Rede von
Georg
Pelster
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich halte es doch für notwendig, nachdem gestern schon mein Freund Neuburger zur Einkommensteuernovelle grundsätzlich Stellung genommen hat, noch einiges hinzuzufügen. Ich bedaure, daß in diesem Hause zu dieser Frage Vorwürfe erhoben werden, die wirklich nicht begründet werden können. Wenn gesagt wird, ein Milliarden- oder ein Millionengeschenk an die Kapitalisten solle von den kleinen Leuten, mit kleinen Einkommen bezahlt werden, dann ist das ja durch die Zahlen widerlegt worden, die der Herr Finanzminister eben hier vorgetragen hat. Wenn ganze 140 Millionen DM bei den hohen Einkommen von über 100 000,— DM und 688 Millionen bei der Mehrheit der kleinen Einkommen bis zu 8000 DM Jahreseinkommen zu verzeichnen sind, dann ist das damit zur Genüge widerlegt. Es ist auch nicht richtig, daß diese 140 Millionen durch die Einführung der Haushaltsbesteuerung aufgebracht werden sollen. Die Ausführungen, die dazu gemacht worden sind, können nicht gerade ermutigend wirken.
Es ist nicht gut, zu sagen, die Gesetzgebung sei ehefeindlich; Eheschließungen würden bestraft, es herrsche Kinderfeindlichkeit, Familienfeindlichkeit usw. Diese Ausdrücke sind sehr gefährlich und haben auch in der Öffentlichkeit eine gefährliche Wirkung, weil sie, so in den Raum hineingestellt, immerhin eine Wirkung haben, die an sich niemals auftreten würde, wenn einmal zahlenmäßig gesagt würde, was dahintersteckt. Das ist notwendig.
Notwendig ist es auch, nochmals darauf hinzuweisen, daß es im Sinne der Familienpolitik liegt, wenn der Freibetrag für Ehefrauen und ebenso die Freigrenze für Kinder von 600 auf 720 DM vom dritten Kinde an erhöht Wird. Wir können uns mit dem Herrn Finanzminister vielleicht auch darüber verständigen. Aber ich möchte der Behauptung entgegentreten, die unteren Schichten bekämen nichts mit. Da ist es gut, einmal zu vergleichen, was augenblicklich ist und was durch den neuen Tarif eintritt. Da hat bisher ein Lediger, der an sich
nicht so gut weggekommen ist, bei einem Jahreseinkommen von 1580 DM eine Jahressteuer von
6 DM bezahlt, während er heute bei einem Jahreseinkommen von 1786 DM 2 DM jährlich an Steuern
zahlt. Ein Verheirateter, der mit 1681 DM bereits
7 DM Steuer pro Jahr zahlte, zahlt heute mit 2586 DM, für die er bisher 67 DM pro Jahr zahlte, nur noch 2 DM im Jahr.
Ein Verheirateter mit einem Kind, der nach dem alten Steuertarif bei einem Jahreseinkommen von 2130 DM 10 DM an Steuern zahlte, zahlt heute bei einem Einkommen von 3186 DM — das sind 265 DM monatlich —, für die er früher 80 DM zahlte, nur noch 2 DM.
Ein Verheirateter mit zwei Kindern zahlte bei einem Einkommen von 2380 DM — das sind rund 200 DM monatlich — damals 7 DM, während er heute bei einem Jahreseinkommen von 3786 DM — das sind rund 315 DM monatlich — 2 DM gegenüber früher 94 DM im Jahre an Steuern zahlt.
Wenn ich nun einen Verheirateten mit fünf Kindern nehme, so zahlte er bei einem Jahreseinkommen von 3780 DM oder von rund 315 DM monatlich 10 DM an Steuern und zahlt heute bei einem Jahreseinkommen von 5236 DM, für die er damals 97 DM hätte zahlen müssen, 1 DM im Jahr an Steuern.
Meine Damen und Herren, das sind Beweise dafür, daß die Dinge nun tatsächlich nicht so liegen, wie sie hier verschiedentlich dargestellt worden sind.
