Rede von
Rudolf
Kohl
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(KPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (KPD)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Bundesarbeitsminister hat die Drucksache Nr. 3516 begründet. Wer diese Begründung der Bundesregierung, die der
Drucksache beiliegt, sehr eingehend gelesen hat, findet, wie sich die Bundesregierung eigentlich die Entwicklung auf dem arbeitsrechtlichen Gebiet in der Zukunft denkt. Man soll mit aller Deutlichkeit feststellen, daß das Arbeitsministerium — und ich glaube, der Herr Bundesarbeitsminister wird dem nicht widersprechen können — hier etwas unter den Schlitten gekommen und der Einfluß des Bundesjustizministeriums bei der Ausarbeitung dieses Gesetzes ziemlich entscheidend gewesen ist. Denn man vermeidet es ängstlich, in diesem Gesetz überhaupt die Einflußnahme der Arbeiterschaft festzulegen und die jahrzehntealten Forderungen der Gewerkschaftsbewegung gerade auf diesem Sektor zu berücksichtigen. Bereits in dem alten Arbeitsgerichtsgesetz, das vom Nationalsozialismus mit einem Federstrich außer Kraft gesetzt worden ist, waren die seit Jahren erhobenen Forderungen der Arbeiterschaft nicht, wenigstens nicht in entscheidenden Teilen, berücksichtigt worden. Nach dem Zusammenbruch 1945 wurde in der amerikanischen Zone am 3. Dezember 1946 das neue deutsche Arbeitsgerichtsgesetz verabschiedet. Die Vorarbeit dazu wurde von den Arbeitsministerien der Länder dieser Zone geschaffen. Die alten Forderungen der Arbeiterschaft wurden in einigen entscheidenden Punkten in dieses Gesetz eingebaut. Der Bundesregierung, in diesem Fall dem Herrn Bundesarbeitsminister im Einvernehmen mit dem Justizministerium, blieb es vorbehalten, all das Fortschrittliche, das in diesem Gesetz vorhanden war, wieder auszumerzen. Dabei wird sich kein vernünftiger Mensch gegen eine Koordinierung wenden. Kein vernünftiger Mensch wird sich dagegen wenden, daß Landesarbeitsgerichte und ein Bundesarbeitsgericht geschaffen werden, um eine einheitliche Rechtsprechung auf diesem Sektor zu gewährleisten. Es ist aber eine etwas zu vage Behauptung von seiten des Herrn Bundesarbeitsministers, zu sagen, daß dieses Gesetz als fortschrittliches Gesetz anzusprechen sei, während demgegenüber ein wirklich fortschrittliches Gesetz außer Kraft gesetzt wird. Jeder, der aus der Praxis kommt, weiß, daß die Arbeitsgerichte an sich in der allgemeinen Justizverwaltung sehr wenig zu tun haben, sondern dort geradezu wesensfremd sind und deswegen aus der Justizverwaltung herausgenommen werden müßten. In dem uns vorliegenden Gesetzentwurf knüpft man dort an, wo man 1933 stehen geblieben ist, und man wiederholt die alten Fehler, die in der Vergangenheit in der Praxis der Arbeitsgerichte eine verheerende Auswirkung gezeigt haben. Man unterstellt hier — und das ist ein ziemlich starker Vorgang — erneut wieder die Arbeitsgerichtsbarkeit der Justizverwaltung in einem ziemlich entscheidenden Maße und schafft damit einen Zustand, der auf die Arbeiterschaft direkt provozierend wirken muß.
— Meine Herren, Ihre Gesetze wirken wirklich nicht beruhigend! — Jeder weiß aus der Vergangenheit, wie unsozial und wesensfremd die Urteile der Justizrichter gerade aus der Weimarer Zeit auf diesem Sektor gewesen sind. Jeder weiß auch, daß die Arbeitsgerichte Tummelplatz der Unternehmersyndizi gewesen sind. Diesen unheilvollen Zustand stellt man mit diesem Gesetzentwurf wieder her und mißachtet in allen grundsätzlichen Fragen die Forderungen der Gewerkschaften.
Die Praxis in der amerikanischen Zone zeigt mit aller Deutlichkeit, daß es wirklich nicht notwendig ist, daß der Vorsitzende des Arbeitsgerichts
— der Kollege Sabel hat das bestätigt — die Befähigung zum Richteramt hat, vielmehr befähigt die notwendige praktische Erfahrung auf dem Gebiete des Arbeits- und Sozialrechts auch den Arbeiter, Vorsitzender eines Arbeitsgerichts zu sein. Ich weiß aus meinem Land, aus Baden-Württemberg, in dem von insgesamt 18 Arbeitsrichtern nur 2 Juristen waren, daß das Vertrauen der rechtsuchenden Menschen zu diesen Gerichten im Gegensatz zu früher bedeutend stärker gewesen ist.
Als drittes wird erneut der Zustand wiederhergestellt, daß die Zulassung von Rechtsanwälten bereits im ersten Rechtszug sichergestellt ist, während das Arbeitsgerichtsgesetz der amerikanischen Zone im ersten Rechtszug die Zulassung von Rechtsanwälten untersagt. Kein ernsthafter Mensch wird bestreiten wollen, daß nun das Übergewicht der Unternehmer gegenüber der Arbeiterschaft auf Grund ihrer finanziellen Stärke vor den Arbeitsgerichten wiederhergestellt ist, ein Zustand, der zu schwersten Bedenken Anlaß gibt. Man schraubt mit dieser Gesetzesvorlage das Arbeitsgerichtswesen wieder auf den Zustand zurück, den es bis zum Jahre 1933 gehabt hat.
Das vorliegende Gesetz ist gegenüber dem jetzt in Kraft befindlichen Gesetz in der amerikanischen Besatzungszone kein Fortschritt, sondern ein gewaltiger Rückschritt und zeigt mit eindeutiger Klarheit die katastrophale reaktionäre Politik auf dem Gebiet des Arbeits- und Sozialrechts, für das der Bundesarbeitsminister verantwortlich zeichnet.