Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Seit drei Jahren beschäftigen wir uns mit dem Problem, das heute nachmittag hier zur Debatte steht. Alle Bemerkungen, Wünsche und Forderungen der deutschen Bevölkerung in bezug auf die Politik der Besatzungsmächte in der Frage der Beschlagnahme von Wohnraum und sonstigem Eigentum sind bisher ergebnislos geblieben. Das einzig Positive, das wir heute nachmittag durch den Mund des Herrn Finanzministers gehört haben, ist, daß sich nunmehr die Amerikaner bereiterklärt haben, lokale Ausschüsse zu bilden, um mit den Deutschen gemeinsam eine Überprüfung dieser Angelegenheit vorzunehmen. Ich wünsche nur, daß auch die Engländer diesem Beispiel folgen möchten,
ebenso die Franzosen; dann würde zweifellos sehr viel Mißstimmung aus dem Wege geräumt werden, und das Verhältnis der Deutschen zu den Besatzungsmächten würde in eine etwas mehr freundschaftliche Atmosphäre hineinkommen.
Ich glaube, auch dem Herrn Vorredner, der eben sprach, zustimmen zu können, wenn ich sage: ich habe zu den militärischen Dienststellen auf Grund der Erfahrungen, die ich seit 1945 mit den Herrschaften gemacht habe, wenig Zutrauen, daß sie bereit sind, von dem Luxusstandard, den sie in Deutschland heute haben, abzugehen.
Meine Damen und Herren, bereits vor sieben Jahren, selbst noch nach Beendigung des Kriegszustandes, der ja offiziell im gewissen Sinne 1951 beendet sein sollte, sind die Alliierten — und ich muß sagen: unter Mißbrauch der Haager Landkriegsordnung; denn diese Haager Landkriegsordnung war auch für s i e noch maßgebend — mit ihren Familienangehörigen in deutsche Wohnungen und Privathäuser eingezogen. Obgleich sie betonte Kulturnationen sind, ließen sie sich trotz der ihnen bekannten und durch sie selbst hervorgerufenen krassen Notlage der Betroffenen in ihrem Wohnraumluxus, in dem aufreizenden Leerstehenlassen von Wohnungen und ganzen Häusern nicht stören. Wir haben gehört, daß für die Besatzungsmächte in den vergangenen Jahren für Millionenbeträge Wohnungen gebaut worden sind; aber trotz aller Proteste und trotz allen Bauens sind in den letzten Jahren seitens der Besatzungsmächte nur sehr wenige Wohnungen freigegeben worden.
Bekanntlich bezweckt die Politik der Alliierten — und dieser Wunsch wird, wie wir bei jeder Gelegenheit hören, immer wieder betont —, freundschaftliche Beziehungen zu unserem Volke aufzunehmen. Auf Grund ihrer Absicht, sich von Besatzungsmächten in Schutzmächte zu verwandeln, glaubten sich die Besatzungsgeschädigten zu der bestimmten Annahme berechtigt, daß durch den Abschluß eines Generalvertrags mit Zusatzverträgen, welche das Besatzungsstatut ja aufheben sollen, endlich ein grundlegender Wandel in der Politik der Beschlagnahme eintreten würde; denn tatsächlich ist das, was in den letzten Jahren in bezug auf diese Dinge hier geschehen ist, eine brutale Mißachtung der Menschenrechte und jeglicher Rechtsgrundsätze. Zu dieser Annahme, daß jetzt eine vernünftigere Politik getrieben werden würde, waren die Besatzungsgeschädigten um so mehr berechtigt, da die Alliierten mehrmals wissen ließen, daß sie das Memorandum des Bundesfinanzministers vom 17. August 1951 ernsthaft prüfen wollten. Der Finanzminister hat eben gesagt, daß diese Prüfungen jetzt zu einem gewissen Abschluß gekommen sind, und ich bin gern bereit, ihm zu wünschen, daß er tatsächlich in dieser Beziehung zum Ziele kommen möchte. Diese Prüfung hat bei dem Aushandeln der Verträge nahezu ein Jahr gedauert, und es konnte angenommen werden, daß sie zu einem Ende im Sinne der Besatzungsgeschädigten gebracht und im Ergebnis des Vertragswerks einen bindenden Niederschlag finden würde. Wer aber einmal den Art. 38 des Truppenvertrags, der eben schon angeführt worden ist, nachliest, der wird finden, daß er keine oder nur eine geradezu andeutungsweise geringe Lösungsmöglichkeit bietet. Dieser Vertrag bringt in seinem Art. 38 einige gänzlich unverbindliche, äußerstenfalls freundliche Worte in bezug auf die zukünftige Politik der Besatzungsmächte in dieser Frage. In Art. 37 wird das Aufrechterhalten der Beschlagnahme durch die deutsche Bundesgesetzgebung der Bundesrepublik vertraglich auferlegt. Eine weitere Auslegung des Begriffs „militärische Streitkräfte, Personal und Gefolge" legt, insbesondere im Zusammenhang mit Art. 36 unter dem Oberbegriff „Mitglieder der Streitkräfte", das Ausmaß des Bedarfs an Wohnraum völlig in die Hand der Alliierten. Nicht einmal der Raumanspruch des einzelnen Besatzungsangehörigen wird in diesen Verträgen irgendwie festgelegt. Ich könnte mir denken, daß das englische Kriegsministerium noch auf dem Standpunkt steht, den es 1938 gegenüber seinen Heeresangehörigen in den Kolonien vertreten hat, und daß dieser Wohnraumbedarf auch heute noch in der britischen Besatzungszone Geltung haben könnte, auch wenn der Generalvertrag mit diesen Klauseln abgeschlossen sein wird.
