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ID0124106300

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    6. Euler.\n: 1
  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag — 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 4. Dezember 1952 11301 241. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 4. Dezember 1952. Geschäftliche Mitteilungen 11303A Mitteilung des Präsidenten über die Erledigung der Entschließung der Fraktion der SPD zur zweiten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Regelung der Rechtsverhältnisse der unter Art. 131 des Grundgesetzes fallenden Personen (Umdruck Nr. 118) 11303B Fortsetzung der zweiten und dritte Beratung der Entwürfe eines Gesetzes betr. den Vertrag vom 26. Mai 1952 über die Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Drei Mächten mit Zusatzverträgen, eines Gesetzes betr. das Abkommen vom 26. Mai 1952 über die steuerliche Behandlung der Streitkräfte und ihrer Mitglieder (Nm. 3500, zu 3500, Nachgang zu 3500 der Drucksachen, Umdruck Nr. 699 [neu]), eines Gesetzes betr. das Protokoll vom 26. Juli 1952 über die Erstreckung der Zuständigkeit des Schiedsgerichts auf Streitigkeiten aus dem am 26. Mai 1952 in Bonn unterzeichneten Abkommen über die steuerliche -Behandlung der Streitkräfte und ihrer Mitglieder (Nr. 3700 der Drucksachen), eines Gesetzes betr. den Vertrag vom 27. Mai 1952 über die Gründung der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft und betr. den Vertrag vom 27. Mai 1952 zwischen dem Vereinigten Königreich und den Mitgliedstaaten der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft, eines Gesetzes betr. das Abkommen vom 27. Mai 1952 über die Rechtsstellung der Europäischen Verteidigungsstreitkräfte und über das Zoll- und Steuerwesen der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft (Nm. 3501, zu 3501 der Drucksachen); Schriftlicher Bericht des Ausschusses für das Besatzungsstatut und auswärtige Angelegenheiten (7. Ausschuß) (Nr. 3900, zu 3900 der Drucksachen, Umdrucke Nm. 713 bis 718, 720 bis 723) in Verbindung mit der Fortsetzung der Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für das Besatzungsstatut und auswärtige Angelegenheiten (7. Ausschuß) über den Antrag der Fraktion der SPD betr. Generalvertrag und Vertrag über die Europäische Verteidigungsgemeinschaft (Nrn. 3398, 3363 der Drucksachen) sowie mit der Fortsetzung der Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betr. Generalvertrag und Vertrag über die Europäische Verteidigungsgemeinschaft (Nr. 3392 der Drucksachen) 11303B Fortsetzung der Berichterstattung der Ausschüsse: Die verfassungsrechtliche, rechtspolitische und rechtliche Bedeutung der Vertragswerke: Berichte des Ausschusses für Rechtswesen und Verfassungsrecht zur Frage der Vereinbarung der Vertragswerke mit dem Grundgesetz: Dr. Wahl (CDU): als Berichterstatter 11304A Schriftlicher Bericht (Anlage zur 240. Sitzung) 11196B Dr. Arndt (SPD): als Berichterstatter 11307A Schriftlicher Bericht (Anlage zur 240. Sitzung) 11201D, 11211C Die wirtschaftliche, finanz- und steuertechnische Bedeutung der Vertragswerke: Dr. Freiherr von Rechenberg (FDP) (Schriftlicher Bericht: Anlage zur 240. Sitzung) 11215A Dr. Fricke (DP): als Berichterstatter 11309D Schriftlicher Bericht (Anlage zur 240. Sitzung) 11216A Stegner (FDP) (Schriftlicher Bericht: Anlage zur 240. Sitzung) . . . . 11218C Dr. Kreyssig (SPD) : als Berichterstatter 11310C Schriftlicher Bericht (Anlage zur 240. Sitzung) 11224D Erler (SPD): als Berichterstatter 11315A Schriftlicher Bericht (Anlage zur 240. Sitzung) 11227B Dr. Kneipp (FDP): als Berichterstatter 11316A Schriftlicher Bericht (Anlage zur 240. Sitzung) 11228D, 11298 Dr. Gülich (SPD): als Berichterstatter 11316D Schriftlicher Bericht (Anlage zur 240. Sitzung) 11231C Dr. Wellhausen (FDP): als Berichterstatter 11321C Schriftlicher Bericht (Anlage zur 240. Sitzung) 11246D Dr. Hasemann (FDP): als Berichterstatter 11323B Schriftlicher Bericht (Anlage zur 240. Sitzung) 11249B Bausch (CDU): als Berichterstatter . . . 