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ID0125402200

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag — 254. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 18. März 1953 12199 254. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 18. März 1953 Geschäftliche Mitteilungen . . . 12201A, 12233A Glückwünsche zu den Geburtstagen der Abg. Albers, Graf, Jaeger (Essen), Wackerzapp, Frau Dr. Weber (Essen) . . 12201C Beratung des Mündlichen Berichts des Vermittlungsausschusses über den Entwurf eines Gesetzes zur Abwicklung und Entflechtung des ehemaligen reichseigenen Filmvermögens (Nrn. 4157, 2962, zu 2962, 3595, 3652 der Drucksachen): Von der Tagesordnung abgesetzt . . . . 12201C Änderung der Tagesordnung . . . 12201C, 12283A Beschlußfassung des Deutschen Bundesrats zum Gesetz zur Abänderung und Ergänzung des Gesetzes über die Verlängerung der Wahlperiode der Betriebsräte vom 8. Januar 1953 Gesetz über die Leistungen zur Unterbringung von Deutschen aus der sowjetischen Besatzungszone oder dem sowjetisch besetzten Sektor von Berlin (Flüchtlings-Notleistungsgesetz) Gesetz über das Abkommen vom 19. Juli 1952 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über die Wiederherstellung gewerblicher Schutz- rechte 12202A Kleine Anfrage Nr. 323 der Fraktion der FU betr. Vereinfachung im Grundstücksverkehr (Nm. 4132, 4176 der Drucksachen) 12202A Bericht des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten über die Schritte der Bundesregierung zur Erhaltung des deutschen Flachs- und Hantanbaues (Nr. 4162 der Drucksachen) 12202A Einspruch des Abg. Rische gegen den ihm in der 252. Sitzung erteilten Ordnungsruf (Umdruck Nr. 785) 12202A Einspruch zurückgewiesen 12202B Beratung des Mündlichen Berichts des Vermittlungsausschusses über den Entwurf eines Gesetzes über die Verbreitung jugendgefährdender Schriften (Nm. 4158, 1101, 3666, 3747 der Drucksachen) 12202B Dr. Schneider (FDP), Berichterstatter 12202B Beschlußfassung 12202D Fortsetzung der ersten Beratung des Entwurfs eines Bundeswahlgesetzes (Nr. 4090 der Drucksachen) in Verbindung mit der Fortsetzung der ersten Beratung des von den Abg. Dr. Wuermeling, Strauß und Gen. eingebrachten Entwurfs eines Wahlgesetzes zum Bundestag der Bundesrepublik Deutschland (Nr. 3636 der Drucksachen) sowie mit der Fortsetzung der ersten Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Bundeswahlgesetzes (Nr. 4062 der Drucksachen) 12202D Scharnberg (CDU) . . . . 12203A, 12233D Mellies (SPD) 12207A Dr. Dr. h. c. Lehr, Bundesminister des Innern 12210D Dr. Ehlers (CDU): zur Sache 12211B persönliche Bemerkung 12235A Farke (DP) 12213A Dr. Reismann (FU) 12214A Dr. Schäfer (FDP) 12215C Fisch (KPD) 12218D Dr. Jaeger (Bayern) (CSU) 12221A Freiherr von Aretin (FU) 12225A Clausen (FU-Gast) 12225D Freudenberg (Fraktionslos) . . . 12226C Dr. Menzel (SPD): zur Sache 12226D persönliche Bemerkung 1223513 Loritz (Fraktionslos) 12230D Fröhlich (Fraktionslos) 12232A Ewers (DP) 12232D Dr. Schröder (Düsseldorf) (zur Abstimmung) 12234A Ritzel (SPD) (persönliche Bemerkung) 12234D Überweisung der Gesetzentwürfe an einen Sonderausschuß 12234C Unterbrechung der Sitzung . . 12235C Dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Angelegenheiten der Vertriebenen und Flüchtlinge (Bundesvertriebenengesetz) (Nrn. 2872, 4080 der Drucksachen, Umdruck Nr. 756); Zusammenstellung der Beschlüsse in zweiter Beratung (Umdruck Nr. 774, Änderungsanträge Umdrucke Nrn. 804 bis 809, 811, 812, 818, 819, 821) in Verbindung mit der Dritten Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP, DP, FU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Einkommensteuergesetzes (Nrn. 3806, 3910 der Drucksachen; Umdrucke Nrn. 794, 810) 12235A, 12283C Reitzner (SPD) 12235D, 12271B Dr. Kather (CDU) 12239D, 12250C, D, 12252B, 12253C, 12255B, 12260A, 12262A, 12265A, D, 12266C, 12267C, 12269B, 12271D, 12272C de Vries (FDP) 12241D Kohl (Stuttgart) (KPD) 12243B Struve (CDU). . 12244C, 12253D, 12255D, 12259C, 12261C, 12266D, 12270A Dr. Besold (FU) 12246D, 12252C Dr. Zawadil (DP) 12247D, 12270D, 12272D Schmidt (Bayern) (Fraktionslos) . 12248D Frühwald (FDP) 12249C Lampl (FU) 12251A, 12253B, 12254D, 12259A Tobaben (DP) . . . 12251B, 12256B, 12264A Merten (SPD) . . 12251B, 12254B, 12262C, 12266A, 12268A Dr. Dr. Müller (Bonn) (CDU) 12251C, 12255A, 12258D, 12259D, 12265D, 12273A Dr. Horlacher (CSU) 12251C Dannemann (FDP) . . . . 12254A, 12262B Schütz (CSU) 12256C Dr. Trischler (FDP) . . . . 12257C, 12264B Dr. Lukaschek, Bundesminister für Vertriebene 12257C, 12261B, 12267D Kunze (CDU) 12258B, 12260D Kriedemann (SPD) . . . 12259B, 12260C Dr. von Merkatz (DP) 12263D Ewers (DP) 12266B, 12271D Dr. Reismann (FU) 12268C Dr. Becker (Hersfeld) (FDP) . . . 12270B Persönliche Erklärungen: Dr. Seebohm, Bundesminister für Verkehr 12282D Dr. Kather (CDU) 12283B Schriftliche Erklärungen zur Abstimmung: Goetzendorff (Fraktionslos) . . . . 12284 Clausen (FU-Gast) 12285 Abstimmungen 12250D, 12252D, 12253C, 12254A, 12257D, 12258C, 12259C, 12265C, 12266D, 12268B, 12269A, D, 12270C, 12272D Namentliche Abstimmung' über den Änderungsantrag Umdruck Nr. 805 Ziffer 3 12265C, 12290 Schlußabstimmung vertagt 12273A Zur Geschäftsordnung, - Antrag auf Aussetzung der Beratung des Antrags der Fraktion der FDP betr. Verlängerung der Geltungsdauer des Gesetzes zur Änderung des Mineralölsteuergesetzes (Nr. 4171 der Drucksachen): Dr. Wellhausen (FDP) 12273A Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes betr. das Abkommen vom 10. September 1952 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Staate Israel (Nrn. 4141, zu 4141, Nachgang zu 4141 der Drucksachen); Mündlicher Bericht des Ausschusses für das Besatzungsstatut und auswärtige Angelegenheiten (7. Ausschuß) (Nr. 4181 der Drucksachen; Umdruck Nr. 795) . . . . 12273B Graf von Spreti (CSU), Berichterstatter 12273C Dr. Gerstenmaier (CDU) 12276B Dr. Schmid (Tübingen) (SPD) . . 12277C Dr. Hasemann (FDP) 12278B Dr. von Merkatz (DP) 12279C von Thadden (Fraktionslos) . . . 12280A Müller (Frankfurt) (KPD) 12280C Dr. Decker (FU) 12281C Präsident Dr. Ehlers 12282C Dr. Arndt (SPD) 12283C Schriftliche Erklärungen zur Abstimmung: Walter (DP) 12286 Dr. Keller (Fraktionslos) 12287 Bodensteiner (Fraktionslos) . . . 12288 Goetzendorff (Fraktionslos) . . . 12289 Abstimmungen 12282B, 12283D Namentliche Abstimmung . . 12282B, 12290 Vertagung der übrigen Tagesordnungspunkte 12283B Nächste Sitzung 12283D Anlage 1: Schriftliche Erklärung des Abg. Götzendorff zur Abstimmung zur zwei- ten und dritten Beratung des Entwurfs des Bundesvertriebenengesetzes . . . . 12284 Anlage 2: Schriftliche Erklärung des- Abg. Clausen zur Abstimmung zur dritten Beratung des Entwurfs des Bundesvertriebenengesetzes 12285 Anlage 3: Schriftliche Erklärung des Abg. Walter zur Abstimmung zur zweiten Beratung des Gesetzentwurfs betr. das Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Staate Israel . . 12286 Anlage 4: Schriftliche Erklärung des Abg. Dr. Keller zur zweiten Beratung des Gesetzentwurfs betr. das Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Staate Israel 12287 Anlage 5: Schriftliche Erklärung des Abg. Bodensteiner zur zweiten Beratung des Gesetzentwurfs betr. das Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Staate Israel 12288 Anlage 6: Schriftliche Erklärung des Abgeordneten Goetzendorff zur zweiten Beratung des Gesetzentwurfs betr. das Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Staate Israel 12289 Zusammenstellung der namentlichen Abstimmungen 1. über den Änderungsantrag der Abg. Dr. Dr. Müller (Bonn), Dr. Horlacher, Neuburger, Revenstorff, Tobaben u. Gen. zu § 61 des Entwurfs des Bundesvertriebenengesetzes (Umdruck Nr. 805 Ziffer 3) 2. über den Entwurf eines Gesetzes betr. das Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Staate Israel 12290 Die Sitzung wird um 9 Uhr 7 Minuten durch den Präsidenten Dr. Ehlers eröffnet.
