Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Da ich nicht die Hoffnung haben kann, daß Sie alle Zeit gefunden haben, die Berichte zu lesen
und sich dieser Mühe zu unterziehen, glaube ich, daß es vor allem notwendig ist, zunächst einmal darauf zu verweisen, daß bei den Bestimmungen, die sich mit der Wirtschaft und den wirtschaftlichen Folgen befassen, eine Reihe sehr schwerwiegender auseinanderlaufender Übersetzungen vorliegt. Sie finden in dem Bericht des Herrn Kollegen Fricke mehrere Stellen, in denen das mit Nachdruck dargelegt worden ist. Ich habe in dem Bericht für die Minderheit ebenfalls nicht daran vorbeigehen können, daß wir gegenüber dem englischen und dem französischen Text im Deutschen Formulierungen festgestellt haben, die an einigen sehr maßgeblichen Punkten den Eindruck erwecken, als ob die Verpflichtungen, die die Bundesregierung übernommen hat, geringer seien. Der Herr Berichterstatter Dr. Fricke hat mehrmals vermerkt, daß der Ausschuß für Wirtschaftspolitik den Wunsch geäußert hat, diese auseinanderlaufenden Übersetzungen in Übereinstimmung zu bringen. Das wird, glaube ich, technisch nicht möglich sein, weil die Verträge ja in allen drei Sprachen gültig sind. Wenn es sich also um die Feststellung handelt, ob eine Verpflichtung der Bundesregierung nach dem deutschen Text erfüllt, nach dem englischen und französischen Text jedoch nicht erfüllt ist, hat im Ernstfalle, wie uns gesagt worden ist, das Schiedsgericht zu entscheiden. Ich möchte doch das Hohe Haus und nicht zuletzt natürlich auch die Regierung, die diese Verträge unterschrieben hat, darauf aufmerksam machen, daß, wenn in zwei Texten, nämlich im englischen und französischen Text, Formulierungen enthalten sind, die eine schärfere Verpflichtung oder Bindung der Bundesrepublik aussprechen, das Schiedsgericht in diesem Fall, wo zwei Texte gegen einen deutschen stehen, wahrscheinlich zu Lasten und zuungunsten der Bundesrepublik entscheiden wird.
Ich habe mich in meinem Bericht, der Ihnen vorliegt und den Sie in der Drucksache Nr. 3900 von Seite 60 an lesen können,***) darauf konzentriert, nur die wichtigsten Punkte, die der Minderheit bei den langen Verhandlungen aufgefallen sind, zur Darstellung zu bringen. Ich habe bewußt darauf ver-
*) Vgl. Anlage zur 240. Sitzung, Seite 11216 A **) Vgl. Anlage zur 240. Sitzung, Seite 11218 C ***) Vgl. Anlage zur 240. Sitzung, Seite 11224 D
zichtet, alle Dinge zu erwähnen. Wir haben im Ausschuß für Wirtschaftspolitik — das ist etwas, was meines Erachtens das Haus wissen sollte —, je mehr wir uns mit der einen oder anderen Frage befaßt haben, festgestellt, daß die Formulierungen in den Verträgen weit größere Gefahren oder auch Unzulänglichkeiten oder Ungenauigkeiten enthalten, als es zunächst den Anschein hatte. Die Minderheit, d. h. wir Sozialdemokraten haben dabei besonders auf das Gebiet Wert gelegt, bei dem es sich um die Menschen handelt, die von diesen Verträgen betroffen werden. Vom Berichterstatter Dr. Fricke ist schon kurz darauf hingewiesen worden, daß wir bei der Frage der Verpflichtung, die die Bundesregierung hinsichtlich der Beschaffung der Arbeitskräfte hat, auf eine ganze Fülle sehr schwerwiegender ungeklärter und unbefriedigend gelöster Probleme gestoßen sind. In Art. 37 des Truppenvertrags ist festgelegt, daß die Bundesrepublik verpflichtet ist, sicherzustellen, „daß der sich im Bundesgebiet ergebende Bedarf der Streitkräfte . insoweit befriedigt wird, als dies für die Erfüllung ihrer Verteidigungsaufgabe erforderlich ist". In Abs. 2 haben wir die Formulierung, daß die Bundesrepublik