Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist eine alte Übung, daß man dann, wenn man aus dem Wortlaut eines Gesetzes nichts feststellen kann, mit Unterstellungen arbeitet. Das ist hier in reichlichem Maße geschehen. Der Herr Kollege Marx hat eben zugeben müssen, daß in dem vorliegenden Gesetzentwurf keineswegs irgendeine Handhabe .zu einer wirklichen Beanstandung zu finden war. Deshalb hat er Stück für Stück der Bundesregierung bzw. den Antragstellern Dinge unterstellt; denn er hat keinerlei Beweis dafür erbracht, daß diese Dinge wirklich drinstehen. Nun, mit dieser Kampfmethode müssen wir uns eben abfinden; sie ist in diesem Hause oft genug geübt worden.
Von einem Redner der Opposition, dem verehrten Kollegen Eichler, ist hier festgestellt worden, daß im deutschen Rundfunk alles wunderschön sei, alles sehr gut gelaufen sei. Aber wie ist es denn bis jetzt gelaufen?
Lassen Sie mich dafür einen ganz unparteiischen Zeugen zitieren! Nehmen wir doch einmal das Gutachten des als internationale Autorität anerkannten Professors Siepman aus New York, den diese gleichen Herren Intendanten geholt haben, damit er ein objektives Urteil über die deutsche Situation abgäbe.
Dieser Herr sagte folgendes: „Es ist fraglich, ob irgend jemand anders als Deutschlands schlimmster Feind das längere Weiterbestehen des gegenwärtigen Systems und der gegenwärtigen Verhältnisse des Rundfunks in Westdeutschland wünschen würde." Er fügt hinzu: „Was diese Dinge betrifft, ist der Rundfunk in Westdeutschland heute voll von Anomalien und Widersprüchen; dies ist offenbar das Ergebnis der verschiedenen Willensrichtungen und zufälligen Interessen der Besatzungsmächte."
Der Versteinerung dieses Zustandes ist hier das Wort geredet worden. Das möchte ich festgestellt haben. Sie können das auch nicht bestreiten. Wie stellen Sie sich eigentlich den weiteren Verlauf der Dinge vor? Es ist gesagt worden, es sei bis jetzt alles so wunderschön gegangen. Die Entwürfe, die uns vorgelegen haben, scheinen es alle noch mehr „wunderschön" zu machen. Wollen Sie uns hier vielleicht weismachen, daß Sie mit den 5 %, wie es der Intendanten-Entwurf vorsieht, d. h. das gesamte Fernsehprogramm mit 12 Millionen DM, bestreiten können? Sie wissen doch selber, daß das niemals geht. Es ist Ihnen auch bekannt, daß die Intendanten bereits die Vorlage gemacht haben, das Werbefernsehen einzuführen, weil sie das aus eigenen Mitteln nicht tun können.
Hier ist mit einer sehr bemerkenswerten Unkenntnis der Verhältnisse davon die Rede gewesen, daß es möglich sei, in den einzelnen Ländern ein separates Fernsehen einzuführen. Meine Herren, vor allen Dingen meine Freunde von der CSU, lassen Sie sich doch um Gottes willen vorher einmal informieren, wie hoch die wirklichen Kosten dabei sind. Sie können doch ein solches Programm nicht bloß mit Schuhplattlern und irgendwelchen anderen Dingen bestreiten, sondern Sie werden dafür die Summen ausgeben müssen, die der Bundesinnenminister vorhin genannt hat und die zwischen 500 und 1000 DM pro Minute liegen werden. Daran müssen Sie scheitern. Sie müssen ein Interesse daran haben, gemeinschaftlich ein Programm zu machen. Es gibt eine deutsche Rundfunkautorität, die Ihnen glatt sagen wird, daß sogar vielleicht in der kommenden Zeit bei einer Verteuerung der Dinge ein Fernsehen auf nationaler Basis gar nicht mehr, sondern daß, wenn wir über zwei Stunden pro Tag hinausgehen werden, nur noch ein europäisches Fernsehen finanziell tragbar sein wird.
Wie ist es denn z. B. mit dem Programmausschuß? Glaubt jemand ernstlich, daß wir ein Fernsehprogramm mit dem Programmausschuß machen können? Meine Herren von der Opposition, Sie sind doch Fachleute genug, um selber zu wissen, daß dieser Vorschlag Nonsens ist. Trotzdem befürworten Sie ihn und glauben, es werde alles gut laufen. Nein, es kann nicht gut laufen, wenn es in dem bisherigen Schlendrian weitergeht.
Wie ist es nun mit dem Aufsichtsgremium? Sie müssen feststellen: in dem Intendantenentwurf ist gar kein Aufsichtsgremium vorgesehen. Wir schlagen Ihnen ein wirklich demokratisch zusammengesetztes Aufsichtsgremium vor. Sie sagen nein, das sei wieder nichts. Nun, machen Sie Änderungsvorschläge! Lassen Sie uns doch im Ausschuß mit Vernunft darüber sprechen und stellen Sie Gegenanträge, wie das immer der Fall war. Aber hier einfach zu erklären, weil wir die und die Unterstellungen gemacht hätten, die wir nicht beweisen könnten, lehnten Sie es ab, die Sache überhaupt in den Ausschuß zu geben, das bedeutet eine Verantwortungslosigkeit gegenüber einem brennenden deutschen Problem, die Sie nicht leugnen können.
Ich möchte dazu nur das eine sagen. Wir haben doch in bezug auf Aufsichtsgremien die Feststellung getroffen — Sie konnten sie nicht leugnen —, daß sie uns befriedigen. Sie haben heute Herrn Jürgen Warner glatt desavouiert, obwohl Sie ihn vorher nicht dementiert hatten. Sie haben ihn das ruhig schreiben lassen.
Aber Sie haben nachher auf der andern Seite nicht leugnen können, daß die bisherigen Aufsichtsgremien in den Landesrundfunkanstalten versagt haben.
— Sie selber, Herr Kollege Marx, haben im Bayerischen Rundfunk mit Verbesserungsvorschlägen angefangen, und Sie werden sie auch woanders machen müssen. Bis jetzt ist doch praktisch die Rolle der Aufsichtsgremien die des Chors in der antiken griechischen Tragödie: er beklagt den Gang der Ereignisse, die die Intendanten machen, ohne ihn ändern zu können. Das ist doch die wahre Rolle, die wir heute vor uns sehen.
Es ist Ihnen sicher unangenehm, daß Sie heute mit verkehrten Fronten kämpfen müssen, daß Sie sich plötzlich in Föderalisten verwandeln. Ich weiß, daß Ihnen diese Prozedur schwer fällt. Trotzdem können Sie nicht daran vorbeisehen, daß wir heute bestimmte Dinge gemeinschaftlich tun müssen. Ich bitte Sie um Einsicht in der Beziehung! Arbeiten Sie mit an einer Angelegenheit, die Sie später genau so werden machen müssen! Sie werden gar nicht darum herumkommen. Und glauben Sie ja nicht, daß ein Zustand, von dem Sie heute annehmen, daß er Ihnen nützlich ist, in der Zukunft das gleiche für Sie sein könnte! Arbeiten Sie vielmehr mit uns daran, daß etwas geändert wird, was eine Versteinerung der Besatzungsrechte in Deutschland ist!