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ID0125203400

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    Deutscher Bundestag — 252. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 4. März 1953 12083 252. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 4. März 1953 Geschäftliche Mitteilungen 12084B Glückwünsche zum Geburtstag der Abg. Dirscherl und Pannenbecker 12084B Ergänzung der Tagesordnung gemäß Vereinbarung im Ältestenrat 12084C Kleine Anfrage Nr. 309 der Fraktion der SPD betr. Aufwendungen für Forschungszwecke (Nrn. 3899, 4148 der Drucksachen) 12084C Bericht des Staatssekretärs des Auswärtigen Amts über die durchgeführten Maßnahmen disziplinarischer oder dienstlicher Art gegen Beamte des Auswärtigen Dienstes (Nr. 4154 der Drucksachen) 12084C Antrag auf Aufsetzung der dritten Beratung des Entwurfs des Bundesvertriebenengesetzes auf die Tagesordnung: Reitzner (SPD) 12084D Dr. Schröder (Düsseldorf) (CDU) . 12085D Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über Leistungen zur Unterbringung von Deutschen aus der sowjetischen Besatzungszone oder dem sowjetisch besetzten Sektor von Berlin (Flüchtlings-Notleistungsgesetz) (Nr. 4095 der Drucksachen); Mündlicher Bericht des Ausschusses für gesamtdeutsche Fragen (8. Ausschuß) (Nr. 4151 der Drucksachen; Umdruck Nr. 780) 12084C, 12086A Dr. Adenauer, Bundeskanzler . . . 12086B Blücher, Stellvertreter des Bundeskanzlers 12086C Frau Dr. Brökelschen (CDU) als Berichterstatterin 12086D als Abgeordnete 12091D Müller (Frankfurt) (KPD) 12088C Wehner (SPD) 12090C Maerkl (FU) 12091C Abstimmungen 12091C, 12091D Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über das Abkommen vom 10. September 1952 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Staate Israel (Nr. 4141, zu Nr. 4141, Nachgang zu Nr. 4141 der Drucksachen) . . 12084C, 12092B Dr. Adenauer, Bundeskanzler . . . 12092C Überweisung an den Auswärtigen Ausschuß 12096C Erste Beratung des von den Abg. Sabel, Richter, Determann u. Gen. eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Abänderung und Ergänzung des Gesetzes über die Verlängerung der Wahlperiode der Betriebsräte vom 8. Januar 1953 (Nr. 4135 der Drucksachen) . . . 12084C, 12096B Überweisung an den Ausschuß für Arbeit 12096C Einspruch des Abgeordneten Loritz gegen den ihm in der 251. Sitzung erteilten Ordnungsruf (Umdruck Nr. 777) . . . 12096C Einspruch abgelehnt 12096C Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betr. Mißbilligung von Äußerungen des Bundesministers der Justiz (Nr. 3897 der Drucksachen) in Verbindung mit der Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betr. Mißbilligung von Äußerungen des Bundesministers der Justiz Dr. Dehler über das Bundesverfassungsgericht (Nr. 3974 der Drucksachen) . . . 12096C Dr. Gülich (SPD), Antragsteller 12096D, 12108B Dr. Dehler, Bundesminister der Justiz 12099C Kiesinger (CDU) 12109D Fisch (KPD) 12111B Euler (FDP) 12112A zur Geschäftsordnung: Dr. von Merkatz (DP) 12112B Dr. Schröder (Düsseldorf) (CDU) 12112C Mellies (SPD) 12112C Ewers (DP) 12112D Dr. Gülich (SPD) 12112D Ablehnung der Anträge 12113A Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung steuerlicher Vorschriften und zur Sicherung der Haushaltsführung (Nr. 4092 der Drucksachen) in Verbindung mit der Ersten Beratung der Ergänzungsvorlage der Bundesregierung zum Entwurf eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1953 (Nr. 4093 der Drucksachen) sowie mit der Ersten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über den Finanzausgleich unter den Ländern in den Rechnungsjahren 1953 und 1954 (Nr. 4094 der Drucksachen) 12113B Schäffer, Bundesminister der Finanzen 12113C zur Geschäftsordnung: Dr. Menzel (SPD) 12118C, 12119B Dr. Wellhausen (FDP) . 12118C, 12119A Renner (KPD) 12118D zur Sache: Seuffert (SPD) 12119D Renner (KPD) 12125B Dr. Wellhausen (FDP) 12126D Dr. Bertram (Soest) (FU) 12129A Frau Lockmann (SPD) 12131A Eickhoff (DP) 12132A Niebes (KPD) 12133D Neuburger (CDU) 12134C Weiterberatung vertagt 12136C Persönliche Bemerkung: Mellies (SPD) 12136D Ausschluß des Abg. Rische für drei Tage 12136D Die Sitzung wird um 13 Uhr 38 Minuten durch den Präsidenten Dr. Ehlers eröffnet.
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    Rede von Dr. Wilhelm Gülich