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    Anlage 1 zum Stenographischen Bericht der 254. Sitzung Schriftliche Erklärung des Abgeordneten Götzendorff (Fraktionslos) gemäß § 59 der Geschäftsordnung zur Abstimmung zur zweiten und dritten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Angelegenheiten der Vertriebenen und Flüchtlinge (Bundesvertriebenengesetz) (Nr. 4080 der Drucksachen) Ich stimme gegen diesen Gesetzentwurf, weil die Möglichkeiten, das materielle Elend der Vertriebenen zu beseitigen, darin nicht ausgeschöpft sind. Insbesondere sind die §§ 13 (1) und 61 des Gesetzentwurfes für mich unannehmbar, da sie den Sinn des Gesamtwerkes gefährden. Es kann nicht behördlichem Ermessen überantwortet werden, zu entscheiden, welcher Geschädigte in „zumutbarem Maße" eingegliedert ist. Dies könnte behördlicher Willkür Tür und Tor öffnen. Des weiteren ist für mich der Gesetzentwurf unannehmbar, weil Strafbestimmungen fehlen, die auf Personen Anwendung finden, die Hilfsmaßnahmen gegenüber Vertriebenen sabotieren. Bonn, den 27. Februar 1953. Goetzendorff Anlage 2 zum Stenographischen Bericht der 254. Sitzung Schriftliche Erklärung des Abgeordneten Clausen (FU-Gast) gemäß § 59 der Geschäftsordnung zur Abstimmung zur zweiten und dritten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Angelegenheiten der Vertriebenen und Flüchtlinge (Bundesvertriebenengesetz) (Nr. 4080 der Drucksachen) Ich lehne das Gesetz über die Angelegenheiten der Vertriebenen und Flüchtlinge ab, weil es not-leidende Einheimische nicht mit den Vertriebenen und Flüchtlingen gleichstellt und eine nicht zu verantwortende Zurücksetzung und Benachteiligung der nachgeborenen Bauernsöhne, einheimischen Landarbeiter und der notleidenden selbständigen und unselbständigen einheimischen Erwerbstätigen zur Folge hat. Bonn, den 18. März 1953 Hermann Clausen Anlage 3 zum Stenographischen Bericht der 254. Sitzung Schriftliche Erklärung des Abgeordneten Walter (DP) gemäß § 59 der Geschäftsordnung zur Abstimmung zur zweiten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes betreffend das Abkommen vom 10. September 19.52 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Staate Israel (Nrn. 4141, 4181 der Drucksachen) Es bedarf keiner erneuten Bestätigung, daß sich das deutsche Volk moralisch verpflichtet fühlen muß, alles an den Juden in den Jahren 1933-1945 begangene Unrecht wiedergutzumachen. Diese Wiedergutmachung muß den Betroffenen oder deren Erben direkt oder über die bestehenden jüdischen Organisationen oder durch die Vermittlung der UNO zuteil werden. Eine Wiedergutmachung an den Staat Israel lehne ich ab, da dieser Staat noch nicht bestand, als die Juden in Deutschland verfolgt und vertrieben wurden. Es ist eine Illusion, wenn angenommen wird, daß durch die Zahlung von 3 450 000 000 DM an den Staat Israel dieser der Bundesrepublik gegenüber eine Haltung einnehmen könnte, wie sie im internationalen Verkehr der freien Völker üblich und völkerrechtlich gefordert werden muß. Obwohl das Schreiben 6 a zu Art. 8 des Vertrages, unsere Seeschiffahrt betreffend, zurückgezogen wurde, bleibt die Tatsache bestehen, daß die Schiffe unserer Bundesrepublik und die Besatzungen unserer Schiffe vom Staate Israel, gegenüber allen anderen Nationen, diskriminierend behandelt werden. Die angeführten Gründe machen es mir daher unmöglich, dem Vertrag mit dem Staate Israel meine Zustimmung zu geben. Bonn, den 18. März 1953 A. Walter Anlage 4 zum Stenographischen Bericht der 254. Sitzung Schriftliche Erklärung des Abgeordneten Dr. Keller (Fraktionslos) gemäß § 59 der Geschäftsordnung zur Abstimmung zur zweiten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes betreffend das Abkommen vom 10. September 1952 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Staate Israel (Nrn. 4141, 4181 der Drucksachen) Jeder rechtlich und menschlich fühlende Deutsche wird mit Entsetzen und tiefem Mitgefühl an die Verfolgungen denken, in denen große Massen jüdischer Bürger Gut und Blut zum Opfer bringen mußten. Es ist eine selbstverständliche Pflicht des deutschen Volkes, das Recht wiederherzustellen und die Leiden und Verluste dieser jüdischen Bürger zu entschädigen. Dies ist und wird im Rahmen der individuellen Wiedergutmachung geschehen, die allerdings zum Teil im Rückerstattungsrecht schon über deutsche Rechtsgrundsätze hinausgegangen ist und neues Unrecht geschaffen hat. Darüber hinaus dem nach dem Kriege neuentstandenen Staate Israel die Hand der Verständigung zu reichen und dies durch finanzielle Hilfeleistungen zu bekräftigen, wäre im Grundsatz bejahenswert. Nach dem Kriege jedoch hat dieselbe Welt, die für das Recht zu kämpfen erklärt hatte, an Deutschen, die aus ihrer Heimat vertrieben wurden, so viel gleiches Unrecht verübt oder geduldet, daß die erreichbaren Mittel des deutschen Volkes für wirksame Hilfe auch an die deutschen Heimatvertriebenen bereitgestellt werden müßten. Angesichts der sonst immer betonten Finanznot der Bundesrepublik erscheint daher die Zuwendung von Milliarden von D-Mark an Israel nicht zu verantworten. Ich stimme deshalb gegen das Gesetz. Bonn, den 18. März 1953 Dr. Keller Anlage 5 zum Stenographischen Bericht der 254. Sitzung Schriftliche Erklärung des Abgeordneten Bodensteiner (Fraktionslos) gemäß § 59 der Geschäftsordnung zur Abstimmung zur zweiten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes betreffend das Abkommen vom 10. September 1952 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Staate Israel (Nrn. 4141, 4181 der Drucksachen) Ich enthalte mich, weil die individuelle Wiedergutmachung gegenüber den Juden, welche im Dritten Reiche Schäden erlitten haben, immer noch nicht geregelt ist und durch die Annahme dieses Gesetzes gefährdet wird. Dieser individuellen Wiedergutmachung gebührt aber aus moralischen und juristischen Gründen der Vorrang. Bonn, den 18. März 1953 Hans Bodensteiner Anlage 6 zum Stenographischen Bericht der 254. Sitzung Schriftliche Erklärung des Abgeordneten Goetzendorff (Fraktionslos) gemäß § 59 der Geschäftsordnung zur Abstimmung zur zweiten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes betreffend, das Abkommen vom 10. September 1952 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Staate Israel (Nrn. 4141, 4181 der Drucksachen) Ich stimme gegen dieses Gesetz, weil ich die individuelle Wiedergutmachung befürworte. Angesichts der Notlage von Millionen deutscher Heimatvertriebener, denen ähnliches Unrecht wie dem Judentum widerfuhr, halte ich es nicht für vertretbar, dem Staat Israel Milliardenbeträge zuzuwenden. Weiterhin halte ich die Einwendungen der arabischen Staaten gegen den Gesetzentwurf für berechtigt. Das deutsche Volk darf die Freundschaft der arabischen Völker nicht verlieren. Bonn, den 18. März 1953 Goetzendorff Namentliche Abstimmungen 1. über den Änderungsantrag der Abgeordneten Dr. Dr. Müller (Bonn), Dr. Horlacher, Neuburger, Revenstorff, Tobaben und Genossen zu § 61 des Entwurfs eines Gesetzes über die Angelegenheiten der Vertriebenen und Flüchtlinge (Bundesvertriebenengesetz) (Umdruck Nr. 805 Ziffer 3) 2. über den Entwurf eines Gesetzes betreffend das Abkommen vom 10. September 1952 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Staate Israel (Nrn. 4141, 4181 der Drucksachen) Name Abstimmung Name Abstimmung 1. 2. 1. 2. CDU/CSU I Dr. Adenauer Ja Ja Dr. Henle entschuld. entschuld. Albers Ja Ja Hilbert Ja enthalten Arndgen Ja Ja Höfler Ja Ja Dr. Bartram (Schleswig- Hohl Ja Ja Holstein) Ja — Hoogen Ja Ja Bauereisen Ja enthalten Hoppe Ja Ja Bauknecht Ja enthalten Dr. Horlacher Ja Nein Dr. Baur (Württemberg) . Ja Ja Horn Ja Ja Bausch Ja Ja Huth Ja enthalten Becker (Pirmasens)... . Ja enthalten Dr. Jaeger (Bayern) ... . Ja Nein Blank (Dortmund)... . Ja Ja Junglas Ja Ja Frau Brauksiepe Ja Ja Kahn Ja enthalten Dr. von Brentano Ja Ja Kaiser Nein Ja Brese Ja enthalten Karpf Ja Ja Frau Dr. Brökelschen .. . Ja Ja Dr. Kather Nein Ja Dr. Brönner Ja Ja Kemmer Ja Ja Brookmann Ja Ja Kemper Ja enthalten Dr. Bucerius krank krank Kern Ja Ja Frau Dietz Ja Ja Kiesinger Ja Ja Donhauser Ja enthalten Dr. Kleindinst Ja enthalten Dr. Dresbach Ja krank Dr. Köhler Ja Ja Eckstein Ja — Dr. Kopf Ja — Dr. Edert Ja enthalten Kühling Ja — Dr. Ehlers Nein Ja Kuntscher Nein Ja Ehren Nein Ja Kunze Ja Ja Eplée Nein enthalten Dr. Laforet Ja entschuld. Dr. Erhard Ja Ja Dr. Dr. h. c. Lehr Ja Ja Etzenbach Ja Ja Leibfried Ja enthalten Even Ja Ja Lenz Ja Ja Feldmann Ja Ja Leonhard Ja Ja Dr. Fink Ja enthalten Lücke Ja Ja Dr. Frey Ja enthalten Majonica Ja Ja Fuchs Ja Nein Massoth Ja Ja Dr. Freiherr von Fürsten- Mayer (Rheinland-Pfalz) . Nein enthalten berg Ja enthalten Mehs Ja enthalten Fürst Fugger von Glött . . Ja Nein Mensing Ja entschuld. Funk Ja enthalten Morgenthaler Ja Ja Gengler Ja enthalten Muckermann Ja Ja Gerns . Ja enthalten Mühlenberg Ja Ja Dr. Gerstenmaier Ja Ja Dr. Dr. Müller (Bonn).. . Ja Ja Gibbert Ja enthalten Müller-Hermann Nein Ja Giencke Ja enthalten Naegel Ja Ja Dr. Glasmeyer Ja Ja Neber Ja Ja Glüsing Ja enthalten Nellen Nein Ja Gockeln entschuld. entschuld. Neuburger Ja — Dr. Götz Nein Ja Nickl Ja Nein Frau Dr. Gröwel Ja Ja Frau Niggemeyer... . Ja Ja Günther — — Dr. Niklas Ja — Hagge Ja — Dr. Oesterle Ja enthalten Dr. Handschumacher . . . Ja Ja Oetzel — — Frau Heiler Ja Ja Dr. Orth Ja Ja Heix Ja Ja Pelster Ja Ja Name Abstimmung Name Abstimmung 1. 