Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Hinter diesem Initiativgesetzentwurf der Parteien der Adenauer-Koalition steht trotz aller Proteste, die wir heute gehört haben, offensichtlich der vor der Öffentlichkeit streng geheim gehaltene Entwurf des Herrn Bundesinnen- und -polizeiministers Dr. Lehr zu einem Bundesrundfunkgesetz. Diesen Lehrschen Entwurf haben die Intendanten der westdeutschen Rundfunkanstalten bekanntlich heftig kritisiert. Auch einige bürgerliche Zeitungen haben große Bedenken dagegen geäußert. Fest steht, daß auch der Bundesrat diesen Gesetzentwurf abgelehnt hat und daß die Länder nach wie vor statt eines Bundesrundfunkgesetzes Länderrundfunkgesetze fordern.
Herr Dr. Lehr und Herr Dr. Vogel, der aus demselben Nest kommt,
haben hier betont, daß die Einbringung dieses Gesetzentwurfes in unmittelbarem Zusammenhang mit der Lage stehe, die die alliierten Verträge, also die Kriegsverträge, geschaffen habe. Gesteuerte Kriegspropaganda ist es also, worum es heute geht; es geht nicht um organisatorische oder technische Fragen. Von dieser Tatsache muß man ausgehen, wenn man die ganze Gefährlichkeit dieses Gesetzes erkennen will.
Ich kann bedauerlicherweise aus Zeitmangel auf den materiellen Inhalt des Gesetzes nicht eingehen. Nur die eine Tatsache stelle ich heraus: unter den für den Gesamtrat vorgesehenen 44 Mitgliedern befindet sich nur ein einziger Vertreter der deutschen Gewerkschaften, und die Rundfunkhörer, die monatlich zwei D-Mark an Rundfunkgebühren zahlen, haben im Gesamtrat und in der gesamten Organisation nicht einen einzigen direkten Vertreter und demnach auch keinerlei Möglichkeit, irgendwie auf die Programmgestaltung und die Sendungen einzuwirken.
Die politische Absicht, die mit dem Gesetzentwurf verfolgt wird, ist zweifellos die, der Adenauer-Regierung eine direkte und unbegrenzte Eingriffs- und Einwirkungsmöglichkeit auf dem Gesamtgebiet des Rundfunks zu verschaffen. Der westdeutsche Rundfunk soll zu einem Instrument der Propagierung der Adenauerschen Gesamtpolitik, insbesondere seiner Politik der Remilitarisierung, soll ferner zu einem Instrument der psychologischen Kriegsvorbereitung, soll zu einem Propagandainstrument werden, das auch im Ausland für die Ziele der westdeutschen Kriegstreiber und Re-
vanchepolitiker werben soll. Der Bundesvorstand des DGB sogar stellt in einer Erklärung zur ursprünglichen Regierungsvorlage fest, daß sich der Gesetzentwurf des Bundesinnenministers über den Art. 5 des Grundgesetzes, der die Freiheit der Meinungsäußerung garantiert, hinwegsetzt und daß damit der Versuch gemacht wird, die Meinungsbildung durch den Rundfunk zum überwiegenden Teil „in die Hand der Bundesregierung zu bringen". Er spricht ferner aus, daß der Versuch, aus dem, wie er meint, gegenwärtig unabhängigen Rundfunk ein regierungsgefügiges Instrument zu machen, bereits einen für die Demokratie sehr gefährlichen Weg bedeutet. Die „Unabhängigkeit" des westdeutschen Rundfunks war schon bisher eine Farce. Geht das Gesetz durch, kommt der Rundfunk in die Hand des Herrn Bundespolizeiministers Dr. Lehr, dann haben wir in Westdeutschland auch auf diesem Gebiet wieder den Zustand, der in der Zeit der Hitler-Diktatur bestanden hat. Aber gerade darauf kommt es Herrn Adenauer und der Regierungskoalition an. Das ist der Zweck dieses Gesetzentwurfs.
Wie sich der Herr Bundesinnenminister die Überwachung des Rundfunks vorstellt, haben wir ja anläßlich seiner schriftlichen Äußerung im Fall von Cube erlebt.
