Rede von
Bernhard
Günther
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Gestatten Sie mir, daß ich als Abgeordneter eines Grenzkreises — und vor allen Dingen des Grenzkreises, wo das Schmuggelproblem am allergrößten ist, nämlich im Bezirk Aachen — einiges zu den Ausführungen, die ich namens des Ausschusses machte, hinzusetze. In keinem Gebiet in Deutschland ist im Augenblick an der Grenze in Bezug auf Schmuggel soviel los, wie gerade in diesem Gebiet an der belgischen und an der holländischen Grenze. An der holländischen Grenze ist das Problem erst seit einigen Monaten aufgetreten, weil Holland bis vor kurzem eine Rationierung des Kaffees hatte und sich erst durch die Freigabe des Kaffees dieser Schmuggel teilweise von der belgischen Grenze auch zur holländischen Grenze verlagert hat. Es vergeht kaum ein Tag, an dem nicht in der Presse, vor allen Dingen in der Aachener Presse, irgend etwas über den Schmuggel gemeldet wird, und jeden Tag werden irgendwelche Zeitungsnotizen mit dicken Überschriften von der Bevölkerung gelesen: „17jähriger Schmuggler angeschossen", „Schmuggel von Fenster zu Fenster", „An der Grenze herrscht wirklicher Krieg", „Schüsse ohne Rücksicht auf Passanten", „Ehemaliger Grenzschutzmann stach ins Wespennest", „Wie anständige Leute behandelt werden . . .", „Grenzjäger gehen zu den Schmugglern über", „Schmuggel forderte ein Menschenleben", „ ,Manöverstimmung' in der Eifel", „Man soll den Schmuggel unrentabel machen", „Am Ende des Lateins?" „Schmuggel forderte ein Menschenleben" — 21jähriger Arbeitsloser! —, „Ein schwacher Ast am grünen Holz", „Schmuggler brach zehn Meter vor der Grenze zusammen" usw.
Das ist nur ein kleiner Ausschnitt von Zeitungsnotizen einer einzigen Zeitung, und zwar einer bürgerlichen Zeitung, die nicht irgendwie in Sensationen macht, sondern so ist im Augenblick die Situation an der Aachener Grenze. Es ist meines Erachtens unmöglich, daß die Regierung bei diesem Preis, der zur Zeit durch Zoll und durch Steuern so hoch ist, stehenbleibt. Wir haben in Deutschland bekanntlich die Todesstrafe abgeschafft; es geht im Augenblick darum, ob die Todesstrafe wieder eingeführt werden soll. Selbst diejenigen, die Befürworter der Wiedereinführung der Todesstrafe sind, beschränken sich darauf, daß die Todesstrafe nur angewandt werden soll für ganz schwere Vergehen und da, wo man den Betreffenden sofort überführt hat. In diesem Fall hier sind unter den Opfern, die an der Grenze bei der Verfolgung des Schmuggels usw. entstehen, Jugendliche, Kinder, Erwachsene und, was noch bedauerlicher ist, in größerem Umfang Leute, die nicht am Großschmuggel beteiligt sind, sondern die dort als Grenzgänger irgendwie auf ein „Halt" nicht stehengeblieben sind, dann angeschossen wurden und unglücklich getroffen wurden.
Des weiteren ist es in der Eifel so, daß ein außerordentlich schlechtes Verhältnis zu den Zöllnern usw. besteht. Dieses Verhältnis war noch zu keiner Zeit so schlecht wie jetzt. Vor dem ersten Weltkrieg hat dort kaum ein Mensch an Schmuggel usw. gedacht. Wenn auch geschmuggelt wurde, so war er doch uninteressant. Auch bis zum Jahre 1933 passierten kaum Zusammenstöße mit den Zöllnern. Aber nach diesem Kriege und vor allen Dingen
nach 1949 ist daraus wirklich, wie einige Überschriften soeben schon besagten, ein Kleinkrieg geworden. Das Verhältnis zu den Zöllnern ist wirklich beängstigend.
Weder ich noch meine Freunde möchten die Schmuggler irgendwie verteidigen oder meinetwegen den Schmuggel an sich auch nur begünstigen. Was wir wollen, ist, daß wir der Ursache nachgehen; und diese Ursache ist einzig und allein die überhöhte Steuer. Ich werde von leitenden Herren der Finanzdirektion bestürmt, die sagen: „Sorgen Sie dafür, daß in Bonn die Sachen geändert werden! Wir wären für den Zoll und für unsere Beamten usw. heilfroh, wenn wir diese Schlachten an der Grenze nicht immer durchzuführen brauchten!"