2. 1. 2. Pfender Nein enthalten Brünen Nein Ja Dr. Pferdmenges ... . Ja Ja Cramer Nein Ja Frau Dr. Probst ... . Ja enthalten Dannebom Nein Ja Dr. Pünder Ja Ja Diel....... . Nein Ja Raestrup Ja Ja Frau Döhring Nein Ja Rahn....... . Ja enthalten Eichler Nein Ja Frau Dr. Rehling.. . Ja Ja Ekstrand Nein Ja Frau Rösch Ja Ja Erler....... . Nein Ja Rümmele Ja Ja Faller Nein Ja Sabel..... . Ja Ja Franke...... . Nein Ja Schäffer.... Ja enthalten Freidhof Nein Ja Scharnberg..... . Ja Ja Freitag . Nein Ja Dr. Schatz Ja enthalten Geritzmann Nein Ja Schul Ja Ja Gleisner Nein Ja Schmitt (Mainz)... . Ja enthalten Görlinger Nein Ja Schmitz entschuld. entschuld. Graf Nein Ja Schmücker Ja Ja Dr. Greve Nein Ja Dr. Schröder (Düsseldorf) Ja Ja Dr. Gülich Nein Ja Schüttler Ja Ja Happe Nein Ja Schütz..... . Nein Ja Heiland Nein Ja Schuler Ja Ja Hennig Nein Ja Schulze-Pellengahr .. . Ja Ja Henßler krank krank Dr. Semler entschuld. entschuld. Herrmann Nein Ja Dr. Serres Ja Ja Hoecker Nein Ja Siebel. Ja Ja Höhne Nein Ja Dr. Solleder Ja krank Frau Dr. Hubert ... . Nein Ja Spies Ja enthalten Imig Nein Ja Graf von Spreti ... Nein Ja Jacobi Nein Ja Stauch Nein Ja Jacobs Nein Ja Frau Dr. Steinbiß Ja Ja Jahn....... . Nein Ja Storch Ja Ja Kalbfell Nein Ja Strauß Ja enthalten Kalbitzer Nein Ja Struve Ja enthalten Frau Keilhack... Nein Ja Stücklen Ja enthalten Keuning Nein Ja Dr. Vogel enthalten enthalten Kinat Nein Ja Wacker Ja enthalten Frau Kipp-Kaule Nein Ja Wackerzapp... . Nein Ja Dr. Koch Nein Ja Dr. Wahl Ja Ja Frau Korspeter... . Nein Ja Frau Dr. Weber (Essen) . Nein Ja Frau Krahnstöver.. . Nein Ja Dr. Weber (Koblenz). . Ja Ja Dr. Kreyssig Nein Ja Dr. Weiß Ja Ja Kriedemann.... . Nein Ja Winkelheide.... . Nein Ja Kurlbaum Nein Ja Wittmann.. . . Nein enthalten Lange -- — Dr. Wuermeling . Ja enthalten Lausen..... Nein Ja SPD Frau Lockmann.. Nein Ja Ludwig Nein Ja Frau Albertz.... . Nein Ja Dr. Luetkens.... . Nein Ja Frau Albrecht .... . Nein Ja Maier (Freiburg) ... . Nein Ja Altmaier..... . Nein Ja Marx....... . Nein Ja Frau Ansorge .... . Nein Ja Matzner...... . Nein Ja Dr. Arndt..... . Nein Ja Meitmann Nein Ja Arnholz...... . Nein Ja Mellies...... . Nein Ja Dr. Baade..... . Nein Ja Dr. Menzel ..... . Nein Ja Dr. Bärsch.... . Nein Ja Merten Nein Ja Baur (Augsburg) ... . Nein Ja Mertins Nein Ja Bazille...... . Nein Ja Meyer (Hagen) .... . Nein Ja Behrisch...... . Nein Ja Meyer (Bremen) ... . Nein Ja Bergmann..... . Nein J a Frau Meyer-Lauie .. . krank krank Dr.- Bergstraeßer .. Nein Ja Mißmahl..... . Nein Ja Berlin...... . Nein Ja Dr. Mommer.... . Nein Ja Bettgenhäuser... . Nein Ja Moosdorf..... . Nein Ja Bielig Nein Ja Dr. Mücke..... . Nein Ja Birkelbach Nein Ja Müller (Hessen).. . Nein Ja Blachstein Nein Ja Müller (Worms)... . Nein Ja Dr. Bleiß Nein Ja Frau Nadig Nein Ja Böhm....... . Nein Ja Dr. Nölting Nein Ja Dr. Brill krank krank Nowack (Harburg).. . Nein Ja Bromme Nein Ja Odenthal..... . Nein Ja Name Abstimmung Name Abstimmung 1. 2. 1. 2. Ohlig Nein Ja Kühn Nein enthalten Ollenhauer Nein Ja Dr. Leuze Ja Ja Paul (Württemberg) ... . Nein Ja Dr. Luchtenberg krank krank Peters Nein Ja Margulies J a Ja Pohle Nein Ja Mauk Ja enthalten Dr. Preller Nein Ja Dr. Mende Nein enthalten Priebe Nein Ja Dr. Miessner Ja enthalten Reitzner Nein Ja Neumayer Ja Ja Richter (Frankfurt)... . Nein Ja Dr. Dr. Nöll von der Nahmer Nein Ja Ritzel Nein Ja Onnen Ja enthalten Ruhnke Nein Ja Dr. Pfleiderer — — Runge Nein Ja Dr. Preiß Ja enthalten Sander krank krank Dr. Preusker Ja enthalten Sassnick Nein Ja Rademacher Ja Ja Frau Schanzenbach . . . . Nein Ja Rath Ja Nein Dr. Schmid (Tübingen) .. . Nein Ja Revenstorff Ja enthalten Dr. Schmidt (Niedersachsen) Nein Ja Dr. Schäfer Ja Ja Dr. Schöne Nein Ja Dr. Schneider Ja enthalten Schoettle Nein Ja Stahl Ja Nein Segitz Nein Ja Stegner Ja enthalten Seuffert Nein Ja Dr. Trischler Nein Nein Stech Nein Ja de Vries Nein enthalten Steinhörster Nein Ja Dr. Wellhausen Ja Ja Stierle Nein Ja Wirths — — Striebeck Nein Ja Frau Strobel Nein Ja DP Temmen Nein Ja Tenhagen Nein Ja Ahrens Ja enthalten Troppenz Nein Ja Eickhoff Ja enthalten Dr. Veit Nein Ja Ewers Ja enthalten Wagner Nein Ja Farke Ja Nein Wehner Nein Ja Dr. Fricke Ja Ja Wehr Nein Ja Hellwege Ja enthalten Weinhold Nein Ja Jaffe Ja Ja Welke Nein Ja Frau Kalinke Ja enthalten Weltner Nein Ja Kuhlemann Ja enthalten Dr. Wenzel Nein Ja Dr. Leuchtgens Ja Ja Winter Nein Ja Löfflad . Ja Nein Wönner Nein Ja Matthes Ja Nein Zühlke Nein Ja Dr. von Merkatz Ja enthalten Dr. Mühlenfeld Ja Ja Schuster Ja Nein FDP Dr. Seebohm Nein Ja — Tobaben Ja enthalten Dr. Atzenroth Ja Walter Ja Nein Dr. Becker (Hersfeld).. . Ja enthalten Wittenburg Ja enthalten Dr. Blank (Oberhausen) . . Ja Ja Dr. Zawadil Nein enthalten Blücher Ja Ja Dannemann Ja enthalten FU Dr. Dehler — — Dirscherl krank krank r reiherr von Aretin ... . Ja enthalten Eberhard Ja Ja Dr. Bertram (Soest) ... . Ja enthalten Euler Ja entschuld. Dr. Besold Ja enthalten Fassbender Ja enthalten Clausen Ja Ja Dr. Friedrich Nein Ja Dr. Decker ........J a enthalten Frühwald Ja enthalten Determann Ja Ja Funcke Ja Ja Eichner Ja enthalten Gaul Ja enthalten Hoffmann (Lindlar) Ja enthalten Dr. von Golitschek... . Nein enthalten Lampl Ja enthalten Grundmann ...... . Ja Nein Maerkl . Ja enthalten Dr. Hammer Ja enthalten Mayerhofer Ja — Dr. Hasemann Ja Ja Dr. Meitinger Ja enthalten Dr. Hoffmann (Lübeck) . . Nein Nein Pannenbecker entschuld. entschuld. Dr. Hoffmann (Schönau) . Ja Ja Parzinger Ja enthalten Frau Hütter Ja — Dr. Reismann Ja enthalten Frau Dr. Ilk Nein Ja Ribbeheger entschuld. entschuld. Jaeger (Essen) Ja Ja Volkholz Ja enthalten Juncker Ja Ja Wartner Ja enthalten Dr. Kneipp Ja enthalten Willenberg Nein Ja Name Abstimmung 1. 2. Name Abstimmung 1. 2. KPD Frau Bieganowski . . . Ja Ja Agatz Nein Nein Bodensteiner Nein enthalten Fisch Nein Nein Dr. Etzel (Bamberg). . enthalten enthalten Gundelach Nein Nein Freudenberg Ja Ja Harig Nein Nein Fröhlich Nein Nein Kohl (Stuttgart) Nein Nein Frommhold Nein Nein Müller (Frankfurt)... . Nein Nein Goetzendorff Nein Nein Niebergall Nein Nein Hedler...... . — — Niebes Nein Nein Frau Jaeger (Hannover) . Ja Nein Paul (Düsseldorf) Nein Nein Dr. Keller..... . Nein Nein Reimann Nein Nein Langer — — Renner Nein Nein Loritz Nein krank Rische — — Müller (Hannover) . . . — — Frau Strohbach Nein Nein Dr. Ott Nein Nein Frau Thiele Nein Nein Reindl...... . Ja enthalten Schmidt (Bayern).. Ja enthalten Fraktionslos von Thadden Nein Nein Frau Arnold Nein Ja Tichi krank krank Aumer krank krank Wallner Ja enthalten Bahlburg Ja Ja Frau Wessel Nein Ja Zusammenstellung der Abstimmung Abstimmung 1. 2. Abgegebene Stimmen... 376 360 Davon: Ja 196 239 Nein 178 35 Stimmenthaltung... . 2 86 Zusammen wie oben... . 376 360 Berliner Abgeordnete Name Abstimmung Name Abstimmung 1. 2. 1. 2. CDU/CSU Neumann Nein Ja Dr. Friedensburg... . Ja Ja Dr. Schellenberg.. . Nein Ja Dr. Krone Ja Ja Frau Schroeder (Berlin) . Nein Ja Lemmer Nein Ja Schröter (Berlin)... . Nein Ja Frau Dr. Maxsein... . Nein Ja Frau Wolff Nein Ja Dr. Tillmanns Nein Ja FDP SPD Dr. Henn Nein enthalten Brandt Nein Ja Hübner Nein Ja Dr. Königswarter... . Nein Ja Frau Dr. Mulert... . Nein enthalten Löbe Nein Ja Dr. Reif Nein Ja Neubauer Nein Ja Dr. Will Ja enthalten Zusammenstellung der Abstimmung der Berliner Abgeordneten Abstimmung 1. 2. Abgegebene Stimmen... . 19 19 Davon: Ja 3 16 Nein...... . 16 — Stimmenthaltung... . — 3 Zusammen wie oben 19 19
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    Rede von Dr. Hermann Schäfer


