Rede von
Konrad
Frühwald
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FDP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Weil alle anderen davon ausgeschlossen sind, so ist das, was hier festgelegt ist, ein Vorrecht. Ich möchte damit aber keineswegs sagen, daß das auch nur in irgendeiner Form moralisch unberechtigt wäre; denn wir betrachten das als eine Selbstverständlichkeit.
Jetzt taucht aber die Frage auf, ob über die bisher getroffenen Bestimmungen über Pachtung und Pachtauflösung hinaus in § 61 festgelegt werden soll, daß nicht nur die Pachtverträge über verpachtetes Land aufgelöst werden können, sondern daß auch Land, das der Eigentümer selber noch nutzt, zu diesem Zweck herangezogen werden kann. Ich darf mir gestatten, auf folgendes hinzuweisen. Meine politischen Freunde in der FDP und ich haben bei diesen Erörterungen von vornherein zugestimmt, daß die wüsten Höfe zum Objekt der gesetzlichen Regelung gemacht werden. Die andere Frage ist aber, ob die Ausstattung nicht nur dieser wüsten Höfe, sondern auch aller anderen landwirtschaftlichen Betriebe, die in einem wirtschaftlichen Rahmen, etwa in den Gemeinden vorhanden sind, mit Hilfe einer Zwangsbestimmung erfolgen soll, wie sie § 61 dieses Gesetzentwurfes darstellt. Nach § 61 Abs. 1 kann nämlich unter bestimmten Voraussetzungen ein Gebäude in Anspruch genommen werden.
Unser Änderungsantrag bezieht sich zunächst auf den Absatz 1 des § 61. Er stimmt mit der Ausschußvorlage wortwörtlich überein, hat jedoch den Zusatz erhalten, daß ein solches Gebäude nur in Anspruch genommen werden kann, „falls entsprechendes Land zur Verfügung gestellt werden kann". Die Formulierung „falls entsprechendes Land zur Verfügung gestellt werden kann" stammt vom Kollegen Merten. Sie ist auch im Ernährungsausschuß angenommen worden. Der Zusatz „falls entsprechendes Land zur Verfügung gestellt werden kann" bedeutet, daß die Siedlungsgesellschaft und die Siedlungsbehörde bei der Erfassung eines wüsten Hofes in erster Linie zu prüfen haben, ob das notwendige Land auch zur Verfügung steht, ob es auch für die Dauer der pachtweisen Inanspruchnahme, also für die gleiche Zeit, auf dem Wege der Freiwilligkeit zur Verfügung gestellt wird. Diese Voraussetzung haben wir in Absatz 1 festgelegt.
Der Absatz 2 muß nach unserer Auffassung gestrichen werden. Er ist in unserer Formulierung des § 61 nicht mehr enthalten.
Bei den Erörterungen über all diese Paragraphen, die aus dem Flüchtlingssiedlungsgesetz übernommen worden sind, habe ich sie als Reizparagraphen bezeichnet, weil sie nämlich den einzelnen
Landbesitzer dazu anreizen sollen dem Flüchtling
das benötigte Land im Kauf- oder Pachtwege zur Verfügung zu stellen. Das hat im Flüchtlingssiedlungsgesetz zu einem vollen Erfolg geführt. Nun sagt Herr Kather, heute sei das aber erschöpft, darum müßten wir jetzt Zwangsmaßnahmen einleiten. Mein Kollege Trischler meint, das sei gar kein Zwangsparagraph, das sei nur ein Drohparagraph! Er steht nur drohend als erhobener Zeigefinger drin: Und bist du nicht gutwillig, dann brauch ich Gewalt! Wenn du es nicht freiwillig
tust, dann habe ich immer noch den § 61! Ich habe also die Möglichkeit, mit Hilfe des § 61 rechtlich das zu erzwingen, was du im freiwilligen Weg verweigerst!! Es ist auch ein Reizparagraph. Es ist der Reizparagraph dieses Gesetzes, der am allermeisten zum Widerstand reizt; das möchte ich von vornherein feststellen. Es ist der Paragraph dieses Gesetzes — abgesehen von § 57 —, der in unsere Gesetzgebung in bezug auf den Grundstücksverkehr überhaupt einen ganz neuen Rechtsbegriff hineinbringt. Ich komme nachher noch darauf zurück. Abs. 2 dieses Paragraphen lautet:
Land kann nach Maßgabe des § 62 bis zur gleichen Dauer
— also bis zu 18 Jahren, wie in Abs. 1 — zu dem in § 35 bezeichneten Zweck für die Ausstattung eines wüsten Hofes,
- und jetzt kommt etwas anderes —
einer sonstigen Hofstelle oder eines landwirtschaftlichen Kleinbetriebes bis zur Größe einer selbständigen Ackernahrung zur Nutzung in Anspruch genommen werden.
