Rede von
Wendelin
Morgenthaler
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Frauen und Männer! Lassen Sie mich aus dem trockenen Reich der Zahlen wieder in die Wirklichkeit und in die Praxis zurückkehren. Der Herr Minister hat soeben die Punkte a) und c) des Herrn Kollegen Gülich beantwortet. Soweit wir diesen Zahlen folgen konnten, können wir, glaube ich, sagen, daß die Unklarheiten, von denen der Herr Kollege Gülich gesprochen hat, behoben worden sind. Die Versicherung des Herrn Ministers, bei Unklarheiten sich persönlich an das Ministerium werden zu können, trägt ja künftigen Mißhelligkeiten volle Rechnung.
Daß das Branntweinmonopolgesetz ein sehr schwieriges Gesetz ist, haben wir schon nach diesen beiden Rednern selber feststellen können. Daß es, um mit den Worten eines genauen Kenners des Gesetzes zu sprechen, ein „Buch mit sieben Siegeln" ist, ich glaube, das ist uns allen miteinander jetzt eigentlich zum Bewußtsein gekommen. Herr Kollege Gülich hat gerade über dieses Monopol im vergangenen Jahr schon zweimal gesprochen. Ich habe das letzte Mal Veranlassung genommen, meiner Freude darüber Ausdruck zu geben, daß er besonderen Wert darauf gelegt hat, zu versichern, es sei ihm nicht darum zu tun, das Monopol als solches zu Fall zu bringen. Ich freue mich darüber; aber ich muß gleichzeitig auch sagen, wenn ich den Entwurf anschaue, dann werde ich doch etwas zurückhaltender gegenüber der Versicherung, die er hier gibt. Er befaßt sich in seinem Änderungsentwurf in der Hauptsache mit den Paragraphen des Monopolgesetzes vom Jahre 1922, die in der Hitlerzeit aufgehoben worden sind, und zwar zunächst mit dem § 4, der den sogenannten Gewerbebeirat behandelt. Auch der Herr Kollege Gülich hat in seinem Entwurf wieder den Beirat eingeschaltet. Aber wenn ich den Beirat seinen Kompetenzen nach ansehe, muß ich doch sagen, daß er eigentlich nicht mehr viel zu bedeuten hat. Auch die Zusammensetzung dieses Beirats ist eine wesentlich andere, und wenn ich mir die Herren oder die Vertreter der Verbände ansehe, werde ich das Gefühl nicht los, daß das Übergewicht dieser 21 Vertreter aus jenen Kreisen stammt, die dem Monopol nicht freund, die im innersten Herzen eigentlich Monopolgegner sind. Das Übergewicht, das hier geschaffen werden soll, wird von den anderen interessierten Kreisen, von denen, die an der Herstellung von Branntwein aus naturgegebenen Produkten arbeiten, wahrscheinlich nicht angenommen werden können. Auch der Paragraph, der vorsieht, daß der Präsident der Monopolverwaltung die Möglichkeit hat bzw. nehmen muß, auf Antrag Sachverständige beizuziehen, die nicht aus der Branntweinindustrie kommen, stimmt mich etwas nachdenklich.
Das gilt ganz besonders für die neu in seinen Entwurf aufgenommene Einsetzung eines Monopolausschusses des Bundestags. Hier werden zwei Gleise aufgebaut. Das eine ist allerdings ein ziemlich nichtssagendes Nebengleis. Aber das Gleis, auf dem der Monopolausschuß des Bundestags arbeiten soll, ist, wie er offenbar selber gefühlt hat, doch eine Einrichtung, die zu schwersten Bedenken Anlaß gibt. Er hat selber davon gesprochen, daß sie keine Erschwernis bedeuten soll. Ich möchte glauben, daß man dieser Erschwernis nicht aus dem Wege gehen kann. Die Tatsache, daß der Monopolausschuß die Möglichkeit haben soll, Einsprachen mit aufschiebender Wirkung anzubringen. zeigt ganz deutlich, daß das herrschende Moment letzten Endes der Monopolausschuß sein soll. Das kann uns wahrhaftig nicht recht sein. Auf der anderen Seite wollen wir unter keinen Umständen die Politik in die Bundesmonopolverwaltung hineingetragen haben. Drittens erhebt sich auch für den Laien die Frage — und ich bitte die Herren Juristen, das einmal klären zu lassen —, ob hier Legislative und Exekutive in Personalunion miteinander arbeiten können oder ob das den bestehend en gesetzlich en Bestimmungen widerspricht.
Über die Frage des Finanz- oder des Steuermonopols hat der Herr Finanzminister eben gesprochen. Wir werden im Ausschuß darüber noch genügend zu reden haben.