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zwei Männer haben mir eben wirklich leid getan: der Herr Bundesjustizminister und der arme Herr Bundeskanzler,

    (Lachen bei den Regierungsparteien-Abg. Dr. Bucerius: Der tut sich aber gar nicht leid!)

    der einzige Politiker in diesem Saale.

    (Heiterkeit. — Abg. Huth: Zweifeln Sie daran?)

    Ich stelle anheim, ob der Herr Bundeskanzler die Rede des Herrn Bundesjustizministers als „Nullum" oder als „Nihil" bezeichnen will.

    (Sehr gut! bei der SPD. — Heiterkeit. — Abg. Dr. Bucerius: Sehr hübsch!)

    Gewiß, ich habe den Herrn Bundesjustizminister angeklagt; aber ich habe nur auf Mißbilligung und auf freiwilligen Rücktritt plädiert. Ich hatte nicht erwartet, daß er sich mit seiner Rede nun selber hinrichten würde.

    (Beifall und Heiterkeit bei der SPD.)

    Es scheint mir eine vorzügliche parlamentarische Einrichtung zu sein, daß solche Reden gedruckt werden und daß man sie nachlesen kann.

    (Vizepräsident Dr. S c h m i d übernimmt den Vorsitz.)

    Der Herr Bundesjustizminister bezweifelt, daß ich mir die Mühe gemacht habe, die Rechtsprechung von Karlsruhe zu verfolgen. Ich will Ihnen sagen, daß ich mich, nachdem mich meine Fraktion im Dezember zu den Gutachtenverhandlungen als Bevollmächtigten nach Karlsruhe geschickt hat, die Wochen vorher mich intensiv bemüht hatte, die bisherige Literatur über das Bundesverfassungsgericht und die Judikatur des Bundesverfassungsgerichts zu studieren.

    (Abg. Dr. Bucerius: Eine Woche, Herr Gülich? Sehr viel!)

    — Im übrigen will ich weiterhin sagen, daß ich mir die Mühe gemacht habe, diese sorgfältig ausgesuchten — nicht von mir ausgesuchten — Zeitungsausschnitte mit Aufsätzen von Herrn Dr. Dehler und über Herrn Dr. Dehler zu studieren, um diesen Mißbilligungsantrag hier zu begründen.

    (Sehr gut! bei der SPD.)

    Ich könnte Sie im Rahmen einer längeren Redezeit sehr gut bedienen. Auch die Aufsätze v o n Herrn Dr. Dehler sprechen g e g en ihn.

    (Heiterkeit bei der SPD.)

    Herr Dr. Dehler meint, ich hätte vom Unglück des Redners keine Ahnung, und er meint, daß die Reporter immer wieder die Dinge falsch darstellten. Ja, warum hat denn nun ausgerechnet der Herr Bundesjustizminister immer das Pech, daß seine Dinge anders dargestellt werden?

    (Abg. Huth: Das passiert auch anderen, Herr Kollege!)

