Rede von
Dr.
Richard
Jaeger
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Einige der Herren Vorredner haben die Bundestagsdrucksache Nr. 4198, den Antrag der Abgeordneten Dr. Vogel, Dr. Mende, Walter und Genossen einen Antrag der Regierungsparteien genannt. Als Vertreter einer der Regierungsparteien, nämlich der Christlich-Sozialen Union, muß ich betonen, daß wir an diesem Antrag nicht beteiligt sind.
Der Antrag der Herren Kollegen Dr. Vogel und Genossen ist wohl seiner Entstehung nach ein Referentenentwurf des Bundesinnenministeriums.
Wir hätten gewünscht, daß dieser Entwurf, wenn er schon in die Gesetzgebungsmaschine gegeben wird, auf dem ordentlichen Wege eingebracht worden wäre.
Sollte es vielleicht so sein, daß das Bundesinnenministerium als ein Verfassungsministerium am Ende selber verfassungsrechtliche oder andere politische Bedenken gehabt hat, diesen Gesetzentwurf über den Bundesrat zu leiten, den er übrigens am Ende doch noch passieren muß? Uns scheint nämlich das Hauptbedenken gegen diesen Gesetzentwurf, so gut das eine oder andere Motiv sein mag, eben auf dem verfassungsrechtlichen Gebiet zu liegen.
Die Zuständigkeit zwischen Bund und Ländern ist im Grundgesetz für die Bundesrepublik eindeutig festgelegt, und zwar nach den Artikeln 30 und 70 derart, daß die Zuständigkeit der Länder die Regel ist, die Zuständigkeit des Bundes die Ausnahme, und zwar immer nur dort, wo sie ausdrücklich im Grundgesetz ausgesprochen worden ist. Daraus ergibt sich auch der Grundsatz, daß bei der Auslegung der Zuständigkeit des Bundes einschränkend und nicht ausweitend vorgegangen werden darf. Außerdem sind sich alle Teile, sogar die Unitarier, in diesem Hohen Hause immer darüber einig gewesen, daß Kulturfragen prinzipiell Angelegenheit der Länder sind, da sie grundsätzlich nicht dem Bund überantwortet wurden.
Was den Rundfunk betrifft, so kommt hinzu, daß zwar für Presse und Film die Möglichkeit einer Rahmengesetzgebung besteht, daß diese Möglichkeit aber eben nicht für den Rundfunk besteht. Damit ist vom Verfassungsgesetzgeber deutlich genug gesagt, wo der Rundfunk hingehört, nämlich in die Zuständigkeit der Länder. Mann kann allerdings aus Art. 73 Ziffer 7 entnehmen, daß der Bund für das Post- und Fernmeldewesen zuständig ist. Ich will die Frage, ob Teile des Rundfunks unter den Begriff des Fernmeldewesens fallen, hier nicht erörtern. Wieweit Funkanlagen Fernmeldeanlagen sind, darüber mögen sich Sachverständige einmal den Kopf zerbrechen. Aber sicher ist doch, daß damit vom Rundfunk nur die rein technische Seite gemeint sein kann. Der Bund hat einzig die Zuständigkeit, die Verträge internationaler Art, die das Rundfunkwesen in Deutschland betreffen, abzuschließen, die Wellenlängen in Deutschland zu verteilen und die Wellenstärke festzusetzen, die Leitungstechnik zu bestimmen, er hat die Aufgabe der großräumigen Entstörung des Äthers, des Schutzes der Fernmeldeanlagen der Bundespost und schließlich noch Obliegenheiten nach dem Gesetz über die Hochfrequenzgeräte. Diese rein technischen Dinge sind Angelegenheiten des Bundes und mögen aus praktischen Gründen der Bundespost überantwortet werden, mehr aber nicht. Wenn Sie aus der Tatsache, daß der Bund für Fernmelde- und für Funkanlagen zuständig sein soll, schließen wollen, daß er in der Sache selbst für den Rundfunk zuständig sei, so wäre das genau so, wie wenn eine Behörde, die für das Hochbauwesen zuständig ist, sagte, sie sei überhaupt für Volksschulfragen zuständig, weil Volksschulen im allgemeinen in Hochbauten untergebracht seien. Wir wollen doch daran festhalten, daß die Organisation eines Gegenstandes notwendiger Bestandteil der Aufgaben und der Zuständigkeit ist, die für diesen Gegenstand selber festgelegt sind, und wenn Kulturangelegenheiten — und dazu gehört ja schließlich der Rundfunk — immer Sache der Länder sind, dann ist ja auch die Organisation Sache der Länder. Soweit Organisation gleich Verwaltung ist, ist dies im Grundgesetz besonders klar festgelegt, weil in der Regel die Durchführung von Bundesgesetzen Angelegenheit der Länder ist.
Was für den Rundfunk im allgemeinen gilt, gilt für das Fernsehen im besonderen, wenn Sie dieses überhaupt als einen Teil des Rundfunks ansprechen wollen, worüber man sich wieder seitens der technischen Sachverständigen den Kopf zerbrechen mag.