Land kann nach dem Verfahren des § 62 nicht nur in Anspruch genommen werden beim wüsten Hof, sondern auch darüber hinaus bei einer sonstigen Hofstelle oder einem landwirtschaftlichen Kleinbetrieb bis zur Größe einer selbständigen Ackernahrung. Hier ist also der Rechtsgrundsatz bereits verlassen, und hier gilt bereits das, was Herr Kollege Preiß gestern mit dem Wort angedeutet hat: Wehret den Anfängen! Ich kann nicht gut verstehen, daß unsere Vertriebenen und Flüchtlinge sich hier grundsätzlich für rechtliche Zwangsmaßnahmen entscheiden, die wohl bei uns, in einem Rechtsstaat immer noch eine gewisse Rechtssicherheit gewährleisten, die aber unter den gleichen Voraussetzungen und Begründungen in den Anfängen zu dem geführt haben, worauf man sich jetzt beruft.
Im zweiten Satz ist dann ein Katalog aufgezählt, woher dieses Land kommt:
Dabei soll möglichst Land gewählt werden,
— es heißt „möglichst", es heißt nicht absolut; bei der Auslegung dieser Formulierung kann man es auch anderweitig entnehmen —
das einer juristischen Person des öffentlichen oder privaten Rechts gehört.
Wem gehört das Land? Welche juristische Person des öffentlichen Rechts kommt hier in erster Linie in Betracht? In erster Linie unsere Kirchengemeinschaften, ganz gleich, ob katholisch oder evangelisch!
— Die haben zugestimmt? Gut! Das Land, das hier in Anspruch genommen wird, ist in den betreffenden Gemeinden bis jetzt fast restlos in Einzelpacht an Bauern aller Betriebsgrößen vergeben.
Ich mache Sie jetzt auf eine Schwierigkeit aufmerksam — wenn Sie Kirchenland diesem Zweck zuführen wollen —, die vielleicht noch zu wenig beachtet worden ist. Mit dieser Bestimmung bringen Sie einen Unfrieden in die Gemeinden, in erster Linie dort, wo der Bewerber, der Vertriebene, einer anderen Konfession angehört als die juristische Person, die hier Eigentümer des Landes ist.
Ein einziger Hinweis. Niederbayern hatte vor
dieser Katastrophe der Flüchtlingsumwälzung nur
2 % Evangelisch-lutherische; heute hat es 10 %. In Niederbayern wird also ein großer Teil dieser Landbewerber einer anderen Konfession angehören. So ist es in Niederbayern. Wenn Sie in meine Heimat gehen, die ehemalige Markgrafschaft Ansbach-Bayreuth, so ist dort das Gegenteil der Fall, aber im gleichen Verhältnis. Es ist also gleichgültig; es betrifft die eine Kirchengemeinschaft besonders und die andere weniger. In dem Falle, wo zu entscheiden ist, ob hier Land zwangsweise abgegeben werden muß, tut mir der Pfarrer der betreffenden Pfarrei leid, der eine Entscheidung treffen muß, weil er weiß, daß er, wenn er durch Zustimmung zu dieser Zwangsbestimmung einem Mitglied seiner Gemeinde Kirchenland entzieht, Unfrieden in die Gemeinde bringt. Hier liegt also eine der ersten Quellen des Unfriedens, der damit in diese Gemeinden hineingetragen wird und der sich nicht auf Nichtvertriebene und Vertriebene, sondern sich, Gott sei es geklagt, auch noch auswirkt auf die verschiedenen Konfessionen und hier eine neue Ursache und Quelle zu neuem Streit und Mißhelligkeiten darstellt.
Es geht aber dann noch weiter:
... oder das einem Betrieb dient oder zu einem Betrieb gehört, dessen Inhaber mehrere Betriebe bewirtschaftet ...
