Ich habe aber auch den Auftrag, im Namen des Auswärtigen Ausschusses einen Entschließungsantrag zu begründen. Ich bitte daher um Nachsicht, wenn ich nun doch einige Ausführungen auch sachlicher Natur machen muß. Ich bitte auch um Nachsicht, wenn ich dabei einige Dinge sage, die vielleicht von den Herren Bausch und Schoettle wiederholt werden, und wenn ich etwas wiederhole, was von Herrn Kollegen Gülich schon gesagt ist. Das liegt ja in der Natur der Sache. Es haben sich sowohl der Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen wie auch der Haushaltsausschuß mit einigen finanziellen Problemen der Vertragswerke beschäftigen müssen.
1 Vgl. Anlage zur 240. Sitzung, Seite 11249 B
Die von der deutschen Bundesrepublik zu tragenden Ausgaben für die Verteidigung werden im Haushalt der Bundesrepublik bekanntlich nur in Form eines globalen Beitrags erscheinen. Es gibt also keine Einzelpositionen für Ausrüstung, Aufstellung usw. der deutschen Kontingente. Bezüglich der finanziellen Verpflichtungen der Bundesrepublik ist folgendes zu sagen. Unterstellt man, daß die Vertragswerke etwa bis zum 1. April ratifiziert sein sollten, so würde die Bundesrepublik gemäß dem Finanzvertrag für die Übergangszeit bis zum 30. Juni 1953, also für drei Monate, einen Betrag von je 850 Millionen DM zu zahlen haben. Nach diesem Zeitpunkt, also ab 1. Juli, würde der neue Beitrag nach dem sogenannten NATO-Verfahren festgesetzt. Das NATO-Verfahren sieht bekanntlich vor, daß das Exekutivkomitee der NATO nach vorgenommenen Untersuchungen und auf Grund von Verhandlungen mit den Mitgliedstaaten der EVG gutachtliche Äußerungen über die festzusetzende Höhe der Beiträge abgibt. Die festzusetzende Höhe ist abhängig von der Leistungsfähigkeit nach volkswirtschaftlichen Prinzipien und von der Abzugsfähigkeit gewisser Ausgaben, die im Interesse der Sicherheit geleistet sind.
Es ist dabei der einmütige Wunsch des Haushaltsausschusses, daß die Bundesregierung stärkstens bemüht bleibt, zu erreichen, daß sowohl bei der Festsetzung der Bruttobeiträge wie auch bei der Anerkennung der Abzugsfähigkeit die besonderen Belastungen Berücksichtigung finden, die die Bundesrepublik als unmittelbare oder mittelbare Kriegsfolgelasten stärker zu tragen hat als andere Länder. Ich nenne in diesem Zusammenhang z. B. nur das Flüchtlingsproblem, die Kriegsopferversorgung, die Ausgaben für Berlin usw.
Die Bundesregierung ist der Auffassung, daß der deutsche Verteidigungsbeitrag auch nach dem 1. Juli keinesfalls mehr als 850 Millionen DM pro Monat betragen wird, daß vielmehr erwartet werden kann, daß der Betrag unter dieser Summe bleiben wird. Der Bundesfinanzminister hat dabei seiner Überzeugung Ausdruck gegeben, daß diese Beträge ohne Erhebung neuer Steuern aufgebracht werden können.
Eine Minderheit des Ausschusses hat die Erklärung der Regierung nicht für ausreichend begründet angesehen. Es wird befürchtet, daß es zunächst und zumindest bei der Belastung von 850 Millionen DM pro Monat, also 10,2 Milliarden DM pro Jahr bleiben wird. Ich nehme an, daß Herr Kollege Schoettle diese Argumente noch etwas näher ausführen wird, so daß ich mich hier sehr kurz fassen kann.
Die Mehrheit des Ausschusses hat sich der Auffassung der Bundesregierung angeschlossen, sowohl hinsichtlich der Höhe der zu leistenden Beiträge wie auch hinsichtlich der sogenannten Außenhilfe, deretwegen von seiten der Opposition besondere Bedenken vorgebracht wurden. Die Mehrheit hat zum Ausdruck gebracht, daß eine Erhöhung der Leistungen der Bundesrepublik nur mit deren Zustimmung erfolgen kann, da die Einstimmigkeit der entsprechenden Beschlüsse vorgesehen ist. Hinsichtlich der Hilfe der Vereinigten Staaten folgte die Mehrheit den Argumenten der Regierung, daß es sich um eine bindende Zusage der Vereinigten Staaten handle. Wenn auch keine schriftlichen Abmachungen vorlagen, so sei die Zusage jedoch von verantwortlicher Stelle, nämlich vom Hohen Kommissar McCloy persönlich und auch gegenüber dem Herrn Bundeskanzler persönlich gemacht worden.