11323A, 11324D Schriftlicher Bericht (Anlage zur 240. Sitzung) 11250C Schoettle (SPD): als Berichterstatter 11325D Schriftlicher Bericht (Anlage zur 240. Sitzung) 11256C Die Vertragswerke im Hinblick auf Truppen-Stationierung und Verteidigung Deutschlands, Berichte des Ausschusses zur Mitberatung des EVGVertrages und der damit zusammenhängenden Abmachungen: Bericht über die politischen und militärischen Bestimmungen des EVGVertrages und ihre Auswirkungen: Strauß (CSU): als Berichterstatter 11328A Schriftlicher Bericht (Anlage zur 240. Sitzung) 11262A Bericht über die wirtschaftlichen, finanziellen und haushaltsmäßigen Bestimmungen des EVG-Vertrages und ihre Auswirkungen: Erler (SPD): als Berichterstatter 11329D Schriftlicher Bericht (Anlage zur 240. Sitzung) 11270B Bericht über die rechtsprechende Gewalt im Rahmen des EVG-Vertrages: Dr. Jaeger (Bayern) (CSU): als Berichterstatter 11333A Schriftlicher Bericht (Anlage zur 240. Sitzung) 11276B Zusätzliche Berichte des Ausschusses für das Besatzungsstatut und auswärtige Angelegenheiten zu bestimmten Teilen der Vertragswerke: Zusätzlicher Bericht über die mit der Stationierung fremder Truppen zusammenhängenden Rechtsfragen: Dr. Wahl (CDU), Berichterstatter (Schriftlicher Bericht: Anlage zur 240. Sitzung) 11285A Zusätzlicher Bericht zu Teil I des Vertrages zur Regelung aus Krieg und Besatzung entstandener Fragen: Dr. Wahl (CDU), Berichterstatter (Schriftlicher Bericht: Anlage zur 240. Sitzung) 11286C Dr. von Merkatz (DP), Berichterstatter (Schriftlicher Bericht: Anlage zur 240. Sitzung) 11288D Zusätzlicher Bericht zu Teil VII des Vertrages zur Regelung aus Krieg und Besatzung entstandener Fragen: Dr. Reismann (FU): als Berichterstatter 11334A Schriftlicher Bericht (Anlage zur 240. Sitzung) 11289C Zusätzlicher Bericht zu Teil XI des Vertrages zur Regelung aus Krieg und Besatzung entstandener Fragen: Dr. Vogel (CDU), Berichterstatter (Schriftlicher Bericht: Anlage zur 240. Sitzung) 11290C Zusätzliche Berichte anderer Ausschüsse zu bestimmten Teilen der Vertragswerke: Zusätzlicher Bericht des Ausschusses für Verkehrswesen zu den Verkehrsbestimmungen der Vertragswerke: Rademacher (FDP), Berichterstatter (Schriftlicher Bericht: Anlage zur 240. Sitzung) 11292A Zusätzlicher Bericht des Ausschusses für Post- und Fernmeldewesen zu den das Post- und Fernmeldewesen betreffenden Bestimmungen des EVG-Vertrages: Cramer (SPD): als Berichterstatter 11335B Schriftlicher Bericht (Anlage zur 240. Sitzung) 11293D Zusätzlicher Bericht des Ausschusses für Fragen der Presse, des Rundfunks und des Films zu bestimmten Abschnitten des Vertrages über die Rechte und Pflichten ausländischer Streitkräfte und des Vertrages zur Regelung aus Krieg und Besatzung entstandener Fragen: Dr. Vogel (CDU), Berichterstatter (Schriftlicher Bericht: Anlage zur 240. Sitzung) 11295B Unterbrechung der Sitzung 11335D Fortsetzung der allgemeinen Aussprache: Reimann (KPD) 11336A von Thadden (Fraktionslos) . . . 11344B Dr. Bertram (Soest) (FU) 11346A Dr. Tillmanns (CDU) 11349D Dr. Besold (FU) 11354D Dr. Reismann (FU) 11357A Frau Wessel (Fraktionslos) . . . 11359D Euler (FDP) 11361B Dr. Arndt '(SPD) 11364B Kiesinger (CDU) 11369C Dr. Schneider (FDP) 11375C Weiterberatung vertagt . . . . . . 11378D Nächste Sitzung 11378D Die Sitzung wird um 9 Uhr 2 Minuten durch den Präsidenten Dr. Ehlers eröffnet.
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    Rede von Helene Wessel