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Eigentlich beneide ich die Kollegen, die mit einer besonderen Emphase und Gläubigkeit für ein bestimmtes System des Wahlrechts eintreten können. Die haben es nämlich furchtbar leicht und einfach. Aber ich weiß nicht, ob wir mit dieser Wahlrechtsorthodoxie den Notwendigkeiten, vor die wir gestellt sind, wirklich Rechnung tragen und ob die angriffsheftig übersteigerte Behauptung, man habe den Stein der Weisen gefunden, die Lösung erleichtert und die Meinung, was die anderen meinen, sei einfach falsch und böse, richtig ist. Ich glaube, es gibt kein Gebiet der Politik, auf dem so viel Phantasietätigkeit möglich ist und auf dem man mit der Deutung geschichtlicher und soziologischer Zusammenhänge und struktureller Entwicklungen so viel behaupten und so viel begründen kann wie gerade auf dem Gebiet des Wahlrechts.
    Eines scheint mir allerdings nicht schön zu sein: daß man bei diesen Dingen so schrecklich moralisiert, daß immer der eine dem anderen vorhält, er habe irgendwelche Berechnungen im Hintergrund und der andere mache eine Arithmetik der mutmaßlichen Vorteile und wolle ausrechnen, wie die Dinge zu seinen Gunsten wirken. Ach, ich will gar nicht bestreiten, daß die Lockung eines corriger la fortune hinsichtlich des einen oder anderen Partners besteht. Streiten wir das doch nicht ab! Wir müssen uns nur von solchen Erwägungen frei machen. Denn im Grunde würde eine Wahlrechtsentwicklung, die unter derartigen Gesichtspunkten offenbare Mißbräuche zeigen würde, der Gesamtentwicklung zur gefestigten Demokratie tatsächlich nicht entsprechen.
    Vor allen Dingen, meine Damen und Herren: Ist es nicht ein bissel schrecklich, mit dieser doppelten Moral zu arbeiten, indem man sich immer über den anderen entrüstet?