Dessen Inhaber mehrere Betriebe bewirtschaftet, oder auch besitzt. Wir gehen hier einen Weg der erweiterten Bodenreform; denn im Gesetz ist keine Grenze festgesetzt, bis zu welcher Betriebsgröße abwärts solches Land erfaßt werden kann. Ich nenne Ihnen jetzt ein extremes Beispiel, das ich aber nicht konstruiert habe, sondern das Sie in unseren Realteilgemeinden in hundertfacher Wiederholung antreffen können. Wenn dieses Gesetz mit seinen ganzen rechtlichen Konsequenzen durchgezogen wird, werden diese Fälle wiederholt auftreten. Es ist folgendes Beispiel: In den Realteilgemeinden gibt es viele Güter, die aus zwei Betrieben bestehen: aus dem Betrieb des Mannes und aus dem Betrieb der Frau. Ein typischer wüster Hof, denn der Betrieb der Frau ist anderweitig vermietet, wird anderweitig benutzt, und das Land wird im Betriebe, sagen wir in dem Falle im Betriebe des Mannes, bewirtschaftet. Wenn ich nun sage: Hier ist einer, der hat mehrere Betriebe, so komme ich zu folgendem Ergebnis: Er hat die Voraussetzungen des Gesetzes sich verschafft; aber der Gesamtumfang des Betriebs beträgt noch keineswegs die Fläche, die im Erbhofgesetz für die Eingliederung in das Gesetz maßgebend war, d. h. die Fläche einer Gesamtackernahrung.
Wenn ich sage: „Das ist ein extremes Beispiel", so läßt sich allerdings das Beispiel nach oben hin nach Belieben erweitern, für alle Betriebsgrößen, und mit dem Essen kommt natürlich der Appetit.
Daß Inhaber mehrere Betriebe bewirtschaften: warum gilt das nur für die Landwirtschaft? Es gibt doch auch außerhalb der Landwirtschaft Inhaber, die mehrere Betriebe bewirtschaften. Mit dem gleichen Recht können Sie dann die großen Einzelhanhandelsgeschäfte mit ihren Filialen auch durch Zwangsmaßnahmen für diesen Zweck nutzbar machen. Wenn Sie mir entgegenhalten: Da werden Angestellte beschäftigt usw.: Nun, es ist ja hier genau so der Fall, wenn auch nicht in einer so ins Auge fallenden Form und Art. Aber es ist dann
nicht nötig, daß ein einzelner über 10 oder 20 Betriebe verfügt, wenn das auch eine ganz besondere Form des Wirtschaftens ist. Wenn man dann draußen in den Dörfern die Schwierigkeiten, die sich daraus ergeben, bespricht und verhandelt, wird die Frage auch nach der Seite hin erörtert werden, und mancher wird sagen: Ich kenne einen, der vier, fünf Häuser oder noch mehr hat. Wenn ich keine zwei Betriebe haben darf, ist es auch nicht nötig, daß der fünf Häuser hat. Also Sie sehen hier eine Entwicklung und Möglichkeiten, die ein gewisses Unrecht schaffen und zu Vergleichen führen, die nicht befriedigen, sondern nur den Unfrieden vermehren.
Dann geht es aber weiter:
. . . oder das Land in der Regel nicht selbst oder anhaltend so schlecht bewirtschaftet, daß die gesetzlich vorgeschriebenen Maßnahmen zur Sicherung der Landbewirtschaftung angeordnet werden können.
Welches sind nun die gesetzlich vorgeschriebenen Maßnahmen zur Sicherung der Landbewirtschaftung, die heute die rechtliche Grundlage für diese Maßnahmen geben würden? Es ist zunächst die alte Landbewirtschaftungsverordnung des Dritten Reichs, mit der man versucht hat, hier einzugreifen und gewisse Betriebe einer Zwangsverpachtung, einer Treuhänderschaft zuzuführen. Man hat es versucht. Man hat es aber nur in seltenen Fällen praktisch durchgeführt, und noch seltener ist es in Wirklichkeit gelungen. Im Dritten Reich der Totalität! Und die, bei denen es zu Recht gelungen ist — zu Recht, ich bitte, mich nicht falsch zu verstehen —, laufen seit 1945 bei allen Behörden und allen Gerichten herum und berufen sich auf die Krone des politischen Märtyrers. Sie quälen nur diese Dienststellen, weil die überzeugt sind, daß die rechtlichen Voraussetzungen, die sie in bezug auf die Wiedergutmachung beanspruchen, bei ihnen ja nicht gegeben sind. Ich möchte das aber nur am Rande bemerken.
