Rede von
Anton
Storch
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kollege Richter hat vorhin mit vollem Recht gesagt, daß bei den endgültigen Etatberatungen über den Haushalt des Bundesarbeitsministeriums eine grundsätzliche Aussprache über Sozialpolitik usw. erfolgen sollte. Wir werden diesem seinem Wunsche gerne entsprechen.
Ich möchte aber heute, nachdem mir aus dem Lande draußen die verschiedensten Zuschriften zugegangen sind, nicht verabsäumen, den Inhalt des Gesetzentwurfs, der Ihnen in der Drucksache Nr. 4005 vorliegt, einmal darzulegen. Dieser Gesetzentwurf geht nicht, wie vielfach behauptet wird, davon aus, daß die Deckungskapitalien der Sozialversicherungsträger zu 75 % für die Ausgleichung des Bundeshaushalts herangezogen werden sollen, sondern er sagt, daß 75 % der Zuschüsse, die der Bund auf Grund des Rentenzulagengesetzes zu leisten hat, in diesem Jahre nicht in Form von barem Geld, sondern in Form von Schuldverpflichtungen des Bundes abgedeckt werden sollen.
Hier müssen wir uns einmal klar vor Augen halten, was die Bundesregierung in Verbindung mit diesem Parlament in Form von Verpflichtungen des Bundes in den letzten zwei Jahren für diese Zwecke getan hat. Wir haben im Jahre 1951 das Rentenzulagengesetz verabschiedet, das den Bund verpflichtet, den Rentenversicherungsträgern eine jährliche Kapitalsumme von 850 Millionen DM zu geben. Das war die ehrliche Leistung des Bundes an die ganz bestimmt in schlechtesten Verhältnissen befindlichen Rentner. Damals hat das Hohe Haus beschlossen, daß von diesen 850 Millionen DM die Versicherungsträger selbst 20 % zu tragen haben, und zwar, glaube ich, für zehn Monate des vorletzten Etatjahres. Im letzten Etatjahr hat dieses Haus ein Gesetz verabschiedet, wonach die Rentenversicherungsträger auch im jetzigen Etatjahr diese 20 % zu zahlen haben. Der Bund hat dafür Schuldtitel als Deckung für die Verpflichtungen in der Zukunft gegeben.
Nun haben wir zudem im Dezember das Gesetz über die Erhöhung der Grundbeträge in der Sozialversicherung verabschiedet. Das bedeutet für das kommende Etatjahr eine Erhöhung der Bundeszuschüsse um 316 Millionen DM.
— Wo es herkommt, Herr Professor, das spielt doch hier gar keine Rolle! Wenn Sie früher, als Sie die Verantwortung für diese Dinge in Berlin getragen haben, so gewissenhaft vorgegangen wären, wie Sie es hier zu tun belieben — oder wenigstens nach draußen anzudeuten belieben —, dann wäre die Berliner Sozialversicherung nicht so weit gekommen!
Darüber hinaus wissen Sie, daß von der Bundesregierung das Fremdrentengesetz verabschiedet ist, das in der allernächsten Zeit in diesem Hohen Hause zu behandeln sein wird. Die Bundesregierung ist sich völlig klar darüber, daß dieses Fremdrentengesetz mit Wirkung vom 1. April, also mit Beginn des neuen Etatjahres, wirksam werden soll.
Was bringt denn dieses Fremdrentengesetz? Es bringt die Entlastung der Versicherungsträger um 290 Millionen DM. Im laufenden Etatjahr tragen die Träger der Rentenversicherungen von den Verpflichtungen, die jetzt auf sie kommen, bereits 170 Millionen DM, dazu noch einmal 290 Millionen DM, also zusammen 460 Millionen DM.
— Aber selbstverständlich, Herr Professor, das sind Verpflichtungen des Bundes. Wir haben uns doch die Frage vorzulegen: Was soll sozialpolitisch werden? Hier ist bei der Diskussion — ich habe mich sehr darüber gefreut — von den verschiedensten Seiten darüber gesprochen worden, daß man in der heutigen Zeit letzten Endes Schwierigkeiten finanzpolitischer Art zu überwinden hat, wie sie früher nie gegeben waren. Das wird auch ganz bestimmt von Ihnen anerkannt. Ich habe die letzten Jahre dazu benutzt, der Sozialversicherung mit Hilfe dieses Hohen Hauses trotz aller Finanzschwierigkeiten wieder einen Boden zu geben. Wenn ich dabei ein Jahr lang Leistungen, die der Bund zu den Beiträgen an die Rentenversicherungsträger gibt, in Form von Anleihen bekomme, dann ist mir das lieber, als wenn ich wegen des Geldmangels in der jetzigen Zeit für die Sozialversicherungsträger keine festen Grundlagen schaffen kann.
Jeder weiß, daß wir zur Zeit soziale Verpflichtungen tragen müssen, die auf Grund ihrer Natur abklingen. Demgegenüber ist die Sozialversicherung eine Einrichtung für die arbeitenden Menschen, die, nachdem sie jetzt über 80 Jahre besteht, hoffentlich auch in den nächsten 100 Jahren unseren arbeitenden Menschen eine Sicherung für die Wechselfälle des Lebens bietet.
Deshalb sollte man diese Dinge so darstellen, wie sie in Wirklichkeit sind. Verpflichtungen des Bundes an die Versicherungsträger sollen nach diesem Gesetzentwurf in einer Größenordnung von 555 Millionen DM in Form von Schuldverpflichtungen des Bundes übernommen werden. In einer derartigen Größenordnung werden wir sowieso für eine ganz kleine Kapitaldeckung in der Sozialversicherung Rücklagen zu machen haben. So müssen Sie meines Erachtens die Dinge sehen.
Ich habe niemals gesagt, der Verband der Rentenversicherungsträger habe sich damit einverstanden erklärt.
Ich habe es gehört, daß mein Kollege Horn das gesagt hat, und ich kann mir vorstellen, daß er mit dem einen oder anderen der führenden Herren gesprochen hat. Ich weiß nicht, wie die Erklärung ist. Ich habe vor einiger Zeit die führenden Leute von allen Landesversicherungsanstalten in meinem Ministerium gehabt und habe diese Probleme in aller Offenheit mit ihnen besprochen. Mit ihnen war auch noch ein Regierungsvertreter von jeder Landesregierung anwesend. Die Leute haben mir
gesagt: Wenn wir das Fremdrentengesetz überhaupt nur mit der Verklausulierung bekommen können, daß wir für ein oder zwei Jahre Schuldverschreibungen dafür nehmen müssen, dann ist uns diese Regelung natürlich viel lieber, weil wir so zu einer besseren Fundamentierung unserer Arbeit kommen, als wenn das Fremdrentengesetz jetzt erneut nicht verabschiedet werden kann.
So sollten wir doch die Dinge sehen, und so sollten wir sie draußen den Leuten vortragen. Wir sollten nicht so tun, als ob wir aus den Beiträgen für die Sozialversicherung heute eine Deckung für den Bundeshaushalt herstellen wollten.