Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich kann es mir zunächst nicht versagen, doch wenigstens einen Satz an die Adresse des Kollegen Renner zu verschwenden. Es ist eine nachgerade fast unerträgliche Zumutung,
daß man sich in diesem Hause derartige mit viel Temperament und im Hennecke-Stil abgelesene Reden immer wieder anhören muß.
Es kann einen dabei nur die zuversichtliche Hoffnung trösten, daß die Zeit, in der es den KPD-Abgeordneten möglich war oder ist, sich vor diesem Hause in dieser Weise auszutoben, bald vorüber ist.
Da nach mir noch ein anderer Fraktionskollege sich mit den Ausführungen des Herrn Kollegen Gülich beschäftigen wird, möchte ich mich mit Bezug auf diese Ausführungen nur auf einige wenige Punkte beschränken. Wenn ich mir ein Gesamturteil über diese Rede erlauben darf, dann muß ich sagen: insoweit echte Kritik, die auch wirklich fundiert und begründet ist, darin enthalten war, war sie nach meiner persönlichen Meinung recht mager.
Ich möchte sogar glauben, daß man darin mittelbar auch so etwas wie eine Anerkennung der positiven Leistungen dieser Bundesregierung sehen kann.
Auch ich möchte mit dem beginnen, mit dem mein Kollege Funcke vor mir begonnen hat. Auf der Suche nach möglicher Kritik oder nach möglichen Ansatzpunkten hat Herr Kollege Gülich sich auch daran gerieben, daß der Herr Bundesfinanzminister kein anerkennendes Wort für die Leistungen des bizonalen Wirtschaftsrates und seiner Bediensteten in Frankfurt gefunden hat. Da wir uns hier schon manchmal über Zusammenhänge mit dem Wirtschaftsrat unterhalten haben und ich, wie Sie wissen, diesem Parlament anzugehören Gelegenheit hatte,
möchte ich auch meinerseits unterstreichen, daß die wirklich aktiven und positiven Leistungen dieses Vorparlaments immerhin von einer derartigen Bedeutung für die Fundamentierung der Arbeit hier in diesem Bundestag gewesen sind, daß sie auch in der geschichtlichen Betrachtung nicht vergessen werden sollen.
Aber daß nun der Kollege Gülich aus dem Umstand, daß der Herr Bundesfinanzminister nicht eine besondere Dankadresse an den vergangenen Wirtschaftsrat gerichtet hat, einen Grund zur Kritik herleitet, das vermag ich nicht einzusehen.
— Der Herr Bundesfinanzminister hat sich und hatte sich gestern hier nur mit dem Zeitraum zu beschäftigen, für den die Bundesregierung als solche hier vor dem Hause Rechenschaft zu legen hat.
Er hatte infolgedessen nur davon zu reden, was
in diesen vier Jahren aktiver Arbeit der Bundes-
regierung und dieses Parlaments getan und geleistet worden ist.
— Er hat nicht so getan, als ob vor ihm nichts gewesen sei, sondern er hat an dem Ansatzpunkt. begonnen, der für ihn der einzig mögliche gewesen ist.
Aber damit genug, meine Damen und Herren.
Der Herr Kollege Gülich hat es auch für richtig befunden, im Namen seiner Fraktion hier eine Debatte gewissermaßen vorwegzunehmen, die im Haushaltsausschuß noch nicht zu Ende geführt worden ist. Er hat hier kritisch davon gesprochen, wie es um die Verfügungs- oder Dispositonsfonds steht, die in den einzelnen Haushalten, so in dem des Bundeskanzleramtes, des Bundesinnenministeriums, soweit es den Verfassungsschutz angeht, und schließlich des gesamtdeutschen Ministeriums, vorhanden sind.
Im Haushaltsausschuß sind wir bei der Beratung des Nachtragshaushalts 1952/53 so verblieben, daß wir die endgültige Debatte über diese Dinge zurückgestellt haben, sie also noch führen wollen.
Aber selbstverständlich sind diese Dinge ja auch im Haushalt 1953 enthalten. Es geht der sozialdemokratischen Fraktion auch im Haushaltsausschuß im besonderen darum — das ist ihr ganz besonderes Anliegen —, daß man die bisherige Bestimmung, wonach diese Fonds nur der Prüfung durch den Präsidenten des Bundesrechnungshofes unterliegen, beseitigt, sie zum mindesten wesentlich auflockert
und in irgendeiner noch zu bestimmenden Form auch das Parlament an der Kontrolle dieser Fonds unmittelbar beteiligt.
— Genau so?
