Rede von
Carl
Wirths
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FDP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Meine Damen und Herren! Es wäre nach den Ausführungen von Herrn Minister Erhard sicher nicht notwendig gewesen, eine breite Debatte zu entfachen. Aber ich glaube, daß wenigstens einiges zu den Ausführungen unseres Kollegen Jacobi gesagt werden muß, weil eine Auffassung vorgetragen worden ist, die mit der Wirklichkeit nun weiß Gott nicht übereinstimmt. Herr Kollege Jacobi hat erklärt — und Herr Lücke ist ihm insoweit gefolgt —, eine Aufhebung des Preisstopps für unbebaute Grundstücke brächte den Preisstand auf dem Grundstücksmarkt durcheinander.
Ja, meine Damen und Herren, er i s t ja durcheinander! Er ist ja durch den viel zu langen Preisstopp ins Durcheinander gekommen.
Es ist festzustellen, daß sowohl in der Stadt wie auf dem Land kaum noch ein Grundstück zum Stopppreis verkauft wird. Die Leute machen schwarze Preise. Leider Gottes haben wir ja in RheinlandPfalz den berühmten Fall, in dem ein Notar bei einem Verkauf durch die öffentliche Hand auf Zahlung seiner wirklichen Gebühren geklagt hat und damit durchgekommen ist.
Nun ein zweites. Herr Jacobi hat erklärt, daß die Freigabe der Preise für unbebaute Grundstücke notwendigerweise zu einer Erhöhung — er sprach von 500/o — führen müsse und daß sich das dann auf die Höhe der Baukosten, auf die Miete und damit auf den Lebensstandard auswirken werde. Auch das ist unrichtig. Wir haben festzustellen, daß seit Jahrzehnten der prozentuale Anteil der Grundstückskosten an den Gesamtbaukosten immer geringer geworden ist.
Das liegt daran, daß wir seit Jahrzehnten eine gestoppte und keine richtige Miete haben. Wenn man nun der Aufhebung des Preisstopps zustimmt, — das wird die Praxis ergeben —, so glaube ich nicht, daß eine wesentliche Steigerung der Preise eintreten wird. Aber wenn sie käme, wenn man das akzeptieren müßte, so ist dazu zu sagen, daß doch im ganzen Rahmen des sozialen Wohnungsbausektors die Miete eine Richtsatzmiete ist, die festgelegt wird, und daß es wirklich kaum Einfluß auf die Miete hätte, wenn sich die Gesamtbaukosten des Hauses etwa um Bruchteile von Prozenten erhöhten. Das hätte gar keinen Einfluß auf die Miete, höchstens auf die Verzinsung der Landesdarlehen. Man kann also nicht damit operieren, daß etwa durch eine Erhöhung der Baulandpreise die Mieten automatisch höher gingen.
Weiter muß auch folgendes berücksichtigt werden. Wir haben heute den Preisstopp. Wenn er umgangen wird, dann kriegt der Mann das Grundstück, das er haben will. Aber wenn einer, der das Grundstück etwa geerbt hat oder seit langem in Besitz hat, es an einen Mann verkaufen will, der Geld hat und sich ein Einfamilienhaus von 100 000 DM bauen will, dann soll der Mann auch mehr für das Grundstück bezahlen.
Nun das große Problem des Zuwachses, `von dem Herr Kollege Lücke gesprochen hat. Wir wollen über das angekündigte Bodenbewertungsgesetz heute nicht sprechen; aber in dieser Materie sind auch einige reichlich problematische Fragen enthalten. Wenn man sich beispielsweise überlegt, daß wir — im groben Durchschnitt — bei den landwirtschaftlichen Grundstücken pro Quadratmeter einen Preis von etwa 50-70 Pf haben
— nun schön, gehen Sid auch auf 80 Pf; im Schnitt haben Sie kaum landwirtschaftliche Grundstücke, bei denen der Wert etwa gleich 1 DM ist, also 2500 DM pro Morgen —, und wenn der Landwirt, damit er sich etwa neue Maschinen kaufen kann, jetzt gezwungen wird, Grundstücke als Bauland abzustoßen, diesen Boden zum alten Stopppreis abzugeben, dann ist das praktisch eine Enteignung, weil er ja für seine neuen Maschinen den zwei- oder dreifachen Preis von 1936 zahlen muß.
Nun,. noch das berühmte, aber, ich möchte sagen, überlebte Gespenst der Bodenspekulation.
— Überlebt, es ist nicht mehr da! Es ist ja nur noch in den Erinnerungen.
Es ist doch ein wirtschaftlicher Wahnsinn, wenn ein Geldmann heute hergeht und Boden kauft.
— Es geschieht, ja. Schön. Im großen und ganzen ist es Wahnsinn, weil der Mann ja für das investierte Geld in anderen Sektoren mindestens eine Verzinsung von 7 bis 9 oder 10% kriegt. Dann soll er doch lieber die Schäfferschen Schatzanweisungen kaufen, da hat er mehr und hat sein Geld möglicherweise genau so sicher. Solange man im sozialen Wohnungsbau nur 4% Verzinsung des Eigenkapitals bekommt, ist eine Bodenspekulation nicht möglich.
Ich glaube, man sollte sich keinen großen Hoffnungen hingeben, wenn man etwa an die Abschöpfung des Zuwachses denkt. Das wird nicht viel bringen, Herr Kollege Lücke. Ich bin durchaus gegen eine Bodenspekulation und ich bin gegen einen Preiswucher beim Boden. Möglicherweise wird es, wenn die Preise, was ich im Prinzip durchaus wünsche und begrüße, freigegeben werden, vollkommen ausreichen, ein Gesetz zu machen, das die Bodenspekulation und den Preiswucher ausschließt. Ich glaube aber, das würde genügen.