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (Fraktionslos)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Bei zehn Minuten, die mir zur Verfügung stehen, kann ich nur im Telegrammstil das Notwendige sagen.

    (Abg. Stücklen: Eine bewußte Unwahrheit, Frau Wessel! — Weitere lebhafte Zurufe von der Mitte.)

    Meine Damen und Herren, die Folgen einer aus Verkennung der tatsächlichen Weltsituation falsch geführten Politik der Bundesregierung werden sich eines Tages für das deutsche Volk verhängnisvoll auswirken. Denn die Einbeziehung von West- und Ostdeutschland in den militärischen Aufmarsch der verfeindeten Weltmächte gefährdet das deutsche Volk tödlich. Um dieser Gefahr zu begegnen, müßte eine Außenpolitik geführt werden, die Deutschland aus dem Objekt-Verhältnis der beiden Weltmächte herausholt. Nur ein aus dem militärischen Aufmarsch der USA und Rußlands herausbleibendes Deutschland dient dem Weltfrieden und dem Gleichgewicht der Kräfte.

    (Zuruf von der Mitte: Und ist Objekt!)

    Die größte Sorge der Gegner der Verträge ist die, daß sie die Wiedervereinigung Deutschlands auf friedlichem Wege unmöglich machen. Denn das sowjetische Sicherheitsbedürfnis ist der Angelpunkt für die Wiedervereinigung. Es wird entscheidend sein, ob wir bereit sind, dem russischen Sicherheitsbedürfnis dadurch entgegenzukommen, daß wir darauf verzichten, uns militärisch in den Westen einzugliedern. Das ist das, was man als den Preis für eine Wiedervereinigung bezeichnet.
    Wenn demgegenüber gesagt wird, daß die Wiedervereinigung unser gutes Recht sei und die Russen sich ihm aus Rechtsgründen fügen müßten, so ist das sicherlich richtig. Tatsache ist aber auch, daß Rußland durch das Potsdamer Abkommen Mitteldeutschland mit 20 Millionen Deutschen als Faustpfand hat, und es scheint mir eine der gefährlichsten Illusionen des Herrn Bundeskanzlers zu sein, zu glauben, die Russen würden dieses Faustpfand ohne Preis hergeben,

    (Sehr gut! links)

    um dieses wiedervereinigte Deutschland dann insgesamt dem Aufrüstungsblock des Westens eingegliedert zu sehen. Will man diesen politischen Preis
    für die friedliche Wiedervereinigung Deutschlands
    nicht durch Verzicht auf die Verträge zahlen, wird
    man eines Tages den militärischen Preis zahlen
    müssen mit dem ganzen Risiko eines Krieges und
    seinen unübersehbaren Folgen für das ganze Volk.

    (Abg. Lücke: Das ist eine Behauptung!)

    Im Gegensatz zur amerikanischen Politik sollte unser Ziel darauf gerichtet sein, die diplomatische Auseinandersetzung mit der Sowjetunion nicht aufzuschieben, bis Westeuropa aufgerüstet ist. Hier könnte sich nämlich die Tatsache der versäumten Gelegenheiten, wie sie sich in der bisherigen Behandlung der russischen Noten zeigt, einmal sehr gefährlich für uns auswirken. Denn die Aufrüstung Westeuropas wird durch zwei Umstände belastet und gehemmt: einmal durch den deutsch-französischen Gegensatz, andererseits durch die Tatsache, daß die europäischen Völker ihre relativ hohe Lebenshaltung nicht gefährden wollen, während Rußland in der Lage ist, unter Beibehaltung seiner niederen Lebenshaltung, ja selbst bei Senkung derselben seine vollen Kräfte in den Dienst der Aufrüstung zu stellen.
    Aus den Verlautbarungen der NATO geht hervor, daß die westeuropäischen Mitglieder nicht in der Lage sind, die Planziffern für 1952 gemäß dem Lissabonner Abkommen zu erfüllen. Wenn sich schon bei den ersten Ansätzen zur Erfüllung der Rüstungsaufgaben derartige Schwächen zeigen, so dürfte eine Ausführung des vollen Planes weder durch eigene Anstrengungen noch durch die Hilfe der USA mit Sicherheit zu erwarten sein.
    Gegenüber dieser Situation Westeuropas — von dem wir bezweifeln müssen, ob es überhaupt in der Lage sein wird, in einem Wettrüsten mit Rußland alle seine Kräfte einzuspannen —, die uns Deutsche in eine besonders gefährliche Situation bringen würde, gilt es doch einmal zu prüfen, ob denn keine andere und weniger gefährliche Lösung möglich ist. Sie könnte darin liegen, daß die an Deutschland interessierten Länder in Übereinstimmung ihrer eigenen Interessen mit denen Deutschlands zu der Lösung kommen, daß sich zwischen den beiden Mächteblöcken eine Mitte bildet, die entweder nur Deutschland umfaßt — dessen Sicherheit von allen vier Mächten garantiert wird — oder ein neutrales Mitteleuropa. Würde zudem Deutschland nach den Vorschlägen der Westmächte und Rußlands noch Mitglied der Vereinten Nationen werden, genösse es deren Schutz und wäre auch ohne Eingliederung in einen der Machtblöcke gegen einen Angriff ebenso gesichert wie die übrigen Mitgliedsstaaten der UN.
    Die Ausklammerung Deutschlands aus dem östlichen wie aus dem westlichen Militärblock würde auch das Sicherheitsgefühl Frankreichs befriedigen. Die ablehnende Haltung des überwiegenden Teils des französischen Volkes zu den Verträgen beruht doch auf dem Angstgefühl, daß das durch den indochinesischen Krieg in seiner wirtschaftlichen und militärischen Kraft geschwächte Frankreich auch in seiner politischen Funktion in Europa Deutschland gegenüber in den Hintergrund gedrängt wird. Solange diese Vorstellung bei den Franzosen vorherrschend ist, wird es nicht zu einer Entspannung des deutsch-französischen Verhältnisses kommen,

    (Abg. Dr. Menzel: Sehr wahr!)

    die auch eine im deutschen Interesse mögliche Lösung des Saarproblems ermöglicht. Erst recht wird Frankreich nicht bereit sein, ohne die Befriedigung seines Sicherheitsbedürfnisses in eine Wiedervereinigung Deutschlands einzuwilligen, wodurch es an seiner Ostgrenze einen Staat bekäme, der um 20 Millionen Menschen stärker wäre als bisher.
    Es scheint mir auch notwendig zu sein, eine klarere Vorstellung von den Grundlagen unserer Europapolitik zu haben, als sie aus der Rede des Herrn Bundeskanzlers erkennbar war.