    (Zuruf von der SPD.)

    — Doch, das gilt gerade für Sie, meine Herren von der SPD! Sie entrüsten sich jetzt schrecklich über Regierungsentwürfe. Was da aber in manchen Ländern von Ihrer Seite gemacht worden ist

    (Zuruf von der SPD)

    — na, hören Sie mal! —, da ist auch etwas Wahlarithmetik und da ist noch dazu Wahlkreisgeometrie. Machen wir doch die Dinge durch künstliche Entrüstung nicht so umständlich und schwierig, und erschweren wir uns die Geschichte nicht mit einer doppelten Moral!
    Welche Erfordernisse sind denn nun an ein Wahlrecht zu stellen? Wir müssen dabei von der


    (Dr. Schäfer)

    Funktion der Wahl in der Demokratie ausgehen. Was hat sie eigentlich zu bedeuten? Sie soll erstens die dominanten und die rezessiven Strömungen in der politischen und geistigen Entwicklung feststellen. Sie soll feststellen, welche Kräfte im Aufstieg und welche Kräfte im Abstieg sind. In diesem Wechselspiel liegt die Stärke der Demokratie. Ihre Lebendigkeit liegt in dem so geweckten Spannungsverhältnis und tut sich in dem Bemühen der Richtungsgruppen, aufzusteigen, immer wieder kund. Darin liegt doch ihre große leistungssteigernde Kraft. Das ist das eine, was man berücksichtigen muß.
    Zum zweiten soll eine Wahl ein System der Auslese darstellen. Es soll im Wettbewerb der Wahl eine immer bessere, wenn Sie so wollen, Elite von Leuten ausgelesen werden, die die Gesetze machen und die Regierungspolitik bestimmen. Das ist doch der Sinn einer Wahl, und das ist auch der Sinn der Auseinandersetzung in der Politik, weil man durch Auseinandersetzung die Erkenntnisse darüber, was gut und was schlecht ist, immer mehr verfeinern kann. Das ist der zweite Sinn dessen, was mit einer Wahl zusammenhängt. Er wollte hinter allen Formen und Wirkungen der politischen Agitation und Propaganda, die sich aus einem Wahlvorgang immer wieder ergeben, stehen.
    Wir sollten an jedes Wahlrecht mit dem Maßstab herantreten: was fördert diese beiden wesentFunktionen möglichst günstig, nämlich die wechselnden Strömungen des politischen Lebens gerecht einerseits sichtbar werden zu lassen und andererseits gleichzeitig einen Ausleseprozeß durchzubilden, der hinsichtlich der gesetzgeberischen Arbeit möglichst steigernde Wirkungen hat? Da muß ich allerdings dem Herrn Kollegen Scharnberg sagen, daß ich unter solchen Gesichtspunkten keineswegs von der Überlegenheit des sogenannten Mehrheitswahlrechts überzeugt bin. Es ist in Wirklichkeit ja kein Mehrheitswahlrecht, sondern es ist fast immer ein Minderheitenwahlrecht. Es bleibt an ihm auszusetzen, daß es sehr leicht — und das ist in den meisten Fällen sogar so — je nach der Struktur der politischen Parteien und der politischen Gruppenbildung unter den Wählern zu einem Mißverhältnis zwischen den Wählerstimmen und den Mandaten ausartet. Diese Erscheinung haben wir sehr oft. Es wirkt sich als Minderheitenwahlrecht aus. Die politischen Strukturverhältnisse, unter denen bestimmte politische Parteien kompakte Gruppen bilden, wirken sich aus. Das ist dann durchaus keine Übereinstimmung zwischen der dominanten Strömung im Volk und den vorherrschenden Gruppen im Parlament. Das haben sich die Leute im englischen Wahlrecht leisten können. Denken Sie aber bitte an die englische Parteiengeschichte! Die Parteien in England sind ja ursprünglich nicht wie bei uns Weltanschauungsgruppen.

    (Abg. Schoettle: Die Geschichte des Wahlrechts selber ist auch ganz aufschlußreich!)

    — Die Geschichte des Wahlrechts ist aufschlußreich; ich will das hier nicht ausführen. Jedenfalls ist es für uns sehr gefährlich, der Lockung des einfachen Mechanismus, der ja im Mehrheitswahlrecht steckt, allzusehr nachzugeben. Es ist kein Zweifel, wenn man bloß mechanistisch denkt, wie die Mehrheitsbildung am einfachsten geschieht, dann haben Sie recht. Als formale Mechanik ist das großartig; aber es wirkt meist unorganisch, denn es fehlt nachher die Übereinstimmung zwischen der Parlamentsmehrheit und der Volksmehrheit. Da liegen Spannungsverhältnisse, Reibungsverluste von äußerster Bedenklichkeit vor, besonders weil darin auch etwas sehr Konservierendes zugunsten der politischen Gruppe liegt, die an bestimmten Stellen, aus Tradition, aus sozialer Schichtung, aus weltanschaulicher Gruppierung über kompakte Mehrheiten verfügt. Solche Mehrheiten entstehen aber nicht auf der Grundlage politischer Überzeugung, sondern auf Grund von Motiven, die überwiegend außerhalb der eigentlichen Politik liegen. So entsteht mit Hilfe des Mehrheitswahlrechts erst recht noch ein Mißverhältnis zwischen den politischen Kräften und der Mandatsverteilung.
    Bei einem Wahlrecht kommt es doch darauf an, ein hohes Maß von Stimmengerechtigkeit anzustreben, ein anständiges Verhältnis zwischen den Stimmen der Wähler und der Vertretung der Wähler hier im Parlament. Gegen die solcher Zielsetzung entsprechende Verhältniswahl ist heute hier wieder einmal allerhand erzählt worden. Es ist von der Wirkung des Verhältniswahlrechts in der Weimarer Republik gesprochen worden. Was da immer erzählt wird, stimmt aber doch nicht. Erstens haben wir in der kaiserlichen Zeit, als wir den Einerwahlkreis und die Stichwahl hatten, auch an die zwölf Parteien im Reichstag gehabt.

    (Zuruf von der SPD: Wer?)

    Also die Parteienbildung und -zersplitterung ist in keiner Weise durch das Verhältniswahlrecht geweckt, sondern das liegt — wie soll ich sagen? — an der Staatsbürgerseele des Deutschen, an seinem Differenzierungsbedürfnis. Das ist ein recht gefährliches Bedürfnis. Es ist sicherlich zu überlegen, wie man ihm eine sinnreiche Schranke setzen könnte. Man kann auch nicht einfach sagen, das Verhältniswahlrecht habe die Weimarer Republik zerstört. Kaputtgemacht haben die Weimarer Republik zuerst und zumeist diejenigen, die mit ungeheueren Propagandamitteln gegen die Republik und gegen die Demokratie angerannt sind.

    (Zuruf von der SPD: Von Villa Hügel aus!) Zum zweiten ist die Weimarer Republik von den republikanischen Parteien nicht genügend verteidigt worden, weil sie sich allzuoft gescheut haben, in die Verantwortung hineinzugehen. Denken Sie an die Situation Brünings, der mit einem solchen merkwürdigen Präsidialkabinett regieren mußte. Wie anders wäre die Situation gewesen, wenn sich damals alle verfassungstreuen Parteien entschlossen hätten, hinter ihn zu treten, und, koste es, was es wolle, die unpopulärsten Dinge durchzuziehen, um die Demokratie aufrechtzuerhalten.


    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Herr Mellies, Sie haben mit vergangenen Ereignissen polemisiert. Wir sollten uns doch nicht immer sosehr mit der Vergangenheit aufhalten. Man kann die Dinge auch etwas anders ansehen, als Sie sie dargestellt haben. Vor allen Dingen haben Sie wieder die Geschichte von dem Ermächtigungsgesetz gebracht. Fälschen wir doch die Geschichte nicht allzusehr! Die Entscheidung war 1932 gefallen, als der Staatsstreich des Herrn von Papen gelungen war. Damit begann nämlich der Umsturz zum Diktaturstaat, zum autoritären Staat. Ob die Geschehnisse von 1932 gut oder böse waren, das will ich jetzt nicht erörtern. Ich will auch da nicht von Schuld, von Fehlern und Verantwortlichkeiten reden. Das Ermächtigungsgesetz war nichts als eine Form. So ist es wenigstens von denen gedacht worden, die ihm zugestimmt haben, obwohl sie


    (Dr. Schafer)

    innerlich weiß Gott alles anderes als Nationalsozialisten waren, aber zugestimmt haben, weil sie, gebeten von sehr vielen, für sie etwas erträgliche Übergänge schaffen wollten, nachdem die Flutwelle unaufhaltsam war. So liegen die Dinge. Also bitte, stellen Sie es nicht immer so dar, als ob erst das Ermächtigungsgesetz die Machtverhältnisse geändert habe. Die Veränderung der Machtpositionen war schon vorher geschehen; das Gesetz war lediglich eine machtpolitisch belanglose

    (Widerspruch bei der SPD)

    unter recht opportunistischen Erwägungen veranstaltete Formalität.

    (Lebhafter Widerspruch bei der SPD.)

