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ID0124105700

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag — 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 4. Dezember 1952 11301 241. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 4. Dezember 1952. Geschäftliche Mitteilungen 11303A Mitteilung des Präsidenten über die Erledigung der Entschließung der Fraktion der SPD zur zweiten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Regelung der Rechtsverhältnisse der unter Art. 131 des Grundgesetzes fallenden Personen (Umdruck Nr. 118) 11303B Fortsetzung der zweiten und dritte Beratung der Entwürfe eines Gesetzes betr. den Vertrag vom 26. Mai 1952 über die Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Drei Mächten mit Zusatzverträgen, eines Gesetzes betr. das Abkommen vom 26. Mai 1952 über die steuerliche Behandlung der Streitkräfte und ihrer Mitglieder (Nm. 3500, zu 3500, Nachgang zu 3500 der Drucksachen, Umdruck Nr. 699 [neu]), eines Gesetzes betr. das Protokoll vom 26. Juli 1952 über die Erstreckung der Zuständigkeit des Schiedsgerichts auf Streitigkeiten aus dem am 26. Mai 1952 in Bonn unterzeichneten Abkommen über die steuerliche -Behandlung der Streitkräfte und ihrer Mitglieder (Nr. 3700 der Drucksachen), eines Gesetzes betr. den Vertrag vom 27. Mai 1952 über die Gründung der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft und betr. den Vertrag vom 27. Mai 1952 zwischen dem Vereinigten Königreich und den Mitgliedstaaten der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft, eines Gesetzes betr. das Abkommen vom 27. Mai 1952 über die Rechtsstellung der Europäischen Verteidigungsstreitkräfte und über das Zoll- und Steuerwesen der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft (Nm. 3501, zu 3501 der Drucksachen); Schriftlicher Bericht des Ausschusses für das Besatzungsstatut und auswärtige Angelegenheiten (7. Ausschuß) (Nr. 3900, zu 3900 der Drucksachen, Umdrucke Nm. 713 bis 718, 720 bis 723) in Verbindung mit der Fortsetzung der Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für das Besatzungsstatut und auswärtige Angelegenheiten (7. Ausschuß) über den Antrag der Fraktion der SPD betr. Generalvertrag und Vertrag über die Europäische Verteidigungsgemeinschaft (Nrn. 3398, 3363 der Drucksachen) sowie mit der Fortsetzung der Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betr. Generalvertrag und Vertrag über die Europäische Verteidigungsgemeinschaft (Nr. 3392 der Drucksachen) 11303B Fortsetzung der Berichterstattung der Ausschüsse: Die verfassungsrechtliche, rechtspolitische und rechtliche Bedeutung der Vertragswerke: Berichte des Ausschusses für Rechtswesen und Verfassungsrecht zur Frage der Vereinbarung der Vertragswerke mit dem Grundgesetz: Dr. Wahl (CDU): als Berichterstatter 11304A Schriftlicher Bericht (Anlage zur 240. Sitzung) 11196B Dr. Arndt (SPD): als Berichterstatter 11307A Schriftlicher Bericht (Anlage zur 240. Sitzung) 11201D, 11211C Die wirtschaftliche, finanz- und steuertechnische Bedeutung der Vertragswerke: Dr. Freiherr von Rechenberg (FDP) (Schriftlicher Bericht: Anlage zur 240. Sitzung) 11215A Dr. Fricke (DP): als Berichterstatter 11309D Schriftlicher Bericht (Anlage zur 240. Sitzung) 11216A Stegner (FDP) (Schriftlicher Bericht: Anlage zur 240. Sitzung) . . . . 11218C Dr. Kreyssig (SPD) : als Berichterstatter 11310C Schriftlicher Bericht (Anlage zur 240. Sitzung) 11224D Erler (SPD): als Berichterstatter 11315A Schriftlicher Bericht (Anlage zur 240. Sitzung) 11227B Dr. Kneipp (FDP): als Berichterstatter 11316A Schriftlicher Bericht (Anlage zur 240. Sitzung) 11228D, 11298 Dr. Gülich (SPD): als Berichterstatter 11316D Schriftlicher Bericht (Anlage zur 240. Sitzung) 11231C Dr. Wellhausen (FDP): als Berichterstatter 11321C Schriftlicher Bericht (Anlage zur 240. Sitzung) 11246D Dr. Hasemann (FDP): als Berichterstatter 11323B Schriftlicher Bericht (Anlage zur 240. Sitzung) 11249B Bausch (CDU): als Berichterstatter . . . 11323A, 11324D Schriftlicher Bericht (Anlage zur 240. Sitzung) 11250C Schoettle (SPD): als Berichterstatter 11325D Schriftlicher Bericht (Anlage zur 240. Sitzung) 11256C Die Vertragswerke im Hinblick auf Truppen-Stationierung und Verteidigung Deutschlands, Berichte des Ausschusses zur Mitberatung des EVGVertrages und der damit zusammenhängenden Abmachungen: Bericht über die politischen und militärischen Bestimmungen des EVGVertrages und ihre Auswirkungen: Strauß (CSU): als Berichterstatter 11328A Schriftlicher Bericht (Anlage zur 240. Sitzung) 11262A Bericht über die wirtschaftlichen, finanziellen und haushaltsmäßigen Bestimmungen des EVG-Vertrages und ihre Auswirkungen: Erler (SPD): als Berichterstatter 11329D Schriftlicher Bericht (Anlage zur 240. Sitzung) 11270B Bericht über die rechtsprechende Gewalt im Rahmen des EVG-Vertrages: Dr. Jaeger (Bayern) (CSU): als Berichterstatter 11333A Schriftlicher Bericht (Anlage zur 240. Sitzung) 11276B Zusätzliche Berichte des Ausschusses für das Besatzungsstatut und auswärtige Angelegenheiten zu bestimmten Teilen der Vertragswerke: Zusätzlicher Bericht über die mit der Stationierung fremder Truppen zusammenhängenden Rechtsfragen: Dr. Wahl (CDU), Berichterstatter (Schriftlicher Bericht: Anlage zur 240. Sitzung) 11285A Zusätzlicher Bericht zu Teil I des Vertrages zur Regelung aus Krieg und Besatzung entstandener Fragen: Dr. Wahl (CDU), Berichterstatter (Schriftlicher Bericht: Anlage zur 240. Sitzung) 11286C Dr. von Merkatz (DP), Berichterstatter (Schriftlicher Bericht: Anlage zur 240. Sitzung) 11288D Zusätzlicher Bericht zu Teil VII des Vertrages zur Regelung aus Krieg und Besatzung entstandener Fragen: Dr. Reismann (FU): als Berichterstatter 11334A Schriftlicher Bericht (Anlage zur 240. Sitzung) 11289C Zusätzlicher Bericht zu Teil XI des Vertrages zur Regelung aus Krieg und Besatzung entstandener Fragen: Dr. Vogel (CDU), Berichterstatter (Schriftlicher Bericht: Anlage zur 240. Sitzung) 11290C Zusätzliche Berichte anderer Ausschüsse zu bestimmten Teilen der Vertragswerke: Zusätzlicher Bericht des Ausschusses für Verkehrswesen zu den Verkehrsbestimmungen der Vertragswerke: Rademacher (FDP), Berichterstatter (Schriftlicher Bericht: Anlage zur 240. Sitzung) 11292A Zusätzlicher Bericht des Ausschusses für Post- und Fernmeldewesen zu den das Post- und Fernmeldewesen betreffenden Bestimmungen des EVG-Vertrages: Cramer (SPD): als Berichterstatter 11335B Schriftlicher Bericht (Anlage zur 240. Sitzung) 11293D Zusätzlicher Bericht des Ausschusses für Fragen der Presse, des Rundfunks und des Films zu bestimmten Abschnitten des Vertrages über die Rechte und Pflichten ausländischer Streitkräfte und des Vertrages zur Regelung aus Krieg und Besatzung entstandener Fragen: Dr. Vogel (CDU), Berichterstatter (Schriftlicher Bericht: Anlage zur 240. Sitzung) 11295B Unterbrechung der Sitzung 11335D Fortsetzung der allgemeinen Aussprache: Reimann (KPD) 11336A von Thadden (Fraktionslos) . . . 11344B Dr. Bertram (Soest) (FU) 11346A Dr. Tillmanns (CDU) 11349D Dr. Besold (FU) 11354D Dr. Reismann (FU) 11357A Frau Wessel (Fraktionslos) . . . 11359D Euler (FDP) 11361B Dr. Arndt '(SPD) 11364B Kiesinger (CDU) 11369C Dr. Schneider (FDP) 11375C Weiterberatung vertagt . . . . . . 11378D Nächste Sitzung 11378D Die Sitzung wird um 9 Uhr 2 Minuten durch den Präsidenten Dr. Ehlers eröffnet.
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    Rede von Dr. Anton Besold