    (Abg. Dr. Menzel: Sehr richtig!)

    Die übernationale Zusammenarbeit mit allen europäischen Staaten ist die Grundlage. Aber wer Europa schaffen will, muß dafür eine umfassendere europäische Lösung im Gegensatz zu der in der EVG vorgesehenen kleineuropäischen Lösung haben. Nur diese wird die Chance geben, die gescheiterte Politik der Bundesregierung im Hinblick auf das deutsch-französische Spannungsverhältnis


    (Frau Wessel)

    von einer positiveren Grundlage aus neu zu beginnen. Das Ziel unserer Europapolitik muß ein Europa als selbständige dritte Kraft zwischen den beiden Mächten, der USA und der Sowjetunion, sein. Nur ein politisch starkes und unabhängiges Europa kann durch seine aktive Entspannungspolitik dem Frieden dienen. Es kann nicht Brückenkopf für eine der beiden Weltmächte sein. Nur ein unabhängiges Europa hat auch Aussicht auf die Mitarbeit Osteuropas, und nur von dieser Perspektive aus wird es überhaupt möglich sein, die Fragen der östlichen Grenzen, auch die Fragen der Oder-Neiße-Linie in positivem Sinne für Deutschland zu lösen.
    Ich wende mich deshalb gegen die Europapolitik der Bundesregierung, weil sie nicht dieses vereinigte Europa schaffen kann, das wir alle in diesem Hohen Hause von ganzem Herzen wünschen, weil die Annahme der EVG-Verträge die vertiefte und verhärtete Spaltung Europas bedeutet.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Darum gilt es doch für uns Deutsche, klar zu erkennen, wohin diese Verträge führen. Im gegen- wärtigen Stadium der latenten internationalen
    Lage werden die Verträge eine Verschärfung der Gegensätze zwischen Ost und West herbeiführen, die Weltaufrüstung beschleunigen, die bekanntlich nicht zum Frieden, sondern zum Krieg führt. Das ist der Grund für meine Ablehnung der beiden Verträge,

    (Abg. Majonica: Das sind nur mangelnde Geschichtskenntnisse, Frau Wessel!)

    Und das, möchte ich zum Schluß dem Herrn von Rechenberg gegenüber sagen, ist auch das Ziel der Gesamtdeutschen Volkspartei, die Sie freundlicherweise gestern hier erwähnten.

    (Zuruf des Abg. Dr. Freiherr von Rechenberg.)

    Wer das Morgenthau-Politik nennt, hat wenig begriffen, um was es in der deutschen Politik heute geht. Und das soll es ja auch unter Politikern geben.

    (Beifall bei der SPD. — Abg. Dr. Freiherr von Rechenberg: Sehen Sie sich die Planung von Morgenthau einmal an!)



Rede von Dr. Hermann Ehlers
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Das Wort hat der Abgeordnete Euler.

(Zuruf von der KPD: Das ist der richtige Provokateur! — Abg. Rische: „Mehr nach rechts!" — Weitere Zurufe von der KPD.)


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    Rede von August-Martin Euler


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (DP)

    Meine sehr geehrten Damen und Herren, es wundert mich nicht, daß die Moskauer Lautsprecher mich in der von ihnen schon hinreichend gewohnten Art begrüßen.

    (Erneute Zurufe von der KPD.)

    Aber daß es in diesem Hause außer den Kommunisten noch Abgeordnete gibt,

    (Abg. Rische: So, das ist allerhand!)

    die in den Mittelpunkt ihrer Betrachtungsweise das sowjetische Sicherheitsbedürfnis statt unseres deutschen Sicherheitsbedürfnisses stellen, das ist allerdings sehr verwunderlich.

    (Beifall bei den Regierungsparteien. — Zurufe von der SPD und KPD.)

    Ich glaube, wir sollten uns weniger Sorgen darum
    machen, wo Väterchen Stalin seine Sicherheit findet.

    (Fortgesetzte Zurufe von der KPD.)

    Ihm braucht um seine Sicherheit nicht bange zu
    sein, nachdem er aus dem zweiten Weltkrieg mit
    einem Machtsystem hervorgegangen ist, das von
    Wladiwostok bis nach Eisenach reicht und das er
    in dieser Nachkriegszeit nicht nur mit friedlichen,
    sondern mit agressiven Mitteln der direkten und
    indirekten Kriegführung dauernd ausgeweitet hat.

    (Zuruf von der KPD: Woher weißt Du!)