Zu dem festgesetzten Verteidigungsbeitrag in Höhe von 10,2 Milliarden DM pro Jahr tritt noch der Aufwand für sogenannte nicht-anerkannte Verteidigungskosten in Höhe von etwa 930 Millionen DM. ein Betrag, der sich im wesentlichen zusammensetzt aus Kosten für Räumung von Kasernen und Wiederansiedlung von verdrängten Personen, für Abgeltung von Besatzungsschäden und Belegungsschäden, für den Aufwand der Behörden der Verteidigungslastenverwaltung usw. Es wird von den Verhandlungen über die Festsetzung des deutschen Verteidigungsbeitrags ab 1. Juli 1953 abhängen, ob der Exekutivausschuß der NATO diese Kosten auf den Verteidigungsbeitrag anrechnen wird. Die Regierung hat den Haushaltsausschuß davon unterrichtet, daß sie sich in dieser Richtung bemüht und hofft, daß diese Bemühungen Erfolg haben.
Die Minderheit hat gewisse Bedenken gegen diese Aufrechnungen und Aufstellungen der Regierung. Man fürchtet, daß die eingesetzten Beträge zu niedrig sind und daß die effektiv aufzubringenden Beträge höher sein werden.
Zu den materiellen Auswirkungen der Verträge gehören auch noch die voraussichtlichen finanziellen Belastungen der Bundesrepublik aus dem Überleitungsvertrag. Dieser Betrag wird auf etwa 20,5 Milliarden DM geschätzt. Ich nenne in diesem Zusammenhang 15 Milliarden DM deutsche Auslandsschulden, 4 Milliarden DM Entschädigung für Opfer der nationalsozialistischen Verfolgung, 1,5 Milliarden DM innere Rückerstattung. Inwieweit und in welchem Zeitraum Zahlungen für diese Zwecke zu leisten sind, hängt von den noch zu erlassenden Gesetzen ab. Der Ausschuß war dabei aber der einmütigen Auffassung, daß es sich bei dem weitaus größten Teil dieser Lasten um solche handelt, die sich aus der Liquidation des Krieges ergeben und somit nicht als unmittelbare Folge der vorliegenden Vertragswerke angesehen werden können.
Die Minderheit des Ausschusses weist noch auf eine weitere mögliche Belastung des Bundeshaushalts hin, nämlich die, die durch Entschädigungsforderungen entstehen könnte, die sich aus dem in Teil 6 Art. 3 des Überleitungsvertrags ausgesprochenen Verzicht auf das deutsche Auslandsvermögen ergeben könne. Die Schätzungen schwanken sehr in Grenzen zwischen 15 und 20 Milliarden DM. Das Ausmaß einer später möglichen Belastung durch eine eventuelle Entschädigung ist vorläufig nicht zu schätzen.
Nun etwas, was in unmittelbarem Zusammenhang mit dem von mir zu begründenden Entschließungsantrag steht. Neben den materiellen Auswirkungen hat der Haushaltsausschuß auch die haushaltsrechtlichen Fragen geprüft. Die Minderheit des Ausschusses hat dabei die Besorgnis, daß nach Abschluß der Verträge Lasten entstehen, die in ihrem Umfang vom Bundestag nicht mehr beeinflußt werden können und eine fortlaufende Verpflichtung der Bundesrepublik darstellen. Besonders bemängelt wurde auch das Fehlen einer echten parlamentarischen Kontrolle im Rahmen der EVG.
Die Mehrheit des Ausschusses vertritt demgegenüber den Standpunkt, daß die Verfügungsgewalt auf deutscher Seite genau so groß oder genau so gering ist wie auf der anderen Seite, sowohl im Ministerrat wie im Kommissariat wie auch in der Versammlung. Es wurde geltend gemacht, daß entscheidende Beschlüsse nur einstimmig, also mit Zustimmung der deutschen Vertreter gefaßt werden können. Zudem weist die Mehrheit darauf hin, daß es sich nur um eine Übergangslösung handelt. Das auch von der Minderheit monierte Fehlen einer echten parlamentarischen Kontrolle könnte bald überwunden werden, wenn die in Art. 38 des EVGVertrages vorgesehene europäische politische Gemeinschaft bald begründet und wirksam würde. Einmütig war der Haushaltsausschuß aber der Auffassung, daß die parlamentarischen Rechte im Hinblick auf die Festsetzung und die Anerkennung des Verteidigungsbeitrags der Bundesrepublik auf alle Fälle, und zwar zu einem frühzeitigen Termin, gewahrt werden sollen. Ein diesbezüglicher einstimmiger Beschluß wurde vom Haushaltsausschuß gefaßt, den sich der Auswärtige Ausschuß zu eigen gemacht hat und Ihnen in Form eines Entschließungsantrags vorlegt, den Sie unter der Ziffer 5 im Anhang der Drucksache Nr. 3900 finden. Er lautet:
Die Bundesregierung möge zu den Vertragswerken folgende verbindliche Erklärung abgeben:
Der deutsche Vertreter im Ministerrat wird vor der endgültigen Beschlußfassung über das Haushaltsvolumen der EVG und die Aufteilung der Beiträge auf die Mitgliedstaaten das zugrunde liegende Zahlenmaterial mit dem zuständigen Ausschuß des Deutschen Bundestages erörtern.
Ich habe den Auftrag, Sie im Namen des Auswärtigen Ausschusses zu bitten, diesem Entschließungsantrag Ihre Zustimmung zu geben.