Rede von
Franz
Marx
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Meine Damen und Herren! Ich habe an sich bisher von den Vertretern dieser Vorlage wenig Angriffsflächen bekommen, um gegen sie zu polemisieren. Der vorliegende Gesetzentwurf ist nichts anderes als die zweite Auflage des Entwurfs, der durch das Bundesinnenministerium vor einigen Monaten noch schneller unter dem Druck der Öffentlichkeit zurückgezogen wurde, als er ihr übergeben worden war.
— Na ja, Herr Kollege Dr. Vogel, Sie wollen doch nicht bestreiten, daß Ihr Entwurf nur ein Plagiat des Entwurfs des Bundesinnenministeriums ist.
— Natürlich; sie haben ihn bloß abgeschrieben und etwas verändert.
Es ist ein Irrtum des Vertreters der Bayernpartei, wenn er glaubt, dieser Entwurf sei harmloser. Er ist gefährlicher als der Entwurf des Bundesinnenministeriums.
Schon die Umstände der vorsichtig dosierten Informationen, der langen und geheimnisvollen Vorbereitungen, von denen das Bundesinnenministerium genau informiert ist, ließen die Erwartung zu, daß etwas Besonderes in diesem Gesetz vorgesehen ist. Diese Erwartungen haben uns nicht getrogen. Sie ließen schließen entweder auf ein schlechtes Gewissen hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit des Entwurfs oder aber zum mindesten
— und das hat sich ja auch bestätigt — auf eine wesentliche Unsicherheit über die Aufnahme und die Aussichten des Entwurfs in diesem Bundestag.
Es handelt sich in der Tat — das hat mein Freund Eichler hier schon angedeutet — um die Absicht eines Bundesrundfunkgesetzes, das dem Bund eine Rundfunkanstalt geben soll, mit der Tendenz — und die Tendenz ist durch diesen Entwurf legitimiert —, die Möglichkeit zur Entwicklung einer Anstalt zu schaffen, die der Bundesregierung eine Beeinflussung und Dirigierung der öffentlichen Meinung gestattet.
Schauen Sie sich den § 14 dieses Entwurfes an.
Da heißt es:
Die Anstalt betreibt als Gemeinschaftssender der Landes-Rundfunkanstalten die Deutsche Welle. Die Sendungen der Deutschen Welle setzen sich im wesentlichen aus Beiträgen der deutschen Rundfunkanstalten zusammen;
— im wesentlichen! —
diese haben ihre Programme der Deutschen Welle ohne Berechnung der Produktionskosten zur Verfügung zu stellen. Für Nachrichtendienste, politische Kommentare und Diskussionen ist eine eigene Redaktion einzusetzen.
— Das macht der Bundespressechef! Wir haben ja erlebt, wie es den verschiedenen Bundespressechefs schon ergangen ist. Vielleicht haben wir hier einen Vorgeschmack für die Nachrichtenredaktion, die für diesen deutschen Rundfunk vorgesehen ist.
In § 15 heißt es:
Zu den Aufgaben des Deutschen Kurzwellendienstes gehört, das Ausland über die amtliche Haltung der Bundesrepublik zu außenpolitischen Fragen zu unterrichten.
Die dehnbaren und unklaren Bestimmungen des Gesetzentwurfs lassen eben alle Möglichkeiten offen. Der Bund soll den Deutschen Kurzwellendienst betreiben; über die Mittelwellen steht in dem Entwurf überhaupt nichts drin.
— Ja, das wissen wir. Es steht aber auch nichts drin, daß Sie die Mittelwelllen für den Bund nicht ausschließen wollen.
— Dann ist es zu spät, Herr Dr. Vogel, dann haben wir ja gar keine Kompetenz mehr.
In § 16 heißt es:
Die Anstalt betreibt den Deutschen FernsehRundfunk.
In einigen Jahren wird die technische Entwicklung soweit fortgeschritten sein, daß sich der Hörer in Deutschland im wesentlichen mit dem Fernsehprogramm beschäftigen wird. Die Rundfunkanstalten der Länder werden dann auf ein Gebiet abgedrängt werden, das der öffentlichen Information nicht mehr besonders entsprechen wird.
Der Gesetzentwurf sieht dann weiter die Enteignung der Forschungsinstitute vor. Mit diesem Paragraphen will man die endgültige Abdrosselung der Rundfunkanstalten der Länder sichern.
Es wird hier immer von den Bestimmungen der Besatzungsmächte gesprochen. Man behauptet, die gegenwärtigen Verhältnisse im deutschen Rundfunkwesen seien auf die Anordnungen der Besatzungsmächte zurückzuführen. Neben den von den Besatzungsmächten erlasssenen Vorschriften gibt es auch noch das Grundgesetz. Dieses sichert in Art. 5 den Ländern ausdrücklich die Regelung der Rundfunkangelegenheiten. An dieser Tatsache kann eben nicht vorübergegangen werden.
Ich möchte noch etwas Ergänzendes dazu sagen. Herr Kollege Dr. Vogel hat auf die Haltung der Sozialdemokratischen Partei zu den Angelegenheiten des Rundfunkwesens Bezug genommen. Er hat der Meinung Ausdruck gegeben, daß die Sozialdemokratische Partei in dieser Frage durchaus eine zentrale Gesetzgebung angestrebt habe.
Herr Dr. Vogel, das trifft in keiner Weise zu. Sie haben mich gebeten, dazu Stellung zu nehmen. Ich muß Sie bitten, zunächst einmal die Protokolle über die erste Aussprache, die in diesem Bundestag über die Rundfunkfragen stattgefunden hat, nachzulesen. Daraus können Sie ersehen, daß sich die Haltung der Sozialdemokratischen Partei zu diesen Fragen in keiner Weise geändert hat. Ich möchte Sie weiter darauf verweisen, daß das Aktionsprogramm unserer Partei, das in Dortmund beschlossen worden ist, ausdrücklich erklärt: Der Rundfunk muß eine öffentliche Einrichtung bleiben; er darf nicht Propagandamittel einer einzigen Partei oder Weltanschauung — auch nicht der Regierung — sein.
— Auch nicht! Sie können in keiner Weise nachweisen, Herr Brookmann, daß der Rundfunk irgendwo ein Propagandainstrument der Sozialdemokratischen Partei ist.
— Meine Damen und Herren, wir können uns ja einmal zusammensetzen und in einer Untersuchung alle Rundfunkanstalten unter die Lupe nehmen.
Ich glaube, es wäre für die Regierungsparteien nicht sehr vorteilhaft.
Die Sozialdemokratische Partei hat sich jedenfalls grundsätzlich für eine Regelung auf der Basis der bisherigen Länderrundfunkanstalten entschieden. Sie werden keinesfalls eine widersprechende offizielle Verlautbarung der SPD nachweisen können.
Zum Schluß möchte ich noch einmal ausdrücklich folgendes unterstreichen. Die Sozialdemokratische Partei ist an einer freien unabhängigen Rundfunkanstalt interessiert. Wir sind überzeugt, daß der Gesetzentwurf diese Freiheit und Unabhängigkeit des Rundfunks beseitigen wird.
Wir meinen, daß dieser Gesetzentwurf gar nicht erst an den Ausschuß überwiesen werden sollte.
Wir schlagen vor, den Entwurf jetzt schon hier abzulehnen.