Dazu kommt noch etwas anderes. Nicht nur vom Gesichtspunkt der Zuständigkeit bestehen Bedenken, sondern auch vom Gesichtspunkt der Grundrechte her. In Art. 5 des Grundgesetzes ist die Funkfreiheit als Grundrecht ausgesprochen, eine Freiheit, zu der die Sendung wie der Empfang gehört. Wenn aber die Sendefreiheit festgelegt ist, dann heißt das nicht nur freie Programmgestaltung, dann heißt es auch, daß derjenige, der über die Programmgestaltung entscheidet, über die technischen Anlagen verfügen muß. Sie können ja den Rundfunk nicht zerlegen in freie und unfreie, in staatsgebundene und nicht staatsgebundene Teile; das wäre in sich unlogisch und damit undenkbar. Jede Einschränkung einer Rundfunkstation in der Verfügung über die organisatorische und auch über die technische Seite würde eine sachliche und damit eine inhaltliche Einengung bedeuten. Würde
der Bund die technische Einrichtung des Rundfunks im ganzen Bundesgebiet in die Hand nehmen, so wäre das schließlich nicht anders, als wenn er der Eigentümer aller Druckereien des Bundesgebiets wäre. So wie es im letzteren Falle mit der Pressefreiheit aus wäre, ist es in jenem Falle mit der Rundfunkfreiheit aus.
Sie wäre nur noch eine platonische Angelegenheit.
Zur Unabhängigkeit des Rundfunks und zu seiner Freiheit, wenn sie eine Bedeutung haben soll, gehört natürlich auch die wirtschaftliche Unabhängigkeit, und damit hängt nun einmal das Problem der Hörergelder zusammen. Von sehr prominenter Seite wurde hier die alte These vertreten, daß diese Hörergebühr von 2 DM im Monat, wie sie jetzt allgemein eingehoben wird, eine Verwaltungsgebühr sei, die als Lizenzgebühr aufzufassen sei. Sicherlich ist das in den Anfängen des Rundfunks so gedacht gewesen. Aber eine solche Lizenzgebühr bestimmt man im allgemeinen für den Verwaltungsakt der Genehmigung zur Aufstellung eines Empfangsgeräts. Längst hat sich der Charakter der Gebühr gewandelt, und man muß sie heute, wie das auch von Gutachten, die man nicht so leichthin abtun sollte, wie es manchmal geschieht, festgestellt worden ist, als eine Anstaltsgebühr bezeichnen, als eine Gebühr und eine Gegengabe für die Nutzung und für die Leistung seitens der Rundfunkanstalt. Damit gehört der Rechtsanspruch auf Gebühr zum Vermögen und, wenn Sie so wollen, zum Eigentum der einzelnen Anstalten. Sie ihnen zu nehmen, würde eine Enteignung bedeuten, für die eine Entschädigung nach Art. 14 des Grundgesetzes festzusetzen wäre.
In besonderer Weise muß man sich aber aus verfassungsrechtlichen Gründen dagegen wenden, daß das gesamte Fernsehen zur Angelegenheit des Bundes werden und damit zentralisiert werden soll. Da bleibt von der Freiheit auf dem Gebiet des Fernsehens nicht mehr allzuviel übrig. Das wäre so, wie wenn Sie sämtliche deutschen Illustrierten verstaatlichen und einheitlich herausgeben wollten. Dann hätten Sie den Zustand, daß auf dem Gebiet des Illustriertenwesens eine Meinungsfreiheit und eine Pressefreiheit nicht bestehen würde. So würde hier eine Funkfreiheit nicht mehr bestehen, wenn Sie das Fernsehwesen in Deutschland zentralisieren.
— Das sind Tatsachen, die Sie nicht leugnen können, auch wenn sie dem einen oder anderen Anhänger dieses Gesetzes nicht besonders genehm sind. Wenn man aber schon eine andere Meinung äußern will, als ich sie hier vertrete, dann werden Sie damit nur zugeben, daß es sehr schwierige Rechts- und Verfassungsfragen sind, die in diesem Gesetz enthalten sind. Sollten Sie also entschlossen sein, dieses Gesetz einem Ausschuß zu überweisen, so möchte ich zusätzlich vorschlagen, dieses Gesetz auch dem Rechts- und Verfassungsausschuß zur Prüfung der verfassungsrechtlichen Voraussetzungen zu überweisen; ich möchte dies als Antrag einbringen.
Dazu möchte ich noch folgendes Bedenken im besonderen anmelden. In § 17 des Gesetzentwurfs ist die Möglichkeit geschaffen, weitere gemeinsame Einrichtungen auf dem Gebiet des Rundfunks durch Beschluß des Gesamtrats mit Zweidrittelmehrheit durchzusetzen. Zwar soll hierdurch die Eigenständigkeit der Rundfunkanstalten nicht beeinträchtigt werden. Es ist aber kein Rechtsweg vorgesehen, der diesen Rundfunkanstalten den Schutz gibt, daß ihre Eigenständigkeit nicht gefährdet wird. In dieser Weise hat sich auch einmal die Reichsrundfunkgesellschaft entwickelt. Die Spuren schrecken!
