Rede von
Dr.
Ludwig
Erhard
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Große Anfrage der SPD wegen Aufhebung von Preisvorschriften auf dem Gebiete des Grundstücksverkehrs beantworte ich wie folgt:
Die Frage 1 lautet:
Woraus leitet die Bundesregierung die Ermächtigung her, bestehende Gesetze oder gesetzesvertretende Verordnungen, wie dies im Falle der Preisverordnung 75/52 geschehen ist, im Verordnungswege zu ändern?
Die Verordnung 75/52 greift in bestehende Gesetze überhaupt nicht ein. Sie greift aber auch nicht in Verordnungen ein, die als gesetzesvertretend bezeichnet werden können. Sie beseitigt das Preiserhöhungsverbot für bebaute und Trümmergrundstücke und schränkt damit die Preisstoppverordnung ein. Daß die Preisstoppverordnung keine gesetzesvertretende Rechtsverordnung ist, ist bereits obergerichtlich entschieden worden. Das gleiche gilt für den durch die Verordnung 75/52 geänderten § 1 der Verordnung vom 7. Juli 1942, da dieser lediglich der Sicherung des Preiserhöhungsverbots diente. Das darin bestimmte Verfahren zur Erlangung einer preisrechtlichen Unbedenklichkeitsbescheinigung kann nach der Freigabe der Preise für bebaute Grundstücke und Trümmergrundstücke auf diese nicht mehr angewandt werden. Dem § 4 der Verordnung kommt daher keine materielle, sondern nur eine klarstellende Bedeutung zu. Es kann daher dahingestellt bleiben, ob und inwieweit auf Grund alter Ermächtigungen Abänderungen von sogenannten gesetzesvertretenden Verordnungen möglich sind.
Die zweite Frage lautet:
Besteht die Absicht, durch eine Rechtsverordnung den Preisstopp auch für unbebaute Grundstücke zu lockern oder aufzuheben?
Ich nehme dazu wie folgt Stellung. Eine Aufhebung des Preisstopps für unbebaute Grundstücke ist für den gegenwärtigen Zeitpunkt nicht in Aussicht genommen. Sobald das Baulandbeschaffungsgesetz verkündet sein wird, werde ich erneut prüfen, ob und in welcher Form eine Auflockerung des Preiserhöhungsverbots erfolgen kann.
Wie ich bereits bei der Beantwortung der mündlichen Anfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Becker in der 235. Sitzung des Deutschen Bundestages am 23. Oktober 1952 ausgeführt habe, wird eine Auflockerung der Preisvorschriften für Bauland davon abhängig zu machen sein, daß Erschwernisse des Wohnungsbaus, insbesondere des sozialen Wohnungsbaus, nicht eintreten dürfen. Ich habe des weiteren in der gemeinsamen Sitzung der Ausschüsse für Wiederaufbau und Wohnungswesen und für Bau- und Bodenrecht am 8. Januar 1953 dargelegt, daß eine Freigabe der Preise für unbebaute Grundstücke nicht beabsichtigt sei. Nach der Freigabe der Preise für bebaute Grundstücke und Trümmergrundstücke durch die Verordnung PR Nr. 75/52 vom 28. November 1952 habe ich daher zunächst ein wissenschaftliches Forschungsinstitut damit beauftragt, periodisch die Entwicklung der Verhältnisse auf dem Grundstücksmarkt zu ermitteln. Eine weitere Auflockerung der Preisvorschriften wird von dem Ergebnis dieser Untersuchung abhängig zu machen sein.
Nach § 7 des Entwurfs eines Baulandbeschaffungsgesetzes in der Fassung vom 17. Februar 1953 ist zwar bei der Ermittlung des Wertes eines von der Enteignung betroffenen Grundstücks von den Wertverhältnissen am 17. Oktober 1936 auszugehen; jedoch sind die seitdem eingetretenen Änderungen in den Wertverhältnissen zu berücksichtigen, soweit es sich nicht um Werterhöhungen infolge einer Änderung der Nutzungsmöglichkeit des Grundstücks handelt. Damit haben die Ausschüsse für Wiederaufbau und Wohnungswesen und für Bau- und Bodenrecht des Deutschen Bundestags für das Gebiet der Enteignungsentschädigung bereits grundsätzlich anerkannt, daß Wertveränderungen infolge einer Änderung der Kaufkraft seit dem 17. Oktober 1936 zu berücksichtigen seien.