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn der Generalvertrag die Vergangenheit abschließen soll, so zeigt der Vertrag über die Europäische Verteidigungsgemeinschaft den Weg in die Zukunft des deutschen Volkes und Europas. Die Bayernpartei war sich bei der Prüfung der Westverträge bewußt, daß es sich, wie schon von verschiedenen Rednern hier betont worden ist, um eine Entscheidung von größter Tragweite für das gesamte deutsche Volk handelt. Es ist uns auch vollkommen klar: niemand, gar niemand wird den Abgeordneten die Entscheidung über das Ja oder Nein zu den Westverträgen abnehmen, und wir als verantwortungsbewußte Parlamentarier, die allein dem Volk gegenüber verantwortlich sind, dürfen uns diese Entscheidung auch nicht von dem höchsten Gericht der Bundesrepublik, dem Bundesverfassungsgericht, abnehmen lassen. Das Hauptgewicht dieser Entscheidung — das ist wohl jedem klar — liegt auf politischem Gebiet, in der Abwägung der politischen, und zwar der außenpolitischen Notwendigkeiten, Sorgen und Gefahren. Wenn diese politische Entscheidung mit einem Ja beantwortet wird, muß dieses Parlament auch den


    (Dr. Besold)

    Mut haben und die Verantwortung auf sich nehmen, die verfassungsrechtlich notwendigen Mehrheiten wegen der hochpolitischen Bedeutung der Westverträge herbeizuführen.
    Sie wissen, daß sich die Bayernpartei nach einer verantwortungsbewußten Prüfung zu einem Ja zu den Westverträgen durchgerungen hat

    (Bravo! bei den Regierungsparteien)

    und die überwiegende Mehrheit der Abgeordneten für die Westverträge stimmen wird. Gleichwohl darf ich Ihnen, weil es für die Fortentwicklung des Vertragsinhaltes nützlich ist, wenigstens drei Hauptbedenken zum EVG-Vertrage bekanntgeben. Ein Bedenken bei der Beratung war die im Vertrage festgelegte Einführung der allgemeinen Wehrpflicht, weil psychologische und mit dem System zusammenhängende Sachverhalte aus der jünsten Vergangenheit zu frisch und belastend gerade mit Rücksicht auf die sogenannte „Entmilitarisierung" noch auf uns und unserer Jugend liegen. Wir hoffen, daß die von da und dort angekündigten durchgreifenden Reformen im Wehrwesen Wirklichkeit werden, wenn nicht durch Vereinbarungen zwischen den Vertragsmächten doch noch die Freiheit des Wehrsystems gewährleistet werden kann.
    Ein weiteres schwerwiegendes Bedanken war, daß noch nicht die unmittelbare Mitgliedschaft Westdeutschlands im Nordatlantikpakt vollzogen ist. weil dadurch das Ausmaß des politischen und strategischen Einflusses in der Atlantischen Gemeinschaft, bei der letzten Endes im Ernstfall der Oberbefehl der europäischen Streitkräfte liegt, im umgekehrten Verhältnis zu unserem Risiko steht; denn der deutsche Raum ist der exponierteste Teil des westeuropäischen Randgebietes der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft. Es muß aber auch festgestellt werden, daß durch die Integrierung in den höchsten Stäben in EVG und NATO schon jetzt der deutsche Einfuß bedeutend gesichert ist.