dafür Sorge trägt, daß den Streitkräften die benötigten und geeigneten zivilen Arbeitskräfte durch die zuständigen deutschen Stellen vermittelt werden. In einer langen Diskussion ist nicht einwandfrei geklärt worden — und es hat auch gar nicht einwandfrei geklärt werden können —, inwieweit diese Formulierungen des Vertrags der Bundesrepublik zwingende Verpflichtungenauferlegen. Es bestand eben gerade an dieser Stelle die Schwierigkeit, daß sowohl der französische als auch der englische Text Formulierungen enthalten, die die Sozialdemokraten zu der Auffassung gebracht haben, es könnten Dienstverpflichtungen
möglich werden, es bestehe also die Gefahr, daß wir ein Dienstverpflichtungsgesetz bekommen. Ich möchte durchaus keinen Zweifel darüber lassen, daß die Regierungsvertreter zwar erklärt haben, die Bundesregierung habe eine solche Absicht nicht. Es dreht sich aber bei der Auslegung und bei dem Ergebnis, das die Verträge haben, keineswegs darum, ob die Bundesregierung eine gute oder schlechte Absicht hat, sondern es dreht sich darum, festzustellen, ob aus dem Text der Verträge und aus den Formulierungen, die darin gefunden worden sind, die Bundesregierung — unter Berücksichtigung der sprachlichen Abweichungen — verpflichtet werden kann, solche Dienstverpflichtungen aus der Automatik der Verträge heraus eventuell in einem Gesetz festzulegen. Was das für jeden einzelnen Menschen bedeutet, brauche ich, glaube ich, nicht lange auszuführen. Die deutschen Arbeiter und Angestellten haben aus dem letzten Krieg noch genügend bittere und trübe Erfahrungen.
Wir haben die Tatsache zu verzeichnen, daß die Regierungsvertreter bei den Verhandlungen im Ausschuß für Wirtschaftspolitik zugegeben haben, daß das Vorhandensein von Gesetzen über eine Dienstpflicht in den alliierten Ländern dazu führen könne, daß die Partner des Generalvertrags von Deutschland eine ensprechende Gesetzgebung verlangen könnten. Das ist festgestellt worden, und es scheint mir doch außerordentlich wichtig, darauf hier nachdrücklich hinzuweisen.
Bezüglich der gemischten Kommission haben wir vor allem festgestellt, daß die Einsetzung dieser gemischten Kommission und die Befugnisse, die man ihr gegeben hat, bedenkliche und gefährliche Nachteile für die deutschen Arbeitnehmer in den Dienstgruppen und in den Gruppen der Arbeitskräfte bei den Truppen haben. Es ist eine außerordentlich weittragende Folge der. Vertragsbestimmungen — wenn wir bedenken, welche Rolle und welches Gewicht die deutschen Arbeitsgesetze haben —, daß durch die Entscheidungen der gemischten Kommission die Tatsache eintreten kann, daß den deutschen Arbeitsgerichten zugemutet wird, gegebenenfalls Urteile verkünden zu müssen, die zum mindesten zum Teil auf reinen Verwaltungsentscheidungen beruhen, und daß diese Verwaltungsentscheidungen als fest gegebene und nicht nachprüfbare Tatsachen vorhanden sind.
Ich kann mich darauf beschränken, mit wenigen Worten darauf hinzuweisen, daß es auch im Hinblick auf die Situation der deutschen Gewerkschaften und auf die Gesetze, die wir zur Frage der Betriebsvertretung haben, außerordentlich bedenklich ist, daß durch den Generalvertrag bzw. durch den Truppenvertrag die Rechte der deutschen Beschäftigten bei den Truppen stark eingeschränkt sind. Es wird lediglich konzediert, daß sich Betriebsräte bei diesen Formationen bilden können. Wenn sie sich bilden, dann haben sie nur das sehr bescheidene Recht, in Zweifelsfällen und in Klagefällen „gehört" zu werden. Die Rechte sind also wesentlich geringer und gegenüber dem deutschen Recht sogar sehr stark eingeschränkt.