In der Begründung zu § 7 des Entwurfs in der Fassung vom 1. März 1952 wird wörtlich ausgeführt:
Die Änderung der Wertverhältnisse bei Grundstücken gegenüber dem Stande vom 17. Oktober 1936 kann neben Umständen, die sich auf das Grundstück selbst beziehen, in erster Linie auf Änderung der inneren Kaufkraft des Geldes beruhen, während Werterhöhungen infolge von Änderungen der Nutzungsmöglichkeiten nicht berücksichtigt werden sollen.
Für die Berücksichtigung der allgemeinen Wertveränderungen liegen eindeutige Maßstäbe nicht vor. Ein Preisindex für Güter und Leistungen der gewerblichen Wirtschaft oder der Ernährungs- und Landwirtschaft kommt als solcher nicht in Betracht. Auch von den Kostensteigerungen kann nicht ausgegangen werden, weil solche bei Grundstücken in nennenswertem Umfang nicht eingetreten sind. Es kann aber die Veränderung der Wechselkurse der Mark im Verhältnis zum Dollar seit 1936 in Betracht gezogen und die durchschnittliche Erhöhung der Stopppreise für Grundstücke berücksichtigt werden.
Auch die Anfragenden haben durch einen Vorschlag zu § 7 des Baulandbeschaffungsgesetzes laut Kurzprotokoll über die Sitzung selbst zu erkennen gegeben, daß sie Kaufkraftzuschlägen zustimmen würden, indem sie für § 2 Abs. 2 folgende Formulierung vorgeschlagen haben — ich zitiere wörtlich —:
Zu diesem Betrag ist ein durch Rechtsverordnung allgemein festzulegender Zuschlag zu gewähren, der der Veränderung der Kaufkraft der Währungseinheit im Verhältnis zwischen dem Zeitpunkt der steuerlichen Grundstücksbewertung und der Enteignung entspricht. Dieser Zuschlag darf x vom Hundert nicht überschreiten.
Wenn ich auch das Ausmaß solcher Erhöhungen, das in den Ausschüssen mit etwa 662/3% angegeben wurde, noch nicht für genügend geklärt halte, so beabsichtige ich jedenfalls, im Zusammenhang mit der Verabschiedung des Baulandbeschaffungsgesetzes dieser Frage auch für den normalen Grundstücksverkehr näherzutreten. Es wird dazu einer Rechtsverordnung bedürfen. Ich gehe hierbei davon aus, daß mit einer Verabschiedung des Baulanabeschaffungsgesetzes in absehbarer Zeit zu rechnen ist.
Frage 3 der Anfrage:
Ist sich die Bundesregierung darüber im klaren, daß die allgemeine Zulassung von Übschreitungen der Stopppreise für Bauland gesetzwidrig ist?
Die Antwort lautet: Die allgemeine Zulassung der Überschreitung von Stopppreisen ist nicht gesetzwidrig, wenn sie durch Rechtsverordnung erfolgt. Das ergibt sich aus der Beantwortung zu Frage 1. Die Anfrage ist aber nicht so abstrakt gemeint, sondern hat zwei konkrete Maßnahmen zum Gegenstand, einmal die Berücksichtigung von Werterhöhungen infolge von Veränderungen der Nutzungsmöglichkeiten seit dem 17. Oktober 1936, den sogenannten Widmungsänderungen, und den eingangs der Anfrage zitierten Erlaß vom 19. Februar 1953. Beide Maßnahmen stellen aber überhaupt keine allgemeine Zulassung von Überschreitungen der Stopppreise für Bauland dar.
Die Berücksichtigung sogenannter Widmungsänderungen, d. h. von Veränderungen der Nutzungsmöglichkeiten, z. B. infolge einer Änderung der baulichen Ausnutzbarkeit eines Grundstücks seit dem 17. Oktober 1936, ist keine Auflockerung des Preiserhöhungsverbots. Der Begriff des Stopppreises bei Grundstücken hat vielmehr von jeher auch das Verhältnis von Preishöhe und jeweiliger Nutzungsmöglichkeit eines Grundstücks zum Inhalt. In dieser Weise ist der Begriff des Stopppreises bereits in Zeiten der vollständigen Preisbindung verstanden worden. Ich bin in der Lage, an Hand zahlreicher früherer amtlicher Verlautbarungen nachzuweisen, daß solche Widmungsänderungen seit jeher berücksichtigt worden sind. Es handelt sich daher nicht um eine Auflockerung des Preiserhöhungsverbots für unbebaute Grundstücke, sondern um die richtige Anwendung des Stopppreisbegriffes.