    (Sehr richtig! bei der CDU.)

    Eines der größten Hemmnisse für das Ja-Bekenntnis zu den Westverträgen war die Gefahr für die von der Bayernpartei konsequent vertretene föderalistische Staatsidee. Wir wissen — und die Vergangenheit hat uns bitterste Beweise geliefert —, daß es immer die Wehrhaftmachung und die Verstärkung des militärischen Potentials waren, die den politischen Zentralismus mit seiner jeweiligen Katastrophenpolitik zur Folge hatten. Diese Gefahren zeichnen sich schon jetzt in den neuerlichen finanzpolitischen Erwägungen ab, einen weiteren schweren Eingriff in die Einkommensquellen der Länder zu machen und damit die Finanzkraft und die Finanzhoheit der Länder auszuhöhlen. Nur die drohende Gefahr des Bolschewismus, der überhaupt jede Möglichkeit eines föderalistischen Staatsaufbaus auslöschen würde, hat der Bayernpartei die Einsicht abgerungen, zu den Westverträgen, so wie sie jetzt vorliegen, ja zu sagen.

    (Bravo! bei den Regierungsparteien.)

    Es ist aber jetzt auch die Stunde, die Bundesregierung und die Parteien dieses Parlaments darauf hinzuweisen, daß die klare Erkenntnis aus den Fehlern der Vergangenheit sein muß: Der Föderalismus ist d i e Staatsidee, die der Gralshüter gegen den Mißbrauch der Staatsgewalt ist.
    Entscheidend für ein Ja der Bayernpartei zu den Westverträgen war auch die eingehende Untersuchung der Kardinalfrage: Ist die Notwendigkeit einer militärischen Schutzgemeinschaft unerläßlich? Wir haben hier schon gehört, daß gerade die Entwicklung seit 1945 und das Ausscheren der Sowjetunion aus den Zielen der Vereinten Nationen größte Gefahren heraufbeschworen hat.

    (Abg. Dr. Bucerius: Sehr richtig!)

    Ich erinnere nur an die Okkupation Polens, der Tschechoslowakei, Ungarns, Rumäniens, Bulgariens und Albaniens. Diese sowjetrussische Politik ist geleitet von panslawistischem Expansionsdrang, gestärkt durch den Glaubenssatz dieser Weltrevolutionäre. daß der Westen in sich zu Ende gehe und der kommunistische Sozialismus die Herrschaft in der Welt übernehmen müsse.

    (Abg. Kunze: Sehr richtig!)

    Aber wenn uns das alles noch nicht überzeugte — man braucht auch nicht allen Propagandaschriften, die vielleicht von der Bundesregierung kommen, restlos zu vertrauen —, ist es viel besser, sich einmal Berichte oder Schriften aus der Sowjetzone zu besorgen.

    (Sehr richtig! bei den Regierungsparteien. — Abg. Rische: Vorsicht, Blitzgesetz!)

    Hier ist ein Bericht über die letzte Parteikonferenz der SED im Juli dieses Jahres.

    (Abg. Rische: Das ist Hochverrat! Zitieren Sie nicht!)

    Wir wissen. daß die SED der verlängerte Arm Moskaus und das Sprachrohr Moskaus ist.

    (Sehr gut! bei den Regierungsparteien.)

    Was in den Beschlüssen der SED in diesem Jahre festgelegt worden ist, zeigt klar und deutlich auf, daß hier eine revolutionäre Bewegung schärfsten Ausmaßes in Gang gesetzt wird. Nur einige Zitate aus diesen Beschlüssen der SED mögen Ihnen zeigen, wohin der Weg aus diesem bolschewistischen Osten führen soll.
    Unter der Maske des „nationalen Befreiungskampfes" und unter der Maske einer „Friedensbewegung" wird hier zu einem Kampf gegen die amerikanischen, englischen und französischen Okkupanten in Westdeutschland, so heißt es hier, und zum Sturz der Vasallenregierung in Bonn aufgefordert. Aber nicht nur gegen diese Kräfte geht es, sondern im zweiten Punkt dieses Beschlusses, wo die Schaffung einer Aktionseinheit der kommunistischen, sozialdemokratischen, christlichen und parteilosen Arbeiter herausgefordert und zu einer Friedensbewegung aufgefordert wird, heißt es: Der große Befreiungskampf der Patrioten gegen die fremden imperialistischen Eindringlinge und Ausbeuter erfordert zugleich den entschiedenen Kampf gegen die rechten sozialdemokratischen Führer und Gewerkschaften. Ich habe bisher noch nicht gewußt, daß es rechte und linke Sozialdemokraten bei uns gibt; aber hier ist es festgelegt.

    (Abg. Schoettle: Sie wissen überhaupt manches nicht!)

    Gegen alle Aufbaukräfte, ob es die Alliierten, ob es die Bundesregierung oder die Opposition in Westdeutschland ist, wird zum „nationalen Befreiungskampf" aufgerufen.
    Interessant ist, wer die Schrittmacher in Westdeutschland sind und wer dazu beauftragt wird. Das finden wir im Punkt 3 dieses Beschlusses, wo es heißt:


    (Dr. Resold)

    Die Stärkung der brüderlichen Solidarität mit der Kommunistischen Partei Deutschlands, die ihre Reihen festigt und alle Anstrengungen unternimmt, damit sie ihre geschichtliche Aufgabe in den vordersten Reihen der nationalen Befreiungsbewegung in Westdeutschland erfüllen kann ...