Als nächstes ergab sich, wiederum aus der Behandlung dieser Fragen, eine Tatsache, die uns besonders bedenklich zu sein scheint, weil sie für das ganze deutsche Arbeitsrecht sehr nachhaltige Auswirkungen haben könnte. Das ist die Tatsache, daß die Tarifverträge — man nehme sich einmal den Art. 44 Abs. 5 a des Truppenvertrags vor — lediglich zweitrangige oder nachrangige Bedeutung haben. Es erscheint mir notwendig, als Ergänzung zu den Berichten über die Arbeiten des Ausschusses für Wirtschaftspolitik hier festzustellen, daß die Regierungsvertreter zugegeben haben, daß es nicht gelungen sei, die Anwendbarkeit des deutschen Arbeitsrechts uneingeschränkt durchzusetzen. Ich lasse dahingestellt, wieweit sie sich Mühe gegeben haben, dieses Ergebnis besser zu gestalten. Es bleibt hier lediglich für den Berichterstatter festzustellen, daß das deutsche Arbeitsrecht in beträchtlichen Teilen durch diese Verträge demoliert wird.
Ich habe durchaus die Absicht, den vorhergehenden Berichterstatter als Vorbild zu nehmen, der nur sehr kurz zu einigen Fragen gesprochen hat. Ehe ich auf einen zweiten Komplex komme, der uns lange und intensiv beschäftigt hat, muß ich zunächst darauf hinweisen, daß es leider nicht möglich gewesen ist, den Herrn Bundeswirtschaftsminister im Ausschuß für Wirtschaftspolitik einmal persönlich zu haben, um ihn selber fragen zu können.
Er hatte uns einmal zugesagt zu erscheinen, aber an diesem Tage ist dann sein Kommen durch wichtige andere Besprechungen nicht möglich gewesen. Das hätte nach Auffassung der Minderheit dadurch wiedergutgemacht werden können, daß der Ausschuß für Wirtschaftspolitik die Sitzung, die er diesem Zweck zu widmen gedachte, vertagt hätte; aber die Mehrheit im Ausschuß war nicht geneigt, die-
sem Wunsche der Minderheit zu entsprechen. Es bleibt also ein Faktum, daß bei den sehr weittragenden und sehr schwerwiegenden wirtschaftspolitischen Fragen, die der Ausschuß diskutiert hat, die Stimme des Bundeswirtschaftsministers niemals zu hören gewesen ist.
— Das ist sehr wichtig, da haben Sie völlig recht, Herr Kollege; denn es sollte doch eine gute demokratische Regel sein, daß sich die verantwortlichen Ressortminister bei solchen Verträgen, die soviel Verantwortung aufbürden, den Ausschüssen zu Frage und Antwort stellen.
Nachdem wir in den vielerlei Verträgen und an sehr unterschiedlichen Stellen erst einmal zusammengeholt hatten, was alles aus diesen Verträgen für die Wirtschaft in ihrem Zusammenhang mit der Finanzpolitik erwächst, kam das zweite große Problem, mit dem sich der Ausschuß für Wirtschaftspolitik zu befassen hatte. Deshalb habe ich auch erwähnt, daß wir es bedauert haben, den Herrn Bundeswirtschaftsminister niemals zur Behandlung dieser Fragen im Ausschuß gesehen zu haben. Wir haben natürlich vor allem die Aufgabe gehabt, festzustellen, welche wirklichen wirtschaftlichen Lasten aus diesen Verträgen entstehen. Wir hatten die Frage zu prüfen und nach Möglichkeit zu beantworten, welche Belastungen — auch auf Grund der Dienstleistungen, die in den Verträgen festgelegt sind — an die Wirtschaft herankommen. Ich bedaure, feststellen zu müssen, daß eine Beantwortung dieser Fragen, die es uns ermöglicht hätte oder ermöglichen könnte, ein wirkliches Bild der Belastungen zu gewinnen, nicht gegeben worden ist und nicht erzielbar war.