Sinn, Zweck und Inhalt des Erlasses meines Hauses vom 19. Februar 1953 sind von den Anfragenden gründlich mißverstanden worden. Dieser Erlaß ist an die Preisbildungsstellen der Länder ge-
richtet und befaßt sich mit der Zusammenarbeit der Grundstückspreisbehörden mit den Finanzämtern in Zusammenhang mit der künftigen steuerlichen Einheitsbewertung des Grundvermögens, hat also mit der derzeitigen Grundstückspreispolitik nichts zu tun. Er stellt überdies nur eine Empfehlung an die zuständigen obersten Landesbehörden dar, beinhaltet jedoch nicht eine übrigens mit dem Grundgesetz nicht zu vereinbarende Weisung.
Im einzelnen ist zu dem Erlaß folgendes zu bemerken:
a) Ebenso wie die Finanzämter durch den Bundesfinanzminister angehalten werden, zur Vorbereitung der Einheitsbewertung Richtpreiskarteien für die Grundstücke aufzustellen, wird den unteren Verwaltungsbehörden, den Grundstückspreisbehörden, im Rahmen dieser Zusammenarbeit mit den Finanzämtern empfohlen, zur Vorbereitung der in Aussicht genommenen Neuregelung der Preisbildung für Grundstücke für den internen Verwaltungsbereich auch dort Richtpreispläne aufzustellen, wo diese bisher nicht vorhanden waren. Es handelt sich daher zunächst nur um eine vorbereitende Maßnahme für den Fall einer künftigen Neuregelung der Grundstückspreise.
b) In diesen Richtpreisplänen, die sich also auf die derzeitige Grundstückspreisbildung nicht auswirken, sollen die Widmungsänderungen seit dem 17. Oktober 1936 berücksichtigt werden.
c) Soweit in dem Erlaß weiter noch zum Ausdruck kommt, daß die Absicht bestehe, im Rahmen der Neuregelung auch allgemeine Preiszuschläge für Bauland zuzulassen, verweise ich auf meine Antwort zur Frage 2. Hiernach sind derartige Maßnahmen erst für einen Zeitpunkt nach der Verkündung des Baulandbeschaffungsgesetzes in Aussicht genommen.
d) Eine Empfehlung an die Preisbehörden, einen allgemeinen Zuschlag in bestimmter Höhe bereits jetzt für Bauland zuzulassen, ist nicht ausgesprochen worden. Bei der Aufstellung der Richtpreispläne zur Vorbereitung zu einer künftigen Regelung — und nur hierauf bezieht sich die von den Anfragenden mißverstandene Empfehlung in Ziffer 2 des Erlasses vom 19. Februar 1953 — sollen allgemeine Zuschläge vielmehr nur Berücksichtigung finden, soweit sie bisher von den Preisbehörden zugelassen worden sind und nicht über 50 % hinausgehen. Hierin liegt demnach, wie sich aus dem Wortlaut des Erlasses ergibt, keineswegs eine Aufforderung an die Preisbehörden, solche Zuschläge bis zu 50 % allgemein zuzulassen. Es wird vielmehr den Preisbehörden weiterhin bis zu einer allgemeinen Regelung überlassen bleiben, welche Zuschläge sie im einzelnen Falle zulassen wollen.
Die letzte Frage lautet:
Was gedenkt die Bundesregierung zu tun, um die administrativ eingeleitete rechtswidrige Handhabung der Preisbestimmungen seitens der für die Preisbildung und -überwachung zuständigen Stellen rückgängig zu machen und zu verhindern?
Eine rechtswidrige Handhabung von Preisvorschriften durch die für die Preisbildung und Preisüberwachung zuständigen Stellen ist mir nicht bekannt. Falls die Anfragenden etwa auf den Erlaß meines Hauses vom 19. Februar 1953 abzielen, darf ich auf die Beantwortung der vorigen Frage verweisen.