— Jawohl, meine verehrten Damen und Herren, das ist ein außerordentlich wichtiger Punkt; und weil er so wichtig ist, haben wir uns zuallererst mit unserem Fraktionsfreund und Kollegen in Verbindung gesetzt, der aus seiner langjährigen Erfahrung als Staatssekretär in der Reichskanzlei in der Wilhelmstraße in Berlin über diese Dinge ja nun genauestens im Bilde sein muß. Das ist unser verehrter Kollege Herr Dr. Pünder. Er hat uns dazu eine Stellungnahme gegeben, wie es damals mit diesen Verfügungsfonds gehandhabt worden ist.
Im Haushaltsausschuß ist gesagt worden, der Reichsschuldenausschuß sei dafür eingeschaltet gewesen. Das stimmt aber nur im begrenzten Umfang, und zwar nur insofern, als es sich seinerzeit um einen ähnlichen Fonds handelte, der beim Reichsaußenminister zur „Förderung des deutschen Nachrichtenwesens im Ausland und Inland" bestanden hat. In die Kontrolle dieses Fonds war der Reichsschuldenausschuß neben dem Präsidenten des Rechnungshofes eingeschaltet. Aber soweit es sich um den Verfügungsfonds des Herrn Reichskanzlers gehandelt hat, wurde es genau so gehandhabt, wie es heute in unseren Haushaltsvorschriften Rechtens ist.
— Auch der Herr Reichskanzler Hermann Müller, verehrter Herr Kollege Gülich, hätte wahrscheinlich nicht zugelassen, daß an diesem seinem Verfügungsfonds in der Richtung Ihres Verlangens irgend etwas geändert worden wäre.
Wenn ich Ihnen heute hier namens meiner Freunde erkläre, daß wir nicht gesonnen sind, in eine Änderung dieser Bestimmungen im Haushaltsplan einzuwilligen, dann befinden wir uns dabei in guter sozialistischer Gesellschaft.
Ich habe mich im Verlaufe dieses Nachmittags durch Erkundigung bei der hessischen Vertretung aus dem hessischen Haushaltsplan darüber unterrichten lassen, daß dort im Haushaltsplan des hessischen Innenministeriums unter Kapitel 871 ein zum gleichen Zweck, also zu Zwecken des Verfassungsschutzes, dem Herrn Landesminister des Innern persönlich zustehender Fonds im Betrage von 300 000 DM mit genau der gleichen Kontrollvorschrift eingebaut ist wie hier in unserem Haushalt.
In diesem hessischen Haushaltsplan heißt es zu diesem Artikel: „Unterliegt nur der Prüfung durch den Präsidenten des Rechnungshofes des Landes Hessen; ihm persönlich ist darüber auch Rechnung zu legen."
Ich weiß also nicht, meine verehrten Damen und Herren, warum wir uns über diese Dinge noch lange auseinandersetzen und zanken sollen.
Nun muß ich mich noch in einem anderen Punkte an die Adresse des Herrn Kollegen Gülich wenden, der erklärt hat, daß die Angaben, die der Herr Bundesfinanzminister über die sozialen Leistungen des Bundes gemacht hat, nicht unwidersprochen bleiben dürften,
und zwar insofern nicht, als sie getrennt werden müßten nach Kriegsfolgelasten und nach Sozialversicherungsleistungen.
Wenn wir uns die Mühe machen, in die Haushaltspläne zu schauen — und das müssen wir ja wohl tun —, dann finden wir, daß genau so verfahren ist, wie das hier von Herrn Kollegen Gülich gefordert wurde.
— Aber, verehrter Herr Kollege, wenn man die Dinge in ihrer Gesamtheit als positive Leistung des Bundes herauszustellen hat, dann ist man sehr wohl berechtigt, als Gesamtsozialleistungen des Bundes sowohl die unmittelbaren Rentenleistun-
gen als auch die Leistungen der Kriegsfolgelasten in einer Summe dem Volk draußen deutlich zu machen, und es sollte nicht immer so dargestellt werden, daß die Sache dabei im Endeffekt auf eine Herabsetzung der positiven Leistungen des Bundes hinausläuft.