    — Das passiert auch anderen, während wir aber doch andere Minister haben, die sich über die Presse in dieser Richtung nicht zu beklagen brauchen.
    Herr Dr. Dehler sagte, er sei Landesparteivorsitzender und habe das Recht, sich politisch zu äußern. Nun, ich hatte dazu ja den Altmeister Ferdinand Tönnies zitiert, der den Parteiführer als weise bezeichnet, der in seinem Amt über die Parteileidenschaft hinauswächst. Aber ich will ein Weiteres tun; ich will den Herrn Bundesjustizminister an § 12 der Geschäftsordnung der Bundesregierung erinnern. Da heißt es:
    Äußerungen eines Bundesministers, die in der Öffentlichkeit erfolgen oder für die Offentlichkeit bestimmt sind, müssen mit den vom Bundeskanzler gegebenen Richtlinien der Politik in Einklang stehen.
    Der vor wenigen Wochen erschienene Kommentar von Lechner/ Hülshoff — beide Herren aus dem Bundesinnenministerium — schreibt dazu folgendes:


    (Dr. Gülich)

    Diese Bestimmung verpflichtet die Bundesminister in ihrer gesamten politischen Tätigkeit, also auch als Bundestagsabgeordnete, auf die Richtlinien der Politik. Die Geschäftsordnung der Reichsregierung kannte eine derartige Vorschrift nicht.
    Man sieht also, wenn die Geschäftsordnung der Bundesregierung über die Geschäftsordnung der Reichsregierung hinausgeht, daß das also einen Sinn haben muß, und zwar den, daß die Geschäftsordnung die einzelnen Minister in ihren Reden besonders verpflichtet.
    Ich will nur noch zu einem Punkt der Rede, die der Herr Dr. Dehler gehalten hat, etwas sagen. Was Herr Dr. Arndt im Sommer als seine Rechtsauffassung über das Gutachten gesagt hat, ist heute in diesem Zusammenhang nicht mehr erheblich. Es handelt sich da um verschiedene Rechtsauffassungen.

    (Zuruf von der Mitte: Das ist aber ein komisches Recht!)

    Nachdem das Bundesverfassungsgericht seinen Beschluß vom 9. Dezember verkündet hatte, haben wir alle selbstverständlich diesen Beschluß respektiert. Während der Korrespondent der ,.Tat" nach Zürich kabelte: „Es gibt noch Richter in Karlsruhe", brach in Bonn eine Panik aus.
    Der Herr Bundesjustizminister hat — ich will Ihnen noch ein einziges Beispiel dazu sagen — nach den Erörterungen im Bundestag über die Partisanenvorgänge in Hessen am 23. Dezember — also nach seinen Auslassungen in Karlsruhe — folgendes an den Bund Deutscher Jugend in Frankfurt übermittelt:
    Das Bekenntnis zum Recht und zum Rechtsstaat, das Sie ablegen trotz mancher bitterer Erfahrungen des letzten Jahres, ist für mich eine große Genugtuung.

    (Lachen bei der SPD.)

    Was unser höchstes Ziel sein muß, die Freiheit unseres Volkes und die Freiheit des einzelnen im Staate, läßt sich nur schaffen durch die Verbindlichkeit des Rechts zwischen den Völkern und in unserem Staate.
    Ich werde mich immer freuen, Ihnen auf diesem Boden zu begegnen. Ihrer Arbeit im nächsten Jahre wünsche ich guten Erfolg.
    Ihr sehr ergebener Dehler.

    (Abg. Dr. Mende: Das hat der Spiegel vor drei Wochen bereits richtiggestellt! Im Zusammenhang nachzulesen!)

    Dr. Dehler, dessen Ministerium das Gesetz über das Bundesverfassungsgericht seinerzeit unter stärkster Beteiligung von Dr. Dehler entworfen hat, der seinen Aufbau und seinen Wahlmodus selbst gebilligt hat, hat sich durch die Art seiner Kritik und gerade auch durch das, was er heute wieder gesagt hat, an seiner eigenen Schöpfung doch recht unglaubwürdig gemacht.
    Ich habe keinen Versuch gemacht — auf diese Feststellung lege ich Wert —, Herrn Dr. Dehler zu diffamieren, ihm menschlich irgendwie zu nahe zu treten. Es kann keiner von Ihnen behaupten, daß ich das getan hätte. Erstens tue ich das wirklich nie, weil es ganz einfach meiner christlichen und ethischen Haltung widerspricht, und zweitens bin ich auch nicht beschränkt genug, das zu tun. Ich I sage lieber ein bißchen weniger, damit die anderen Herren, die da sitzen — und es sitzen ja einige hier, denen in ihrer Haut gar nicht sehr wohl ist —,

