Rede von
Herbert
Kriedemann
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte versuchen, etwas
zur Beruhigung derjenigen beizutragen — sie sind sicherlich in großer Zahl vorhanden —, die so schrecklich gern etwas Wirkliches, etwas Brauchbares, etwas Praktisches für die Eingliederung der heimatvertriebenen Landwirte tun möchten und die nun vielleicht nach den Ausführungen, die wir gestern und auch heute wieder hier gehört haben, so die Sorge haben, daß es sich bei dem, was hier unter dem Stichwort Eingliederung der Heimatvertriebenen betrieben werden soll, um eine ganz besonders gefährliche Art des Bolschewismus oder der kommunistischen Bodenreform handelt. Herr Dr. Frey hat soeben davon gesprochen, daß die Einheimischen — auch ich möchte mich dieses Ausdrucks bedienen, weil es so einfach ist —, nachdem sie bisher bei der Zusammensetzung der Siedlungsbehörden so schlecht behandelt worden sind, nun nicht mehr das rechte Vertrauen haben und deswegen bestimmte Änderungswünsche haben. Ich frage mich, wie sich der Ausdruck „so schlecht behandelt worden" wohl in den Ohren derjenigen ausnimmt, die von sich sagen können, daß sie wirklich sehr schlecht behandelt worden sind, vom Schicksal, von den Russen, manchmal sogar auch von den Deutschen, die nachdem sie 1945 bereit waren, die Hälfte von dem, was sie hatten, hinzugeben, wenn ihnen nur der Russe erspart bliebe, heute nun schon alle möglichen Sorgen haben, Einwendungen machen und sich so schrecklich gern darauf zurückziehen, daß man den Leuten sowieso nicht helfen kann. Der eine kämpft dann — theoretisch natürlich immer nur — um die Rückführung der Vertriebenen in ihre Heimat, und der andere will sie eine Weile nach Kanada ausleihen.
Hier ist die Frage des Vertrauens gestellt worden. Nun, auch die Vertriebenen und diejenigen, die sich in diesem Gesetz nun einmal speziell mit den Vertriebenen auseinandersetzen müssen, können die Frage nach dem Vertrauen stellen. Schließlich ist es doch praktisch so: der Boden ist eine Mangelware. Einige sitzen auf dem Boden, und nach dem Grundsatz: Halte, was du hast! wollen sie ihn verteidigen. Wir werden später noch, wenn es sich um die Ödlandkultivierung handelt, erfahren, unter welchen Gesichtspunkten und wie man Boden verteidigt, sogar Boden, auf dem heute noch gar nichts wächst. Die anderen möchten an diesen Boden heran; denn das ist für sie die einzige Chance — und sei es auch nur für eine Zeit —, eine neue Existenzgrundlage in dem Beruf zu finden, der nun einmal auch ihr Beruf ist. Vielleicht sollte jeder einsehen, daß sich der Begriff „gleichmäßige Behandlung" zwar wunderbar ausnimmt, daß man dabei natürlich von Demokratie reden kann, daß es aber in diesem Falle gar keine gleichmäßige, gleichförmige Behandlung im Sinne von 50 zu 50 geben kann, weil auf der Seite der Heimatvertriebenen nun einmal ein erheblich größerer Nachholbedarf vorliegt als überall sonst.
— Das kann gar nicht bestritten werden; das ist nun einmal so. Wenn unsere Deklamationen nicht Deklamationen bleiben sollen — ich habe mir diese Bemerkung gestern schon erlaubt —, dann müssen wir uns sogar dazu bereit finden, an sich sehr berechtigte eigene Wünsche und Ansprüche im Interesse der Erledigung dieser vordringlichen Angelegenheit zurückzustellen, deren Erledigung im übrigen j a wohl die Voraussetzung dafür ist, daß wir mit gutem Gewissen und mit Aussicht auf Erfolg die Hilfe anderer Leute, also z. B. die Hilfe des Auslandes, herbeirufen können. Für diesen
Ruf ist es ein ganz besonders schlechter Start, wenn man zunächst sagt, daß man selber leider gar nichts tun könne.
Hier ist gesagt worden, daß in diesem ganzen Komplex, der sich mit der Eingliederung der Vertriebenen in die Landwirtschaft befaßt, alles besser gegangen wäre, wenn mehr Vertrauen dagewesen wäre. Ich stehe gar nicht an, zu erklären, daß hier die eine oder andere Formulierung enthalten ist, die mir selber auch nicht sympathisch ist, die aber jetzt einfach akzeptiert werden muß, wenn sie auch vielleicht etwas extremer ist, als das sonst notwendig wäre, weil es sich hier auch um die Abwehr verhältnismäßig handfest vorgetragener Widerstände handelt. Ich denke da z. B. an einen Paragraphen, der sich mit dem Pachtschutz befaßt. Hier haben allerdings diejenigen, die am liebsten das ganze Pachtrecht abgebaut hätten, am allerwenigsten Grund, sich über mögliche Eingriffe in das Pachtrecht zu beschweren.
Noch einmal, meine Damen und Herren: hier kann von einer Gleichmäßigkeit im Sinne von 50 zu 50 nicht gesprochen werden. Der Ausschuß hat deshalb vorgeschlagen, die Vertriebenen unter Berücksichtigung ihrer besonderen Lage innerhalb der einzelnen Länder so aufzuteilen, wie es sich aus der dortigen Situation und den dortigen Möglichkeiten ergibt, gerade weil eine generelle Aufschlüsselung nicht möglich ist. Ich möchte Sie also bitten, von Ihrem warmen Gefühl und von Ihrer Hilfsbereitschaft recht großen Gebrauch zu machen. Es braucht wirklich niemand die Sorge zu haben, daß hier etwas passieren könnte, das, wie gesagt, beinahe so schlimm wäre wie das, was man in Rußland als Bodenreform bezeichnet, oder daß der einheimischen Landwirtschaft hier etwas passieren könnte, das auch nur einigermaßen mit dem vergleichbar wäre, was der heimatvertriebenen Landwirtschaft schon passiert ist. Und ein bißchen sollten alle diejenigen, die heute noch so viel besitzen, daß sie etwas davon hergeben könnten, dafür dankbar sein. Im übrigen sollten wir uns auch das Anden-Tag-Treten der nationalen Solidarität etwas kosten lassen. Ich glaube nämlich, das ist die Voraussetzung dafür, daß wir uns als Nation auch draußen um unser Recht bemühen können. Aber dazu müssen wir bei uns zu Hause das Praxis sein lassen, was wir von den anderen morgen erwarten.