Bezüglich der Leistungen aus der Sozial- und Rentenversicherung ist es doch im übrigen auch nicht so, als ob an diesen Leistungen der kund nicht wesentlich und maßgeblich beteiligt sei. Das weiß auch Herr Kollege Gülich. Ich will, damit es die Öffentlichkeit noen einmal deutlich hort, wiederholen, was der Herr Bundesfinanzminister gestern zu dem Thema gesagt hat, ais er die Gesamtleistungen des Bundes von 1950 bis heute herausgesteilt hat. Er hat zunächst darauf hingewiesen, daß sich die Leistungen der Lancier im Jahre 1949 vor dem Auftreten des Bundes auf 4,2 Milliarden belaufen haben. Er hat dann erklart, daß sich die Gesamtsozialleistungen, also sowohl
Kriegsfolgelasten als auch Rentenleistungen, von
1950 ab in folgender Weise gestaltet hauen. Im Rechnungsjahr 1950 sind es 5,3 Milliarden DM, im Jahre 19,01 7,4 Milliarden DM, 1902 7,7 Milliarden DM gewesen; und für 1953 sind 8,4 Milliarden DM vorgesehen.
Meine Damen und Herren, es wird immer davon gesprochen, daß der Bund nicht das Notwendige oder nicht das Mögliche getan habe, um die Sozialrenten entsprechend zu steigern. Demgegenüber darf man immerhin doch darauf hinweisen, daß es möglich gewesen ist, die Renten in der Invalidenversicherung, die vor dem 1. Juni 1949 im Durchschnitt 43,55 DM betragen haben, bis heute auf einen Betrag von 78,30 DM im Durchschnitt zu steigern.
Die Steigerungen in diesem Maße, meine verehrten Damen und Herren, sind nur dadurch möglich gewesen, daß der Bund auch auf diesem Gebiet immer wieder mit zunehmenden Leistungen eingetreten ist. Ich darf Ihnen beispielsweise doch einmal sagen, daß der Bund heute bei der Invalidenversicherung hinsichtlich Zuschüssen und Erstattungen aus öffentlichen Mitteln immerhin mit 33,8 % an den Gesamtleistungen beteiligt ist
und daß diese Zuschüsse, Herr Dr. Schellenberg,
im Jahre 1952 bei einer Gesamtrentensumme von
rund 3 Milliarden DM 1,2 Milliarden DM betragen haben. In der Angestelltenversicherung liegen die Dinge so, daß sich die Zuschüsse und Erstattungen seit 1948, wo sie 9,9 % betragen hatten, bis zum Jahre 1952 auf 25,4 % gesteigert haben.
Nun, meine Damen und Herren, wenn man wirklich objektiv und sachlich zu den Dingen Stellung nehmen will, ist es nicht richtig, immer wieder mit Haarspaltereien und mit tausend Wenn und Aber zu kommen und einzuwenden: „Ja, wie ist denn das und wie ist denn jenes?" Die Tatsache steht fest, daß diese Leistungen des Bundes auf sozialem Gebiet in einer Zeit erbracht worden sind,
als er nach einem so furchtbaren, katastrophalen Zusammenbruch eine Liquidationsmasse in Ordnung bringen mußte, wie es vorher keinem aufgegeben gewesen ist.
Mit der Vorlage dieses Haushalts sind zwei Gesetzentwürfe seitens der Regierung eingebracht worden. Es handelt sich um die Drucksachen Nrn. 4005 und 4007. Diese Sache ist hier schon angesprochen worden. Ich will auch ein paar Sätze dazu sagen, weil sich sowohl draußen von den Gewerkschaften als auch, glaube ich, hier in diesem Hause von der Opposition her sehr nachdrückliche Widerstände gegen diese Gesetzentwürfe geltend machen.
Was nun den ersten Gesetzentwurf über die Deckung der Rentenzulagen nach dem Rentenzulagengesetz angeht, so sind meine Freunde und ich sehr wohl der Meinung, daß wir in eine sehr gewissenhafte Prüfung darüber eintreten müssen; ob die Realisierung dieser Vorlage in dem verlangten Umfang wirklich angebracht ist oder nicht.
Daß wir aber bereit sind, in dieser Beziehung der Bundesregierung zumindest ein Stück Weges zu folgen, das möchte ich hier ausdrücklich und offiziell erklären.
Wir befinden uns mit dieser Erklärung auch durchaus in Übereinstimmung mit dem Standpunkt und der Stellungnahme des Verbandes der Rentenversicherungsträger,
der, glaube ich, in dieser Frage vernünftiger ist als manche Kritiker an diesem Entwurf.
— Das ist sehr wohl wahr! Ich widerspreche dem Einwand, daß es sich bei diesem Gesetzentwurf um einen unzulässigen Eingriff oder Vorgriff auf die Rechte der kommenden Selbstverwaltung handelt. Bei den Rentenversicherungsträgern werden Beiträge und Leistungen durch Gesetz bestimmt. Der Bund ist in diesen vier Jahren in einem umfassenden Maße der Sozialversicherung zu Hilfe gekommen.