Ich glaube, es ist meine Pflicht als Berichterstatter, darauf hinzuweisen oder klarzustellen, warum das nicht möglich war. Es scheint der Bundesregierung in der Tat entweder nicht möglich zu sein, Angaben zu machen, oder es scheinen Hemmungen vorzuliegen, Angaben zu machen, die ein klares Bild ergeben. Wir haben im Ausschuß für Wirtschaftspolitik eine außerordentlich überraschende Feststellung machen müssen; die Kollegen, die dabei waren, werden sich dessen genau entsinnen. Es drehte sich um die Frage, welche Vorstellungen die Bundesregierung — und in diesem Falle wäre eben der Bundeswirtschaftsminster erwünscht gewesen — im Hinblick auf die konjunkturelle Weiterentwicklung hat, wenn diese Verträge ratifiziert und in Kraft gesetzt werden sollten. Es hat sich dabei herausgestellt, daß bei Teilen der Wirtschaft, vor allem auch in den Kreisen der Banken — das ist im Ausschuß nicht direkt gesagt worden —, sehr große Erwartungen auf Rüstungsaufträge oder Dollaraufträge bestehen. Der Vertreter der Dienststelle Blank oder der Kollege Blank persönlich hat uns im Ausschuß gesagt, daß er sehr vorsichtiger Auffassung sei, ja, daß seiner Meinung nach weder eine starke konjunkturelle Entwicklung zu erwarten sei, noch irgendwie Hoffnungen auf einen wirtschaftlichen Aufschwung gehegt werden könnten, der etwa neue Investitionen mit sich bringen könnte. Wir haben auf der anderen Seite in dem offiziellen Dokument — und diese Fragen sind alle im Ausschuß für Wirtschaftspolitik wenigstens in der Diskussion angeschnitten worden —, die Tatsache zu verzeichnen, daß die Bundesregierung bei ihrer Vorstellung, die wirtschaftlichen und auch die finanziellen Lasten dieser Verträge könnten auf Grund der Zuwachsrate zum Sozialprodukt ohne Schwierigkeiten geleistet werden, erklärt, sie habe die konjunkturelle Befruchtung der Wirtschaft nach dem Inkrafttreten des EVG-Vertrages bei ihrer Rechnung, daß im nächsten Jahr das Sozialprodukt um 4 % wachsen würde, bereits berücksichtigt. Es bleibt die bedauerliche Tatsache bestehen, daß wir keine einheitliche Auffassung der Regierung bekommen haben. Offensichtlich scheinen die einzelnen Ministerien oder die einzelnen Ressorts die Frage, welcher wirtschaftliche Auftrieb oder welche wirtschaftliche Schädigung oder welche wirtschaftliche Belastung aus den Verträgen entsteht, nicht einheitlich zu beurteilen.
Ich habe in meinem Bericht darauf hingewiesen, daß eine sehr beachtliche Frage aus den Bauleistungen und den Verpflichtungen zu Bauleistungen im EVG-Vertrag und im Generalvertrag entsteht. Es scheint mir eine überaus bezeichnende Tatsache zu sein, daß der Vertreter einer Regierungsstelle uns gesagt hat, das Bauprogramm im ersten Jahr, in dem der EVG-Vertrag in Kraft treten würde, werde einen Umfang von etwa 2,5 Milliarden DM haben, während kurz darauf in derselben Sitzung der Vertreter eines anderen Minsteriums, nämlich des Finanzministeriums, erklärt hat, dieser Betrag sei zu niedrig, man müsse 3,3 Milliarden DM einsetzen. Das war eine Differenz von 800 Millionen DM in dem kurzen Zeitmoment von 10 Minuten Diskussion im Ausschuß für Wirtschaftspolitik. Und wenn bei so entscheidenden Fragen die Auffassungen verschiedener Ministerien oder Stellen der Bundesregierung so weit auseinanderlaufen,
dann bleibt verständlich, warum die Minderheit gegenüber den echten Wirkungen wirtschaftlicher Natur, die aus diesen Verträgen entstehen, ein außerordentlich unbehagliches und ungemütliches Gefühl hat.
