Rede von
Hans
Merten
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das wollen wir eben mit unserem Antrag vermeiden.
Meine Fraktion gibt der Hoffnung Ausdruck, daß derartige Verhandlungen möglichst bald beginnen und vor allen Dingen die Weißbücher über die einzelnen Gewahrsamsländer bald veröffentlicht werden. Schon das Friedensbüro beim Länderrat in Stuttgart hatte die Vorbereitungen hierfür getroffen. Aber seit 1949 ist nicht mehr weitergearbeitet worden. Ich habe Mittel dafür im Haushalt des Bundes auch nicht entdecken können.
Wir fordern nicht nur die Anerkennung der Leistungen der Kriegsgefangenen durch die Gesetzgebung des Bundes, sondern wünschen, daß sich die Bundesregierung gegenüber den Gewahrsamsstaaten stärker als bisher für die Wahrung der Rechte der Kriegsgefangenen einsetzt. Das ist mit Ziffer 2 unseres Antrags gemeint, worin die Anerkennung dieser Arbeit auch durch die Gewahrsamsstaaten gefordert wird.
Meine Damen und Herren, sehr viele werden sich die Frage vorgelegt haben: Ja, wieviel Heimkehrer sind es denn nun eigentlich, die durch diese Gesetze erfaßt werden sollen? Und da müssen einige sehr unangenehme Feststellungen getroffen werden. Es weiß z. B. heute noch kein Mensch, wieviel Kriegsgefangene in den Jahren 1945 oder 1946 aus der Kriegsgefangenschaft entlassen worden sind. Die Ausrottung des Militarismus in Deutschland durch die Besatzungsmächte wurde damals derartig gründlich betrieben, daß es sogar den deutschen Behörden verboten war, die entlassenen Kriegsgefangenen auch nur zu zählen, geschweige denn zu registrieren. Die chaotischen Zustände, die durch die völlig unsystematische Entlassung, durch die völlig unsystematische Demobilisierung entstanden sind, haben uns bis zum heutigen Tage in ihren Folgen noch zu beschäftigen. Von einer geordneten Demobilisierung der Millionenmassen der deutschen Soldaten konnte gar keine Rede sein, und ein großer Teil der Heimkehrernot von heute hat seine Ursachen in den chaotischen Zuständen von damals.
Erst im Jahre 1947 ist es möglich gewesen, einmal halbwegs vernünftige Heimkehrerzahlen zu erhalten und eine Kontrolle über diesen Strom auszuüben. Es kehrten 1947 ins Bundesgebiet zurück 219 000 Kriegsgefangene, 1948 470 000, 1949 300 000, 1950 48 000 und 1951 4 000. Damit sind rund eine Million registriert. Aber in den Jahren 1945 und 1946 sind mindestens 4 bis 5 Millionen vollkommen unkontrolliert in das Bundesgebiet eingeströmt.
Denken Sie bitte daran, daß allein aus innerfranzösischen Lagern rund 150 000 Kriegsgefangene entflohen sind, davon die Hälfte glücklicherweise mit Erfolg. Die Zahl der Kriegsgefangenen aus amerikanischen Lagern, die auf dem Wege der Selbstentlassung verschwunden sind, liegt ebenfalls weit über 100 000. Sehr viele haben keinerlei Papiere. Die Bundesregierung kennt diese Tatsache. Sie ist auf sie hingewiesen worden, ebenso wie sie bereits vor über einem Jahr durch den Bundestag auf diese Angelegenheit der Entschädigung hingewiesen worden ist. Es ist jedoch nichts geschehen, was Anspruch auf die Bezeichnung „umfassende Regelung" erheben könnte, und gut gemeinte Absichten einzelner Ressorts sind einfach im Streit über die Zuständigkeit steckengeblieben.
Der Antrag der CDU, um noch einmal kurz auf ihn zurückzukommen, will diese ganze Angelegenheit als Ergänzung des Heimkehrergesetzes geregelt haben. Ich könnte in diesem Zusammenhang, insbesondere was die Existenzaufbauhilfen anbetrifft, ebendieselbe Fraktion fragen, warum sie denn nicht bei der Behandlung des Lastenausgleichsgesetzes dafür gesorgt hat, daß die Heimkehrer in die Überleitungsvorschriften mit hineingekommen und den politisch Verfolgten gleichgestellt worden sind. Es lagen gut ausgearbeitete Anträge darüber vor, und die Gewährung der Existenzaufbauhilfe nach dem Soforthilfegesetz hätte auch in Zukunft stattfinden können. Es wäre damals viel einfacher gewesen, das im Rahmen des Lastenausgleichsgesetzes zu regeln, als es jetzt in ein Heimkehrergesetz hineinzunehmen, wo es auf keinen Fall hineingehört, da dieses einen völlig anderen Charakter hat. Nach der Verabschiedung des Lastenausgleichsgesetzes ist es jetzt viel komplizierter, eine befriedigende Lösung zu finden.