Er hat seinerseits, durchaus begründet und berechtigt, sehr wesentliche Zuschüsse geleistet. Im ganzen gesehen, meine Damen und Herren, kann doch niemand bestreiten, daß der Bund sich in Finanznot befindet. Wenn nun bei dieser Tatsache sich auch der Verband der Rentenversicherungsträger bereit erklärt, hier in einem gewissen Umfang zu helfen, dann ist das, glaube ich, eine durchaus vernünftige Haltung.
— Sehen Sie, Herr Professor Schellenberg, das ist wiederum einer der üblichen unsachlichen Einwände bei diesen Dingen! —
Ich brauche den Inhalt des Gesetzes hier nicht im einzelnen vor Ihnen darzulegen. Aber das es
sich hier um eine Hilfe handelt, die ordnungsgemäß eingetragen und ordnungsmäßig verzinst wird, das geht aus dem Gesetzentwurf ganz eindeutig hervor.
Wenn wir uns darüber einigen könnten, daß wir diese Hilfe zunächst einmal vielleicht für ein Jahr gewähren, dann wäre das schon immerhin ein nicht unwesentliches Stück Hilfe.
Meine Damen und Herren! Ich muß noch einmal sagen: Bei der Gesamtsituation, in der sich der Bund befindet, dürfen wir auch vom Sektor der Sozialversicherung aus nicht nur dieses eine Stück sehen, sondern wir müssen bereit sein, an das Ganze zu denken. Wenn man die Verantwortung trägt, findet man zu dieser Bereitschaft vielleicht eher, als wenn man aus oppositioneller Haltung zu diesen Dingen grundsätzlich nein sagt.
Wir sind grundsätzlich durchaus bereit, uns in positivem Sinne mit diesem Gesetzentwurf auseinanderzusetzen. Ich folge auch nicht einer Kritik, die dahin geht, daß man hier deshalb widerstehen müsse, weil wir schon zweimal — einmal nach dem ersten Weltkrieg und dann wieder in und nach dem zweiten Weltkrieg — auch bei den Vermögen der Rentenversicherungsträger diese Katastrophe erlebt hätten.
Meine Damen und Herren! Die Dinge sind grundlegend anders.
Auch die Weimarer Republik hat damals bis zu dem Augenblick, in dem Hitler diese Dinge unmöglich gemacht hat, den Sozialversicherungsträgern und den Rentenversicherungsträgern jährlich Reichszuschüsse gewährt, um auf diese Weise peu à peu und nacheinander Wiedergutmachung zu leisten. Über diese Wiedergutmachung muß auch bei uns dann gesprochen werden, wenn es um die endgültige Debatte über die Regelung und die Korrekturen dieser Dinge geht. Aber zu dem Entwurf sage ich, daß wir ihm grundsätzlich positiv gegenüberstehen.
Dasselbe gilt auch für die Drucksache Nr, 4007, den Entwurf eines Gesetzes zur Ergänzung des Ersten Überleitungsgesetzes, der vorsieht, daß die Aufwendungen für die Arbeitslosenfürsorge der Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung vom Bunde nicht voll erstattet werden, sondern daß ein Teilbetrag in Höhe von 12,5 % der Einnahmen aus der Arbeitslosenversicherung für die nächsten drei Jahre durch Schuldbuchforderungen abgedeckt wird. Es handelt sich hier schätzungsweise wohl um einen Jahresbetrag von 185 Millionen DM, so daß insgesamt eine Schätzung von 555 Millionen DM in Frage käme. In der Begründung wird darauf hingewiesen, daß die Bundesanstalt in den letzten Jahren beachtliche Einnahmeüberschüsse erzielt habe und daß ein Vermögen von 1,1 Milliarden DM vorhanden sei. Hierbei ist jedoch nicht berücksichtigt, daß dieses Vermögen nicht flüssig, sondern zum weit überwiegenden Teil lang- und mittelfristig angelegt ist. Unser Standpunkt: es wird deshalb notwendig sein, zunächst einmal eine eingehende Prüfung der Vermögenslage der Bundesanstalt vorzunehmen. Sobald das Ergebnis einer solchen Prüfung vorliegt, sind wir bereit, uns durchaus in positivem Sinne mit dieser Vorlage zu beschäftigen.
Damit, meine Damen und Herren, möchte ich meine Ausführungen zu diesen Punkten schließen und am Ende nur noch einmal dem ganz allgemeinen Wunsche Ausdruck geben, daß man bei der Darlegung dieser Dinge auch draußen in der Öffentlichkeit sich doch bemühen und befleißigen möchte, etwas mehr Objektivität und auch Gerechtigkeit walten zu lassen.