Rede von
Axel
de
Vries
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FDP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die bisherige Debatte hat uns gezeigt, daß der Gesetzesantrag, der uns vorliegt, außerordentlich schwierige Fragen aufwirft. Diese Fragen liegen auf staatsrechtlichen, kulturellen und anderen Gebieten. Obgleich diese Tatsachen vor uns stehen, werden wir doch nicht darum herumkommen, ein solches Gesetz zu verabschieden. Ich möchte weitergehen und sagen, daß es einfach Pflicht dieses Hohen Hauses ist, jetzt ein solches Gesetz zu verabschieden.
— Nein, anzunehmen. Es ist von keiner Seite — auch nicht von seiten der Opposition — bestritten worden, daß auf diem Gebiet des Rundfunks gemeinsame Aufgaben vorliegen, die nur zentral geregelt werden können. Ich glaube, wir können feststellen, daß dies von allen Seiten anerkannt wird.
— Jawohl, ich stelle nur noch einmal fest, daß das tatsächlich von allen Seiten anerkannt wird.
Die Frage, wie diese Aufgabe gelöst werden soll, scheint nach den heutigen Ausführungen, die wir gehört haben, in wesentlichem Maße eine staatsrechtliche zu sein. Wir haben hier nicht die Möglichkeit, diese staatsrechtliche Debatte bis ans Ende durchzuführen. Ich möchte zu dieser Seite der vorliegenden Frage gleich sagen, daß wir hierbei nichts fürchten, auch nicht, daß eine Feststellungsklage oder eine andere Klage eingereicht werden sollte. Denn wir alle — Koalition und Opposition
— haben schon eine gewisse Erfahrung in der Anhängigmachung und Zurückziehung von Feststellungsklagen. Wir würden nur bedauern, wenn durch eine Feststellungsklage das Inkrafttreten dieses Gesetzes hinausgezögert würde. Aber vielleicht kommen wir darum nicht herum.
Ich glaube, ich kann mir ersparen, ausführlich über die zentralen Aufgaben des Rundfunks zu sprechen. Ich darf sie nur kurz streifen. Es ist vollkommen klar, daß Fernsehen und Forschung — zwei Aufgaben, die große Summen erfordern — nur zentral gelöst werden können. Aber vergessen wir eines nicht. Die Durchführung der zentralen Aufgaben des Rundfunks ist eine Notwendigkeit. Sie ist heute größer als vorgestern und wird morgen dringlicher sein als heute. Wir brauchen so etwas wie eine „Stimme Deutschlands".
Die Wirkungen, die wir damit erzielen wollen, werden wir nur erreichen, wenn wir diese Stimme Deutschlands von einer zentralen Stelle aus ertönen lassen können.
— Ich habe Sie leider nur sehr schwach gehört.
Herr Kollege Dr. Vogel hat in einem Punkt vollkommen recht. Er hat hier von Versteinerungen gesprochen. Der Lateiner nennt eine Versteinerung einen Petrefakt. Petrefakten oder Versteinerungen gehören ins Museum. Stellen wir doch endlich diese Versteinerungen ins Museum, wohin sie gehören, und fangen wir neu an.
— Nein, ich spreche nicht vom Grundgesetz, sondern ich spreche von den Erscheinungen, die Herr Dr. Vogel zuerst mit Versteinerungen bezeichnet hat, und zwar den Erscheinungen, die zwischen I 1945 und heute wie ein Wildwuchs entstanden sind. Ich möchte bei diesem Begriff „Wildwuchs" etwas bleiben. Greifen wir doch nur einen Fall heraus.
— Oh, ich werde vorsichtig sein. Greifen wir doch nur den Fall des Nordwestdeutschen Rundfunks heraus. Ich habe aus den Ausführungen des Herrn Vertreters der Opposition den Eindruck gewonnen, daß er der Ansicht ist, auf dem Gebiet der regionalen Lösung des Rundfunkwesens seien die Verhältnisse so wunderbar, daß man an sie einfach gar nicht rühren sollte. Man sollte die Dinge ruhig sich weiter so entwickeln lassen und sie so erhalten wie bisher.
Wir wollen doch eines nicht vergessen. Der NWDR arbeitet auf der Grundlage eines Statuts, das mit den Überlegungen deutscher Stellen nur ganz am Rande etwas zu tun hat. Wir wissen, es ist auf der Grundlage des Kontrollratsgesetzes Nr. 118 vom Jahre 1945 mit der Ergänzung des Jahres 1948 aufgebaut. Ich habe heute noch mit Herrn Dr. Schäfer aus Hamburg über die Verhandlungen im Jahre 1948 gesprochen. Es ist mir bestätigt worden, daß dieses Statut in entscheidendem Maße einem ausländischen Beispiel folgt und daß wirklichen deutschen Forderungen oder Voraussetzungen kaum Raum gegeben worden ist. Es handelt sich hier um ein schlechtes Erbe der Vergangenheit. Wir sollten es allmählich abschaffen. Darum sage ich noch einmal: diese Versteinerungen gehören ins Museum.
Wir sollten also neu anfangen, und zwar auf einer klaren und soliden Grundlage. Diese soll das Gesetz schaffen. Weiter soll es nichts bezwecken; es soll die Garantie dafür bieten, daß all die Erscheinungen, die mit diesen Versteinerungen zusammenhängen und im Rundfunk auch heute noch zum Teil sichtbar sind, im Museum oder sonstwo verschwinden.
Ich bitte also das Hohe Haus, seiner Pflicht nachzukommen und den Gesetzentwurf zunächst in den Ausschuß zu verweisen
und später im Plenum zu verabschieden.