    (Abg. Rische: Sehr richtig!)

    Die Kommunistische Partei Deutschlands ist die
    Klammer zu diesen aufrührerischen Bewegungen.

    (Abg. Rische: Sie spinnen ja!)

    Das steht hier in einer sowjetischen Schrift.
    Aber es ist nicht nur eine waffenlose Friedensbewegung. Hier steht auch klipp und klar, daß die Sicherung des Friedens, die Stärkung der demokratischen Volksmacht, der demokratischen Ordnung und Gesetzlichkeit und die Organisierung bewaffneter Streitkräfte, die mit den neuesten technischen Errungenschaften ausgerüstet sind, vorbereitet werden. Und unsere „Friedensbewegler" wollen sich jeden Schutzes gegenüber derartigen militärischen Kräften, die mit den modernsten technischen Mitteln ausgerüstet sind, begeben! Herr Brandt von der SPD, Sie haben gestern gesagt: Besser ist es, zu wissen, als zu glauben. Jetzt wissen Sie, was Sie nicht glauben wollen!

    (Beifall bei der BP und bei den Regierungsparteien. — Abg. Rische: Eine Million!)

    Und wenn gestern zu Beginn dieser Sitzung Herr Renner

    (Zuruf von der KPD: Was ist mit dem Wahlfonds?)

    die Eilbedürftigkeit des Abschlusses dieser Verträge kritisiert und mit Bezug auf diese Verträge von Schandverträgen gesprochen hat, so wissen wir nun auch, warum und in wessen Auftrag er das getan hat.

    (Beifall bei der BP und bei den Regierungsparteien.)

    Sie sagten auch, Herr Renner: Unsere Jugend und unser Volk sollen dem Moloch Krieg geopfert werden! — Nein, Herr Renner, nur über eine Europäische Verteidigungsgemeinschaft wird die Absicht Ihrer Auftraggeber verhindert, unsere Jugend dem Moloch Krieg und Bolschewismus zu opfern.

    (Erneuter Beifall bei der BP und bei den Regierungsparteien. Zuruf von der KPD.)

    Und das soll unsere Jugend auch wissen!
    Sehen wir uns einmal all die Flüchtlingsströme seit 1945 an! Sie gehen nicht von Westen nach Osten, sie kommen alle vom Osten nach dem Westen.

    (Sehr richtig! bei der BP und bei den Regierungsparteien. — Zuruf von der KPD: Sind Sie noch rückständig!)

    Das ist die Flucht vor der Unfreiheit in die Freiheit. Das ist die Flucht vor der Menschenunwürde in ein menschenwürdiges Dasein.

    (Zurufe von der KPD und Gegenrufe von der Mitte.)

    Außer diesen Fakten haben uns noch folgende Gründe bei der Abwägung der Vertragsauswirkungen zu unserer Stellungnahme bewogen. Wir sind davon überzeugt, daß durch die Schaffung Europas in Verbindung mit der Sicherung durch die Atlantikpaktstaaten eine Europäische Verteidigungsgemeinschaft entsteht, die die Sowjetunion und ' den östlichen Machtbereich mit einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit eher davon abhalten wird, weiter gegen den Westen vorzustoßen, als der jetzige Zustand Europas.

    (Sehr richtig! in der Mitte.)

    Jeder Ehrliche muß zugeben, daß diese Verträge für Deutschland die würdelose Besatzungszeit beenden und den Weg zur vollständigen Bereinigung der Vergangenheit und zur Gleichberechtigung der westlichen Völker freimachen. Feindschaften und Kriege zwischen den Völkern des Westens, die in der Vergangenheit soviel politisches und menschliches Unheil und auch die jetzige Gefahr des Ostens gebracht haben, können bei ehrlicher Fortentwicklung der Verträge beseitigt werden. Außerdem dürfte feststehen — was hier ja auch schon gesagt worden ist —, daß es dann innerhalb der Vertragspartner keine Gefahren mehr gibt. Gerade hierauf haben die Gegner immer hingewiesen, indem sie erklärt haben, daß die westlichen alliierten Siegermächte sich etwa auf Kosten Deutschlands im Wege von Verhandlungen und Abmachungen über unseren Kopf hinweg mit den Sowjets verständigen könnten. Das ist nun, nach dem Abschluß der Verträge mit dem Westen, nicht mehr möglich.
    Noch eines muß das Bekenntnis zu diesen Westverträgen leichter machen: nicht im Osten wird die persönliche Freiheit garantiert. Dort heißt es für die Jugend: entweder in die Volkspolizei oder in die Uranbergwerke!

    (Sehr richtig! bei der BP und in der Mitte.)

    Die persönliche Freiheit, eines der höchsten Güter, die wir haben, erleben wir nur im Westen, und deshalb muß der Westen sich eine Schutzmacht verschaffen.
    Wir alle fühlen, ja wissen es, daß die Welt in zwei Teile geteilt ist und daß die westliche Welt allen Grund hat, nationalistische Forderungen und untergeordnete Bedenken aller Art der Sicherung des europäischen Friedens hintanzustellen. Dieses Mal muß Europa errungen werden, damit Europa nicht wie nach dem ersten Weltkrieg den Frieden versäumt. Daran soll uns die Tatsache erinnern, daß ein englischer Politiker, MacDonald, am 3. September 1929 in einer Rede zur Europafrage und bei Ausführungen über die überstaatliche Organisation gesagt hat: „Die Zeit ist nicht reif. Wir müssen weiterhin zehn Jahre warten." Nach zehnjährigem Warten und zehnjähriger Versäumnis, den Europa - Gedanken vorwärtszutragen, brach im September 1939 der zweite Weltkrieg aus.
    Wollen wir das wiederholen? Nicht das Klügeln, nicht das Negieren, nicht das Verzögern und vor allem nicht das Zerreden wird uns vorwärtsbringen und die einzig mögliche Chance des Friedens sichern, sondern nur der offene Mut und das echte Bekenntnis zu Europa.