Wenn hier nun von Ehefeindlichkeit und Familienfeindlichkeit gesprochen worden ist und wenn alle möglichen anderen Vorwürfe erhoben worden sind, dann möchte ich doch einmal darauf hinweisen, daß wohl niemand hier im Saale sein dürfte, der dafür stimmen würde, daß eine Familie mit sechs Kindern mehr Steuern zahlen muß als ein Ehepaar ohne Kinder bei gleichem Einkommen.
Bei einem Steuereinkommen von 7536 DM bis 9000 DM kommt ja überhaupt keine gemeinsame Versteuerung in Frage. Wenn man aber nun darüber hinausgeht, dann zahlt ein Ehepaar, bei dem beide Teile verdienen und das kinderlos ist, bei einem Einkommen des Ehemannes von 500 DM und einem Einkommen der Ehefrau von 250 DM 590 DM an Steuern, nämlich der Ehemann 545 DM und die Frau 45 DM, während; wenn die Ehefrau nicht mitverdienen würde, der Ehemann für ein Einkommen von 9000 DM oder 750 DM monatlich 1365 DM zahlen müßte; und wenn das Ehepaar fünf Kinder hat, muß es 465 DM gegenüber 590 DM, und wenn ein oder zwei Kinder vorhanden sind, 1197 DM oder 1002 DM an Steuern zahlen gegen 590 DM, wenn es ohne Kinder ist.
Ein weiteres Beispiel. Bei 9600 DM Einkommen wird eine Gesamtsteuer von 645 DM verlangt, wenn beide getrennt ihre Lohnsteuer zahlen. Wenn der Mann allein verdient, weil eine Reihe Kinder da sind, dann zahlt er mit fünf Kindern noch 599 DM.
Ich glaube, das kann niemand wollen, daß ein Ehepaar mit zwei Kindern — das sind vier Personen — 1365 DM Steuern zahlt, während im anderen Falle, ohne Kinder bei gleich hohem Einkommen nur 645 DM gezahlt werden.
Ich könnte weitergehen und Ihnen die Zahlen einzeln noch auseinandersetzen; ich glaube aber, es ist nicht notwendig, und ich will es bei diesen Beispielen genügen lassen.
Nun könnte man sagen: Schön, wir sehen das ein; das ist richtig; also müssen wir die Sätze für die Kinderermäßigung, die Freibeträge für Kinder wesentlich erhöhen. Dem könnte man zustimmen. Wenn wir aber die Lage, in der der Bund und die Länder sich befinden, betrachten, dann müssen wir uns darüber klar sein, daß wir nicht nur die Ausgaben zu beschließen, sondern auch für Einnahmen zu sorgen haben. Wenn rund 8,8 Milliarden DM allein an sozialen Leistungen bei der Bundesregierung und weitere Hunderte von Millionen — ja, auch in die Milliarden gehend — bei den Ländern liegen, dann müssen dafür irgendwelche Gelder zur Verfügung stehen. Wenn wir die Steuerverhältnisse dadurch gleichstellen würden, daß wir die Kinderfreibeträge weiter ermäßigten, dann würde das derartige Ausfälle ergeben, daß die Steuervorlage restlos zuschanden würde. Die Länder würden ihr nicht zustimmen. Ich glaube, niemand von den Damen und Herren im Saal will es darauf ankommen lassen, daß diese Steuervorlage durch den Widerspruch der Länder so gefährdet wird, daß sie nicht mehr zustande kommt. Das kann niemand wollen, weil jeder die Steuerermäßigung nun wirklich für notwendig hält.
Meine Damen und Herren, Sie werfen uns vor: „Ihre alten Anträge haben so ausgesehen, und jetzt stellen Sie sich mit dieser Vorlage hin und unterstützen den Finanzminister." Ja, es wechselt manchmal die Ansicht; aber davon sind nicht nur die Mitglieder der Koalitionsparteien, davon sind auch die Mitglieder der Oppositionsparteien betroffen. Ich erinnere mich noch gut: 1951, als wir die letzte Steuernovelle berieten, stellte der Deutsche Gewerkschaftsbund den Antrag, daß eine gemeinsame Besteuerung beider Ehegatten, wenn sie beide arbeiten, in Frage kommen solle, wenn das Einkommen 600 DM im Monat übersteige. Ich habe hier den Originalantrag — Umdruck Nr. 199, Änderungsantrag der Fraktion der SPD —; die beantragte Fassung lautet:
Einkünfte aus nicht selbständiger Arbeit der Ehefrau in einem dem Ehemann fremden Betrieb scheiden bei der Zusammenveranlagung aus, es sei denn, daß das gemeinsame Einkommen 600 DM übersteigt.