    Unser Sicherheitsproblem ist ja daraus erwachsen, daß die sowjetische Politik fortgesetzt aggressiv gewesen ist,

    (Abg. Frau Strohbach: Das ist eine Lüge!)

    daß sie seit 1946 kein Jahr hat vergehen lassen, in dem sie nicht Angriffe gesetzt hat. Es waren ja nicht nur Angriffe außerhalb Deutschlands, sondern einer der schwersten und verbrecherischsten Angriffe fand auf Berlin mit der Hungerblockade gegen 21/2 Millionen deutsche Menschen

    (Zurufe von der KPD)

    mitten im Frieden statt!

    (Erneute Zurufe von der KPD.)

    Das wird von den Neutralisten geflissentlich vergessen, genau so wie es von denen vergessen wird, die heute davon sprechen, daß die hier zur Debatte stehenden Verträge die deutsche Einheit verhindern oder erschweren. Gestern sagte hier der sozialdemokratische Kollege Brandt, die Spaltung Deutschlands werde durch die Verträge versteinert, und eben wiederholte mit anderen Worten auch Frau Wessel, daß die deutsche Einheit durch die Verträge verhindert werde. Ja, wer das sagt, der setzt doch voraus, daß ohne den EVG-Vertrag und ohne die westliche Integrierung der Bundesrepublik die Sowjetunion jetzt schon zur Herstellung der deutschen Einheit in Freiheit bereit wäre, der deutschen Einheit, wie wir sie verstehen, wohlgemerkt, und nicht, wie Sie sie verstehen;

    (Lebhafte Zurufe von der KPD)

    denn wie Sie sie verstehen, das beweisen Sie ja seit 1945 in Mitteldeutschland.

    (Fortgesetzte Zurufe von der KPD.)

    Wir haben die erstaunliche Behauptung gehört, daß die Sowjets zu Verhandlungen mit dem Ziele der Herstellung der Freiheit in Gesamtdeutschland bereit seien; wir haben gehört, es habe bei ihnen ein diesbezüglicher Kurswechsel stattgefunden oder er bereite sich vor. All diese Behauptungen werden auch durch die letzte sowjetische Note widerlegt. Darin hat die Sowjetunion sehr nachdrücklich gerade die einzige materielle Erörterung abgelehnt, die der natürlichen Ordnung der Dinge entspräche: erst freie Wahlen, dann Bildung einer aus freien Wahlen in ganz Deutschland hervorgehenden Regierung und danach Friedensverhandlungen unter Teilnahme dieser aus wirklich freien Wahlen hervorgegangenen und dementsprechend demokratisch legitimierten deutschen Regierung. Die Note der Sowjets hat in nichts erkennen lassen, daß sie zu einer derartigen Gestaltung Deutschlands oder der Freiheit auch in Mitteldeutschland bereit wären.

    (Zurufe von der KPD. — Abg. Fisch: Sie meinen die Freiheit von Auschwitz?!)

    Dagegen haben sie gerade in den seit der ersten Lesung vergangenen Monaten wiederum Tatsachen geschaffen, die viel beredter als all ihre Noten darüber Auskunft geben, was sie in Wahrheit wollen. Die erste Tatsache ist nachdrücklich genug: der Stacheldraht quer durch Deutschland mit der Fünf-Kilometer-Zone des Schweigens. Die zweite


    (Euler)

    sehr wesentliche Tatsache: die Menge der von den Sowjets entlang der Zonengrenze ständig hervorgerufenen Grenzzwischenfälle, obwohl keinem Volkspolizisten unbekannt ist, wo die Zonengrenze verläuft, und deshalb Grenzzwischenfälle ausgeschlossen sein sollten, nachdem der Stacheldraht und die Zone des Schweigens geschaffen sind.
    Zum dritten: die gerade in den letzten Monaten mit aller Energie betriebene Sowjetisierung des gesamten wirtschaftlichen Lebens. Wir haben erlebt, daß die Landwirtschaft mit einer neuen Kollektivierungswelle überzogen wurde, die jetzt schon bis weit in den mittleren Besitz reicht. Es handelt sich um die Bestrebungen, Kolchosen zu bilden. In der gewerblichen Wirtschaft sehen wir die gleiche Tendenz. Immer mehr ausgesprochene Mittel-, ja schon Kleinbetriebe werden in die Verstaatlichung einbezogen. Wir kennen auch die Parolen von der Aktivierung des Sozialismus, mit denen nichts anderes als die völlige Sowjetisierung der ostzonalen Wirtschaft gemeint ist.
    Nun aber, meine sehr geehrten Damen und Herren, schließlich die vierte wesentliche Tatsache: inzwischen sind die Bereitschaften nicht nur zu militärischen Verbänden umgegliedert, sondern unter das Kommando sowjetischer Offiziere gestellt worden. Diese werden Instruktionsoffiziere genannt; aber tatsächlich liegt die Entscheidungs- und Befehlsgewalt bei ihnen. Diese Offiziere befinden sich nicht nur bei Einheiten wie Divisionen und Regimentern,' sondern ihre Anwesenheit geht hinunter bis in die Bataillone und Kompanien. Zum Ausdruck dessen, daß es sich bei dieser Volkspolizei um eine deutsche Truppe unter sowjetischem Kommando handelt, ist sie auch in eine Uniform gesteckt worden, die der sowjetischen sehr viel mehr angenähert ist, als es die bisherige Uniform der Volkspolizei gewesen ist.

