Meine Damen und und Herren, ich glaube, wir können nunmehr abstimmen. Einverständnis besteht wohl darüber, daß, wenn an mehrere Ausschüsse überwiesen werden sollte, der Ausschuß für Wiederaufbau und Wohnungswesen federführend sein sollte.
— Kein Zweifel darüber.
Ebenfalls besteht Einverständnis darüber, nehme ich an, daß der Antrag an den Ausschuß für Wirtschaftspolitik verwiesen wird.
Zweifel bestehen darüber, ob außerdem an den Ausschuß für Heimatvertriebene verwiesen werden
soll. Darüber müssen wir abstimmen. Wer für Verweisung auch an diesen dritten Ausschuß ist, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Letzteres ist ohne Zweifel die Mehrheit; der Antrag ist also insoweit abgelehnt. Der Antrag ist damit an den Ausschuß für Wiederaufbau und Wohnungswesen als federführenden Ausschuß und an den Ausschuß für Wirtschaftspolitik als mitberatenden Ausschuß überwiesen.
Damit können wir in die heutige Tagesordnung eintreten, und zwar in die gedruckte Tagesordnung von heute. Ich rufe auf Punkt 1:
Beratung der Großen Anfrage der Fraktion der SPD betreffend Aufhebung von Preisvorschriften auf dem Gebiete des Grundstücksverkehrs .
Der Ältestenrat schlägt Ihnen vor, für die Begründung 15 Minuten vorzusehen und die allgemeine Aussprache auf 60 Minuten zu beschränken.
Das Wort zur Begründung der Großen Anfrage hat der Abgeordnete Jacobi.
Jacobi , Anfragender: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Große Anfrage der SPD-Fraktion, die Ihnen als Drucksache Nr. 4192 vorliegt, will die Aufmerksamkeit des Hohen Hauses auf bereits eingeleitete und beabsichtigte weitere Maßnahmen des Bundeswirtschaftsministeriums hinlenken, die die Tendenz haben, die Preisbindungen für Grundstücke aufzuheben oder wesentlich zu lockern, ohne das Parlament an derartigen Entscheidungen zu beteiligen. In diesem Hause, das sich zu unzähligen Malen mit Fragen des Wohnungsneu- und -wiederaufbaues beschäftigt hat, bedarf es wohl nur eines kurzen Hinweises darauf, von welcher Bedeutung die Bodenpreise für die Weiterführung besonders des sozialen Wohnungsbaues sind. Andererseits kann kein Zweifel darüber bestehen, daß Mittel und Wege gesucht werden müssen, um zu einer wirklichkeitsnahen Auflockerung allzu starrer Preisbindungen zu kommen.
Die Ausschüsse, die dieses Haus für Wiederaufbaufragen und für Fragen des Bau- und Bodenrechts eingesetzt hat, haben sich bei den verschiedensten Beratungen Mühe gegeben, die Problematik, die mit dem Preisstopp verbunden ist, zu erkennen. Demnächst wird sich bei der Vorlage des Baulandbeschaffungsgesetzes zeigen, daß die erwähnten Ausschüsse diesen Fragen ihre Aufmerksamkeit geschenkt haben; denn bei diesem Baulandbeschaffungsgesetz bildet naturgemäß die Entschädigungsregelung einen wesentlichen Punkt.
Die Tatsache aber, daß dieses Gesetz das Plenum demnächst beschäftigen wird, ist mit ein Grund für meine Fraktion gewesen, die Große Anfrage zu stellen; denn das erwähnte Gesetz bietet die Möglichkeit, die mit der Preisbindung im Zusammenhang stehenden Fragen im Parlament zu erörtern und einer Lösung entgegenzuführen, ein Weg, der bei der Bedeutung der Materie sicherlich wünschenswerter und rechtsstaatlich erfreulicher als eine Verordnungsregelung ist.
Die Bundesregierung ist bisher unter Umgehung des Parlaments den zweiten Weg gegangen. Dies ist unter anderem bei der Preisrechtsverordnung Nr. '75/52 vom 12. Dezember 1952 geschehen, durch die unter anderem die Preisvorschriften für den Verkehr mit bebauten und Trümmergrundstücken aufgehoben worden sind. Dabei hat sich die Bundesregierung, wie ein Jahr vorher bei der Preisrechtsverordnung Nr. 71, auf den Standpunkt gestellt, daß sie ermächtigt sei, derart weitgehende Maßnahmen im Verordnungswege zu treffen.