Wir haben uns schließlich — das hat der Herr Berichterstatter mit der Erinnerung an die Schreiben, die wir bekommen haben, erwähnt — im Ausschuß für Wirtschaftspolitik einem letzten großen Problem zugewandt, nämlich der Frage der strukturellen Arbeitslosigkeit und ihrer Behebung. Das ist die Frage, wie sich durch die Verträge und durch die wirtschaftliche Entwicklung, die sich aus diesen Verträgen quasi zwangsläufig ergibt, die Stellung der an sich schon notleidenden Gebiete entlang dem Eisernen Vorhang gestalten wird. Wir hätten auch dazu den Herrn Bundeswirtschaftsminster gern persönlich gehört. Wir hatten ihn gebeten, zu kommen.
— Schön, Herr Naegel! Unser Vorsitzender im Ausschuß sagt, der Herr Staatssekretär Westrick war da. Das weiß ich auch. Aber zu diesen Dingen hätten wir eben gern den Bundeswirtschaftsminister als den verantwortlichen Mann gehört, womit ich nichts über die Tüchtigkeit seines Staatssekretärs ausgesagt haben möchte.
Das ist eine Frage der parlamentarischen Usance, des parlamentarischen Benehmens untereinander, und ich glaube, es sollte — ernsthaft gesprochen —doch in diesem Hause niemanden geben, der irgendeinem Ausschuß oder der sozialdemokrati-
schen Minderheit das Anliegen verwehren könnte, den Minister zu hören.
— Wenn Ihnen diese Bemerkung nicht paßt und
Sie glauben, sie gehöre nicht in den Ausschußbericht, den ich hier zu geben habe, dann möchte ich
Ihnen empfehlen, mich nicht mit dummen
Zwischenrufen zu solchen Äußerungen zu nötigen.
Wir haben uns also — um zur Sache zurückzukommen — mit den Fragen befaßt und haben versucht, festzustellen, ob sich die Regierung bzw. der Bundeswirtschaftsminister der Tatsache bewußt ist, daß aus diesen Verträgen eine starke Benachteiligung der Grenzgebiete entstehen kann. Wir haben eine schriftliche Antwort bekommen, die auch nach der Diskussion, die wir auf Grund der schriftlichen Antwort dann im Ausschuß gehabt haben überaus unbefriedigend geblieben ist. Die sozialdemokratische Minderheit hat daher das Gefühl oder ist, möchte ich beinahe schon sagen, überzeugt, daß die Inkraftsetzung dieser Verträge zu einer weiteren wirtschaftlichen Notlage unter Verschärfung der Situation führen wird, die bereits jetzt in den Grenz- und Notstandsgebieten besteht.
Als vorletztes bleibt mir dann noch eine Frage, auf die ich auch in meinem Schriftlichen Bericht hingewiesen habe, die Frage nämlich der Sicherung der Währung. Sie werden, meine Damen und Herren, falls Sie Zeit gefunden haben, die Berichte nachzulesen, festgestellt haben, daß das, was wir im Ausschuß für Wirtschaftspolitik behandelt und zu klären versucht haben, sich sehr weitgehend mit Fragen berührt, die auch im Finanzausschuß und im Haushaltsausschuß zur Diskussion gestanden haben. Es bestand im Ausschuß das völlig normale Verlangen, irgendwie zu klären, welche Belastung auf uns zukommt. Im Zusammenhang mit dieser Belastung und mit den Verpflichtungen der Bundesregierung war es natürlich dringlich, sich der Frage zuzuwenden, ob diese Verträge und die Folgen, die sich aus ihnen ergeben, die Sicherheit und 'die Festigkeit unserer Währung gefährden könnten. Es war für uns immerhin etwas überraschend, daß wir auf die Frage, 'welcher Ausschuß und wann man sich denn mit der Bank deutscher Länder einmal darüber unterhalten habe, feststellen mußten, daß erst durch das Anliegen der sozialdemokratischen Minderheit im Ausschuß für Wirtschaftspolitik schließlich die Bank deutscher Länder zu einer Äußerung aufgefordert wurde.
