Rede von
Dr.
Hermann
Ehlers
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Meine Damen und Herren, darf ich unterstellen, daß Sie damit einverstanden sind? — Das ist der Fall. Dann erfolgt die Abstimmung über diesen Antrag des Vermittlungsausschusses in der nächsten Sitzung des Bundestages am nächsten Mittwoch.
Darf ich vorsorglich fragen, ob ähnliche Beratungsschwierigkeiten auch bei dem zweiten Bericht des Vermittlungsausschusses aufgetreten sind?
– Offenbar nicht. Dann darf ich an Stelle des verhinderten Herrn Staatssekretärs Dr. Ringelmann Herrn Minister Dr. Spiecker bitten, die Berichterstattung zu Punkt 2 der Tagesordnung:
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses nach Art. 77 des Grundgesetzes
zu dem Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Art. 107 des Grundgesetzes (Nrn. 4026, 3769, 3950, 3985 der Drucksachen),
zu übernehmen.
Dr. Spiecker, Minister des Landes Nordrhein-Westfalen, Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach Art. 107 des Grundgesetzes soll die endgültige Verteilung der der konkurrierenden Gesetzgebung unterliegenden Steuern auf Bund und Länder spätestens bis zum 31. Dezember 1952 durch ein der Zustimmung des Bundesrats bedürfendes Bundesgesetz erfolgen. Wegen der Unübersehbarkeit des durch die Höhe des Verteidigungsbeitrages, des Auslandsschuldendienstes und der Wiedergutmachungsleistungen entscheidend beeinflußten Finanzbedarfs des Bundes sowie wegen der gleichfalls noch nicht übersehbaren Auswirkungen der geplanten Steuerreform hat die Bundesregierung in der Bundestagsdrucksache Nr. 3769 vorgeschlagen, in Art. 107 die Jahreszahl 1952 durch 1955 zu ersetzen. Der Bundesrat hat in seiner Sitzung vom 10. Oktober 1952 gegen den Gesetzentwurf der Bundesregierung keine Einwendungen erhoben, nachdem ein Antrag Bayerns auf Ablehnung mit 21 gegen 10 Stimmen bei 7 Stimmenthaltungen abgelehnt worden war. In der Sitzung des Deutschen Bundestages vom 11. Dezember 1952 wurde der Gesetzentwurf unverändert nach der Bundestagsdrucksache Nr. 3769 mit verfassungändernder Mehrheit angenommen. Bei der Beratung des Gesetzentwurfs im zweiten Durchgang in der Sitzung des Bundesrats vom 19. Dezember 1952 wurde ein hessischer Antrag, den Vermittlungsausschuß anzurufen, mit 28 Stimmen bei Stimmenthaltung der Länder Nordrhein-Westfalen und Bayern angenommen. Der Vermittlungsausschuß sollte mit dem Ziele angerufen werden, die Jahreszahl 1952 durch 1953 zu ersetzen und zu prüfen, ob im Gesetz nicht die Beteiligung der Länder an der Umsatzsteuer vorgesehen werden könne.
Zur Begründung des hessischen Antrags war ausgeführt worden, daß die Nichtverlängerung der Frist eine Erschütterung der finanziellen Grundlage der Bundesrepublik hervorrufen könne; das derzeitige Provisorium, mit dem die Höhe des Bundesanteils an der Einkommen- und Körperschaftsteuer nach Art. 106 Abs. 3 des Grundgesetzes Jahr um Jahr den Gegenstand des Rechtens und Feilschens bilde, könne nicht weiterbestehen. Auf eine aus dem Haus gestellte Frage an den Herrn Bundesminister der Finanzen, ob und inwieweit konkrete Fälle für die Auswirkung des Art. 107 vorlägen, erklärte dieser, daß eine Beteiligung der Länder an der Umsatzsteuer des Bundes sowie die Übernahme der Ausgleichsforderungen auf den Bund in Aussicht genommen seien und daß hinsichtlich des horizontalen Finanzausgleichs eine endgültige Lösung gesucht werden müsse.
Der mit Schreiben des Präsidenten des Bundesrats vorn 19. Dezember 1952 — zu vergleichen Bundestagsdrucksache Nr. 3985 — angegangene Vermittlungsausschuß hat nunmehr in seiner Sitzung vom 23. Januar 1953 vorgeschlagen, die Jahreszahl 1955 durch die Jahreszahl 1954 zu ersetzen, wobei er davon ausging, daß bis zum 31. Dezember 1954 wohl alle Voraussetzungen für die Schaffung eines Gesetzes über die Verteilung der der konkurrierenden Gesetzgebung unterliegenden Steuern erfüllt sein dürften. Der Bundesfinanzminister hatte den
Mitgliedern des Vermittlungsausschusses seiner in der Bundesratssitzung vom 19. Dezember 1952 gegebenen Zusage entsprechend am 21. Januar 1953, also unmittelbar vor der Sitzung des Vermittlungsausschusses, als Beratungsmaterial Referentenentwürfe eines Finanzverfassungs- und eines Bundesfinanzierungsausgleichsgesetzes zugehen lassen. Ein Antrag, die Verhandlungen des Vermittlungsausschusses zur Ermöglichung eines genauen Studiums dieser Entwürfe zu vertagen, fand keine Annahme, nachdem der Vertreter des Bundesfinanzministers nochmals ausdrücklich darauf hingewiesen hatte, daß den Entwürfen nur die Bedeutung einer Diskussionsgrundlage beigemessen werden könne.
Ich bitte daher das Hohe Haus, über den Vorschlag des Vermittlungsausschusses, die Jahreszahl 1955 durch 1954 zu ersetzen, Beschluß zu fassen.