Rede von
Oscar
Funcke
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FDP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Gülich hat bei den Darlegungen des Herrn Bundesfinanzministers vermißt, daß er sich nicht dazu entschlossen hat, all denen einen Dank auszusprechen, die vor ihm in den Gemeinden, in den Ländern, in den Zonenräten und dergleichen an der Wiederaufrichtung Deutschlands mitgewirkt haben. Nun, ich glaube, diesen Dank wird jeder vernünftige Mensch aussprechen müssen; aber ich habe die Befürchtung, daß die Ausführungen des Herrn Kollegen Gülich darauf ab- zielten, damit den Dank zu verkleinern,
den wir der Bundesregierung für den Aufbau schuldig zu sein glauben, den sie in ihrer Verwaltung und ihren Ministerien seit dem Beginn ihrer Existenz durchgeführt hat.
Ich glaube auch, daß wir allen Grund haben, das zu unterstreichen, was der Herr Bundesfinanzminister über die außerordentlichen Schwierigkeiten, die diesem Aufbau entgegenstanden, ausgeführt hat, ohne daß wir nötig haben, diese Ausführungen nun unsererseits zu wiederholen.
Ich möchte nun auf ein Wort des Herrn Bundesfinanzministers zurückkommen. Als er von der Verstädterung sprach, sagte er:
Je enger die Menschen zusammenwohnen, desto mehr vermehren sich die gemeinschaftlichen Institutionen.
Ich glaube, das ist gerade ein Charakteristikum der Zeit, in der wir leben, in der sich ja dieses engere Zusammenleben nicht allein durch die natürliche Vermehrung ergeben hat, sondern insbesondere durch den Zustrom der Vertriebenen, der Flüchtlinge und dergleichen. Aber nicht nur des-
wegen ist diese Verengung eingetreten, weil es an sich mehr Menschen sind, sondern auch deshalb, weil sich die Beziehungen der Menschen untereinander in dem Problem der Arbeitsteilung und Arbeitsvereinigung immer weiter verdichten, so daß es eine naturgegebene Tatsache zu sein scheint, daß eine sich entwickelnde zivilisatorische Gesellschaft jetzt endlich zu einer größeren Regierung und Verwaltung kommen muß.
Wenn ich jetzt zu dem Haushalt als solchem kurz Stellung nehmen soll, so ist formal zu bemerken, daß eine neue Form gewählt worden ist, die als eine Verbesserung anzusehen ist. Allerdings möchte ich schon nach einer kurzen Durchsicht sagen, daß die Durchorganisation dieser neuen Form noch nicht in allen Verwaltungen zu einer Gleichheit der Haushaltspläne geführt hat, insbesondere auch bezüglich der Erläuterungen, und daß die Erläuterungen in vielen Fällen nicht ausreichend sind. Ich bedauere also, feststellen zu müssen, daß wir im Haushaltsausschuß dazu noch sehr viele Fragen werden stellen müssen.
Der Nachtrag 1952 ist als ein Verwaltungsnachtrag bezeichnet worden. Er 'hatte den Zweck, im wesentlichen den Ausbau der Verwaltung in ihrer Gliederung und in der richtigen Stellenbesetzung durchzuführen. Trotz des Willens zur Sparsamkeit haben wir uns im Haushaltsausschuß auch gegen manchen 'Kollegen aus der Koalition auf den Standpunkt gestellt, daß wir bereit sind, diese Komplettierung der Verwaltung durchzuführen und die Bewilligungen dazu auszusprechen. Der Haushalt 1953 zeigt infolgedessen auf den eigentlichen Verwaltungsgebieten keine so wesentliche Vermehrung mehr, wenn auch z. B. beim Statistischen Bundesamt und bei der Bundesschuldenverwaltung, auf die ich noch zurückkommen werde, und in einigen anderen Haushalten noch erhebliche Vermehrungen da sind, einige neue Verwaltungen geschaffen werden und Ausgliederungen stattfinden müssen. Wir hoffen, daß damit, immer abgesehen von neuen Aufgaben, der Aufbau der Verwaltung einen gewissen Abschluß gefunden hat. Wir hoffen, daß damit ein Vergleich der Haushaltsausgaben der einzelnen Jahre in Zukunft erleichtert wird, und wir hoffen, daß damit auch eine Verringerung der einmaligen Ausgaben insofern eintritt, als nunmehr gewisse Einrichtungen der Büros und der Verwaltungen geschaffen worden sind. Allerdings glauben wir, daß es auf der andern Seite voraussichtlich noch eine lange Zeit und die Aufwendung erheblicher Mittel bedingt, eine einwandfreie Unterbringung und damit einen reibungslosen Verlauf der Verwaltungen sicherzustellen, die Beamten umzusiedeln und dergleichen.