Jetzt ist die Frage zu klären: Wo sind die der
zeitigenn rechtlichen Grundlagen, um eine solche
Feststellung zu treffen? Zur Zeit nur im Kontrollratsgesetz Nr. 45 und in den zu diesem Gesetz erlassenen Durchführungsverordnungen der amerikanischen und der englischen Zone. Wenn Sie nach diesen Verordnungen solches Land enteignen müssen, dann mögen Sie eins bedenken: Wer Land schlecht bewirtschaftet, der ist einer der Menschen — und es gibt wenig andere, ich bin nicht ausgenommen — die von einem überzeugt sind: daß an ihrem eigenen Mißlingen alles andere schuld ist, nur nicht sie selbst. Die werden alle Rechtsmittel in Bewegung setzen, die heute gegeben sind, bis zur letzten Instanz. Die heute bestehenden Rechtsmittel geben ihnen die Möglichkeit, eine Verzögerung herbeizuführen, die weit über die Beschränkung des Gesetzes hinausgeht. Die erste Stufe ist die Aufforderung zu einer besseren Wirtschaftsführung, die zweite die Überwachung der Wirtlich eine Aufsichtsperson die dritte die
Wirtschaftsführung durch einen Treuhänder und die vierte die Verpflichtung zur Verpachtung an einen anderen geeigneten Landwirt. Aber nicht nur das. Sie haben ja dann auf Grund der Verordnung Nr. 84 für die britische Zone und der Verordnung für die amerikanische Zone — leider konnte ich mir die einzelnen Durchführungsverordnungen nicht mehr beschaffen — alle anderen Rechtsmittel frei, und diese Rechtsmittel werden sie restlos aussnutzen bis zur letzten Konsequenz.
Wenn Sie diesen Paragraphen in der vorgeschlagenen Fassung annehmen, so erreichen Sie damit folgendes: Sie schaffen einen Unruheherd in jedem Dorf, denn dieses Problem tritt in irgendeiner Form in jedem Dorf, in jeder Gemeinde, auf, in der einen in schärferer, in der anderen in minder scharfer Form, aber nach allen Seiten hin. Sie erreichen mit diesem Paragraphen höchstens ein Arbeitsbeschaffungsprogramm für erwerbslose Rechtsanwälte, denn dieser Paragraph wird eine Quelle von Prozessen sein. Die Verfahrensordnung in Landwirtschaftssachen ist zur Zeit noch nicht in Kraft, sondern erst in Vorbereitung. Überdies handelt es sich nur um eine Verfahrensordnung, so daß alle rechtlichen Möglichkeiten des Einspruchs in Rechtsmittelverfahren ohne weiteres gegeben sind. Diese Möglichkeiten werden diejenigen, die von dem Abs. 2 dieses Paragraphen betroffen werden, restlos für sich in Anspruch nehmen.
Ich möchte Sie also bitten: Tragen Sie diesen Erwägungen Rechnung und stimmen Sie unserem Änderungsantrag zu! Damit halten Sie die geistigen, psychologischen und rechtlichen Möglichkeiten, Unfrieden zu stiften, von unseren Gemeinden fern. Das kommt aber nicht nur denen, die von dem Abs. 2 im einzelnen betroffen werden, sondern das kommt der Gesamtheit zugute, weil damit die Quellen des Unfriedens gar nicht erst aufgetan sind.
Abs. 3 regelt dann noch den Fall, daß die Inanspruchnahme von Gebäuden oder Grundflächen ausgeschlossen ist; er unterscheidet sich in seiner Auswirkung nur wenig von dem, was im Entwurf vorgesehen ist.
Abschließend möchte ich Sie bitten, unserem Änderungsantrag zu § 61 — Ziffer 11 unseres Antrags — Ihre Zustimmung zu geben. Jeder, der weiß, wie sehr ich bei den Ausschußberatungen mitgewirkt habe, wird mir bestätigen müssen, daß ich mich immer um einen Ausgleich bemüht habe. Ich bin überzeugt, wenn diese grundsätzlichen Fragen berücksichtigt werden, werden wir in der dritten Lesung noch zu einem gemeinsamen Beschluß kommen. Das ist meine persönliche Überzeugung. Hier spreche ich nicht für die Antragsteller.