    (Sehr gut! bei der CDU.)

    Aus dieser Erkenntnis stimmt im Einklang mit der Partei die überwiegende Mehrheit der Bayernpartei-Abgeordneten dem Vertrag über die Europäische Verteidigungsgemeinschaft zu.

    (Beifall bei der Bayernpartei und den Regierungsparteien. — Abg. Rische: Sie sind der erste Freiwillige!)



Rede von Dr. Hermann Ehlers
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Reismann.


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    Rede von Dr. Bernhard Reismann


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FU)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Trotz Billigung der Grundkonzeption des Herrn Kanzlers und seiner Regierung, und obwohl das Zentrum in den Mittelpunkt seiner Bestrebungen auf dem Gebiet der auswärtigen Politik schon seit 1945 den Gedanken Europa stellt, obwohl auch für uns die Abwehr des Bolschewismus das oberste Gesetz unserer auswärtigen Politik sein muß und ist, — glaubt das Zentrum im Gegensatz zu den Ausführungen des Herrn Kollegen Besold, der für die Bayernpartei gesprochen hat, den Verträgen nicht zustimmen zu können.
    Auch wir wollen den Anschluß an den Westen. Gerade deswegen protestiere ich mit allem Nachdruck gegen die vereinfachende These, die der Herr Bundeskanzler aufstellte: „Wer gegen die Verträge ist, ist gegen Europa, und wer gegen Europa ist, ist für Stalin!" Das ist falsch! Das ist total falsch! Und nicht nur subjektiv, sondern,

    (Beifall bei der SPD — Widerspruch und Gegenrufe von der Mitte und rechts)

    Herr Bundeskanzler, um Ihre eigenen Worte zu gebrauchen und in Anlehnung an Oscar Wilde: da sind Sie von Ihrer eigenen Ebene heruntergestiegen, und da haben Sie eine Rede vollführt, die unter Ihrem Niveau liegt.

    (Beifall bei der SPD.)

    Herr Bundeskanzler, das ist das Niveau derer, die ich auch ablehne, die sagen: „Wer den Vertrag bejaht, bejaht den Krieg!" Auch das ist unrecht. Aber Sie dürfen sich nicht so weit vergessen und denen, die die Verträge ablehnen, schlechthin vorwerfen, daß sie den Bolschewismus unterstützten.
    Bedenken Sie einmal die Konsequenzen dieser Ausführungen für den Teil des Verfassungsgerichts, der aus rein rechtlichen Gründen sich auch einmal gegen Ihre Auffassung über die Rechtmäßigkeit und Verfassungsmäßigkeit stellen könnte.

    (Abg. Kunze: Das liegt auf einer anderen Ebene!)

    Es ist mit Sicherheit jetzt schon zu erkennen, daß ein Teil — ich will gar nicht sagen ein wie großer Teil — aber zum mindesten ein Teil der Richter des Bundesverfassungsgerichts Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit haben wird.

    (Abg. Kunze: Das ist doch ganz etwas anderes!)

    Wir können das in Ruhe abwarten.

    (Abg. Dr. Gerstenmaier: Wer fällt die politische Entscheidung? Das Verfassungsgericht? — Weiterer Zuruf von der CDU: Woher wissen Sie das?)

    — Warten Sie zunächst einmal ab, bevor Sie diesen Vorwurf auch gegen Mitglieder des Verfassungsgerichts richten.

    (Abg. Kunze: Das tun wir gar nicht!)