Ich habe seinerzeit, in der 180. Sitzung des Bundestags auf die rechtliche Bedenklichkeit dieser Auffassung bereits hingewiesen. Die von mir damals vorgetragenen Argumente sind in sich bis in diese Tage hinziehenden Betrachtungen in Rechtslehre und Rechtsprechung vertieft worden. Die Zweifel an der Rechtsgültigkeit der erwähnten Verordnungen wurden dabei in keiner Weise ausgeräumt, sie sind vielmehr verstärkt aufgetreten. Die Bundesregierung stützt ihre Verordnungspraxis in den hier berührten Fällen auf das Preisgesetz. Demgegenüber ist festzustellen, daß die im Preisgesetz ausgesprochene Ermächtigung keineswegs die Änderung bestehender Gesetze oder gesetzesvertretender Verordnungen im Verordnungswege gestattet. Die Verordnung PR Nr. 75/52' aber ändert drei Verordnungen, die materiell und formell gesetzesvertretende Verordnungen sind, nämlich die Preisstoppverordnung, die Geboteverordnung und die Verordnung über die Rechtsfolgen von Preisverstößen im Grundstücksverkehr. Wenn es stimmt, daß eine neue Verordnung erwogen wird — und wir haben Grund zu dieser Annahme —, die weitere Lockerungen der Grundstückspreise vorsieht, dann würde auch hier das an rechtlichen Bedenken gegenüber einer solchen Verordnung geltend gemacht werden müssen, was gegenüber der Verordnung Nr. 75 von uns erklärt werden muß.
Eine Regierungsverordnung ist nicht möglich, die in dieser Weise gesetzesvertretende Verordnungen aufhebt oder ändert. Dies gilt, gleich wie man das Preisgesetz beurteilt.
Es gibt einen Standpunkt — er mag vertretbar sein —, der dartut, daß das Preisgesetz trotz seiner mehrfachen Verlängerungen durch den Bundestag als vorkonstitutionelles Gesetz zu behandeln ist und daß demgemäß die Ermächtigung aus Art. 129 Abs. 3 des Grundgesetzes als erloschen gilt.
Der wohl zutreffende Standpunkt ist, daß das Preisgesetz wegen seiner mehrfachen Verlängerungen durch den Bundestag als nachkonstitutionelles Gesetz behandelt werden muß. Dann aber folgt die Unwirksamkeit der Ermächtigung unmittelbar aus Art. 80 des Grundgesetzes. Selbst wenn aber die im Preisgesetz enthaltene Ermächtigung als mit den genannten Artikeln, also Art. 80 und 129 des Grundgesetzes, vereinbar angesehen werden sollte, so ist die Ermächtigung insoweit beschränkt, als die Mitwirkung des Bundestags als' des Rechtsnachfolgers des Wirtschaftsrats erforderlich ist, wenn die getroffene Regelung eine grundlegende Bedeutung für den gesamten Preisstand hat. Dies aber ist der Fall.
Durch die Zusammenhänge zwischen der Preisbildung für Baugrundstücke und den zum Teil freigegebenen Mieten wird sich bereits die Verordnung Nr. 75/52 in jedem Fall, wenn auch nicht
schlagartig, so doch bald erkennbar auf den allgemeinen Preisstand auswirken. Diese Auswirkungen werden sich im Falle der beabsichtigten neuen Verordnungen erheblich verschärfen; denn alsdann ist das ganze bisherige Gefüge der Bodenpreise ausgehöhlt. Im Schnitt werden alsdann diese Bodenpreise eine Steigerung von mindestens 50 % erfahren. Daß dies nicht ohne Einfluß auf den gesamten Preisstand sein wird, bedarf keiner besonderen Hervorhebung. Solche Maßnahmen aber müssen wegen ihrer Bedeutung dem Parlament überlassen bleiben; zumindest aber muß, wenn der Verordnungsweg gewählt wird, die Zustimmung des Parlaments eingeholt werden. Dies sei in rechtlicher Hinsicht zur Begründung der Ziffern 1 und 2 der Großen Anfrage ausgeführt.