    (Abg. Dr. Mende: Hört! Hört!)

    Das sind die maßgebenden Tatsachen, die sich in den letzten Monaten in Deutschland vollzogen haben.
    Dazu kommen entscheidende Tatsachen, außerhalb Deutschlands, an denen man die Tendenz der sowjetischen Politik ablesen kann. Da haben wir einmal die Fortdauer der Verhandlungen über den staatsrechtlichen Status einer Nation, die auch einmal von den Sowjets als befreite Nation bezeichnet worden ist. Inzwischen ist man zu 260 Verhandlungen über den österreichischen Staatsvertrag gelangt, ohne daß es gelungen ist, den Sowjets das Zugeständnis abzuringen, wie denn nun die Freiheit dieser befreiten Nation aussehen soll.
    Die Waffenstillstandsverhandlungen in Korea werden seit anderthalb Jahren geführt, Sie sind offensichtlich nichts anderes als ein Mittel gewesen, um im Zeichen der Waffenstillstandsverhandlungen die kommunistische militärische Position in Nordkorea auszubauen. In Indochina haben wir eine verstärkte kommunistisch-sowjetische militärische Aktivität festzustellen.

    (Zurufe von der KPD.)

    Dazu die Wühlarbeit in Persien, im gesamten Vorderen Orient und in Afrika, — nun, meine verehrten Damen und Herren, diese Tatsachen sind entscheidender als Notenwechsel!

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Wer diese Tatsachen verschweigt oder als nicht existent behandelt, der treibt Propaganda für die Sowjets.

    (Rufe von der KPD: Mau-Mau!)

    In diesem Sinne treiben Propaganda für die Sowjets gerade die Männer und Frauen - mögen sie sich dessen auch nicht bewußt sein; aber tatsächlich ist es so: sie sind behilflich, Illusionen zu erzeugen —, die sich in der famosen Gesamtdeutschen Volkspartei zusammengefunden haben.

    (Abg. Kunze: Sehr richtig!)

    Diese Gesamtdeutsche Volkspartei mit ihrer Neutralisierungspolitik würde, wenn sie zum Zuge käme, nichts anderes bewirken, als daß Deutschland in die Lage Koreas gebracht würde

    (Zustimmung bei den Regierungsparteien)

    und daß lediglich für uns in Zukunft das eine in Frage stünde: wann denn der Zeitpunkt eines sowjetischen Angriffs, eines sowjetischen Überfalles gekommen wäre.

    (Zurufe von der KPD.)

    Die Gesamteinstellung der Sowjets, die aus all diesen von mir angeführten Tatsachen erhellt, findet schließlich ihren Niederschlag in der These, die Stalin aus Anlaß des Kommunistischen Parteitages in Moskau wieder aus der Mottenkiste hervorgeholt hat: der These von der Selbstzerfleischung des kapitalistischen Westens. Wenn die Kommunistische Partei, wenn Stalin als Machthaber der Sowjetunion diese These von der Selbstzerfleischung des kapitalistischen Westens, auf die die Sowjetunion warten könne, wieder hervorholt, dann bedeutet das doch, daß, solange man an die Erfüllung dieser These glaubt, keinerlei Bereitschaft zur Preisgabe von Gebieten des sowjetischen Machtbereichs feststellbar ist.

    (Abg. Rische: Was sagen Sie zur Rede des Herrn Rechenberg? — Abg. Dr. Mende: Davon verstehen Sie ja nichts, Herr Rische!)

    Die Hoffnung auf die Erfüllung ihrer These muß den Sowjets genommen werden. Sie sehen sich erst dann zu einem Wechsel ihrer Politik veranlaßt.

    (Zurufe von der KPD.)

    Sie sehen sich erst dann veranlaßt, von einer Politik der allenthalben befolgten und ausgenutzten Aggressionen, einer Politik des Kalten Krieges, zu einer solchen der Friedenskonsolidierung überzugehen, wenn sie nicht mehr hoffen können, daß sich die Völker der, wie sie sagen, „kapitalistischen Welt" selbst zerfleischen werden, daß sie sich in neue Konflikte stürzen werden oder aber daß sie jedenfalls nicht fähig sein werden, einen Zustand permanenter Desorganisation zu überwinden.

    (Abg. Dr. Mende: Sehr richtig!)

    Ob wir den Sowjets diese Hoffnung nehmen, das hängt allein von uns Deutschen hier außerhalb des sowjetischen Machtbereiches ab. Es hängt gleichermaßen von den anderen europäischen Völkern und außerhalb Europas von den Völkern ab, die ebenfalls die Sache der Freiheit vertreten.

    (Abg. Dr. Schröder [Düsseldorf]: Sehr gut!)