    — Doch, doch, doch! Ich habe die Vorgänge sehr sorgfältig miterlebt und kann da aus eigener Beobachtung urteilen. Nebenbei bemerkt gehöre ich nicht zu denen, die zugestimmt haben; ich kann also um so objektiver von den Dingen reden.

    (Abg. Meitmann: Darum haben Sie auch keinen Grund, es zu verteidigen!)

    — Ich verteidige die Leute ja gar nicht, sondern ich wende mich nur dagegen, daß das Ermächtigungsgesetz in der damaligen machtpolitischen Auseinandersetzung irgendeine entscheidende Bedeutung gehabt haben soll.

    (Widerspruch bei der SPD.)

    Es ist nichts weiter als die formelle Folgerung aus Machtentscheidungen gewesen, die vollzogen waren, als sich Papen mit seinem Staatsstreich durchgesetzt hatte und hinterher nun der Massenwahn über allzu viele Menschen kam und nicht mehr aufzuhalten war.

    (Abg. Meitmann: Sie rechtfertigen damit, daß Gewalt zu geltendem Recht gemacht wurde!)

    Also, meine Damen und Herren, ich will nicht so viel über die alten Dinge reden. Man muß aber daran anknüpfen, wenn geschichtliche Dinge mißdeutet werden. Mir kam es hier auf den Nachweis an, daß es falsch ist, das Verhältniswahlrecht für die Weimarer Fehlschläge entscheidend verantwortlich zu machen. Man soll sich außerdem ansehen, wie es damals mit der Parteibildung gewesen ist. Eins ist allerdings bedenklich gewesen: das Aufkommen reiner gruppenegoistischer Elemente, reiner Ständegruppen ist erleichtert worden, das Auftreten von Abgeordneten, die von Politik im Grunde genommen nichts mehr wissen wollten. Damit ist natürlich das Niveau sehr verdorben worden; denn letzten Endes gehört zur Auslese auch, daß der Politiker gewählt wird und nicht der Interessent. Politik ist mehr als die Vertretung von Interessen. Politik setzt eine weite Fülle von politischen Einsichten, eine Verfeinerung des politischen Erkenntnisvermögens voraus. Politik setzt die intuitive Fähigkeit voraus, Zusammenhänge, die man weder rein rechnerisch noch bloß empirisch, am
    allerwenigsten aber mit naturwissenschaftlichen Methoden ermitteln kann, zu überlegen und zu deuten.
    Dann darf ich noch auf eins aufmerksam machen; auch das muß einmal überlegt werden. Das Mehrheitswahlrecht, wie man es in England hat, stammt in seinen Anlagen eigentlich aus der Biedermeierzeit. Es stammt aus einer Zeit, in der die Verkehrsverhältnisse noch schlecht waren und es gar keine andere Möglichkeit der Repräsentation gab, als daß einer gewählt wurde, ein halbes Jahr
    in die Hauptstadt fuhr und da seine Wähler vertrat. Heute haben wir diese engen Grenzen und diese Ortsgebundenheit doch nicht mehr. Meine Damen und Herren, machen Sie nicht den Wahlkreis zum Dogma! Er ist mehr und mehr eine fragwürdige Institution. Die Anhänger eines Menschen wohnen heutzutage nicht in einem kleinen Ortsbereich. Wo es aber der Fall ist, da ist gerade die Gefahr, daß das Lokale gegenüber dem Gesamten der Politik überwiegt, um das es in diesem Parlament geht.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Also es gibt sogar ein Element — wie soll ich sagen? — der Destruktion, das aus einer rein wahlkreismäßigen Betrachtung der politischen Dinge kommen könnte. Das aber spricht wieder sehr dafür, nun etwas anderes gelten zu lassen: auch die Liste, die sich über weite Räume erstreckt. Das entspricht der modernen Struktur der politischen Willensbildung viel mehr, als wenn eine Wahl nur lokal begrenzt und gebunden wäre.
    Und dann sehen Sie sich die Funktionen des Parlaments an! Stellen Sie sich einmal vor, wir hätten ein Parlament, das aus lauter „unabhängigen" Leuten bestünde, die nur ihren Wahlkreis im Auge haben und nur wahlkreisorientiert sind. Wir wären ein amorpher Haufen, der zu Willensentscheidungen überhaupt nicht in der Lage wäre.

    (Beifall bei der FDP und SPD.)

    Weil wir dies nicht wollen, scheint uns auch der Beitrag der Listenwahl sehr bedeutsam und gerechtfertigt zu sein unter dem Gesichtspunkt sowohl der Selektion wie unter dem Gesichtspunkt, daß sie zur politischen Gruppenbildung hindrängt. Ein Parlament ist doch funktionsfähig nur durch Gruppenbildung, d. h. durch Fraktionen; denn so allein können Mehrheiten herbeigeführt werden. Und Mehrheiten muß es im Parlament geben, damit es funktionsfähig ist und sich gegenüber der Bürokratie durchsetzen kann. Ein amorpher Haufen von Abgeordneten ist dazu nicht in der Lage.
    Neben dieser Begünstigung der Fraktionsbildung überhaupt ermöglicht die Listenwahl im Gegensatz zur Gruppenbildung unter dem Gesichtspunkt der Vertretung von Orts- und Landesteilen eine Zusammensetzung der Fraktionen in der Richtung, daß Spezialisten für die einzelnen Sachgebiete vertreten sind, wie dies heute bei der ungeheuren Fülle der gesetzgeberischen Tätigkeit unerläßlich ist. Auch das ist eine Voraussetzung der Funktionsfähigkeit des Parlaments und seines Gewichts gegenüber der Bürokratie.
    Das sind alles Notwendigkeiten, die im reinen Mehrheitswahlrecht in keiner Weise gefördert sind. Ja, wenn wir die Überlieferungen hätten, die England hat! Da geht allerdings die Autorität der Parteispitzen so weit,, daß man die Wahlkreise unter dem Gesichtspunkt verteilt: wie bekomme ich in meiner Fraktion das Schattenkabinett, wenn ich in der Opposition bin, bzw. wie habe ich gleich, wenn ich die Mehrheit bekomme, das Kabinett? Zu solcher Reife, zu solcher Besonnenheit und Einsicht
    ist unsere innerparteiliche Entwicklung auf allen Seiten dieses Hauses noch nicht gediehen.

    (Abg. Dr. Mende: Sehr richtig!)

    Wir sollten da in unseren Folgerungen nicht weitergehen, als es dem tatsächlichen Entwicklungsstadium unseres politischen Lebens entspricht.
    Herr Kollege Scharnberg hat von der Gefahr der negativen Majoritäten gesprochen, die wir in der Weimarer Zeit bisweilen hatten. Diese Ge-


    (Dr. Schäfer)

    fahr ist ja nun durch das Grundgesetz weitgehend ausgeräumt. Negative Mehrheiten können niemals mehr Regierungen stürzen.

    (Abg. Dr. Wuermeling: Aber Gesetze verhindern!)

    — Gesetze verhindern; da ist auch wieder eine andere Frage, wieweit es geht. Aber dann ist immerhin eine Regierung da, die mit dem Mittel der Auflösung Korrekturen anbringen kann. Ich möchte mal sehen, wer dann in dem Konflikt zwischen Regierung und negativer Mehrheit der Stärkere ist. Ich glaube also, diese Gefahr ist nicht mehr so gewaltig, wie sie damals war, wo das bloße Mißtrauensvotum genügte, eine Regierung zu stürzen, ohne eine andere an die Stelle zu setzen. Diese Gefahr ist durch das konstruktive Mißtrauensvotum beseitigt worden.
    Ich möchte meine skizzenhaften Überlegungen dahin zusammenfassen: Wir brauchen ein Wahlrecht, das dem Gesichtspunkt der Stimmengerechtigkeit entspricht, das zugleich dem Auslesegrundsatz Rechnung trägt. Aber wir brauchen auch zweifellos ein Element des Schutzes gegen allzu weitgehende Zersplitterung; das erkennen wir durchaus an. Es ist unhaltbar, daß sich dauernd neue Grüppchen unter zum Teil sehr, sehr unaufrichtigen Vorwänden bilden, ja, daß Leute, wenn sie in ihrem Gewerbe gescheitert sind, als Erwerbslosenfürsorge für sich dann eine neue Partei gründen. Daß man solche Mißbildungen beschränken muß, ich glaube, darüber bestehen keine Meinungsverschiedenheiten. Das kann man aber mit gewissen Mitteln der Begrenzung machen, meinetwegen auch — und das wird zu überlegen sein — mit der Durchführung der Stichwahl da, wo wir uns entschlossen haben, Wahlkreise zu bilden. Das ist doch wohl der Sinn der Vorlage, die von der Regierung eingebracht worden ist, solche Mischung zu machen. Man kann es nur Mischung nennen, denn einen echten Kompromiß zwischen Proportional- und Mehrheitswahl gibt es in Wirklichkeit nicht, sondern es gibt nur ein Nebeneinander; es sind zwei grundsätzlich verschiedene Herkunftsbereiche. Das eine ist die Liste mit der Proportion, und auf der anderen Seite steht der Wahlkreis. Die Verzahnung ist zu überlegen, die darin besteht, zwischen den Verhältniswahlmandaten auf den Listen und den Wahlkreismandaten gewisse Zusammenhänge zu schaffen. Hier sind also Ausgleichsüberlegungen anzustellen. Hier scheint immerhin ein Kompromißversuch angebracht. Ob er gut oder schlecht ist, das sollte man nicht so leichthin entscheiden. Man sollte auch nicht so, wie es Herr Kollege Mellies getan hat, immer nur die Motive der Bundesregierung verdächtigen und so tun, als wenn das alles einfach immer nur Versuche seien, das Wahlrecht tendenziös zu machen. Es ist nicht zu bestreiten, daß auch der Entwurf der Regierung zum mindensten das Prinzip der Chancengleichheit wahrt.