Die Höhe des Gesamthaushaltsplans ist des öfteren hier erwähnt worden. Diese Höhe ist an sich erschreckend, und doch glaube ich, feststellen zu sollen und zu können, daß wir auf der andern Seite bei allen Verhandlungen im Haushaltsausschuß und an anderen Stellen immer wieder die Empfindung haben, daß gerade der Bundesfinanzminister einer Erhöhung der Kosten mit der allergrößten Strenge entgegentritt und daß er nur das zuläßt, was zum Funktionieren der Verwaltung unbedingt notwendig ist. Wenn wir uns in diesem Hause oft entschließen müssen, gewisse neue Bewilligungen auszusprechen oder aber Bewilligungen aller möglichen Art, insbesondere auch sozialer Art, durch Aufstockung zu erweitern, so kommt das natürlich zwangsweise in den Haushalt hinein.
Nun hat Herr Kollege Gülich einige Positionen aus der Einnahmenseite herausgegriffen und hier angeführt. Er hat von den 740 Millionen gesprochen, die durch Abgabe von Schuldverschreibungen an die Rentenversicherungsanstalt und die Arbeitslosenversicherung aufgebracht werden, aber im ordentlichen Haushalt Verwendung finden sollen. 'Er hat weiter von 'den 250 Millionen gesprochen, die aus ¡den ERP-Mitteln ebenfalls in den ordentlichen Haushalt aufgenommen werden sollen. Dazu kommen dann noch 'die 950 Millionen aus der Ermäßigung der Einkommen- und Körperschaftsteuer, die nur 'angekündigt worden sind, und, was Herr Kollege Gülich wohl nicht 'berücksichtigt hat, die 1309 Millionen, die infolge Nichteinsetzung des Defizits aus 1951 im Haushalt fehlen. Das sind ganz gewaltige Summen, und wir werden uns von unserer Fraktion 'aus im Haushaltsausschuß mit diesen Fragen sehr eingehend beschäftigen, ohne daß wir 'dazu heute schon abschließend Stellung nehmen können. Aber auf der andern Seite möchten wir doch unserer Ansicht dahingehend Ausdruck geben, daß es in einer Zeit wie der jetzigen, in der die Finanznot so ganz besonders groß ist, Möglichkeiten geben muß, einen Teil der Lasten der Jetztzeit abzunehmen und sie auf spätere Generationen zu verteilen, die dann vielleicht durch Verringerung der Kriegsfolgelasten und infolge anderer Ersparnisse nicht mehr so mit Lasten bedacht sind, wie das bei uns augenblicklich der Fall ist.
Ich darf aus dem Haushaltsplan noch ein paar Fragen anführen. So möchte ich zunächst auf die Bundesfinanzverwaltung — Zoll — zurückkommen, worin wir zur Zeit 39 332 Beamte, Hilfskräfte, Angestellte und solche im Vorbereitungsdienst vorfinden. Das entspricht mit ihren Angehörigen einer Stadt von 100 000 Einwohnern. Ich glaube, schon diese kurze Bemerkung bringt die ganz besondere Dringlichkeit des Problems zum Ausdruck, daß ein Land von der Größe der Bundesrepublik nicht mehr in der Lage ist, sich auf die Dauer dem Aufgehen in eine größere Gemeinschaft zu entziehen, wobei dann wenigstens ein Teil dieser immerhin beträchtlichen Mengen von Verwaltungsarbeit entfallen würde.