    Sie billigen uns guten Glauben zu, Herr Bundeskanzler. Aber schon die objektive Schilderung, die Sie gaben, scheitert daran, daß Sie eben die Frage der Verfassungsmäßigkeit außer Betracht lassen.
    Sie warfen dann denen, die nein sagen, und damit auch uns, vor, wir vergäßen, daß wir unter einer Besatzung leben, und wir übersähen, daß es sich um einen Schritt vorwärts handle. Das, verehrter Herr Bundeskanzler, ist nicht die Frage. Kein Mensch vergißt, daß wir nicht den Krieg, der verloren ist, nachträglich auf dem Papier gewinnen können. Aber es ist auch nicht richtig, wenn Sie sagen, wir seien nun ohnmächtig und wir ständen ohnmächtig den Siegern gegenüber, die alle Macht hätten. Sie erwähnten gleichzeitig auch den sowjetischen Druck. Und in der Tat, die Lehre von Korea und die militärpolitischen Erwägungen, und nicht diese allein, sondern ganz einfach der Zeitablauf sind die Momente, die nicht bloß bei den Verhandlungen in die Waagschale fallen, sondern die einfach nicht übersehen werden können.
    Ist es denn denkbar, daß noch, sagen wir, im Jahre 2000 oder zu irgendeinem anderen Zeitpunkt die Sieger von gestern sich immer noch auf das Besatzungsstatut und die totale Kapitulation berufen können? Ist es denn denkbar, daß man nach einer Art von Kolonialstatut, das man sich weder in Persien noch in Ägypten noch in Marokko noch irgendwo sonst in der Welt gefallen läßt, noch immer weiter hier qua Besatzungsstatut regiert? Das bedeutet positiv ausgedrückt: Allein der Zeitlauf bringt es über kurz oder lang, wenn nicht schon heute, mit sich, daß die Sieger von gestern in einen vertragsmäßigen Zustand mit uns kommen müssen; und dann wäre es schlecht, den gegenwärtigen Zeitpunkt zu wählen, den Zeitpunkt zu fixieren, wo, wie Sie glauben, es noch nicht möglich ist, eine volle Gleichberechtigung herauszuholen.
    Wir geben Ihnen in einem Punkt ganz unzweifelhaft recht: Man darf nicht kleinlich sein, man darf nicht das Letzte schon jetzt fordern. Das ist eben eine Folge des verlorenen Krieges. Aber wenn wir im großen die Frage der Gleichberechtigung behandeln, dann bleiben hier einige diskriminierende Vorbehalte übrig, einige diskriminierende Bestimmungen, die den Kern, die Gleichberechtigung der Verträge, treffen und die zu akzeptieren nicht nötig wäre, wenn man sich eben mehr Zeit und die Dinge reifen ließe.
    Und nun sagen Sie mit Recht, es bestünde dann
    Gefahr, daß diese Verhandlungen nicht zu
    Ende käme. Diese Verhandlungen so vielleicht nicht! Aber da zitiere ich Ihre eigenen Worte, Herr Bundeskanzler: „Auch dann, wenn etwa ein Nein das Ergebnis dieser Beratungen und Abstimmungen wäre, wären wir nicht am Ende der Weltgeschichte. Die Weltgeschichte geht auch nach der dritten Lesung und nach der zweiten Lesung weiter", und nach allen Erfahrungen würde man dann eben in Verhandlungen über die Einzelpunkte eintreten müssen, die uns Veranlassung zum Nein geben. Wenn — und das ist allerdings wichtig — nicht eine grundsätzliche Überlegung Grund der Ablehnung ist, wenn das einzige, was entgegensteht, die Gleichberechtigung Deutschlands ist und die Ausführungen sind, die Herr Kollege Bertram hinsichtlich der Wahrung der Rechte unserer eigenen Verfassung gemacht hat, dann läßt sich sehr sehr wohl mit den Partnern dieser Vertragsverhandlungen zu einem günstigeren Ergebnis kommen. Genau so, wie die Franzosen sich jetzt bemühen, in besonderen Verhandlungen mehr, anderes und bestimmte Festlegungen für sich zu erreichen, könnte das auch von unserer Seite aus sein, wenn nur rechtzeitig der Wille und der Wunsch des deutschen Volkes gehört würde und die Regierung den entsprechenden Aufforderungen Folge leistete, in solche Verhandlungen einzutreten.
    Der gegenwärtige Zeitpunkt, der nach dem Ergebnis der bisherigen Verhandlungen und nach Ihren Ausführungen kein anderes Ergebnis zu


    (Dr. Reismann)

