Rede von
Dr.
Linus
Kather
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe nicht die Absicht, auf die sehr ausführlichen Erörterungen des Kollegen, der hier zuerst gesprochen hat, im einzelnen einzugehen. Man kann ihm sagen: „Du sprichst vergebens viel, um zu versagen; der andre hört von allem nur das Nein." Es wird uns immer wieder gesagt: Wir wollen alles Mögliche für die Vertriebenen tun, aber wir wollen uns keinem Zwang unterwerfen. Auch hier ist wieder der Widerspruch festzustellen, den wir schon bei dem § 57 hatten. Auch hier ist wieder festzustellen, daß man in einem ganz beschränkten Umfang bereit ist, auch den Zwang hinzunehmen, nämlich soweit man sicher ist, daß nicht viel dabei herauskommt. Da gibt man den Grundsatz an sich auf, daß man sich keinem Zwang unterwerfen will. Wenn man aber glaubt, daß die Sache eventuell etwas bringen oder auf der anderen Seite unangenehm werden könnte, wird der Grundsatz wieder vorgekehrt.
Das Flüchtlingsiedlungsgesetz war ganz und gar auf dem Prinzip der Freiwilligkeit aufgebaut. Aber die Erfolge, die damit erzielt worden sind — und die wir durchaus anerkennen wollen —, sind doch so gewesen, daß wir mit der Aufgabe — Erhaltung der bäuerlichen Substanz aus dem Osten — völlig scheitern, wenn wir in demselben Tempo weitermachen. Wir stehen absolut vor der Notwendigkeit, jetzt ein anderes Tempo vorzulegen. Hier ist schon mehrfach das Programm gestreift worden, daß wir für die nächsten fünf Jahre wenigstens 20 000 Bauern jährlich so oder so wieder ansetzen wollen. Wenn wir noch längere Zeiträume in Anspruch nehmen, ist unsere Aufgabe durch Zeitablauf, durch Tod und Alter erledigt. Wenn wir uns klarmachen, vor welcher Aufgabe wir stehen, müssen wir uns die Frage vorlegen, ob wir auf dem bisherigen Weg zur Lösung kommen oder nicht. Wer ehrlich antwortet, kann nur sagen, daß es so nicht weitergeht. Wir müssen also etwas mehr tun. Wir dürfen vor dieser Aufgabe nicht versagen.
Ich habe gestern an Finnland erinnert. Der Herr Kollege Dr. Müller hat darauf geantwortet. Er hat dabei auch über die Finanzierung gesprochen, worauf ich nicht eingegangen war. Was Sie über die Finanzierung dort vorgetragen haben, ist richtig. Ich hatte aber die Landbeschaffung angesprochen. Ich habe mir heute einmal die Zahlen besorgt, um die es sich dabei handelt. Insgesamt wurden für die Siedlung in Anspruch genommen vom Staat 656 000 ha, von Gemeinden und Gemeindeverbänden 81 000 ha — ich nenne nur runde Zahlen —, von Kirchengemeinden 72 000 ha, von Gesellschaften und Stiftungen 345 000 ha, von
Privatpersonen 717 000 ha, zusammen 1 873 000 ha. Das können wir nicht machen, das wollen wir auch nicht machen. Wir können das nicht mehr fertigbekommen --- ich möchte hier doch ein Wort von Herrn Kriedemann aufgreifen —, weil wir erst acht Jahre nach dem Zusammenbruch an die Aufgabe herangehen. Es fehlt der Elan des ersten Schocks. Man hat sich schon wieder allzusehr gefaßt, hat schon wieder allzu viele Einwendungen gefunden und will sich eben zu wirklichen Opfern nicht mehr bereit finden.
Wir können das nicht in dem Umfang machen, wie es in Finnland gemacht wird, obwohl das Problem sehr viel größer ist. Aber was ich Ihnen, meine Damen und Herren, zeigen wollte, ist, daß man dort nicht etwa aus dem vollen geschöpft hat. Es heißt hier weiter — ich darf es mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten wörtlich vorlesen —:
Der Staat gab unter dem Druck der öffentlichen Meinung bis auf Muster- und Lehrgüter seinen gesamten in landwirtschaftlicher Kultur befindlichen Besitz in den Ansiedlungsgebieten her.