    Unser Verhalten ist insofern entscheidend, als nur durch dieses Verhalten bewirkt werden kann, ob die Sowjets in Zukunft Deutschland als einen schwachen Punkt in der westlichen Front betrachten können.
    Unsere Aufgabe muß sein, an die Stelle eines jetzt noch obwaltenden Zustandes der Zerrüttung durch Desorganisation zwischen den verschiedenen freien Völkern zu einem Zustand der Organisation zum Zwecke der Konzentration zu kommen.

    (Zustimmung bei den Regierungsparteien.)



    (Eule!)

    Damit, daß wir eine dahingehende Politik einschlagen und verwirklichen wollen, wird der Ausgleich zwischen der westlichen und östlichen Welt nicht verhindert, sondern es wird überhaupt erst einmal die Voraussetzung dafür geschaffen,

    (Zustimmung bei den Regierungsparteien) daß er eines Tages möglich ist.


    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Es ist ja bisher deshalb nicht möglich, weil den Sowjets der Wille fehlt, der für einen Generalausgleich und damit für die Begründung einer langdauernden Friedenspolitik erforderlich wäre.

    (Zuruf der Abg. Frau Strohbach.)

    Dieser Generalausgleich, der eines Tages zu einer Neuabsteckung der Machtbereiche führen wird, ist aber gebunden an den sowjetischen Willen, auch das in Betracht zu ziehen, was die Sowjets heute noch nicht in Betracht ziehen, nämlich auf deutsche und andere europäische Gebiete zu verzichten, von denen sie wissen, daß sie zu 90, 95, ja 98 % von Menschen bewohnt sind, die nur eine Hoffnung und eine Sehnsucht haben: von der sowjetischen Herrschaft freizukommen.

    (Lebhafte Zustimmung bei den Regierungsparteien.)

    Es ist seit dem Sommer dieses Jahres, soweit ich habe feststellen können, Sitte geworden, bei diesem Problem des — wie ich überzeugt bin — eines Tages eintretenden und zunächst einmal anzustrebenden Ausgleichs davon zu sprechen, daß wir für die Befreiung Mittel- und Ostdeutschlands einen Preis zu zahlen hätten. Ist es eigentlich Aufgabe deutscher Politiker, wenn man von den Kommunisten da drüben absieht, den Sowjets klarzumachen, daß sie einen Preis, und zwar einen möglichst hohen Preis dafür zu fordern hätten?

    (Sehr richtig! bei den Regierungsparteien. — Abg. Stücklen: Das ist Verrat! — Gegenrufe von der KPD.)

    Sie, meine Damen und Herren von der SPD, leisten der Sowjetunion einen Dienst, indem Sie bei jeder Gelegenheit darauf hinweisen, daß wir wohl einen Preis leisten müssen.

    (Zustimmung bei den Regierungsparteien. — Große Unruhe bei der SPD. — Zuruf des Abg. Arnholz.)

    Für uns handelt es sich darum, und dieser Standpunkt sollte von allen Deutschen vertreten werden, daß ein Unrecht, das man uns zugefügt hat, aus der Welt geschafft werden muß. Daß dieses Unrecht nur eintreten konnte kraft eines Vertrags, den die westlichen Mächte mit den Sowjets geschlossen haben, das steht auf einem anderen Blatt. Jedenfalls sollte das für uns nicht das maßgebliche Moment bei der Betrachtungsweise sein. Im übrigen sollten alle diejenigen, die von dem Preis sprechen, das eine bedenken: Wer sagt denn, wie eines Tages die Verhältnisse in der Welt aussehen werden, welcher Art der Preis wäre, wo in der Welt er läge, ob überhaupt auf politischem oder nur auf wirtschaftlichem Gebiet, in wirtschaftlichen Kompensationen, die der Westen dem Osten leisten kann und die für den Osten eines Tages außerordentlich wertvoll sein könnten?
    Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich glaube, alle diese Argumente zeigen, daß der Weg zu einem Ausgleich, zu einer Bereitschaft der Sowjets zum langandauernden Frieden nur über die defensiven Regionalpakte der westlichen Welt
    im Rahmen der Vereinten Nationen führt; und defensive Regionalpakte dieser Art sind ja die Europäische Verteidigungsgemeinschaft und die NATO.

    (Zustimmung bei den Regierungsparteien.)

    Es ist nicht richtig, wenn Kollege Brandt sagt, die Bundesregierung wolle eine bündnisfreie Politik unmöglich machen. Tatsache ist, daß eine bündnisfreie Politik uns und den anderen europäischen Völkern nicht aus der Gefahr heraushilft, in der wir heute durch das Dasein und den Charakter des sowjetischen Systems schweben. Im übrigen sollte es j a wohl hier keine Meinungsverschiedenheit darüber geben, daß sich der defensive Charakter des europäischen Verteidigungsvertrags nicht nur daraus ergibt, daß der Verteidigungszweck vertraglich festgesetzt ist. Wir wissen, wie wenig das unter Umständen zu besagen braucht. Viel wesentlicher ist, daß die europäischen Völker von Friedensliebe durchdrungen sind und daß die europäischen Völker, da es sich durchweg um demokratisch organisierte Völker handelt, überhaupt nicht in der Lage sind, einen Angriffskrieg vorzubereiten und einzuleiten. Das weiß niemand besser als Stalin und das Heer seiner Berater. Niemand weiß besser als die sowjetischen Machthaber, daß moderne Demokratien mit ihrer enormen Gebundenheit an die öffentliche Meinung in Wahrheit unfähig sind, einen Angriffskrieg vorzubereiten. Das können nur diktatorische Systeme.

