekulativen Charakter tragen. Mir liegen eine Fülle von Berichten vor — besonders aus Städten, die zerstört waren —, die den Beweis dafür erbringen, daß z. B. Grundstückseigentümer, deren Grundstücke nicht an einem Umlegungsverfahren beteiligt waren, am Tage nach der Verkündung der Verordnung Nr. 75 Forderungen gestellt haben, die zum Teil eine Steigerung um 500 % darstellen.
— Gegenteilige? Es gibt allerdings in einer Reihe von Orten die Feststellung, daß keine wesent1ichen Steigerungen eingetreten sind.
— Herr Kollege Lücke, Sie dürfen mir nach einer großen Rundfrage eine Übersicht über diese Dinge zugestehen. Die Steigerungen liege bei Trümmergrundstücken bisher bei 10 bis 20 %. Das ist eine absolut vertretbare Größenordnung. In den
Fällen der Umlegung aber — ich will Ihnen gern die Unterlagen zeigen — erweist sich, daß unter Umständen zwei Grundstückseigentümer nicht bereit sind, das Opfer für die Allgemeinheit aufzubringen und zu einer freiwilligen Vereinbarung zu kommen, sondern sich sperren und sich auf eine Kaufpreisforderung stützen, die den unverdienten Mehrwert mit beinhaltet. Durch die Aufschließung, durch den Wiederaufbau der umliegenden Grundstücke und durch die Umlegung ist natürlich der Wert ihrer Grundstücke gestiegen, und sie berufen sich nun auf die Preisrechtsverordnung Nr. 75; sie kommen mit Forderungen, die zum Teil horrend sind. Ich habe hier aus einer solchen Stadt den Lageplan einer Verwaltung. Der Oberstadtdirektor, der Ihnen, Herr Kollege Lücke, politisch sehr nahesteht, bezeichnet die Auswirkungen dieser Verordnung Nr. 75 für seine Stadt als eine Katastrophe, weil er die Anforderungen in keiner Weise erfüllen kann.
Man kann also die Dinge nicht bagatellisieren, sondern muß sie im Zusammenhang sehen und im Zusammenhang lösen. Deshalb ist die isolierte Lösung von Einzelfragen durch Verordnungen bei dieser Komplexität der Dinge in jedem Fall zu bedauern. Wir haben ja nun diesen interfraktionellen Antrag, und wir werden sehen, wie wir in Zukunft verfahren können. Am guten Willen, den Verhältnissen Rechnung zu tragen, wird es uns allen nicht fehlen. Aber eines möchte ich dem Herrn Kollegen Wirths, der offenbar fluchtartig das Lokal verlassen hat, doch sagen.
— Nein, nicht aus Furcht vor mir, Frau Kollegin Weber; so eingebildet bin ich nicht, daß ich glaubte, daß er vor mir flüchten würde. — Herr Kollege Wirths glaubte in seinen Darlegungen zum Ausdruck bringen zu müssen, daß beispielsweise dem Bauern, der, um eine Maschine erwerben zu können, ein Grundstück verkaufen muß, ein Preis zugestanden werden müsse, der den veränderten Kaufpreisverhältnissen und anderen Umständen, vor allem den Forderungen, die ihm selbst gestellt würden, wenn er als Käufer auftrete, in etwa entspreche. Nun, er hat eine neue Figur in die Debatte gestellt. Ich glaube, sie kommt sehr selten vor. Ein Bauer, der eine Maschine kauft, wird sich sehr überlegen, ob er, um sie zu erwerben, ein Grundstück anbietet. Das ist schließlich die letzte Entscheidung, die ein Bauer trifft. Wenn er sie treffen muß, wird er allerdings in der Zwangslage sein, darauf zu achten, daß er einen möglichst gerechten Erlös erzielt; der steht ihm zu. Aber alles in allem besteht keine Veranlassung, alle diese Fragen als im Grunde genommen sekundärer Art zu betrachten. Das, was Herr Kollege Wirths in der kritischen Stellungnahme zu den Bemerkungen des Kollegen Lücke in bezug auf die Abschöpfung des unverdienten Mehrwerts angeführt hat, gehört, glaube ich, zu jenen Versuchen, eine sehr entscheidende Frage, eine Frage, die wir lösen müssen, zu bagatellisieren.
Es ist kein Zufall — und wenn es der Kollege Lücke nicht gesagt hätte, dann hätte ich es gesagt —, daß sowohl der Kardinal Frings als auch der Bischof Dibelius, veranlaßt durch die Verordnung Nr. 75/52, jene beiden Briefe an den Bundeswirtschaftsminister geschrieben haben. Die Sorge, die hier zum Ausdruck gekommen ist, ist die Sorge all derer, die bemüht sind, einem unserer größten Notstände zu begegnen, den Woh-
' nungsbau zu forcieren und zu einer Bereitstellung von Bauland für jeden Bauwilligen zu kommen. In dieser Grundtendenz sind wir uns einig. Wenn wir aber zu praktischen Erfolgen kommen wollen, dann müssen wir uns bemühen, die Problematik der Fragen, die uns hier beschäftigen, zu sehen, und dann geht es nicht an, die Gedanken der freien Marktwirtschaft bei der Erörterung und Lösung der Baulandpreisgestaltung ohne jede Abwandlung zu praktizieren. Wir werden uns vorbehalten müssen, die Ausführungen des Herrn Bundeswirtschaftsministers, wenn sie schriftlich vorliegen, sorgfältig zu prüfen. Wir nehmen noch einmal zur Kenntnis, daß vorerst keine Änderungen beabsichtigt sind. Wir machen aber darauf aufmerksam, daß der interfraktionelle Antrag nicht nur vorsieht, daß die Bundesregierung ersucht wird, bis zum Inkrafttreten des Baulandbeschaffungsgesetzes keine weitere Auflockerung oder Aufhebung von Preisvorschriften für den Verkehr mit Grundstücken zu betreiben, sondern daß es dort auch heißt, daß die Bundesregierung derartige Tendenzen nicht zulassen soll. Das bedeutet eine Überprüfung ihres eigenen Erlasses, der mehrfach erwähnt worden ist, und eine Überdenkung der Praxis, die wir bisher beim Bundeswirtschaftsministerium vermißt haben.