Rede von
Walter
Fisch
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(KPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (KPD)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe leider nur ein paar Minuten Zeit,
auf die eigenartige Rede des Herrn Bundesjustizministers einzugehen. Wir werden den vorliegenden Anträgen unsere Zustimmung geben. Es ist natürlich eine Ungeheuerlichkeit, wenn ein amtierender Minister den Beschluß des höchsten Gerichts der Bundesrepublik einfach als Luft bezeichnet, als nicht existierend bezeichnet, es ist ein starkes Stück, wenn der gleiche Minister dieses höchste Gericht des Rechtsbruchs bezichtigt für ein Verhalten, das sein eigener Staatssekretär noch ein paar Monate zuvor als die rechtlich einzig denkbare Lösung bezeichnet hat, und es ist auch ein starkes Stück, heute so zu tun, als ob gar nichts geschehen wäre.
Aber ich glaube, meine Damen und Herren, es geht gar nicht um Worte, die da gesprochen oder telegrafiert oder geschrieben worden sind; es geht nicht um Worte, und es geht auch nicht um eine theoretische Debatte über die Möglichkeiten oder die Notwendigkeiten der Funktionen des Bundesverfassungsgerichts ganz allgemeiner Art, sondern es geht hier um bestimmte Fakten, die sich zugetragen haben im Zusammenhang mit dem Spiel um die beabsichtigte Ratifizierung der Kriegsverträge.
Der Herr Justizminister hat nun einmal das Pech,
daß er der undiplomatischste unter den Ministern
des Bundeskanzlers ist. Dabei passiert es ihm sehr oft, daß er allzu hemmungslos herausredet, was die anderen und was insbesondere sein Chef nur im engsten Kreis debattiert haben möchten. Das ist vielleicht sein Künstlerpech, von dem er gesprochen hat. Darum also sollte man sich nicht weiter bei seinen künstlerischen Entgleisungen aufhalten, sondern die zentrale Figur des Spiels herausstellen; und die sitzt hier am ersten Platz in dieser Reihe.
Der Herr Bundeskanzler ist es, der das Bundesverfassungsgericht in seine politische Strategie eingeplant hat
wie eine Befehlsempfängerstelle, wie ein Büro irgendeines Oberregierungsrats. Er, der Herr Bundeskanzler, ist es, der das höchste gerichtliche Organ der Bundesrepublik zu gebrauchen oder zu mißbrauchen gedenkt je nach den jeweiligen Zweckmäßigkeiten seiner Politik, die er für geeignet hält, dem amerikanischen Diktat zum Durchbruch zu verhelfen, das da verlangt, daß die Verträge gegen das Volk durchgesetzt werden. Seine, des Herrn Bundeskanzlers Initiative ist es, das Bundesverfassungsgericht den parteilichen Zielsetzungen, die er hegt, zu unterstellen.
Meine Damen und Herren, je nachdem, was gerade der Bundesregierung zu nützen scheint, erklärt man die Stellung des Bundesverfassungsgerichts als unerheblich oder als erheblich, ruft man dieses Gericht an oder schaltet es aus. Je nachdem, was dem Herrn Bundeskanzler als politisch zweckmäßig erscheint, engagiert man je nach der politischen Zusammensetzung des jeweiligen Senats des Bundesverfassungsgerichts mal den ersten, mal den zweiten, mal das Plenum. Einmal bezeichnet man das Bundesverfassungsgericht als eine unanfechtbare und über den Parteien schwebende höchste Instanz der Bundesrepublik, dann wieder macht man es so wie der Herr Bundesjustizminister und bezeichnet es, wenn es so herum besser paßt, als einen bösartigen Verein zänkischer Juristen, der heute dem sozialistischen Gift verfällt und morgen zu jedem Rechtsbruch bereit ist. Sehen Sie, meine Damen und Herren, dieses Adenauersche Spiel der Kniffe und der taktischen Drehs, in das das Bundesverfassungsgericht einbezogen ist, das gehört hier auf die Anklagebank und nicht die mehr oder weniger tölpelhaften Entgleisungen eines Ministers.