    (Sehr richtig! und Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Die Geschichte der letzten dreißig Jahre hat eindeutig gezeigt — und das ist allerdings ein sehr bedenklicher Tatbestand, den sich auch unsere Opposition zu Gemüte führen sollte —, welchen Vorsprung im rein Faktisch-Machtmäßigen moderne diktatorische Systeme dadurch gewinnen können, daß der gesamte Rüstungs- und Kriegsapparat lediglich davon abhängig ist, daß wenige Machthaber den Hebei der Macht betätigen, während in den demokratischen Staaten eine ungeheure Fülle von Widerständen zu überwinden ist bei jeder Erörterung von Verteidigungsfragen, geschweige denn, daß es sich um Beschlußfassungen handelt.
    Der Weg über die Pakte, die EVG und die NATO, ist der einzige Weg, um die Sowjetunion einer echten Friedenspolitik zuzuführen, und das ergibt sich außer all den Gründen, die ich bereits angeführt habe, noch aus einem für uns besonders wichtigen Zusammenhang. Die Europäische Verteidigungsgemeinschaft ist nämlich ein weit stärkeres Mittel zur Förderung der politisch-wirtschaftlichen Einheit Europas als die Montanunion. Die Montanunion war bereits gedacht als ein Mittel zur Integrierung Europas, ein Mittel auf dem Wege zur Föderalisierung Europas. Die Europäische Verteidigungsgemeinschaft wird viel stärkere dynamische Kräfte auslösen, die in diese Richtung drängen. Für uns sind Verträge wie der Montanunion-Vertrag und der Vertrag über die Europäische Verteidigungsgemeinschaft bei Gott keine Idealverträge. Es haften ihnen viele Mängel an. Aber diese Verträge haben das eine Gute: sie sind die einzigen Mittel, um mit der erforderlichen Geschwindigkeit zu einem Tatbestand zu kommen, der weit umfassender ist; zu dem Tatbestand, den wir alle heißen Herzens anstreben: dem Tatbestand der wirtschaftlichen und politischen Einheit Europas.

    (Sehr gut! bei den Regierungsparteien.)



    (Euler)

    Auch was den Umfang dieser Einheit anlangt, müssen wir damit vorliebnehmen, daß zunächst nur sechs Staaten an diesem Integrationsprozeß teilzunehmen bereit sind. Aber es sind immerhin Staaten mit 155 Millionen Menschen. Je erfolgreicher sich dieser Integrationsprozeß zeigt, je schneller er fortschreitet, je mehr er seine Produktivität im Materiellen und Verteidigungsmäßigen erweist, um so mehr dürfen wir gewiß sein, daß die wirtschaftliche und politische Einheit Europas dann auch einen größeren Kreis von Völkern und Staaten ergreift.

    (Sehr richtig! bei den Regierungsparteien.)

    Für uns handelt es sich nicht um die Verträge als solche, sondern um die Verträge als Träger dynamischer Wirkungen, und diese Wirkungen weisen in die Richtung eines gesunden, auf der Basis der föderalistischen Prinzipien, der Gegenseitgikeit und Gleichberechtigung gegründeten Europas.

    (Lebhafter Beifall bei den Regierungsparteien. Meine Damen und Herren! Sie haben an den zahlreichen Besuchen hier oben gemerkt, daß die Frage der Reihenfolge in der Rednerliste in zunehmendem Maße schwierig wird. Da leider noch nicht die Möglichkeit erfunden ist, mehrere Herren gleichzeitig reden zu lassen, jedenfalls hier oben, möchte ich Ihnen den Vorschlag machen, entsprechend der Planung, die wir uns vorgenommen hatten, jetzt zunächst einzutreten in den Komplex der verfassungsrechtlichen, rechtspolitischen und rechtlichen Bedeutung der Vertragswerke und im übrigen dann die Debatte in einer gewissen Gliederung morgen weiterzuführen. Ich habe die Hoffnung, daß dieses Problem heute im wesentlichen noch durchdiskutiert werden kann. Zunächst hat das Wort Herr Abgeordneter Dr. Arndt. — Herr Abgeordneter Dr. Arndt hat das Wort. Herr Abgeordneter Loritz, ich vermag dem Hause mitzuteilen, daß Sie mir wiederholt den Wunsch mitgeteilt haben, jetzt das Wort zu bekommen. Ich bedaure, daß ich von meinem Recht, die Reihenfolge der Redner festzusetzen, in diesem Falle Gebrauch machen muß. Bitte, Herr Abgeordneter Arndt. (Abg. Loritz: Das ist ein sehr schlechter Gebrauch! — Heiterkeit.)