Das Anliegen, das wir haben und das auch im Antrag der FDP zum Ausdruck kommt, kann man nicht einfach durch eine Novelle regeln. Denn es geht ja hier gar nicht um Hilfsmaßnahmen für in Not befindliche Heimkehrer oder um die Behebung besonderer Notstände, sondern es geht um die Regelung einer Frage, die nun einmal alle ehemaligen Kriegsgefangenen angeht, ganz einerlei, ob sie im Augenblick hilfsbedürftig sind oder nicht. Es geht um die Regelung von Leistungen und Rechtsansprüchen, die jeder Kriegsgefangene hat und die nicht von irgendeinem Grad der Hilfsbedürftigkeit abhängig gemacht werden dürfen.
Ich will auf die völkerrechtlichen Zusammenhänge dieser Frage nicht näher eingehen. Sie sind hier bereits von meinem Freund Pohle kurz angedeutet worden. Im übrigen wird sich ja der Ausschuß noch mit dieser Frage zu beschäftigen haben. Es steht fest, daß die völkerrechtlich vorgesehenen Wehrsoldzahlungen an die Offiziere durchweg nicht erfolgt sind. Es steht weiterhin fest, daß die völkerrechtlich vorgesehenen Lohnzahlungen an diejenigen Kriegsgefangenen, die gearbeitet haben, nur in außerordentlich seltenen Fällen erfolgt sind. Von diesen Ausnahmefällen, die ich eben erwähnte, sind geregelt die Fälle, die aus den Fonds von 76 Millionen DM befriedigt worden sind, die nach der Währungsreform von den Besatzungsmächten den westdeutschen Ländern zur Verfügung gestellt worden sind. Das geschah damals deshalb, weil es keine zentrale Regierungsgewalt in Deutschland gab; aber nach der Bildung der Bundesbehörden und nach der Schaffung des Grundgesetzes ging ja die Zuständigkeit für die Kriegsgefangenen an den Bund über. Trotzdem aber weigern sich die Länder bis zum heutigen Tage, dem Bund darüber Auskunft zu geben, was mit diesem Geld geschehen ist. Ohne Zweifel ist diese Summe von 76 Millionen Mark nicht verausgabt worden. Es muß daher noch ein Rest vorhanden sein, und dieser Rest könnte ohne weiteres für die Zwecke verfügbar gemacht werden, die mit den drei vorliegenden Anträgen verfolgt werden.
Ich könnte dem Herrn Bundesfinanzminister vielleicht einen guten Tip geben, wenn ich ihm sage, daß es unter Umständen recht lohnend für ihn wäre. sich einmal nach dieser Angelegenheit zu erkundigen. Ich sage ihm aber gleich dazu, daß er damit seinen bayerischen Freunden einen großen Schmerz zufügen wird; denn die Bayern sind natürlich eines der beiden Länder, die jede Auskunft auf die Frage nach den 76 Millionen bis zum heutigen Tage verweigert haben.
Ich darf der Hoffnung Ausdruck geben, daß der 26. Ausschuß diese Dinge schnell bearbeitet, damit auch die Bundesregierung schnell zu einer Regelung und einer Vorlage kommt; denn doppelt hilft, wer schnell hilft. Ich beantrage im Namen meiner Fraktion, daß diese drei Vorlagen dem Ausschuß für Kriegsopfer- und Kriegsgefangenenfragen zugeleitet werden. Ich möchte jedoch bitten, die Zuleitung an den Haushaltsausschuß abzulehnen. Die Befassung des Haushaltsausschusses mit dieser Angelegenheit hat meiner Ansicht nach erst dann einen Sinn, wenn der Gesetzentwurf der Bundesregierung vorliegt und behandelt werden kann. Ich bitte ferner, die Vorlage Nr. 3694 betreffend Kriegsgefangenen-Gedenkwoche nicht dem Kriegsopferausschuß zuzuleiten, sondern dieser Vorlage
gleich jetzt zuzustimmen, damit die Bundesregierung die erforderlichen Maßnahmen treffen kann.