Das Finanzministerium hat dann den Versuch gemacht, den Schmuggel energisch zu bekämpfen. Es wurde die Aktion „Martha" angesetzt. Dadurch wurden selbstverständlich eine ganze Reihe Schmuggler gefaßt; aber diese Aktion hat lange, monatelang, stattgefunden, und auch heute ist der Schmuggel bei weitem nicht beseitigt. Man kann sogar sagen: er ist noch größer geworden. Wenigstens hört man tagtäglich von neuen Verhaftungen und von neuen Verfolgungen der Schmuggler. Bei den Schmugglern handelt es sich keineswegs nur um die Jugend der Grenzgebiete, sondern alle Kreise und alle Bezirke sind daran beteiligt. Wachtmeister, Schutzleute — von Wuppertal zuletzt — sind an der Grenze beim Zigarettenschmuggel geschnappt worden. Es sind auch Zöllner dabei. Eine ganze Reihe Zöllner sind im Laufe der letzten Jahre verhaftet worden, weil man sie dabei ertappt hatte, daß sie mit den Schmugglern zum Teil gemeinsame Sache machten. Alle diese Dinge sind Tatsachen, und es ist notwendig, daß wir diese Mißstände wirklich bekämpfen. Meine Meinung geht dahin, daß man diese Frage nicht nur fiskalisch sehen darf, sondern daß man auch die moralische Seite, die mit dieser in Verbindung steht, in Erwägung ziehen muß. Ich glaube, daß gerade diese unter Umständen noch höher als das Geld zu bewerten ist.
Es kommt hinzu, daß die Kaffeesteuer ja nicht von uns eingeführt worden ist. Damals wurden wir in Frankfurt im Wirtschaftsrat gezwungen, diese Steuer einzuführen. Als dann 1948 das Änderungsgesetz für die Kaffeesteuer zur Beratung stand, hatten wir die Wahl, entweder Möglichkeiten in der Einkommensteuer zu schaffen oder die Kaffeesteuer zu ändern. Wir haben uns damals dafür entschieden, die Kaffeesteuer in dieser Höhe zu belassen. Verhältnisse, die damals dafür gegeben waren, sind heute nicht mehr in dem Maße gegeben, und es wäre meines Erachtens an der Zeit, diese Steuer zu ändern, schon im Hinblick darauf, daß das Aufkommen in diesem Jahr weit — fast um 100 Millionen DM — höher ist als im vergangenen Jahr. Der vor der Regierung veranschlagte Ausfall von 50 Millionen DM dürfte also schon durch das Mehraufkommen gedeckt sein. Wenn die Regierung trotzdem der Meinung ist, sie könne einen gewissen Verlust unter keinen Umständen ertragen, bleibt zu erwägen, ob es dann nicht noch richtiger ist, eine Steuer meinetwegen auf die Cola-Getränke, die ja auch koffeinhaltig sind, zu erheben und dadurch die Kaffeesteuer zu senken. Nun mag man den Einwand machen, die Cola-Getränke seien in der Hauptsache für den Sportler und für die breite Masse da. Bei Kaffee kann man entgegenhalten, daß er in jedem Haushalt getrunken wird. Bedauerlicherweise ist es so, daß sich heute mancher Haushalt, vor allen Dingen sozial schlecht gestellte Haushalte, keinen Kaffee leisten können, weil eben das Geld dafür nicht vorhanden ist. Insofern ist es eine Verlagerung in der gleichen Schichtung, die keine Bedeutung hat.
Ich möchte bitten, daß sich das Hohe Haus dem Antrag des Ausschusses anschließt. Der Antrag auf Senkung der Steuer auf 5 Mark kam zustande aus der Erkenntnis, daß wir haushaltstechnische Schwierigkeiten haben und dem Finanzministerium keine allzu großen Opfer zumuten sollten. Deswegen hat sich der Ausschuß fast einmütig auf die Steuersenkung auf 5 Mark geeinigt. Die moralische Seite der Sache ist ein absolut wichtiger Faktor. Ich bitte Sie deshalb, im Interesse der Grenzbevölkerung diesem Antrag zuzustimmen.
Ich brauche nur zu erwähnen, welche Kreise der Schmuggel zieht. In den nächsten Wochen werden in einem Ort an der Grenze, wahrscheinlich in Monschau, Gerichtsverhandlungen stattfinden. In einem Ort sind nicht weniger als 53 Personen, meistens Jugendliche, angeklagt. Glaubt man etwa, daß diese Jugendlichen und ihre Familienangehörigen treue Staatsbürger werden? Ich möchte diesen Personenkreis nicht in Schutz nehmen, aber die Ursache möchte ich brandmarken: Die Straffälligkeit ist nur durch die erhöhte Kaffeesteuer möglich geworden. Deswegen bitte ich, diesem Beschluß des Ausschusses zuzustimmen.