    (Abg. Dr. Menzel: Nein!)

    — Ja, verzeihen Sie, Herr Menzel, die Sache ist doch so: die Chancenungieichheit, soweit sie auf Strukturverhältnissen der politischen Parteien beruht, ist keine Angelegenheit des Gesetzgebers. Die gesetzliche Chancengleichheit aber besteht darin, daß jede Gruppe in der Lage ist, sich so auszubreiten, daß sie zum Zuge kommen kann. Ob das im Augenblick mit Rücksicht auf bestimmte Strukturverhältnisse und Entwicklungen von Parteien hier gut oder dort böse ist, das ist schwer zu prophezeien. Das können Sie überhaupt nicht berechnen.
    Denn es ist immer möglich, daß sich — bald so, bald so — Kombinationen bilden. Zu wessen Gunsten sich dann der in der Vorlage versuchte Integrationseffekt auswirkt, das ist nicht eine Folge des Gesetzes, sondern eine Folge der Anpassung der Parteistruktur an ein Gesetz. Wir wissen doch aus der Partei- und Wahlrechtsgeschichte, daß Parteistrukturen sich sehr gut Wahlrechtsformen anzupassen vermögen und anpassen.

    (Abg. Schoettle: Herr Dr. Schäfer, eine Zwischenbemerkung, nach dem Grundsatz von George Orwell, etwas abgewandelt: Alle Parteien sind gleich, aber einige sind gleicher! Die passen besser zusammen! So ist es!)

    — Nein, nein, das stimmt nicht! Jeder Partei ist die Möglichkeit gegeben, die Chancen des Wahlrechts, die gleichermaßen vorhanden sind und die etwa auch in den Formen der Listenverbindung gegeben sind, für sich in Anspruch zu nehmen. Wenn man unter diesem Gesichtspunkt an die Sache herangeht, kann man sehr im Zweifel darüber sein, welchen Gruppen dieses Hauses das Wahlgesetz eigentlich zugute kommen kann. Das steht doch bis jetzt in keiner Weise fest. Das ist immer eine Frage der Formationen und der Wahrnehmung der Möglichkeiten des Abstimmungsverfahrens. Also hier ist immerhin ein Kompromiß ermöglicht.
    Ich kann für meine Freunde sagen: Wir haben in keiner Weise die Absicht, uns heute bei dieser Auseinandersetzung für alle Zeiten festzulegen. Wir sind vielmehr der Meinung, daß wir ohne parteiarithmetische Vorurteile das bestfunktionierende Wahlrecht überlegen müssen. Wir werden im Ausschuß sehen, wie auf Grund der verschiedenen Ausführungen und Auffassungen ein Wahlrecht zustande kommen kann, das auf möglichst breiter Grundlage durchkommt und die Voraussetzung dafür schafft. daß die breitesten Schichten der Wähler zum politischen Interesse und zur Wahlfreudigkeit gebracht werden.

    (Lebhafter Beifall bei den Regierungsparteien.)



Rede von Dr. Carlo Schmid
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat der Abgeordnete Fisch.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Walter Fisch


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (KPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (KPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn man von den Beschönigungsversuchen einmal absieht, die von der Regierungskoalition unternommen worden sind, dann muß man sagen: der von der Bundesregierung vorgelegte Wahlgesetzentwurf ist eine offene Herausforderung der ganzen Bevölkerung. Mit Hilfe dieses Wahlgesetzes soll der Wille des Volkes ausgeschaltet werden, und von vornherein, noch ehe der erste Wähler ein Wahllokal betreten hat, soll das von Adenauer und seinen Hintermännern gewünschte Wahlresultat schon feststehen. Die Erhaltung und die Festigung der gegenwärtigen Koalitionsmehrheit und damit die Garantie für die Durchführung der amerikanischen Kriegsverträge von Bonn und Paris, das ist das Ziel. Wenn es wahr ist, daß der Sinn einer Wahl darin besteht, den Willen der Wählerschaft zum Ausdruck zu bringen, dann ist dieses Wahlgesetz ein Gesetz zur Legalisierung des Wahlbetrugs. Man müßte sich eigentlich wundern über die Unbekümmertheit, mit der die Regierung dieses Monstrum von Wahlgesetz vorlegt, obwohl es, seitdem es bekannt wurde, auf den einmütigen Widerstand der ganzen Öffentlichkeit, insbesondere auch der Presse, stieß und obwohl es vom Bundes-


    (Fisch)

    rat abgelehnt wurde, wobei sich nicht ein einziger Ländervertreter — nicht einmal einer der CDU — fand, der den Regierungsentwurf zu verteidigen wagte. Aber wer soll sich über Herrn Adenauer heute noch wundern? Er hält sich für ausreichend legitimiert für seine Maßnahmen, wenn er sich dabei nur auf die Ermunterungen und die Empfehlungen des Mr. Dulles stützen kann.

    (Abg. Dr. Jaeger [Bayern]: Unerhört!)