Die Bundesvermögensverwaltung hat insgesamt eine Einnahme von 75 499 300 DM und eine Ausgabe von 76 987 400 DM außer den einmaligen Ausgaben, in deren 32 018 400 DM sicherlich auch ein ganz Teil Kosten stecken, die nicht als Vermögensvermehrung anzunehmen sind. Wir stehen auf dem Standpunkt, 'daß versucht werden muß, dort, wo die Bundesverwaltung Vermögensteile hat, die sie infolge ihrer hohen Verwaltungskosten nicht rentabel ausnutzen kann, derartige Vermögensteile in größerem Umfange wieder in die Privatwirtschaft zu überführen, wo sie rentabel verwendet werden können und Steuermittel einbringen, anstatt jetzt durch ihre Verwaltungskosten die Einnahmen aufzuzehren.
Eine Sorge habe ich auch wegen des Verkehrsministeriums. Dort sind dankenswerterweise immerhin erhebliche Summen, für Binnenwasserstraßen von über 85 Millionen, Seewasserstraßen von 27 Millionen und Fernverkehrsstraßen von 155 Millionen DM, aufgewendet worden. Aber die Vorbehaltsbeträge sind da in einem enormen Maße angewachsen, bei den 'Binnenwasserstraßen auf 320 Millionen, also fast das Vierfache des normalen Haushalts, bei den Seewasserstraßen auf 114 Millionen, mehr als das Vierfache, und bei den Fern-
verkehrsstraßen auf etwa das Eineinhalbfache, wobei allerdings die großen Posten ausgelassen worden sind. Es wird sich vielleicht empfehlen, auch im Haushaltsausschuß und im Verkehrsausschuß darüber zu beraten, ob es richtig ist, so viele Projekte auf einmal anzufangen — obgleich natürlich Binnenwasserstraßen und Seewasserstraßen in ihrem Ausbau immer erhebliche Zeiträume in Anspruch nehmen —, oder nicht besser, weniger davon anzufangen und diese schneller zu vollenden.
Auf das Darlehen an die Bundesbahn ist mein Kollege Herr Dr. Blank schon zurückgekommen. Ich möchte da auf meine Ausführungen zu der ersten Lesung des Nachtragshaushalts 1952 verweisen.
Bei dem Verteidigungshaushalt ist der Ansatz von 9 Milliarden DM begründet worden als drei mal 850 Millionen und neun mal 716 Millionen, mit also insgesamt zunächst 9 Milliarden. Das sind 1200 Millionen Mark weniger als die uns früher mitgeteilten 850 Millionen, in 12 Monaten angegeben mit 10 200 Millionen, außerdem die 910 Millionen nicht anrechnungsfähige Lasten. Da hier anrechnungsfähige Kosten nicht berücksichtigt sind, sondern die Begründung für die Ermäßigung von 850 Millionen auf 716 Millionen mit einer geringeren Leistungsfähigkeit Deutschlands gegeben worden ist, wird noch zu prüfen sein, ob es möglich sein wird, noch weitere anrechnungsfähige Kosten zu berücksichtigen. Jedoch werden darüber die Verhandlungen wahrscheinlich in der nächsten Zeit noch nicht abgeschlossen werden, auch nicht in der Zeit, bis zu der wir hoffen, den Haushaltsplan in die zweite und dritte Lesung bringen zu können.
Die Völker seufzen unter den Steuerlasten, die, wie der Herr Bundesfinanzminister errechnet hat, in der Bundesrepublik 37 % des Sozialprodukts betragen. Daß sie aufgebracht werden können, wenn auch in vielen Wirtschaftszweigen im Augenblick noch auf Kosten der Substanz — worauf ich in der ersten Lesung des Nachtragshaushalts schon hingewiesen habe —, ist nur bei der weitgehenden Rationalisierung möglich, die es mit sich bringt, daß immer weniger Kräfte erforderlich sind, um den notwendigen Lebensbedarf — auch bei weiter Auslegung dieses Begriffes — herzustellen. An dem schnellen Fortschritt dieser Rationalisierung hängt die Erträglichkeit der Lasten. Der Bundesfinanzminister hat dem in seinem angekündigten Antrag auf Senkung der Einkommen- und Körperschaftsteuer Rechnung getragen.
Wir werden in die Beratung des Haushaltsplans mit dem auf Erfahrung begründeten Vertrauen hineingehen, daß es gelingen wird. ihn zu erfüllen, um damit einen weiteren Schritt zum Aufbau der Bundesrepublik zu tun.