Daß die nun so lange schon — seit sieben Jahren — aus ihren Heimen und Häusern kurzerhand Herausgeworfenen maßlos enttäuscht sind, wird niemanden wundern. Ihre Erbitterung über soviel rücksichtslosen, kaltblütigen Egoismus und über solche Ausnutzung der reinen Machtposition als Militärmacht wird jedermann begreifen können. Das Geringste, was in die Verträge hätte aufgenommen werden müssen, wäre doch eine Bestimmung gewesen, welche vorschreibt, daß mit den Verhandlungen mit der Bundesregierung über einen konstruktiven Plan für Neubauten und Freigaben des altbeschlagnahmten Wohn- und Gewerberaumes sofort begonnen und daß zugleich eine Überprüfung des noch beschlagnahmten privaten Wohn- und Gewerberaumes in die Wege geleitet werde
mit dem Ziele, alles das sofort freizugeben, was irgendwie entbehrlich ist. Nur so könnten die Alliierten ihren Worten von dem Willen zu freundschaftlichen Beziehungen Glauben verschaffen, nur so wäre der Bundesregierung die schärfste Opposition eines nicht unbeachtlichen Volksteils erspart geblieben. Dieser Volksteil sind eben die in dieser Frage in schärfster Opposition zur Bundesregierung — auch in bezug auf den Generalvertrag, soweit sie diese Dinge betreffen — stehenden dreieinhalb Millionen Besatzungsgeschädigten, die heute noch unter diesen Dingen zu leiden haben.
Dafür, daß es auch eine außereuropäische Militärmacht gibt, die etwas anderes kann, habe ich ein Beispiel in einer kanadischen Militärformation. Die 27. kanadische Infanteriebrigade hat sich in dieser Beziehung beispielhaft gezeigt, als sie vor
einigen Monaten in Deutschland einrückte. Sie ließ ihre Familien und ihren Anhang zu Hause. Sie bezog keine beschlagnahmten Wohnungen, sondern nur frühere Kasernen. Die kanadische Regierung sagte ausdrücklich, sie sei entschlossen, dadurch die Freundschaft der deutschen Bevölkerung zu gewinnen.
Sie sagte: wenn die Völker Westeuropas dahin kommen, daß sie die Truppen ihrer Verbündeten zu hassen beginnen, wird die ganze nordatlantische Verteidigungsgemeinschaft zusammenbrechen. Das ist die offen ausgesprochene Meinung der Regierung von Kanada. Ich wünschte nur, daß die amerikanische, die englische und die französische Regierung sich auch zu diesem Standpunkt bekennen würden. Dann würde zweifellos ein beachtenswerter Faktor in der Verständigung der Völker untereinander erreicht sein.
Ich könnte noch eine ganze Reihe von Ausführungen in bezug auf das Recht machen, wie es hier in dem Generalvertrag vorgesehen ist. Ich bin der Auffassung und bin zu dem Ergebnis gekommen, daß in diesem Generalvertrag nicht die Möglichkeit gegeben wird, ein eindeutiges Verfahren auf diesem Gebiet zugunsten der Herbeiführung eines wichtigen Rechtsstandpunktes festzulegen. Die Vertragsbestimmungen über die Entschädigung von Belegungs- und dienstlichen Schäden sind völlig unbefriedigend, insbesondere auch die für Körperschäden. Weiterhin würde der Willkür alliierter Militärdienststellen die Entscheidung überlassen bleiben, ob und inwieweit für Verluste und Schäden, die durch Handlungen und Unterlassungen ihrer eigenen Streitkräfte verursacht worden sind, 3) Entschädigungen zu zahlen sind. Hierbei sollen nach dem Vertrag die Vorschriften des deutschen Rechtes von diesen Dienststellen berücksichtigt werden. Meine Damen und Herren, wer weiß, wie das Wort „berücksichtigen" ausgelegt werden kann, insbesondere wenn cs sich m solche Dinge handelt, wird zugeben, daß das eine leere Phrase ist, die in Wirklichkeit nichts bedeutet. Es müssen also nach unserer Auffassung Wege gefunden werden, diese unhaltbaren Vertragsbestimmungen abzuändern.
