Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Bedeutung des vorliegenden Entwurfs eines Arbeitsgerichtsgesetzes ist, wie der Herr Arbeitsminister soeben zum Ausdruck gebracht hat, besonders dadurch gegeben, daß nunmehr die in der Arbeitsgerichtsbarkeit fehlende Revisionsinstanz geschaffen werden soll. Das Fehlen der Instanz hat dazu geführt, daß die Rechtsprechung in Arbeitsstreitigkeiten die notwendige Einheitlichkeit vermissen ließ. Aber über diese Frage der Schaffung der Revisionsinstanz hinaus enthält das Gesetz in Abweichung von dem bisher Üblichen einige Neuerungen, die in den beteiligten Ausschüssen zweifellos noch eingehend diskutiert werden müssen.
Ich möchte auf einige Fragen hinweisen, die in der Diskussion wohl im Mittelpunkt stehen werden. Bisher waren in der Arbeitsgerichtsbarkeit in der ersten Instanz Rechtsanwälte nicht zugelassen. Der gleiche Grundsatz galt auch bei den früheren Gewerbegerichten und bei den Kaufmannsgerichten. Auch das Kontrollratsgesetz Nr. 21 hat diesen Zustand belassen. Nunmehr wird eine Regelung vorgeschlagen, nach der auch in der ersten Instanz Rechtsanwälte in der Arbeitsgerichtsbarkeit zugelassen werden sollen. Die Bundesregierung stützt sich bei diesem Vorschlag auf den Art. 3 des Grundgesetzes und glaubt, daß dieser Art. 3 des Grundgesetzes die Ausschaltung der Rechtsanwälte nicht mehr zuläßt. Es wird Aufgabe der Ausschüsse sein, zu überprüfen, ob diese Auffassung richtig ist. Darüber hinaus wird auch geprüft werden müssen, ob diese Regelung zweckmäßig ist.
Ein weiterer wichtiger Diskussionspunkt ist in § 18 Abs. 3 des Gesetzes enthalten. Hier wird verlangt, daß die Vorsitzenden der Arbeitsgerichte auch in der ersten Instanz die Befähigung zum Richteramt im Sinne des Gerichtsverfassungsgesetzes besitzen. Zur Zeit besteht in allen Ländern außer einem Land im Bundesgebiet die Praxis, daß neben den genannten Personen auch solche zu Vorsitzenden der Arbeitsgerichte erster Instanz bestellt
erden können, die, ohne die Befähigung zum Richteramt im Sinne des Gerichtsverfassungsgesetzes zu besitzen, besonders sachverständig auf dem Gebiete des Arbeitsrechts sind. Im Kontrollratsgesetz Nr. 21 war ausdrücklich noch die Bestimmung enthalten, daß diese Richter nicht Berufs- richter zu sein brauchen, daß sie aber eine ausreichende Befähigung in Arbeitsangelegenheiten haben müssen. Die bisherige Regelung beruht nicht nur auf der Tatsache, daß ein gewisser Mangel an Arbeitsrechtlern vorhanden ist, sondern sie ist auch darin begründet, daß eben diese Personen gezeigt haben, daß sie umfangreiche praktische Erfahrungen haben und eine umfassende Kenntnis des Arbeitsrechtes besitzen, und daß darüber hinaus die Kenntnis des praktischen Lebens doch zu einer wirklichkeitsnahen Rechtsprechung geführt hat. Ich weiß, daß da und dort Kritik eingesetzt hat, und es ist zweifellos auch manchmal ein Versagen festzustellen gewesen; aber generell kann man nur sagen, daß sich diese Regelung wohl in den meisten Fällen bewährt hat. Die Möglichkeit, solche Personen auch in Zukunft als Vorsitzende der Arbeitsgerichte erster Instanz zu bestellen, sollte erhalten bleiben. Der Bundesrat hat zu diesem Problem bereits Stellung genommen und vorgeschlagen, daß Personen, die mindestens fünf Jahre hauptberuflich bei Gewerkschaften oder Vereinigungen von Arbeitgebern mit der Rechtsberatung in arbeitsrechtlichen Angelegenheiten und mit der Vertretung vor Arbeitsgerichten beschäftigt waren, gleichfalls als Vorsitzende eines Arbeitsgerichtes der ersten Instanz berufen werden können. Wir sind der Meinung, man sollte diesen Vorschlag des Bundesrats nun nicht total übernehmen. Ich bin nicht der Auffassung, daß man hier auf die Tätigkeit in bestimmten Organisationen abstellen sollte. Entscheidend müßte die Erfahrung in arbeitsrechtlichen Streitigkeiten sein. Ich kann mir vorstellen, daß solche Erfahrungen auch noch in anderen Tätigkeiten gesammelt werden können, und zwar über den Rahmen hinaus, wie er hier vom Bundesrat abgesteckt wurde. Aber es wird hier wohl eine Kompromißmöglichkeit gegeben sein.