    (Zuruf von der Mitte: Da dürfen Sie nicht auf uns zeigen!)

    sagen können: Er sagt ja noch nicht mal alles, was er weiß; wir jedenfalls wissen noch mehr. Das ist eine bessere Situation, als wenn ich Sie durch das, was ich sage, herausforderte, mir nachzuweisen, daß ich irgendwo übertrieben hätte. Ich habe nichts falsch dargestellt; ich habe nichts übertrieben.
    Ich bin der Meinung, daß es in dem bevorstehenden Wahlkampf gut wäre, wenn über die Institution des Bundesjustizministeriums überhaupt nicht gesprochen zu werden brauchte. Ich bin der Meinung

    (Zuruf von der Mitte: Doch!)

    — i c h bin der Meinung —, daß wir uns auseinandersetzen müssen mit der Außen- und Innenpolitik des Herrn Bundeskanzlers, mit der Finanzpolitik des Herrn Schäffer, mit der Wirtschaftspolitik des Herrn Erhard usw. Aber ich bin wirklich davon überzeugt, daß wir im Gedanken an die Empfindlichkeit unserer ganzen Situation und die Empfindlichkeit des neuen Rechtsgefühls nach einer so langen Zeit der Rechtsunsicherheit alles tun sollten, um nicht Institutionen des Rechts in den Wahlkampf zu ziehen.

    (Sehr gut! bei der SPD.)

    Deswegen bin ich der Meinung, daß das Problem des Bundesjustizministers vorher gelöst sein muß. Wenn Sie es nicht vorher lösen, werden Sie es, meine Damen und Herren von der Koalition, hinterher, glaube ich, bereuen.

    (Lachen in der Mitte.)

    Herr Dr. Dehler — er hat das ja auch heute wieder bewiesen — hat so wenig Takt und so wenig Sinn für Maß und Wert bewiesen, daß ich, obgleich ich ihm menschlich nichts nachsage, der Überzeugung bin, daß er für ein solches Amt nicht qualifiziert ist.

    (Sehr gut! bei der SPD.)

    Ich bin der Meinung, daß man über diese Situation gar nicht diskutieren kann, weil sie indiskutabel ist.

    (Sehr gut! bei der SPD.)

    Herr Dr. Dehler hat zum Schluß ein Zitat von Abraham Lincoln gebracht. Ich will ihm gerne mit einem Zitat von Abraham Lincoln antworten:
    You can fool all of people some of the time and some of the people all of the time but not all of the people all of the time
    — zu deutsch —
    Sie können zum Narren halten das ganze Volk
    für einige Zeit, einen Teil des Volkes für alle
    Zeit, aber nicht das ganze Volk für alle Zeit.

    (Lebhafter Beifall bei der SPD. — Abg. Majonica: Da haben Sie aber schlechte Wahlchancen!)



Rede von Dr. Carlo Schmid
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat der Abgeordnete Kiesinger.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Kurt Georg Kiesinger


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Namen meiner politischen Freunde möchte ich ein paar kurze Bemerkungen machen,


    (Kiesinger)

    die unsere Haltung zu ,den beiden vorliegenden Anträgen motivieren sollen. Ich möchte nicht in die Einzelheiten einsteigen.

    (Abg. Dr. Menzel: Das wäre auch gefährlich!)

