Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Namen meiner politischen Freunde möchte ich ein paar kurze Bemerkungen machen,
die unsere Haltung zu ,den beiden vorliegenden Anträgen motivieren sollen. Ich möchte nicht in die Einzelheiten einsteigen.
Die beiden Anträge haben den Herrn Justizminister gezwungen, seine Auffassung zu dem Problem der Verfassungsgerichtsbarkeit in voller Breite darzulegen. Gerade die heutige Verhandlung hat gezeigt, daß diejenigen recht gehabt haben, die damals im Rechtsausschuß Mißbilligungsanträgen gegenüber grundsätzlich skeptisch waren. Es kann im Laufe einer solchen Debatte das Riesenproblem gar nicht ausgehandelt werden. So einfach, wie es sich manche denken, liegt es ja denn doch nicht.
Das Problem der Verfassungsgerichtsbarkeit in einem werdenden Rechtsstaat, wie wir es sind, ist außerordentlich schwierig. Insbesondere wird uns alle — Sie wie uns — die Frage der Grenzen der Verfassungsgerichtsbarkeit noch auf lange Zeit hinaus sehr beschäftigen. Ich stimme Ihnen, Herr Professor Gülich, darin vollkommen zu, daß wir uns alle gemeinsam bemühen müßten, diesen Rechtsstaat zu schützen und sein Werden und Wachsen in unserem Vaterlande zu hegen und zu pflegen. Böse oder ungeschickte Zungen gibt es in allen Lagern, und wir können nur bescheiden und demütig sagen: „Wir sind allzumal Sünder in diesen Dingen."
Kritische Stellungnahmen gegenüber Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts sind nicht nur erlaubt, sondern im Werden und Wachsen dieses Rechtsstaates notwendig. Sie sagten vorhin, Herr Professor Gülich, daß Ihre Fraktion den Beschluß des Bundesverfassungsgerichts, den sie vorher bekämpft hat, nachher respektiert habe. Gewiß, aber Sie haben ihn auch kritisch bewertet, und das war Ihr gutes Recht.
— Auch den Beschluß selbst und seine Begründung.
— Doch! Ich glaube, die juristischen Experten Ihrer Fraktion werden mir darin zustimmen. Wir kommen gar nicht darum herum, zu solchen Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Stellung zu nehmen, wenn wir nicht die ganze Entwicklung einfach kritiklos den Richtern in Karlsruhe überlassen wollen. Etwas ganz anderes ist es natürlich, daß wir einen ergangenen Beschluß trotz unserer Kritik respektieren und sagen: Es ist ein Faktum geschaffen, „Roma locuta". Auch wenn wir die Entscheidung für falsch halten und für die Zukunft fordern, daß das Bundesverfassungsgericht seine Stellungnahme noch einmal überprüft.
Es wäre also in diesem Zusammenhang, da nun einmal das ganze Problem angesprochen worden ist, außerordentlich viel zu sagen. Ich bedauere, daß das nicht möglich ist. Man kann es dem Hause einfach nicht zumuten. Es ist hier nicht der Ort, um alle diese Probleme aufzureißen, und wir müßten tagelang darüber diskutieren.
— Gut, ich werde dazu etwas sagen, Herr Professor Gülich! — Der Herr Justizminister hat seine kritisierten Äußerungen heute erklärt. Man mag nun zu der Form dieser Ausführungen stehen, wie
man will. Ich will mich dazu auch weder negativ noch positiv äußern.
— Ich sage, ich will mich dazu nicht negativ und nicht positiv äußern. Der Herr Bundesjustizminister hat ja eben in eigener Sache gesprochen und das Nötige dazu gesagt.
Ich finde, eines wäre viel wichtiger — und das ist mir nun wirklich ein ernstes Anliegen, und diejenigen aus dem Rechtsausschuß, .die mit mir damals gemeinsam in gutem und einträchtigem Willen an dem Gesetz gearbeitet haben, sollten mir in diesem Bemühen zustimmen —: Bei aller Problematik, die vor uns steht, bei aller Schwierigkeit dieses Problems der Bundesverfassungsgerichtsbarkeit, der Kunst und der Methode der Verfassungsauslegung, sollten wir uns in dem Bemühen einig sein — in welchem Lager wir auch immer stehen und wie wir zu den erwarteten oder zu den gefällten Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts stehen mögen —, zwar uns unsere kritische Stellungnahme dazu nicht unterbinden zu lassen, aber auf der andern Seite alles zu tun, um sowohl der Autorität dieses höchsten Gerichts zu dienen als auch durch unsere kritische Stellungnahme ihm bei seiner zukünftigen Rechtsfindung zu helfen und, was außerordentlich wichtig ist, dem Wunsche, den eine deutsche Zeitung im Zuzammenhang mit dieser Debatte ausgesprochen hat, nachzukommen: die Atmosphäre rund um Karlsruhe, die durch vielerlei Vorgänge und vielerlei Äußerungen aus mehreren Lagern nicht gerade sehr gesund geworden ist, zu entgiften. Wenn wir den Anlaß dieser Debatte dazu benutzen, gemeinsam in der Zukunft — alle zusammen —
— ich blicke nach allen Richtungen, Herr Kollege Greve! —
diese Atmosphäre zu bessern, dann werden wir der Sache des Rechtsstaates einen guten Dienst geleistet haben.
Nun etwas zum Verfahren! Wir haben damals im Rechtsausschuß ja lange darüber diskutiert, ob solche Mißbilligungsanträge zulässig und ob sie zweckmäßig seien. Gerade der Verlauf der heutigen Debatte hat, glaube ich, gezeigt, daß die Skeptiker von damals recht bekommen haben.
— Ich habe die ganze Debatte heute nachmittag, Herr Arndt, für sehr unzweckmäßig gehalten, auch im Interesse des Ansehens des Bundesverfassungsgerichts! —
Ich habe im Rechtsausschuß darauf aufmerksam gemacht, es werde sehr schwierig sein, die Grenzen zu ziehen zwischen einem Mißbilligungsantrag und einem nach unserer Verfassung nicht vorge-
sehenen und daher auch unzulässigen Mißtrauensantrag gegen einen Minister.
Was Herr Kollege Gülich heute vorgetragen hat, war nichts anderes als ein Mißtrauensantrag, denn er hat immer wieder wiederholt: dieser Minister sei untragbar, er sei seinem Amte nicht gewachsen, und er hat den Rücktritt des Ministers gefordert. Gerade das haben wir damals nicht für zulässig gehalten, nachdem wir uns dazu entschlossen hatten zu sagen: es mag zwar ein Mißbilligungsantrag zu einer ganz konkreten Maßnahme allenfalls zulässig sein, keinesfalls aber ein Mißtrauensvotum, das in die Form eines solchen Antrags gekleidet ist.
Nun, Sie haben ja Gelegenheit gehabt, Ihre Kritik hier vorzubringen. Wir sind nach wie vor der Meinung, daß ein Mißtrauensantrag, der in die Form eines konkreten Mißbilligungsantrags gekleidet ist, verfassungsrechtlich nicht zulässig ist.
— Herr Kollege Greve, Sie haben ein starkes divinatorisches Vermögen. Ich glaube aber, daß es Sie in diesem Fall etwas zu weit getragen hat! — Ich wollte sehr einfach sagen: Wir halten es nicht für zulässig, einen solchen Antrag zu stellen, und werden ihm daher nicht zustimmen.