    Tage fördern kann als das Festfrieren der bisherigen deutschen Unterlegenheit. die Verewigung des gegenwärtigen deutschen Tiefstandes, ist also nach Ihren eigenen Darlegungen noch nicht reif, noch nicht geeignet für den Abschluß dieser Verträge.
    Sehen wir uns deswegen die größten und die wichtigsten Hindernisse politischer Art aus diesem Vertragswerk an! Und wenn wir alles berücksichtigen, was nebenbei sonst noch eine Rolle spielen könnte, und was Herrn von Rechenberg heute morgen Veranlassung gab, darzulegen, daß wir von vornherein schon mit der Absicht an dieses Vertragswerk herantreten müßten. baldmöglichst eine Verbesserung zu erzielen, dann bleiben allein schon Gründe genug übrig, es abzulehnen.
    Aber lassen Sie mich mit wenigen Worten auf diese Überlegungen des Herrn von Rechenberg eingehen, der von vornherein mit dem Gedanken spielt, alsbald eine Abänderung herbeizuführen.
    Bei dem normalen Zeitablauf treten naturgemäß Umstände auf, die uns demnächst, weil neue Gesichtspunkte hinzugekommen sind, Veranlassung geben, eine Änderung des Vertragswerks zu verlangen. Wenn man aber in der Zeit, wo man das Vertragswerk genehmigt und ratifiziert, von vornherein Bedenken hat und von vornherein der Ansicht ist: Das kann nicht gehalten werden, das muß abgeändert werden, das ist untragbar für das Volk!, dann darf man erst gar nicht ratifizieren. Wir mögen das, was sich in Zukunft entwickelt, der zukünftigen Entscheidung und eventuellen Abänderung überlassen. Aber das, was heute schon vorliegt, muß in dem gegenwärtigen Zeitpunkt auch berücksichtigt werden. Es wäre nach meiner und nach unserer Auffassung nicht richtig. die Vorbehalte, die wir jetzt schon machen, auf die Zukunft zu verschieben.
    Wenn ich bei dem Vertragswerk von einzelnen Vorbehalten sprach, so fällt dabei zunächst die Überlegung ins Gewicht, daß wir hinsichtlich der Politik, die die Wiedervereinigung Deutschlands betrifft, an die Mitwirkung der Alliierten gebunden sind. Die Mitwirkung der Alliierten ist uns zwar in Aussicht gestellt; aber wer garantiert dafür, wann sie diese effektiv werden lassen? Wer garantiert dafür, daß sie nicht wegen ihres inneren Zwiespalts, der erklärlich wäre, wie eine Bremse wirken? Und wer garantiert dafür, daß sie nicht wegen der Verschiedenheit des Weges, auf dem sie und auf dem wir die Wiedervereinigung Deutschlands und die Regelung der Ostzone erreichen wollen, zu Differenzen mit uns kommen werden? Wir werden durch diesen Vertrag mediatisiert, und unsere Politik wird zwangsweise unselbständig. Wir haben nicht mehr die volle Macht, Art und Weise selber zu bestimmen, wenn wir hier folgen.
    Noch ein weiteres. Wir schneiden uns eine Verbesserung dieses Zustandes ab, indem wir für die Abänderung dieser Verträge im Gegensatz zu dem normalen Weg der Änderung mit Zeitablauf und der Möglichkeit, Verträge abzuändern, wenn sich inzwischen eine grundlegende Änderung der Verhältnisse herausgestellt hat, ausdrücklich vereinbaren, daß alle vier Mächte einer Änderung zustimmen müssen, wenn wir eine solche herbeigeführt haben wollen. Und ferner dadurch, daß das auch nur dann möglich ist, wenn bestimmte bedeutsame Ereignisse wie die Bildung eines einheitlichen Europas oder die vollzogene Wiedervereinigung oder Ereignisse von ähnlicher Schwere und Bedeutung voraufgegangen sind. Also der nor-
    malerweise ausreichende Wechsel der gesamten Zeitverhältnisse und Umstände reicht hierfür nicht aus. Auch das ist von großer Bedeutung.
    Sehr am Herzen liegt uns auch das Schicksal der zahlreichen Menschen, die immer noch in Kriegsgefangenschaft im Ausland sind, auch soweit sie unter dem Vorwand oder vielleicht unter der von der anderen Seite gutgläubig noch angenommenen Beschuldigung schwerer Vergehen zurückgehalten werden. Kein Wort über die echten Kriegsverbrecher! Aber wir müssen derer gedenken, die im Ausland festgehalten werden, ohne daß nach ungefähr acht Jahren ein Urteil über sie gesprochen ist. Wenn es bis jetzt noch nicht zu einem Urteil ausgereicht hat, dann sollte man sie nunmehr freilassen. Und wir müssen derer gedenken, bei denen das Urteil, in der ersten Zeit der Nachkriegspsychose erlassen, problematisch ist. Kein Wort über die echten Kriegsverbrecher, aber der anderen müssen wir gedenken. Im Gegensatz zu der Praxis der Friedensverträge seit 1648, die alle eine Bereinigung dieser Dinge und einen Generalpardon vorgesehen haben, im Gegensatz zu dieser jahrhundertealten Praxis wird hier ein Generalpardon, eine Generalbereinigung nicht vorgesehen.
    Vor allem aber — und das ist das Wichtigste — darf man nicht die Frage des Vorbehalts nach Art. 5, die Notstandsklausel übersehen. Diese Klausel ist in der Geschichte eines derartigen Vertrages, ja sogar in der Geschichte eines Friedensvertrages überhaupt etwas Erstmaliges, etwas Einmaliges. Es ist seit Jahrhunderten nicht mehr vorgekommen, daß der Feind von gestern sofort mit dem Friedensschluß der Verbündete von heute und morgen wird, und dem sollte man Rechnung tragen. Das geschieht aber nicht, und gerade in diesem Punkt zeigen sich das Fehlen der Gleichberechtigung und die Mangelhaftigkeit der Regelung der deutschen Interessen in diesem Vertrag. Der Art. 5 unterscheidet sich in wesentlichen Dingen von dem, was man zu seiner Rechtfertigung anführt. Es heißt, es handle sich hier um das Sicherungsrecht für die Truppen, um ein Sicherungsrecht, wie es als immanentes Notrecht das Völkerrecht für alle irgendwo in irgendeinem Lande stationierten Truppen schon vorsehe. Das trifft aber nicht zu; denn allein Art. 5 Abs. 7 regelt dieses immanente Notrecht, das keiner Regelung bedürfte, wenn es richtig wäre, daß es etwas Selbstverständliches sei. Wozu setzt man es dann in den Vertrag, wenn es schon zu den allgemein anerkannten Regeln des Völkerrechts gehört? Nein, man will mit dieser Regelung des Art. 5 des Deutschland-Vertrags oder Generalvertrags, gleichviel wie man ihn nennen will, mehr erreichen.
    Man will auch mehr erreichen, als der Art. 123 des EVG-Vertrages vorsieht. Der Art. 123 des E V G- Vertrages würde nach unserer Auffassung nicht zu beanstanden sein; denn hier wird die Regelung eines Notstandes erstens dem Rat übertragen, und in dem Rat sind wir vertreten. Zweitens setzt die Entscheidung des Rates in Notstandsfragen voraus, daß die Entscheidung einstimmig ergeht, und dann würde man uns nicht überstimmen können. Drittens ist eine Regelung, die der Rat dann trifft, beschränkt durch das Ziel der Gemeinschaft, die dabei ihre Interessen durchsetzen will, und begrenzt durch die Aufgaben der Gemeinschaft, während es der Notstandsartikel des Generalvertrags, Art. 5, allein auf die Interessen der Sicherheit der Truppen abstellt, die angeblich zu unserer Sicherheit hier im Lande sind.


    (Dr. Reismann)

    1 Nun haben wir gewisse Erfahrungen mit der Sicherheit. Wenn einmal ein Angriff aus dem Osten erfolgen sollte, dann richtet er sich natürlich in erster Linie gegen die Sicherheit dieser Truppen. Angesichts des allein in Betracht kommenden potentiellen Gegners ist doch klar, daß weder die Bundesregierung noch die Europäische Verteidigungsgemeinschaft allein eines solchen Notstandes Herr werden könnte. Es ist also schon wegen der Beistandspflicht Englands und Amerikas klar, daß der Notstandsfall des Art. 5 in seinen Voraussetzungen gegeben ist, und zwar schon dann, wenn ein solcher Angriff droht.
    Nun bitte ich zu bedenken: Eine solche Klausel, die Voraussetzung eines drohenden Angriffs, wurde in den Jahren 1946/47 bei den Verhandlungen mit der ägyptischen Regierung dem Lande Ägypten vorgeschlagen. Ägypten hat in einer bedeutend schwächeren Position, als wir es sind, seinerzeit abgelehnt, und auch dann war die Weltgeschichte nicht zu Ende, sondern es wurde weiter verhandelt. Man kam trotzdem zwischen den Partnern des damaligen Vertrags zu einem für beide Teile tragbaren Ergebnis. Warum sollte man nicht hier bei hartnäckigeren und besseren Verhandlungen ein besseres Ergebnis herausholen können?
    Aber ich darf in diesem Zusammenhang darauf hinweisen, daß ähnlich wie in Art. 123 des EVGVertrags in dem Art. 4 des NATO-Vertrags auch den dort Beteiligten bessere Bedingungen ausgehandelt sind. Nur und allein im Art. 5 des Deutschland-Vertrags oder Generalvertrags, in dieser Bestimmung allein wird Deutschland erschwerten und erschwerenden Voraussetzungen unterworfen, allein deswegen, weil man uns noch nicht als gleichberechtigt behandelt,