Gilt dies für den Vertrag und sein Inkrafttreten, so ist es schon vor dem Inkrafttreten erforderlich, daß alle einschlägigen Bestimmungen gegenüber den Alliierten im Interesse des deutschen Volkes verbessert, deutschem Rechtsempfinden angepaßt und so gefaßt werden, daß die Beseitigung der angerichteten Schäden sofort nach Freigabe in Angriff genommen werden kann und, was sehr wesentlich ist, daß wirklich ein Fortschritt in der Freigabe der beschlagnahmten Wohnungen und Häuser eintritt.
Zusammenfassend möchte ich folgendes sagen. Wenn die betreffenden Bestimmungen etwa einen Prüfstein für die Einräumung einer Gleichberechtigung abgeben sollten, welche bekanntlich nach Auffassung der Regierungsparteien durch das Vertragswerk angestrebt wird, so kann von einer solchen Gleichberechtigung und Souveränität in diesem Falle gewiß nicht gesprochen werden. In Wirklichkeit lebt das Besatzungsstatut mit anderen Worten und in anderen Formen nach wie vor fort, wie es bisher bestanden hat. Schutztruppen sind dann keine solchen, wenn sie nicht dieselben Gesetze beachten, welche sie in jedem anderen Land beachten müssen. Von Schutztruppen kann nicht gesprochen werden, wenn sie solche Vor-
rechte erzwingen, die ihnen in ihrem Heimatlande und in ihren Organisationen nicht zustehen und mit denen sie das Schutzland überfordern. Gleichberechtigung räumt den Völkern Selbstbestimmungsrecht ein. Das ist ein allgemein anerkannter Grundsatz des Völkerrechts. Dem Selbstbestimmungsrecht entspricht das deutsche Grundgesetz, das im übrigen von den Alliierten genehmigt ist. Gegen dieses Grundgesetz verstoßen aber nach meiner Auffassung die Vertragsbestimmungen, die in dem Generalvertrag und seinen Nebenverträgen stehen. Deshalb wird es Aufgabe des Bundestages und der betreffenden Ausschüsse sein, die sich mit diesem Gesetz noch in zweiter und dritter Lesung zu befassen haben, vor Inkraftsetzen des Gesetzes diese Bestimmungen zu ändern, damit sie sich dem deutschen Rechtsstandpunkt und dem Recht überhaupt nähern und damit in dieser Frage wirklich Recht wird.
Aber die Häuserbeschlagnahmung ist ja nicht das einzige. Auch Wohnungen, Fabriken und gewerbliche Räume werden davon betroffen. Vor mir liegt eine Statistik des deutschen Bäderverbandes vom 1. April 1952. Darin wird festgestellt, daß 24 Bade- und Kurorte mit insgesamt 16 949 Betten
beschlagnahmt sind, davon 15 Bäder, in denen Kureinrichtungen beansprucht werden. 3755 Betten werden durch andere als durch alliierte Stellen benutzt. Bekannt ist das Beispiel Bad Oeynhausen, das seit Jahren vollständig beschlagnahmt ist und das einen Ausfall von mehreren Millionen DM gehabt hat, ganz abgesehen von den Hunderten von Existenzèn, die wirtschaftlich an den Rand des Ruins gebracht worden sind und die Jahre gebrauchen müßten, um wieder zu einer Existenz zu kommen. Ahnliche Verhältnisse sind nach dieser Statistik in Bad Nauheim, in Tölz, Westerland, Wiesbaden, Wiessee usw. festzustellen. Auch hier trifft das zu, was ich eingangs sagte, daß eine Überbeanspruchung in einem Ausmaße stattfindet, die die deutsche Bevölkerung nicht versteht und die in keinem Verhältnis zu dem Bedarf steht, den die Alliierten tatsächlich haben dürfen.
Die Überbeanspruchung von landwirtschaftlich genutztem Gelände ist bekannt. Ich habe selbst erlebt, daß Bauernland beschlagnahmt wurde. Es wurden Sportplätze angelegt. Zwei Jahre mußte der Boden sich sacken. Ein Jahr mußte das Gras wachsen, damit man darauf Fußball spielen konnte. Drei Jahre lag das Gelände vollständig brach. Und jetzt spielen lächerliche zwanzig Mann auf einem Fußballplatz, der zur teilweisen Vernichtung einer landwirtschaftlichen Existenz geführt hat.
Meine Damen und Herren, das sind furchtbare Zustände, die geändert werden müssen. In ein vernünftiges Verhältnis zu den Alliierten kommen wir erst dann, wenn deutsches Recht tatsächlich hergestellt wird, wenn das deutsche Recht auch für die Alliierten in dieser Beziehung gilt.