Wir haben die Antwort des Herrn Präsidenten Bernard schriftlich bekommen, und er hat uns einen guten Fachmann zur Diskussion seiner Stellungnahme in den Ausschuß geschickt. Es ist nach Auffassung der sozialdemokratischen Minderheit überaus beachtlich, daß man in dem Brief, den Herr Dr. Fricke vorhin mit erwähnt hat, folgendes liest:
Bei einer Stellungnahme
— das sind die Worte des Herrn Präsidenten Bernard, des Präsidenten des Zentralbankrats der Bank deutscher Länder —
zu dem finanziellen Teil des EVG-Vertrages
kann die Notenbank im Hinblick auf zahlreiche
unbekannte Größenordnungen und im Hinblick auf die ungewissen, weitgehend von der Weltkonjunktur abhängigen Entwicklungstendenzen der Zukunft nicht mit voller Sicherheit erklären, ob die dem EVG-Vertrag entspringenden Verpflichtungen in federkonkreten Situation immer und unter allen Umständen mit dem Erfordernis der inneren finanziellen Stabilität und mit der Aufrechterhaltung des Zahlungsbilanzgleichgewichts vereinbar sein werden.
Das ist sogar noch sehr vorsichtig-diplomatisch gesagt. Das Hohe Haus sollte sich jedenfalls, wenn es sich entschließen will, diese Verträge zu ratifizieren, darüber im klaren sein, daß ganz offensichtlich auch nach Meinung unserer obersten Instanz für die Währungspolitik hier Risiken eingegangen werden, die nicht leicht zu nehmen sein werden.
Nun, wir haben, wie ich schon sagte, keine Vorstellung bekommen können, und die Bundesregierung hat uns diese Angaben entweder nicht machen können oder nicht machen wollen, welche Belastungen nun tatsächlich entstehen. Wenn Sie die Berichte vergleichen, werden Sie feststellen, daß auch der Haushaltsausschuß und der Finanzausschuß sich bemüht haben, darüber Klarheit zu bekommen. Ich will gern konzedieren, daß Formulierungen -einzelner Bestimmungen, die mit der Wirtschaftspolitik zusammenhängen, sehr dehnbaren Charakter haben. Wir haben u. a. die eine Bestimmung, die da lautet, daß nur „schwere Wirtschaftsstörungen" vermieden werden sollen, was ja wohl ohne weiteres die Schlußfolgerung zuläßt, daß man mit einer Fülle oder jedenfalls mit einer Reihe von kleineren Wirtschaftsstörungen ohne weiteres rechnet, ohne daß aus dem Vertrag auch nur andeutungsweise festgestellt werden konnte, wann eine schwere Erschütterung oder eine schwere Belastung der Wirtschaft entsteht, die vielleicht dann das Kommissariat dazu veranlassen könnte, seine Politik zu ändern.
Aber das allein sind natürlich nach Auffassung der Minderheit nicht ausreichende Gründe dafür, daß die Bundesregierung sich überhaupt weigert oder geweigert hat, bestimmte Angaben zu machen, nämlich einmal die Vorstellung zu entwickeln, was nun eigentlich in der Bundesrepublik an neuen wirtschaftlichen Tatbeständen geschaffen wird und in welche wirtschaftliche Position die Bundesrepublik gekommen ist, wenn dieser Vertrag abgewickelt ist. Sie ratifizieren ja diese Verträge, weil Sie offensichtlich davon überzeugt sind, daß dieses Programm notwendig ist und auch durchgeführt wird. In dem Dokument, das die Bundesrepublik an die OEEC nach Paris geschickt hat, ist das klar angedeutet.