    (Sehr gut! bei der SPD)

    und allein im westlichen Interesse, im Interesse der
    Besatzungsmächte vorgeht, welche ihre Truppen
    daherschicken.
    Nun haben wir gerade gewisse Erfahrungen mit diesen Mächten vor Augen: wir haben die Erfahrungen der Nachbarländer. Denken Sie an die Erfahrungen von Belgien und Nordfrankreich bei dem Rückzug anläßlich des Vordringens der deutschen Truppen! Ohne eine Notstandsklausel wurde damals das immanente Notstandsrecht, das also bedeutend eingeschränkter ist als das hier vorliegende, gegen die einheimische Zivilbevölkerung im Interesse der Sicherheit der Truppen ausgenutzt. Hier geht aber das Recht sehr viel weiter. Es besteht sogar die Möglichkeit, daß für das gesamte Bundesgebiet der Notstand verkündet wird mit dem Erfolg, daß die Bundesregierung ungefähr in die Lage gedrückt wird wie die sogenannte Hoheitsregierung in Preußen bei dem Papen-Putsch im Jahre 1932. Daß diese Dinge nicht mehr mit Gleichberechtigung bezeichnet werden können, sollte jedem einleuchten. Daß diese Dinge untragbar sind, wenn man uns gleichzeitig auffordert, als angeblich Gleichberechtigte Europas Freiheit, unsere Freiheit und die der anderen mit zu verteidigen, auch das sollte einleuchten, Herr Bundeskanzler! Deswegen sind wir der Ansicht, daß man es dem deutschen Volke nicht zumuten kann, den Verträgen in der gegenwärtigen Fassung die Zustimmung zu geben.
    Gerade der Bündnisfall bringt uns in die Notlage, daß weder das deutsche Parlament noch die Bundesregierung irgendeine Bedeutung hat. Die
    Konsultativklausel ist praktisch wertlos. Sie besagt ja nicht mehr, als daß möglichst die Bundesregierung konsultiert werden soll. Aber was möglich ist, das bestimmen die anderen. Auch die Möglichkeit, an den NATO-Rat zu appellieren, ist wertlos, weil wir höchstens sehr indirekt und schwach und zu spät dabei zu Worte kommen, zunächst aber überhaupt nicht. Ich frage mich, und sage das im Namen des Zentrums im Bundestag: Was sollen denn diese Vorbehalte in einem Stadium, in einer Zeit und in einem Vertrag, wo der Auftakt für ein neues Europa gegeben werden soll?
    Wenn man uns Europa mitverteidigen lassen will, so geht es nicht anders als auf der Basis der Gleichberechtigung. Das hier können wir nicht als Gleichberechtigung, nicht als eine ausreichende Wahrung der Interessen des deutschen Volkes, des deutschen Landes ansehen.
    Es bleibt noch die Frage aufzuwerfen, wo und wie denn eigentlich verteidigt werden soll, eine Frage, die im Bundestag überhaupt noch nicht erörtert worden ist. Diese Frage will ich nicht zuletzt Ihrer besonderen Aufmerksamkeit anvertrauen. Nach dem, was immerhin bedeutende militärische Führer vor der ausländischen Presse seinerzeit publiziert haben, daß die Verteidigung ungefähr auf der Linie Antwerpen-Straßburg stattfinden soll, wäre das deutsche Volk überhaupt nicht daran interessiert. Allein solche Verlautbarungen sind von Übel. Denn man muß auch der psychologischen Situation Rechnung tragen. Und außerdem: Wenn man sagt, man kann die militärischen Geheimnisse nicht offenbaren — wenn man das als ein Geheimnis betrachtet —, warum dann diese Verlautbarungen? Es ist natürlich jedermann klar, daß man die Details nicht erfahren kann. Aber das es ein Bündnis gibt, in dem nicht die Garantie ausgesprochen wird, nach Möglichkeit das Gebiet des Teilnehmerstaats mitzuverteidigen, ist etwas Einmaliges und etwas Neues in der Geschichte. Wenn im Europarat die Vertreter gerade der westeuropäischen Länder in einer Resolution der letzten Sitzung allesamt und einmütig Befürchtungen in dieser Hinsicht ausgedrückt haben, Herr Bundeskanzler, so möge Ihnen das bedeuten, daß es nicht etwa bloß ein besonderes Anliegen der Opposition, nicht einmal allein ein Anliegen der Deutschen, sondern daß es ein westeuropäisches Anliegen ist, um das es hier geht,

    (Beifall bei der SPD)

    und daß wir die Verpflichtung haben, diese Gelegenheit zu benutzen, um die Sicherheit unseres Landes zu gewährleisten, nicht bloß einen Beitrag zur Sicherheit der anderen zu leisten. Solange diese Gewähr nicht offiziell gegeben ist, Herr Bundeskanzler, kann das Zentrum im Bundestag seine Zustimmung nicht geben.

    (Beifall beim Zentrum und bei der SPD.)