Ein weiterer Vorschlag des Bundesrats verdient Beachtung. Es ist richtig, daß es die Arbeitsgerichtsbarkeit notwendig macht, daß zwischen den federführenden Ministerien, also den Arbeits- und den Justizministerien, ein gutes Zusammenspiel erfolgt. Zuständig ist zunächst einmal das Arbeitsministe-
rium. Es ist nun vorgesehen, daß in einer Reihe von organisatorischen Fragen ein Einvernehmen zwischen den Arbeitsministerien und den Justizministerien herbeigeführt werden muß. Es ist zu prüfen, ob diese Vorschrift das Verfahren nicht kompliziert, ob es nicht zweckmäßiger ist, entsprechend dem Vorschlage des Bundesrates hier das Wort „Einvernehmen" durch das Wort „Benehmen" zu ersetzen.
Lassen Sie mich auch wenige Worte zu dem Problem des Sitzes des Bundesarbeitsgerichts sagen. Wir wissen, daß diese Sitz-Fragen hier immer mit größter Lebhaftigkeit erörtert werden. Das Gesetz sieht vor, daß Kassel Sitz dieses Bundesarbeitsgerichts werden soll. Sie können sich erinnern, daß dieses Hohe Haus einmal die Bundesregierung aufgefordert hatte, einen Plan über die Verteilung der obersten Bundesbehörden vorzulegen. Schon damals hat man Kassel in Vorschlag gebracht, und ich glaube, man sollte von diesem Vorschlag nicht ohne Not abweichen. Kassel bietet für das Bundesarbeitsgericht eine gute Unterbringungsmöglichkeit; auch die sonstigen Voraussetzungen für eine gute Arbeit der Revisionsinstanz sind in Kassel zweifellos gegeben. Darüber hinaus dürfen wir nicht übersehen, daß Kassel auch zu den am schwersten beschädigten Städten in Deutschland gehört und schon darum hier eine Unterstützung verdient. Ich empfehle, dieser Regelung, wie sie von der Bundesregierung vorgeschlagen wird, zuzustimmen.
Der Bundesrat hat dagegen Bedenken geäußert. Er glaubt, das Bundesarbeitsgericht sollte zweckmäßigerweise in eine Universitätsstadt verlegt werden, um die Verbindung zwischen Wissenschaft und höchster Rechtsprechung möglichst eng zu gestalten. Ich darf daran erinnern, daß über diese Frage wiederholt diskutiert worden ist, auch bei der Entscheidung über den Sitz des Bundesgerichtshofs in Karlsruhe. Hier ist man auch zu einer anderen Regelung gekommen. Man hat den Bundesgerichtshof an einem Ort untergebracht, in. dem gleichfalls keine Universität vorhanden ist. Ich glaube, daß eine ausreichende Möglichkeit zur Zusammenarbeit mit benachbarten Universitäten gegeben ist. Ich darf daran erinnern, daß in Hessen immerhin drei Universitäten vorhanden sind. Wenn nun gesagt wird, gerade die Universitäten böten die beste Möglichkeit, um das notwendige Material für die praktische Arbeit zu erhalten, so darf ich doch darauf hinweisen, daß es auch in Kassel einige ganz beachtliche Büchereien gibt, die zweifellos für die Arbeit herangezogen werden können. Es besteht in Kassel die städtische Murhardbibliothek, und es besteht in Kassel weiterhin die sehr bekannte Landesbibliothek. Ich glaube also, daß auch in Kassel die Voraussetzungen für ein gutes Arbeiten gegeben sind. Ich würde nochmals empfehlen, daß man bei dem Vorschlag der Bundesregierung bleibt.
Im übrigen bitte ich, den Gesetzentwurf dem Ausschuß für Arbeit federführend und zusätzlich noch dem Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht zu überweisen.