    Es ist ein amerikanischer Auftrag, jeden Widerstand gegen das System der Kriegsverträge zu brechen, und es ist ein amerikanischer Auftrag, dabei mit allen Mitteln vorzugehen, auch wenn es gegen Recht und Verfassung ist, auch wenn es die öffentliche Meinung provoziert. Überall, wohin ein amerikanischer Fuß gesetzt wird, entstehen solche Wahlgesetze, die der amerikafreundlichen Partei alle Privilegien und jede erwünschte Mehrheit verschaffen. So war es bekanntlich in Griechenland und in der Türkei, so war es in Japan, und so war es selbst in Frankreich und in Italien. Auf diese Weise soll die Bundesrepublik mit den übrigen amerikanischen Herrschaftsbereichen gleichgeschaltet werden. Auf diese Weise soll auf unserem Boden der Bestand eines Regimes gesichert werden, das den Okkupationsmächten ihren Verbleib im Lande, den Ausbau ihrer militärischen Stützpunkte und die Bereitstellung unseres wirtschaftlichen Potentials für die Erfüllung ihrer militärischen Pläne gewährleistet.
    Dieses Regime, das in der Propaganda des Kalten Krieges nie müde wurde, von anderen die Durchführung freier Wahlen zu verlangen, beweist, daß es selbst nichts mehr fürchtet als wirklich freie Wahlen. Es fürchtet freie Wahlen, weil es sich bewußt ist, daß der Wille des Volkes bei freien Wahlen die Regierung der Kriegsverträge, der Aufrüstung und der sozialen Verelendung hinwegfegen würde.
    Der Art. 38 des Grundgesetzes bestimmt das Prinzip einer allgemeinen, unmittelbaren, freien, gleichen und geheimen Wahl. Dieses Prinzip wird durch den vorliegenden Entwurf aufgehoben. Die Stimmen der Wähler haben nicht mehr gleiches Gewicht. Eine einzelne Stimme kann doppelt gewertet werden, einmal im Wahlkreis und einmal für die Bundesliste. Und das geschieht nur dann, wenn es eine Stimme für die Regierungskoalition ist. Das System der Hilfsstimme — ob es nun so oder so erhalten bleibt — bedeutet ebenfalls eine eindeutige Begünstigung der Koalitionsparteien; denn auch diese zweite Stimme eines Wählers kann nur in gegenseitiger Verrechnung der Koalitionsparteien zum Zuge kommen. Auch solchen Kandidaten soll auf diese Weise zu einem Bundestagsmandat verholfen werden, die bei wirklicher Gleichheit der Wahl in der Minderheit bleiben und durchfallen würden.
    Die „Gleichheit" für den Wähler besteht nach diesem Entwurf darin, daß er einen Zettel in den gleichen Kasten werfen darf. Er weiß nicht, welcher Partei und welchem Kandidaten er durch sein Kreuz zu einem Mandat verholfen hat. Seine Stimme wird durch die Wahlmacher der Koalitionsparteien wie eine Handelsware verschachert und verschoben.
    Für die Bundeslisten der Koalitionsparteien soll es eine Listenverbindung geben. Auch diese Bestimmung hätte eine klare Begünstigung der Adenauer-Parteien zur Folge. Bei den Parteien der parlamentarischen Opposition würden Hunderttausende von Stimmen ungenutzt unter den Tisch fallen, während die Koalitionsparteien sich durch gemeinsame Anrechnung der Stimmen gegenseitig die Mandate nach vorher vereinbartem Schlüssel zuschustern. In seiner Rundfunkrede vom 28. Januar erklärte Herr Dr. Lehr ganz offen, daß es gar nicht darauf ankomme, eine Partei, sondern eine Koalition zu wählen, die überhaupt nur dadurch zu einer Mehrheit gelangt, die eine Regierung stellen kann, daß sie sich des Wahlbetrugs und der Fälschung des Wählerwillens bedient.
    Schließlich will man durch die 5-%-Klausel im Bundesgebiet erreichen, daß keine politische Partei zu einem Bundestagsmandat kommt, die eine selbständige Politik verfolgt und sich durch Adenauer nicht gleichschalten läßt. Ist es nicht grotesk, daß nach dieser Bestimmung eine Partei überhaupt erst dann im Bundestag vertreten sein kann, wenn sie die Stimmenzahl für mindestens 25 Mandate aufbringt? Eine mit Adenauer verbundene Partei könnte 30 Sitze bekommen, auch wenn sie nur die. Stimmenzahl für 20 erhält. Aber eine selbständige, eine wirkliche Oppositionspartei gegen Adenauer bekäme kein einziges Mandat, auch wenn sie die Stimmenzahl für 24 Sitze aufbringen würde. Wirklich, man braucht nicht viel mehr zu sagen als das, was kürzlich der stellvertretende Ministerpräsident von Schleswig-Holstein erklärt hat, allerdings zu einem Zeitpunkt, als er noch nicht das Objekt bestimmter politischer Manipulationen gewesen ist, als er noch nicht sozusagen über Nacht zum Kostgänger der Adenauerschen Politik herabgesunken ist. Damals sagte er: „Dieser Wahlgesetzentwurf ist ein teuflischer Anschlag gegen die demokratische Grundordnung".
    Dieses Gesetz macht den Wahlakt zu einer Farce; denn für Herrn Adenauer steht seine Mehrheit schon fest, noch ehe die erste Stimme abgegeben ist. Aber noch mehr. Es stünde von vornherein sogar die Zweidrittelmehrheit für Adenauer fest, wenn nach diesem Wahlgesetz gewählt würde. Herr Adenauer könnte künftig jeden Verfassungsbruch, alles, was die Amerikaner von ihm wünschen, durch einen formal ,.ordentlichen" Bundestagsbeschluß legalisieren, ohne jemals befürchten zu müssen, daß irgend jemand das Bundesverfassungsgericht anrufen würde.
    Das ist eine Methode, die Adolf Hitler mit seiner, Machterschleichung bereits einmal als Muster vorgeführt hat. Erinnern Sie sich: am 5. März 1933 wurde der Reichstag neu gewählt. Vier Tage später wurden die 81 kommunistischen Mandate kassiert, und in fünf Tagen werden es zwanzig Jahre, daß sich Adolf Hitler dann ein Ermächtigungsgesetz bewilligen ließ. Es gibt ja einige Bewilliger hier im Hause. Vielleicht kann Herr Bausch einen mildernden Umstand für seine damalige Haltung dadurch geltend machen, daß er darauf hinweist, daß es Bewilliger auch noch an höheren Stellen der Bundesrepublik, ja sogar an höchster Stelle gibt.

    (Abg. Bausch: Sie haben doch mit Hitler gegen die Demokratie gekämpft! Reden Sie doch keinen solchen Blödsinn!)

    Sie gaben Hitler ein Ermächtigungsgesetz, das ihm erlaubte, die faschistische Diktatur zu verwirklichen, indem er sich auf eine formale Gesetzlichkeit, auf eine scheinbar parlamentarische Legitimation stützte.

    (Abg. Bausch: Ihre Partei war mit Hitler verbündet!)



    (Fisch)

    Zur Durchführung dieser Hitler-Methode, die den Amerikanern so sehr imponiert, der Diktatur mit „demokratischen" Rockaufschlägen, der faschistischen Willkür unter dem Aushängeschild einer „freiheitlich demokratischen Grundordnung", braucht man dieses Wahlgesetz, braucht man ein faschistisches Gesinnungsstrafrecht;

    (Abg. Meitmann: Das sagen Sie!)

    dazu braucht man all die anderen Sondergesetze faschistischer Prägung, um die Politik der Kriegsverträge, der Aufrüstung und der imperialistischen Provokation betreiben zu können.
    Ich möchte noch eine Frage an Herrn Dr. Adenauer und seine Koalition richten. Haben Sie ein so kurzes Gedächtnis, daß Sie nicht mehr wissen, was — wenigstens nach Ihren eigenen Erklärungen — vor noch gar nicht langer Zeit Ihre Auffassung über freie Wahlen gewesen ist? Am 15. September 1951 hat die Volkskammer der Deutschen Demokratischen Republik dem Bundestag einen Vorschlag unterbreitet, in ganz Deutschland freie, demokratische, geheime Wahlen durchzuführen,

    (Abg. Meitmann: Wie Sie sie auffassen!)

    und zwar auf der Grundlage des Wahlgesetzes zum Deutschen Reichstag vom 6. März 1924, und die hierfür erforderlichen Vorbereitungen unverzüglich durchzuführen.

    (Abg. Meitmann: Wer garantiert, daß danach verfahren wird?)

    Am 27. September 1951 gab der Herr Bundeskanzler von dieser Stelle aus eine ablehnende Antwort auf diese Vorschläge. Er verband aber diese Ablehnung mit der Verkündung von 14 Punkten einer Wahlordnung für freie demokratische Wahlen, die angeblich für die Bundesregierung unabdingbar wären. Gestatten Sie, daß ich etwas aus diesen 14 Punkten zitiere.

    (Abg. Huth: Das ist völlig überflüssig; die sind bekannt!)

    In Punkt 1 hieß es:
    Das Gebiet der Wahl bildet einen einheitlichen Wahlkreis. Jede Partei reicht einen Wahlvorschlag für das gesamte Wahlgebiet ein.

    (Abg. Huth: Ohne S i e !)

    Also, meine Damen und Herren, ein Verhältniswahlsystem für ganz Deutschland unter den Bedingungen der Gleichheit! Ja, damals wollte man für
    ein Verhältniswahlrecht eintreten, weil man befürchtete, sonst in der Minderheit zu bleiben. Heute
    tritt man für das Mehrheitswahlrecht ein, weil man
    hofft, sich mit dessen Hilfe die Zweidrittelmehrheit, die verfassungändernde Mehrheit in diesem
    Hause erschleichen zu können. Warum verfährt
    man heute nicht nach dem Prinzip, das Herr Adenauer am 27. September 1951 feierlich verkündet
    hat, wenigstens in dem Gebiet, für das Sie in der
    Gesetzgebung zuständig sind? Sie beweisen ja damit, daß Ihre Prinzipien von damals nicht das Papier wert waren, auf dem sie geschrieben waren.

    (Abg. Renner: Sehr gut!)

    In Punkt 2 dieser damaligen Erklärung hieß es:
    Die Freiheit der politischen Betätigung zur Vorbereitung und Durchführung der Wahl wird gewährleistet.
    Aber heute bereiten Sie das Verbot der Kommunistischen Partei vor!
    Damals sagten Sie in Punkt 5 Ihrer Erklärung: Niemand darf vor, während und nach der Wahl wegen seiner politischen Haltung verhaftet, vorläufig festgenommen, gerichtlich oder dienstlich verfolgt, aus seinem Dienstoder Arbeitsverhältnis entlassen oder sonst zur Verantwortung gezogen oder benachteiligt werden.

    (Abg. Meitmann: Und wie wird in der Ostzone verfahren?)

    Und heute verfolgen Sie Tausende von aufrechten deutschen Menschen, und Sie möchten jeden bestrafen, der die Kriegspolitik der Adenauer-Regierung ablehnt und für eine friedliche Wiedervereinigung Deutschlands eintritt.

    (Zuruf von der Mitte: Sie laufen doch frei herum!)

    Heute legen Sie ein faschistisches Versammlungsverbotsgesetz auf den Tisch und lassen zu Hunderten Versammlungen verbieten, nur weil in ihnen das Programm der nationalen Wiedervereinigung und die Ablehnung der amerikanischen Kriegspakte verkündigt wird.