— Na, daß sie Ihnen paßte, Herr Vogel, das haben Sie schon erklärt.
— Sie legen leider kein Windei, sondern ein sehr gefährliches Ei!
Was der Herr Lehr aus dieser Vollmacht machen würde, das kann nur der begreifen, der die politische Vergangenheit des Herrn Lehr genau kennt.
Daher erlaube ich mir, zur Abrundung das politische Bild des Herrn Lehr, dieses heutigen „Widerstandskämpfers", wie er sich gelegentlich feiern läßt, zu veröffentlichen. Es stammt aus der Schrift, die der Herr Lehr im Jahre 1933 an das Landgericht Düsseldorf geschickt hat, einer Schrift, in der er nachweist, daß er schon immer im Geiste mitmarschiert ist.
Da lesen wir, daß er schon im Jahre 1912 in Düsseldorf ein Krankenhaus habe bauen lassen, um es im bevorstehenden Krieg als Reservelazarett zu benutzen, — wie es dann auch geschehen ist.
Das ist Lehr, der Tarner der Kriegsvorbereitungen!
Er rühmt sich in dieser Denkschrift, im Weltkrieg die Schutzhaft eingeführt und unter anderem die SPD-Stadtverordnete Lore Agnes zusammen mit Gewerkschaftsführern in Schutzhaft genommen zu haben. Er klagt den Nazis, daß das Gericht die Schutzhäftlinge gegen seinen Einspruch wieder auf freien Fuß gesetzt habe. Die spätere Betätigung dieser Personen — so sagt er in seinem Erguß — beim Ausbruch der Revolution habe seine Warnung gerechtfertigt. Er rühmt sich bei den Nazis, als Polizeichef von Düsseldorf noch am 9. November
1918 sich angeboten zu haben, das Kommando der Polizei gegen die revolutionären Arbeiter zu übernehmen, zu einem Zeitpunkt, als die kaiserliche Regierung schon abdanken wollte. Er beschwert sich in dieser Schrift darüber, daß die Stadtverwaltung ihm damals die Schießerlaubnis versagt habe.
Das ist der Herr Lehr! In die Hand dieses „Demokraten" soll dieses Gesetz, soll diese Machtfülle gelegt werden. Das ist der Zweck, der verfolgt wird. Alles blumige Gerede darum, es gehe nur um rein technische Fragen, geht an dem, was man will und was beabsichtigt ist, glatt vorbei!
Der Gesetzentwurf ist nach unserer Auffassung ein Beweis dafür, daß die Adenauer-Regierung und die adenauerhörige Koalition bereit sind, auch auf diesem Gebiet alle demokratischen Grundrechte über Bord zu werfen, um möglichst ungestört ihre Politik der Kriegsvorbereitungen durchsetzen zu können. Aus diesem Grunde, da wir die Feder kennen, da wir den Zweck kennen, da wir die Absichten kennen, die mit einem solchen Bundesrundfunkgesetz verfolgt werden,
und da wir vor allen Dingen den Mann kennen, der die Machtfülle ausüben soll, darum lehnen wir auch im Interesse unseres Volkes
diesen Gesetzentwurf ab. — Sagen Sie doch nicht „Aha"! Wenn unser Volk über diesen Herrn Lehr zu entscheiden hätte, säße er nicht hier! Und wenn unser Volk über die Kriegspolitik Adenauers zu entscheiden hätte, dann säßen Sie auch nicht hier!
— Reden Sie nicht, Herr Kollege Vogel; daß Sie Spezialinteressen haben, das bestreite ich gar nicht einmal. Wer weiß, was Sie daneben noch verfolgen, vielleicht eine außerordentlich lohnende Position in dem neuen Gesamtrat,
wer weiß denn das!
Aber uns kommt es darauf an, vor aller Öffentlichkeit herauszustellen, was Ihre Hintermänner wollen, die Herren Amerikaner und der Herr Adenauer, der die amerikanischen Befehle auf deutschem Boden durchzuführen übernommen hat. Darauf kam es uns an. Wir lehnen den Gesetzentwurf ab und hoffen, daß es in diesem Hause keine Mehrheit gibt, die diesem Gesetzentwurf ihre Zustimmung gibt.