Was den § 177 betrifft, wonach die Möglichkeit bestehen soll, daß Ausnahmen vom Monopolgesetz gemacht werden, bin ich der Auffassung, daß hier die Formulierung doch eigentlich viel zu allgemein gefaßt ist. Ich möchte glauben, sehr verehrter Herr Professor Gülich, daß bei der Abfassung gerade dieses Paragraphen der Herr Professor Gülich als Finanzminister von Schleswig-Holstein Pate gestanden hat. Ich weiß sehr wohl, er ist von gewissen interessierten Kreisen Schleswig-Holsteins um die Gewährung von Brennrechtserweiterungen in einem Ausmaß umworben worden, das mit den bestehenden Monopolgesetzbestimmungen nicht in Einklang zu bringen war. Ich verstehe durchaus, daß man diese Dinge aus der Zeit heraus beurteilen muß, und aus der Zeit heraus werden wahrscheinlich manche Dinge, die da oben passiert sind, zu verstehen und vielleicht auch zu entschuldigen sein, wenn sie auch dem Gesetz widersprochen haben. Heute sind aber die Dinge wieder in geregelte Bahnen gebracht worden. Deswegen glauben wir — und der Regierungsentwurf sieht das vor —, daß bei dieser allgemeinen Formulierung nicht haltgemacht werden darf, sondern genau festgelegt werden muß, unter welchen Voraussetzungen Ausnahmen vom Monopolgesetz möglich sind.
Über den letzten Paragraphen — Zulassung von Obstverschlußbrennern, die aus dem Osten vertrieben worden sind — brauchen wir uns nicht zu unterhalten; darüber besteht wahrscheinlich keine Meinungsverschiedenheit.
Im ganzen gesehen meint der sehr geehrte Herr Kollege Gülich, daß das Monopolgesetz ganz nach gesamtwirtschaftlichen Grundsätzen zu handhaben sei. Damit hat er einen Begriff in die Debatte geworfen, mit dem er eigentlich zeigt, daß große Schwierigkeiten zwischen den einzelnen Sparten derer, die am Monopolgesetz interessiert sind, zu überwinden sind. Es sind heute im Gegensatz zu früher eigentlich nur noch zwei Parteien, die einander gegenüberstehen. Die eine ist die Chemie, die synthetische Herstellung von Branntwein; auf der andern Seite stehen alle diejenigen Brennereibetriebe, die ihre Erzeugnisse aus naturgegebenen Produkten herstellen. Das sind die kleinen Obstbrenner, die kleinen Abfindungsbrenner; das sind die Kornbrenner, die Kartoffelbrenner, die Weinbrenner, die Melassebrenner und alle diejenigen, die agrarwirtschaftliche Produkte verarbeiten. Hier eine Möglichkeit zu finden, auf einen Nenner zu kommen, wird nicht einfach sein; aber ich glaube, bei gutem Willen müssen wir einen Weg finden. Die Herausnahme der synthetischen Herstellung von Branntwein aus dem Bundesmonopol wird sehr schwierig sein. Sie könnte nur dann möglich sein, wenn damit nicht die Brenner, die auf der anderen Seite stehen, in irgendeiner Weise gefährdet werden.
Es kann keinem Zweifel unterliegen, daß ein großer Teil der Mitglieder dieses Hauses unter allen Umständen das Monopolgesetz erhalten will. Ich kann nicht glauben, daß es so wirklichkeitsfremd ist, wie es Herr Kollege Gülich ausgesprochen hat; denn sonst hätte es wahrscheinlich nicht so lange Zeit überdauert. Es ist eben letzten Endes auch aus sozialen Gründen heraus entstanden. Wenn man dieses Gesetz und überhaupt die Branntweingesetzgebung, die in das Jahr 1887 zurückgeht, nachprüft, versteht man, daß der Gesetzgeber gerade nach der sozialen Seite hin Rücksicht nehmen wollte. Wir müssen heute auf die 45 000 Eigenbrenner und auf die 160- oder 170 000 Stoffbesitzer, wo immer sie auch sein mögen, mit allen ihren Familienangehörigen gegenüber den wenigen Großbrennern Rücksicht nehmen, die auf der anderen Seite stehen. Es unterliegt keinem Zweifel, daß man, wenn man den Gesetzentwurf anschaut, das Gefühl bekommt, daß hier versucht wird, auf gesetzgeberischem Wege, schrittweise vielleicht, das Branntweinmonopolgesetz zu unterhöhlen und auf diese Art und Weise zu Fall zu bringen.
Ich glaube, sehr verehrter Herr Kollege Gülich, daß wir im Ausschuß über diese Dinge noch sehr eingehend werden beraten müssen. Es war für mich eine besondere Freude, im Juni dieses Jahres den Steuerausschuß in die kleinen Verhältnisse in meiner badischen Heimat hineinsehen zu lassen. Ich danke noch heute dem verehrten Herrn Vorsitzenden Dr. Wellhausen und auch den Mitgliedern, die mit heruntergekommen sind, für ihr Verständnis und dafür, daß sie diese Fahrt gemacht haben. So mancher hat hier kleine und kleinste Verhältnisse kennengelernt, die er sich vorher nicht hat vorstellen können. Vielleicht wird es notwendig sein, daß der Steuerausschuß in den kommenden Tagen vor der Beratung des vorliegenden Gesetzentwurfs und desjenigen der Regierung noch mehr solche Erkundigungsfahrten macht, um damit in die wirklichen Verhältnisse Einblick zu bekommen.
Wir wünschen, daß der Gesetzentwurf dem Ausschuß für Finanzen und Steuern federführend und dem Ausschuß für Landwirtschaft und Ernährung mit der Maßgabe überwiesen wird, daß er zugleich mit den beiden wohl in den nächsten Tagen hier eingehenden Novellen der Regierung beraten wird.