    Die beiden Anträge haben den Herrn Justizminister gezwungen, seine Auffassung zu dem Problem der Verfassungsgerichtsbarkeit in voller Breite darzulegen. Gerade die heutige Verhandlung hat gezeigt, daß diejenigen recht gehabt haben, die damals im Rechtsausschuß Mißbilligungsanträgen gegenüber grundsätzlich skeptisch waren. Es kann im Laufe einer solchen Debatte das Riesenproblem gar nicht ausgehandelt werden. So einfach, wie es sich manche denken, liegt es ja denn doch nicht.
    Das Problem der Verfassungsgerichtsbarkeit in einem werdenden Rechtsstaat, wie wir es sind, ist außerordentlich schwierig. Insbesondere wird uns alle — Sie wie uns — die Frage der Grenzen der Verfassungsgerichtsbarkeit noch auf lange Zeit hinaus sehr beschäftigen. Ich stimme Ihnen, Herr Professor Gülich, darin vollkommen zu, daß wir uns alle gemeinsam bemühen müßten, diesen Rechtsstaat zu schützen und sein Werden und Wachsen in unserem Vaterlande zu hegen und zu pflegen. Böse oder ungeschickte Zungen gibt es in allen Lagern, und wir können nur bescheiden und demütig sagen: „Wir sind allzumal Sünder in diesen Dingen."
    Kritische Stellungnahmen gegenüber Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts sind nicht nur erlaubt, sondern im Werden und Wachsen dieses Rechtsstaates notwendig. Sie sagten vorhin, Herr Professor Gülich, daß Ihre Fraktion den Beschluß des Bundesverfassungsgerichts, den sie vorher bekämpft hat, nachher respektiert habe. Gewiß, aber Sie haben ihn auch kritisch bewertet, und das war Ihr gutes Recht.

    (Abg. Dr. Gülich: Den Beschluß?)

    — Auch den Beschluß selbst und seine Begründung.

    (Abg. Dr. Gülich: Nein!)

    — Doch! Ich glaube, die juristischen Experten Ihrer Fraktion werden mir darin zustimmen. Wir kommen gar nicht darum herum, zu solchen Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Stellung zu nehmen, wenn wir nicht die ganze Entwicklung einfach kritiklos den Richtern in Karlsruhe überlassen wollen. Etwas ganz anderes ist es natürlich, daß wir einen ergangenen Beschluß trotz unserer Kritik respektieren und sagen: Es ist ein Faktum geschaffen, „Roma locuta". Auch wenn wir die Entscheidung für falsch halten und für die Zukunft fordern, daß das Bundesverfassungsgericht seine Stellungnahme noch einmal überprüft.
    Es wäre also in diesem Zusammenhang, da nun einmal das ganze Problem angesprochen worden ist, außerordentlich viel zu sagen. Ich bedauere, daß das nicht möglich ist. Man kann es dem Hause einfach nicht zumuten. Es ist hier nicht der Ort, um alle diese Probleme aufzureißen, und wir müßten tagelang darüber diskutieren.

    (Abg. Dr. Gülich: Zum Justizminister müssen Sie etwas sagen!)

    — Gut, ich werde dazu etwas sagen, Herr Professor Gülich! — Der Herr Justizminister hat seine kritisierten Äußerungen heute erklärt. Man mag nun zu der Form dieser Ausführungen stehen, wie
    man will. Ich will mich dazu auch weder negativ noch positiv äußern.

    (Aha-Rufe und Lachen bei der SPD. — Abg. Dr. Greve: Ein Neutrum!)

    — Ich sage, ich will mich dazu nicht negativ und nicht positiv äußern. Der Herr Bundesjustizminister hat ja eben in eigener Sache gesprochen und das Nötige dazu gesagt.

    (Zurufe von der SPD.)

