Rede von
Gertrud
Lockmann
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Der Herr Bundesfinanzminister gibt vor, mit der Zusammenveranlagung einen Kreuzzug für die „steuerliche Gerechtigkeit" zu führen. Wie sieht nun dieser Kreuzzug aus? Die Spesenverordnung wird aufgehoben, was in erster Linie den großen Einkommensbeziehern ein angenehmes Wahlgeschenk sein dürfte, und auf der gleichen Linie liegt der Reformvorschlag bei der körperschaftsteuerlichen Begünstigung der Dividendenausschüttung und gleichzeitig die Herabsetzung der Einkommenshöchstbelastung von 80 auf 70 %. Das kostet natürlich Geld. Aber die Gebefreudigkeit des Herrn Bundesfinanzministers vor den Wahlen findet ihre Grenze in der Notwendigkeit, den -Etat auszugleichen.
Die Rechnung hierfür will der Herr Finänzminister den mitverdienenden Ehefrauen präsentieren. Praktisch soll also wieder ein Teil der Bevölkerung den Haushalt stützen, der zahlenmäßig stark ist und daher fiskalisch ins Gewicht fällt, aber sozial am ungünstigsten steht. Denn regelmäßig werden nur diejenigen Ehefrauen mitverdienen, deren Familie vom Ehemann allein nicht unterhalten werden kann oder die durch ihre Mitarbeit die finanziellen Voraussetzungen für den Erwerb einer Wohnung und ihrer Einrichtung schaffen wollen. Dieser mitverdienenden Ehefrau will also der Bundesfinanzminister durch Streichung des § 43 der Einkommensteuerverordnung die Steuer aufbürden, von der man die großen Einkommensbezieher, um sie bei der kommenden Wahl bei der Stange zu halten, entlasten will. Und das alles unter dem Motto der steuerlichen Gerechtigkeit.
Meine Herren und Damen, wie kurzlebig und wandelbar sind doch die Anschauungen der Koalitionsparteien! Am 2. November 1952 nämlich haben die Koalitionsparteien in der Drucksache Nr. 3838 unter Art. 1 Ziffer 3 beantragt, dem § 26 des Einkommensteuergesetzes folgenden Absatz hinzuzufügen:
Eine Zusammenveranlagung findet nicht statt, soweit ein Ehegatte Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit in einem dem anderen Ehegatten fremden Betrieb erzielt.
Dieser Antrag geht über die bisherige Regelung sogar hinaus dadurch, daß man nun auch den mitverdienenden Ehemann miteinbeziehen wollte und dadurch eigentlich eine steuerliche Ungleichheit ausgleichen konnte.
Hingegen hat der Herr Bundesfinanzminister in der Haushaltsrede am 28. Januar 1953, also erst zwei Monate später, die Aufhebung des § 43 und die Zusammenveranlagung verlangt.
Man kann sich des Zweifels nicht erwehren und muß fragen, ob der Antrag der Koalitionsparteien im November auch wirklich ernst gemeint war. Es kann nicht angenommen werden, daß der Herr Bundesfinanzminister keine Kenntnis von diesem Antrag gehabt hat.
Man überlege nun, daß bei Streichung des § 43 geschiedene Eheleute mit gleicher Kinderzahl und gleichem Einkommen steuerlich erheblich besser abschneiden würden, als wenn sie noch verheiratet wären. Es werden also im Falle einer Streichung des § 43 bald „Steuerehen" aus steuerlichen Interessen grassieren. Die Diskussion, die insbesondere nach der Haushaltsrede des Herrn Bundesfinanzministers erneut aufgeflammt ist, stand unter dem Tenor: Wer heiratet, zahlt Strafe, doppelt Verdienen — vierfach Versteuern, Strafgesetz für mitverdienende Ehefrauen, Finanzminister begünstigt wilde Ehen.
Ich kann nichts dafür, daß sich alle diese schönen Begriffe inzwischen so geformt haben und der Diskussion zugrunde liegen.
Es gibt auch keine innere Rechtfertigung für die Zusammenveranlagung. Zu Unrecht wird immer erklärt, die Ehebesteuerung sei ideell durch das Wesen der Familiengemeinschaft, wirtschaftlich durch die höhere Leistungsfähigkeit der Gemeinschaft gerechtfertigt. Wirtschaftlich trifft der Vergleich der Leistungsfähigkeit überhaupt nicht zu. Gemeint ist offenbar die Möglichkeit des sparsameren Wirtschaftens durch die Wohngemeinschaft. Dies veranlaßt aber den Fiskus sonst niemals, höhere Steuern zu erheben. Man denke nur an das Zusammenleben von Geschwistern, Freunden gleichen und verschiedenen Geschlechtes sowie ganzer Berufsgruppen in den Kasernen!
Wenn der Bundesfinanzminister weiter ausführt, der § 43 EStDV sei ein „Nazigesetz", so ist diese Begründung offenbar unrichtig. Es darf daran erinnert werden, daß die Einkommensbesteuerung 1925 kurz nach der Einführung eines stark progressiven Steuersystems für die arbeitende Frau aufgehoben und erst 1934 von den Nazis wieder eingeführt wurde. Der Herr Bundesfinanzminister irrt also, wenn er meint, er distanziere sich vom Nazismus, wenn er die Ehebesteuerung wieder einführe. Das Gegenteil ist doch der Fall. Richtig ist allerdings, daß die Nazis 1941, als die Frauen für Kriegszwecke arbeiten sollten, sich auf die Wiederabschaffung der Ehebesteuerung besannen
Besonders möchte ich nochmals darauf hinweisen, daß die Zusammenveranlagung aus sozialen Gründen in keiner Weise gerechtfertigt ist. Denn es werden fast ausschließlich diejenigen betroffen, die der mittleren Schicht angehören und entweder gezwungenermaßen mitarbeiten müssen oder die zur geistigen Mittelschicht zu rechnen sind, bei denen man durch die Zusammenveranlagung eine negative Auslese als notwendige Folge erreichen würde.
Weiterhin muß die soziale Not der Vertriebenen und neuerdings die der Sowjetzonenflüchtlinge hervorgehoben werden, die in weitestem Maße gezwungen sein werden, sich durch gemeinsame Arbeit von Mann und Frau eine neue Lebensgrundlage zu schaffen. Wer würde dafür Verständnis aufbringen, daß man diesen Personenkreis steuerlich durch die Zusammenveranlagung belastet?
Wir halten also die Lösung dieses Problems aus sozialen wirtschaftlichen und politischen Gründen im jetzigen Augenblick für höchst unzweckmäßig, abgesehen davon, daß das Gesetz über die Gleichberechtigung der Frau bis zum 31. März 1953 verabschiedet werden muß, das ja, wie ich eingangs erwähnte, auch für die steuerliche Gleichberechtigung der Frau von besonderer Wichtigkeit sein wird. Der Zeitpunkt der Lösung dieses Problems sollte daher bis zur großen Steuerreform hinausgeschoben .werden, die j a für 1955 angekündigt worden ist. Meine Fraktion lehnt mit aller Entschiedenheit eine Zusammenveranlagung ab.