Nun ist über das inzwischen Verordnete hinaus einiges mehr geschehen. So hat das Bundeswirtschaftsministerium u. a. durch einen Erlaß vom 19. Februar 1953 die Preisbehörden ermuntert, auch für unbebaute Grundstücke Preiszuschläge bis zu 50010 zuzulassen. Die Preisbehörden werden veranlaßt, Ausnahmeregelungen gleichsam zum Regelfall zu machen. Das aber ist ein klarer Gesetzesverstoß, denn eine Ausnahmegenehmigung kann niemals dahin gehen, daß sie allgemein und für alle Fälle geltendes Recht schafft. So kann nicht im Wege der Ausnahmegenehmigung für alle Grundstücke festgelegt werden, daß die heutige Widmung an die Stelle der gesetzlich festgelegten Verbindlichkeit der Widmung zum Stichtage gesetzt wird. Daß diese Auslegung — mag man innerlich zu ihr stehen, wie immer man will — nicht im Wege der Ausnahmegenehmigung Rechtens praktiziert werden kann, geht übrigens auch aus dem Eingeständnis hervor, daß das Bundeswirtschaftsministerium den Erlaß einer den Tatbestand regelnden Verordnung für erforderlich hält.
Das Bedenklichste an der durch das Bundeswirtschaftsministerium geförderten Praxis aber ist, daß auf diese Weise bereits jetzt ein Zustand geschaffen werden soll, dem dann schließlich eines Tages die Rechtsregelung nur noch als die Legalisierung einer durch die Verwaltung längst verwirklichten Tatsache folgen kann. Hier liegt ein Fall vor, der nicht ernst genug betrachtet werden kann. Es zeigt sich wieder einmal, daß sich Regierung und Verwaltung bemühen, eine bestimmte der Volksvertretung zustehende Entscheidung nicht nur vorwegzunehmen, sondern schließlich dem Parlament aufzuzwingen. Regierung und Verwaltung aber sind gehalten, die Gesetze zu vollziehen. Eigenes Ermessen steht ihnen nur dort zu, wo es gesetzlich gestattet ist.
Das sind rechtliche Bedenken. Es kommen aber auch tatsächliche hinzu, die ich ganz kurz hier darlegen muß. Die beabsichtigte Regelung ist in höchstem Maße unzweckmäßig. Was die soziale und wirtschaftspolitische Auswirkung auf den allgemeinen Preisstand anlangt, so ist darauf bereits hingewiesen worden. Ergänzend ist zu sagen, daß die Bodensperre durch die Monopolstellung des Grundbesitzers nun wieder voll zum Tragen kommen wird.
Ein weiterer, sehr ernster Gesichtspunkt ergibt sich aus den mit Sicherheit vorauszusehenden Steigerungen der Gesamtkosten im sozialen Wohnungsbau. Im Falle der Realisierung der bekanntgewordenen Absichten des Bundeswirtschaftsministeriums wird im übrigen das jetzt seit Jahren beratene und demnächst hier in zweiter und dritter Lesung anstehende Baulandbeschaffungsgesetz immer problematischer. Die Bemühungen, eine im Interesse des Wohnungsbaues tragbare Entschädigungsregelung zu finden, werden möglicherweise gegenstandslos. Der Anknüpfungspunkt für eine wohl von allen Parteien angestrebte Abschöpfung des unverdienten Wertzuwachses wird vernichtet. Dabei ist — um Mißverständnisse auszuschalten! — auch unsererseits nicht daran gedacht, die unechte nominale Wertsteigerung durch die Veränderung des inneren Währungswertes abzuschöpfen. Wohl aber müssen die Veränderungen erfaßt werden, die sich aus den Widmungsänderungen ergeben. Ich brauche dazu im Augenblick keine besonderen Ausführungen zu machen. Wir werden demnächst bei der Beratung des Baulandbeschaffungsgesetzes auf die Problematik und Bedeutung dieser Frage noch eingehend zu sprechen kommen.
Es sind also ernste Bedenken, die meine Fraktion veranlaßt haben, die Große Anfrage einzubringen. Wir sind gespannt darauf, was der Herr Bundeswirtschaftsminister uns als Antwort zugedacht hat. Zu wirtschaftspolitischen Fragen, die damit in Verbindung stehen, werden wir in der Aussprache im einzelnen noch Stellung nehmen.