Es gibt natürlich bestimmte Merkmale und bestimmte Größenordnungen, die meines Erachtens die Bundesregierung auch kennt, aber an deren Deutung oder Auswertung sie nur mit großem Unbehagen oder überhaupt nicht herangehen möchte. Wir haben auf Grund der Abkommen, die in Lissabon getroffen worden sind, den Tatbestand, daß für die EVG-Gemeinschaft in den nächsten fünf Jahren ein Gesamtbetrag von etwa 200 Milliarden DM zur Verfügung gestellt oder investiert werden soll. Wir wissen andererseits — das geht auch aus den Berichten hervor, die seitens des EVG-Ausschusses und anderer Ausschüsse gegeben
worden sind —, daß die Bundesrepublik in diesem EVG-Gefüge, das da aufgebaut werden soll, ein Schwergewicht von etwa 34 bis 35 % hat. Es ist uns außerdem bekannt — das sind die Überlegungen, die uns nach der wirtschaftlichen Belastung hin die Argumente geben —, daß ungefähr 45 % dessen, was man ausgeben muß, um die EVG auf die Beine zu stellen, auf die Bewaffnung und das schwere Gerät entfallen. Ich will jetzt, wenn wir uns überlegen oder die Frage zu klären versuchen, was auf uns, die deutsche Wirtschaft, zukommt, ganz dahingestellt sein lassen, wieweit es zutreffend ist oder nicht, daß die Amerikaner bereit sind, nun das Material zu liefern und gewissermaßen permanent das in den Topf hineinzugießen, was aus der eigenen Wirtschaftskraft vielleicht in diesem EVG-Topf nicht vorhanden sein wird. Ich halte es jedoch für völlig utopisch, etwa unterstellen zu wollen, daß die Amerikaner in diesen vier bis fünf Jahren die 45 %, die die Bewaffnung ausmacht, liefern; denn das würden in fünf Jahren 90 Milliarden DM oder 21 Milliarden Dollar sein. Ich glaube, man sollte mit solchen Hoffnungen oder Größenordnungen gar nicht erst zu rechnen beginnen.
Solche Rechnungen führen also nicht weiter. Aber eine andere Rechnung bringt uns eine Größenordnung, und zwar die Größenordnung für die wirkliche Belastung der Wirtschaft. Wenn der Plan durchgeführt ist, dann ergibt sich nämlich, daß wir 450 000 bis 500 000 Mann in dieser Armee haben. Wir wissen — das ist unbestritten von allen Fachleuten gesagt worden —, daß heute die Unterhaltung eines Mannes etwa 8000 DM im Jahr kostet. Es ist ein einfaches Rechenexempel, daß dann die Unterhaltung dieser Armee von etwa 500 000 Mann — wobei sie nicht alle mit Tanks fahren oder schießen sollen, sondern auch andere Dinge zu tun haben — allein eine feste Kostengröße von 4 Milliarden DM im Jahr für die Bundesrepublik bringt.
Wenn aber die Armee schlagfähig sein soll, muß selbstverständlich die moderne Bewaffnung modern erhalten bleiben. Die Fachleute haben uns im Ausschuß für Wirtschaftspolitik, als wir nach diesen Dingen gefragt haben, gesagt, man müsse damit rechnen, daß die moderne Bewaffnung jedes dritte Jahr praktisch Schrottwert besitze. Das heißt, man muß die Bewaffnung und Ausrüstung der Truppe zu einem Drittel ungefähr jedes Jahr erneuern. Wenn Sie das in die Größenordnungen einbauen — und ich frage mich eben, ob die Regierungsvertreter und auch die Herren im Bundesfinanzministerium nicht irgendwann einmal solche Rechnung auch aufgemacht haben —, wenn Sie diese Größenordnung kennen, dann kommen Sie nämlich zu der Feststellung, daß Sie, wenn diese Armee steht und sie als echte Hypothek auf der Wirtschaft und auf den Finanzen der Bundesrepublik lastet, im Jahr etwa mit 14 bis 141/2 Milliarden DM rechnen müssen.
Gerade wenn wir von der wirtschaftlichen Seite die Dinge ansehen: jedem von uns ist bekannt, daß es einen Begriff gibt, den man „fixe Kosten" nennt, und daß die fixen Kosten in Unternehmen, vor allem auch in großen Unternehmen, eine beachtliche Rolle spielen, weil sie nämlich auch dann bleiben, wenn die Produktion sinkt und die wirtschaftlichen Verhältnisse und die Konjunkturlage sich verschlechtern. Diese Belastung von etwa 141/2 Milliarden DM — ganz offengelassen die Frage, wer erst einmal die Waffen für die Truppen geliefert hat und wer das bezahlen muß; das sind
70 Milliarden DM —, diese Hypothek der fixen Kosten in der Größenordnung von 14 1/2 Milliarden DM wird auf der Wirtschaft und auf den Finanzen der Bundesrepublik fest liegenbleiben. Ich bitte Sie — und auch die Vertreter der Regierung —, sich einmal zu überlegen, was das bedeutet, wenn die Aufwärtsentwicklung der Wirtschaft — —
— Ich bin mit wenigen Sätzen zu Ende.