Wenn ich nun von der rechtlichen zur praktischen Seite übergehe, so leugne ich als Vertreter einer bayerischen Partei nicht, daß es in dem Rundfunk, der für unser Land zuständig ist, im bayerischen Rundfunk, in der vergangenen Zeit, mannigfaltige Mißhelligkeiten sachlicher und persönlicher Art gegeben hat und noch gibt.
Wir in Bayern sind aber durchaus in der Lage, mit dem Problem selber fertigzuwerden,
und sei es notfalls durch eine Änderung des bayerischen Rundfunkgesetzes. Wir vertrauen darauf, daß der Rundfunk selber diejenigen Maßnahmen ergreift, die notwendig sind. Jedenfalls sind wir nicht bereit, solche sachliche Schwierigkeiten, die sich ergeben können — so bedauerlich sie auch sind —, dazu zu benutzen, unsere grundsätzliche verfassungsrechtliche Auffassung zu ändern.
Zur praktischen Seite möchte ich bemerken, daß der Auslandsdienst selbstverständlich eine Angelegenheit ist, die auf dem Gebiet der Kurzwellen und zum Teil auch auf dem der Langwellen den Bund jedenfalls mit berührt. Auch das Fernsehen und die Forschung sind Aufgaben, an denen der Bund mit interessiert sein kann. Es sind gemeinsame Aufgaben, die Bund und Länder hier haben, nicht Bundesaufgaben. Es bedarf darum hier keines Bundesgesetzes, um die notwendigen Maßnahmen zu treffen. Es ist nicht so, daß durch ein Bundesgesetz die gewünschte Kultur schon erstehen werde! Vereinbarungen zwischen Bund und Ländern genügen. Diese Vereinbarungen würden sich wahrscheinlich praktisch sogar zugunsten des Bundes auswirken; denn die Länder sind natürlich in der Lage, dem Bund auf dem Weg der Vereinbarung notfalls auch Angelegenheiten zuzugestehen, auf die er verfassungsrechtlich keinen Anspruch hat. Auf dem Wege des Gesetzes kann er diese Möglichkeiten ohne Verfassungsänderung nicht erhalten, auf dem Wege des freiwilligen Verzichts der Länder könnte er sie erhalten.
Die Erfahrungen mit der Ständigen Konferenz der Kultusminister, mit der Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten und vor allem die erfolgreiche Münchener Konferenz, von der einer meiner Herren Vorredner heute schon gesprochen hat, geben uns die Hoffnung, daß der Weg der Vereinbarung statt des Gesetzes erfolgreich sein wird.
Außerdem bin ich dahingehend informiert worden, daß ab 3. Mai bereits Sendungen der Bundesregierung über die Kurzwelle des Nordwestdeutschen Rundfunks erfolgen sollen. Damit hat man ja praktisch den Weg der Vereinbarung bereits beschritten.
Was das Fernsehen im besonderen betrifft, so möchte ich darauf hinweisen, daß dessen Zukunft heute noch ungewiß ist. Es gibt viele unter uns, die das Fernsehen für eine Kulturkrankheit halten. Ich
möchte mich dazu nicht äußern. Wenn es eine solche ist, so glaube ich, wird sie trotzdem nicht aufzuhalten sein; so pflegt es in solchen Fällen zu sein. Aber das Fernsehen kann sich doch, wie es bei technischen Erfindungen häufig der Fall ist, im Laufe der Zeit so entwickeln, ,daß es in Zukunft vielleicht wesentlich billiger sein wird, als es heute ist, so daß in Zukunft vielleicht von jeder einzelnen deutschen Rundfunkanstalt eine eigene Fernsehsendestation betrieben werden kann. Jedenfalls darf man sich heute wegen der Kosten dieses Recht nicht für alle Zukunft aus der Hand nehmen lassen. Wenn die Kosten heute sehr hoch sind, so mag man das Fernsehen als Gemeinschaftsaufgabe der deutschen Rundfunksender betrachten; es braucht nicht zur Bundesaufgabe zu werden.
Wenn man darüber hinaus die Forschungsanstalten und Fernsehstationen, die heute schon bestehen, zugunsten des Bundes einziehen will, wie es das Gesetz hier macht, so handelt es sich dabei um eine glatte Enteignung, die wir als Vertreter der Christlich-Sozialen-Union aus prinzipiellen Granden ablehnen. Wir wünschen überhaupt eine Zusammenarbeit statt eines Bundesmonopols und statt einer Zentralisation.
Wir haben gegen dieses Gesetz mannigfache Bedenken, weil es verfassungswidrig ist. Wir halten es praktisch nicht für notwendig und sehen in ihm einen Schrittmacher des Zentralismus. Die Christlich-Soziale Union in Bayern vermag dem Gesetz deshalb nicht zuzustimmen.