Der Finanzminister geht weiter, als dieser Antrag es verlangt; und dafür wird er jetzt auch noch gekreuzigt. Meine Damen und Herren, so kann es nun wirklich nicht gehen. Ich bin schon der Meinung, daß wir die Kirche im Dorf lassen sollen. Wir müssen aber langsam auf den Rechtsgleichheitsstandpunkt zurückkommen und müssen das mit den Verpflichtungen, die zu erfüllen sind, in Einklang bringen.
Dann noch einige wenige Worte zur Frage des Wohnungsbaus. Auch wir wollen, daß der soziale Wohnungsbau unter allen Umständen gefördert wird. Wir haben ja alle die großen Zuschriften von allen möglichen Stellen, besonders aus der Bauwirtschaft, bekommen, in denen die Gefahr aufgezeigt wird, daß der Wohnungsbau ins Stocken kommt. Nein, der soziale Wohnungsbau soll weitergehen,
und dafür soll auch mehr oder weniger die Grenze von 15 % des Gesamteinkommens nicht in Frage kommen. Wenn aber schon 50 % Freibetrag verlangt werden, meine Damen und Herren, möchte ich wissen, wo dann noch Steueraufkommen vorhanden sein soll.
Wir wünschen auch nicht — ich glaube, da bin ich im Einverständnis mit allen Mitgliedern dieses Hohen Hauses —, daß mit den Geldern, die für den sozialen Wohnungsbau' bestimmt sind, nachher kreditpolitische Geschäfte gemacht und große Gewinne eingeheimst werden.
Diese Dinge, die völlig neben dem sozialen Wohnungsbau liegen, müssen abgebremst werden. Deshalb haben wir uns mit dem Wohnungsbauministerium in Verbindung gesetzt, und das Wohnungsbauministerium hat diesen Plänen zugestimmt.
Dasselbe gilt für den Schiffbau. Auch wir sind der Meinung, daß der Schiffbau unter allen Umständen gefördert werden muß. Aber das Geld, das dafür zur Verfügung gestellt wird, muß auch dem Schiffbau zugute kommen. Auch hier sind Auswüchse zu verzeichnen, die wir nicht gewollt haben.
— Ich kenne einen Fall, wo man den gesamten Reingewinn in den Schiffsbau gelenkt, überhaupt keine Steuern bezahlt und sich hinterher auch noch geweigert hat, die auf dem Einkommen ruhenden sonstigen Steuern zu zahlen. So weit kann es nicht gehen, und so ist es auch damals nicht gewollt worden, als wir die Steuervergünstigungen einführten.
Bei der Senkung der Sätze, die hier aufgezeigt ist, bin ich der Meinung, daß die Mehrheit der kleinen Einkommen, auch die Mehrheit unseres Mittelstandes, der kleinen Handwerker, der kleinen Kaufleute sowie der Arbeitnehmer von der I Lohnsteuer und der Einkommensteuer freigestellt sind. Ich darf an dieser Stelle dem Finanzminister besonderen Dank dafür sagen, daß er, nachdem wir beide uns mehr als zwei Jahre auseinandergesetzt haben, endlich die Lohnsteuertabelle und die Steuertabelle für die kleinen Handwerker, Kaufleute und Gewerbetreibenden mit der großen Steuertabelle A gleichgezogen hat.
— Nein, das haben wir nicht, Herr Seuffert! Wir haben uns im Finanzausschuß immer ganz gut auseinandergesetzt. Wenn im Finanzausschuß ehrlich und aufrichtig, vom besten Willen für das Ganze beseelt, gearbeitet wird und wenn wir uns alle frei machen von gewissen Gedankengängen, die jetzt leider Gottes in unserem deutschen Volk und auch in gewissen parteipolitischen Gremien grassieren,
wenn wir nur das Volk und nur das Staatswohl
sehen und nur das Wohl der Wirtschaft im Auge
haben, dann wird — das ist meine Überzeugung
— aus dieser Vorlage auch noch etwas Vernünftiges herauskommen.