    Ich finde, eines wäre viel wichtiger — und das ist mir nun wirklich ein ernstes Anliegen, und diejenigen aus dem Rechtsausschuß, .die mit mir damals gemeinsam in gutem und einträchtigem Willen an dem Gesetz gearbeitet haben, sollten mir in diesem Bemühen zustimmen —: Bei aller Problematik, die vor uns steht, bei aller Schwierigkeit dieses Problems der Bundesverfassungsgerichtsbarkeit, der Kunst und der Methode der Verfassungsauslegung, sollten wir uns in dem Bemühen einig sein — in welchem Lager wir auch immer stehen und wie wir zu den erwarteten oder zu den gefällten Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts stehen mögen —, zwar uns unsere kritische Stellungnahme dazu nicht unterbinden zu lassen, aber auf der andern Seite alles zu tun, um sowohl der Autorität dieses höchsten Gerichts zu dienen als auch durch unsere kritische Stellungnahme ihm bei seiner zukünftigen Rechtsfindung zu helfen und, was außerordentlich wichtig ist, dem Wunsche, den eine deutsche Zeitung im Zuzammenhang mit dieser Debatte ausgesprochen hat, nachzukommen: die Atmosphäre rund um Karlsruhe, die durch vielerlei Vorgänge und vielerlei Äußerungen aus mehreren Lagern nicht gerade sehr gesund geworden ist, zu entgiften. Wenn wir den Anlaß dieser Debatte dazu benutzen, gemeinsam in der Zukunft — alle zusammen —

    (Zuruf des Abg. Dr. Greve)

    — ich blicke nach allen Richtungen, Herr Kollege Greve! —

    (Abg. Dr. Greve: Die Blickrichtung ist verkehrt!)

    diese Atmosphäre zu bessern, dann werden wir der Sache des Rechtsstaates einen guten Dienst geleistet haben.

    (Beifall bei der CDU. — Gegenrufe von der SPD. — Abg. Dr. Greve: Ceterum censeo, Dehler esse delendum!)

    Nun etwas zum Verfahren! Wir haben damals im Rechtsausschuß ja lange darüber diskutiert, ob solche Mißbilligungsanträge zulässig und ob sie zweckmäßig seien. Gerade der Verlauf der heutigen Debatte hat, glaube ich, gezeigt, daß die Skeptiker von damals recht bekommen haben.

    (Sehr richtig! bei der CDU. — Abg. Dr. Arndt: Also halten Sie die Rede für sehr unzweckmäßig, die Herr Dehler eben gehalten hat!)

    — Ich habe die ganze Debatte heute nachmittag, Herr Arndt, für sehr unzweckmäßig gehalten, auch im Interesse des Ansehens des Bundesverfassungsgerichts! —

    (Sehr richtig! bei der CDU.)

    Ich habe im Rechtsausschuß darauf aufmerksam gemacht, es werde sehr schwierig sein, die Grenzen zu ziehen zwischen einem Mißbilligungsantrag und einem nach unserer Verfassung nicht vorge-


    (Kiesinger)

    sehenen und daher auch unzulässigen Mißtrauensantrag gegen einen Minister.

    (Abg. Dr. Greve: Aber bei der Sache ist Ihnen nicht wohl?!)

    Was Herr Kollege Gülich heute vorgetragen hat, war nichts anderes als ein Mißtrauensantrag, denn er hat immer wieder wiederholt: dieser Minister sei untragbar, er sei seinem Amte nicht gewachsen, und er hat den Rücktritt des Ministers gefordert. Gerade das haben wir damals nicht für zulässig gehalten, nachdem wir uns dazu entschlossen hatten zu sagen: es mag zwar ein Mißbilligungsantrag zu einer ganz konkreten Maßnahme allenfalls zulässig sein, keinesfalls aber ein Mißtrauensvotum, das in die Form eines solchen Antrags gekleidet ist.

    (Sehr richtig! bei der CDU.)

    Nun, Sie haben ja Gelegenheit gehabt, Ihre Kritik hier vorzubringen. Wir sind nach wie vor der Meinung, daß ein Mißtrauensantrag, der in die Form eines konkreten Mißbilligungsantrags gekleidet ist, verfassungsrechtlich nicht zulässig ist.

    (Abg. Dr. Greve: Also Sie lehnen unser Vorbringen wegen Unzulässigkeit ab, aber nicht als unbegründet! — Heiterkeit und Beifall bei der SPD.)

    — Herr Kollege Greve, Sie haben ein starkes divinatorisches Vermögen. Ich glaube aber, daß es Sie in diesem Fall etwas zu weit getragen hat! — Ich wollte sehr einfach sagen: Wir halten es nicht für zulässig, einen solchen Antrag zu stellen, und werden ihm daher nicht zustimmen.

    (Beifall bei der CDU.)