Das zeigt doch, daß man dort mit ganz rigorosen Maßnahmen vorgegangen ist.
Nun bitte ich, damit einmal in Vergleich zu setzen, was die Ausschußfassung verlangt. Zunächst ist darin überhaupt keine Enteignung vorgesehen. Wir haben durch dieses Gesetz — ich habe es, glaube ich, im Laufe dieser Tage schon einmal gesagt — nicht eine einzige neue, wirkliche Enteignung eingeführt oder gefordert, sondern, wie einer der Herren Vorredner schon richtig vorgetragen hat, ist die Möglichkeit eines Zwangspachtvertrages auf 18 Jahre geschaffen worden. Die Antragsteller sind damit einverstanden, daß Gebäude für die Ausstattung von wüsten Höfen in Anspruch genommen werden können; sie wollen aber keinerlei Zwang in bezug auf eine Landabgabe ausüben. Land soll nach folgenden Gesichtspunkten in Anspruch genommen werden. Es soll möglichst Land gewählt werden, das einer juristischen Person des öffentlichen oder privaten Rechts gehört oder einem Betrieb dient, dessen Inhaber mehrere Betriebe bewirtschaftet oder den Betrieb nicht selbst oder anhaltend schlecht bewirtschaftet. Schon dieser Katalog zeigt doch, woran hier gedacht ist. Es ist in keinem Falle daran gedacht, wahllos Land zu enteignen. Herr Kollege Trischler hat schon recht, wenn er sagt, daß die Möglichkeit, auch zwangsweise vorzugehen, da ist, daß wir uns aber im wesentlichen hiervon die Wirkung eines Damoklesschwertes versprechen, die uns die Landbeschaffung in hohem Maße erleichtert.
Herr Kollege Frühwald hat nun gesagt: Weshalb geht ihr denn nicht bei anderen Wirtschaftszweigen denselben Weg? Die Dinge liegen dort anders. Es ist in ganz anderem Ausmaße in der gewerblichen Wirtschaft gelungen, die Vertriebenen einzugliedern, wenn auch da noch nicht ailes vollendet ist. Wir haben ja alles getan, um Partnerschaften auch über den Lastenausgleich herbeizuführen. Dieser Weg läßt sich einfach nicht gehen. Ich kann einen Handwerksbetrieb oder einen Einzelhandelsbetrieb nicht aufteilen, und es fehlt ja auch dieser ungeheure Druck, den die 90 % unserer aus dem Osten gekommenen Bauern darstellen, die heute nach acht Jahren wieder absolut vis à vis du rien stehen. Das muß man doch sehen.
Der Herr Kollege hat weiter gesagt, daß alle Instanzen in Anspruch genommen werden würden. Meine Damen und Herren, man kann eine notwendige Maßnahme nicht deshalb unterlassen, weil jemand Rechtsbehelfe dagegen hat und sie anwendet. Weiter brauche ich dazu wohl kein Wort zu sagen.
Dann hat der Herr Kollege von dem Burgfrieden gesprochen, der da gestört werden könnte. Nun, meinen Sie nicht, meine Herren, daß der Burgfriede auch von der anderen Seite, und zwar sehr viel nachhaltiger, gestört werden könnte? Wenn insbesondere die Herren von der Landwirtschaft hier nicht mehr Solidarität zeigen, als sie bisher gezeigt haben, dann sägen sie doch letzten Endes an dem Ast, auf dem sie sitzen.
Das ist auch gerade in dem Bericht der finnischen Kommission, die hier war, zum Ausdruck gekommen. Darin wird gesagt, daß eine gesunde bäuerliche Siedlung geradezu die Grundlage jedes gesunden Staates ist. Wenn wir uns also der Situation bewußt sind, wenn wir erkennen, daß man eine außergewöhnliche Situation nur mit außergewöhnlichen Maßnahmen meistern kann, dann wissen wir, was wir zu tun haben. Wenn wir das nicht wissen, dann versagen wir vor dieser Aufgabe.