Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach dem Artikel 96 des Grundgesetzes ist unter anderem ein oberes Bundesgericht für die Arbeits- und Sozialgerichtsbarkeit zu errichten. Drei Jahre hat es gedauert, bis die Bundesregierung nun endlich einen Entwurf für ein Arbeitsgerichtsgesetz eingebracht hat. Ja, es war notwendig, daß die sozialdemokratische Fraktion durch ihren Antrag Drucksache Nr. 2331 die Bundesregierung endlich auf diesen Weg brachte. Obgleich der Bundestag am 24. Oktober 1951 in seiner 170. Sitzung den Beschluß gefaßt hat, die Bundesregierung möge dem Bundestag unverzüglich je einen Entwurf eines Arbeitsgerichtsgesetzes und eines Sozialgerichtsgesetzes unterbreiten, ist dies zu unserem großen Bedauern erst heute geschehen; aber auch nur zum Teil, denn heute beraten wir in erster Lesung nur den Arbeitsgerichtsgesetzentwurf. Meine Fraktion erwartet aber dringend von der Bundesregierung, daß dem Bundestag umgehend auch der Entwurf für ein Sozialgerichtsgesetz unterbreitet wird, damit diese Angelegenheit ebenfalls baldigst ihre Erledigung findet. Sie ist für die Betroffenen genau so dringlich wie das Arbeitsgerichtsgesetz.
Nun zu dem Entwurf. Der Entwurf enthält eine Menge Bestimmungen, die mehr formaler Art sind, wie Bestimmungen über die Errichtung der Arbeitsgerichte, über etwaige Zweigstellen, über die Durchführung von Gerichtstagen, über die Errichtung der Landesarbeitsgerichte, über die Einrichtung von Kammern der verschiedensten Art usw.. Wir fragen uns: warum sollen über diese Fragen zwei Ministerien in den Ländern und beim Bund in Bewegung gesetzt werden? Warum soll bei all diesen Fragen das Bundesjustizministerium
oder, wenn es sich um Länderangelegenheiten handelt, die Länderjustizministerien, erst ihr Einvernehmen gegenüber dem federführenden Arbeitsministerium zum Ausdruck bringen müssen? Warum überläßt man diese Fragen nicht der alleinigen Zuständigkeit des Arbeitsministeriums, so wie es bei den anderen Sondergerichtsbarkeiten ja auch der Fall ist? Auch dort haben die Fachminister die Entscheidung über diese Fragen.
Auf der anderen Seite will ich gern zugeben, daß es auch Angelegenheiten gibt — wie die Berufung der Vorsitzenden oder wie die Festsetzung der Gebühren für die 'Beisitzer usw. —, in denen man sich mit dem Justizministerium der Länder oder des Bundes verständigen sollte. Aber da sollte man doch die gesetzliche Regelung 'derart gestalten, daß man sagt: das betreffende Arbeitsministerium hat die Angelegenheit im Benehmen mit dem Justizministerium zu regeln. Ich glaube, des genügt, um hier eine gegenseitig abgestimmte Regelung zu erreichen. Wir werden unsere Anträge in den Ausschußberatungen unterbreiten, und wir hoffen — nach der Diskussion dürfen wir diese Hoffnung aussprechen —, daß wir eine Zustimmung finden.
Nun sind noch andere wichtige Fragen in diesem Gesetz anders geregelt als in 'dem seither geltenden Recht. Das trifft insbesondere auf den § 11 Abs. 1 zu. § 11 Abs. 1 besagt
Die Parteien können vor den Arbeitsgerichten den Rechtsstreit selbst oder durch jede prozeßfähige Person als Bevollmächtigten führen.
Ich möchte ausdrücklich feststellen, daß dies gegenüber dem seither geltenden Recht eine Neuerung ist, gestützt auf 'das Kontrollratsgesetz, auf die Ländergesetze in Süddeutschland oder die früheren Arbeitsgerichtsgesetze. Das erste Arbeitsgerichtsgesetz vom 23. Dezember 1926 sowie das Arbeitsgerichtsgesetz in der Fassung vom 10. April 1934, das 'bereits von mir erwähnte Kontrollratsgesetz und die Ländergesetze enthalten eine derartige Bestimmung nicht. Sie sagen im Gegenteil, daß von der Vertretung in der ersten Instanz bestimmte Personengruppen ausgeschlossen sind, und sie meinen damit die Rechtsanwälte und die Rechtsbeistände. Als Vertretung für die streitenden Parteien lassen sie lediglich Angestellte oder Mitglieder von wirtschaftlichen Vereinigungen der Arbeitnehmer und Arbeitgeber zu.
Dieses Recht gilt für das gesamte Reichsgebiet — jetzt Bundesgebiet — seit 1926. Dieses Recht hat sich auch — das 'kann man doch allgemein sagen — bewährt. Es hat sich deshalb bewährt, weil eben Arbeitsgerichtsstreitigkeiten Streitigkeiten besonderer Art sind, die meistens die Beziehungen zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber regeln und die durch ein einfaches, schnell arbeitendes und wenig Kosten verursachendes Verfahren durchgeführt werden. Wir wollen gar keine Anklagen oder Vorwürfe gegen irgendeine Seite von Rechtsvertretern erheben. Aber eine einfache, schnelle und billige Durchführung läßt sich ohne Zweifel nur ermöglichen, wenn man das Verfahren, wie es seit 1926 angewandt wurde, auch in Zukunft in dem Bundesarbeitsgerichtsgesetz wieder festlegt. Wir haben nur das eine Interesse: daß die Betroffenen, ob es Arbeitgeber oder Arbeitnehmer sind, ihr Recht in einfacher Form möglichst 'schnell und billig erlangen können. Deshalb würden wir es sehr begrüßen, wenn bei den Ausschußberatungen eine Fassung gefunden würde, die den alten Rechtszustand aufrechterhält.
Eine zweite, auch schon von dem Herrn Kollegen Sabel angesprochene Frage ist die im § 18 Abs. 3 niedergelegte Bestimmung über die Vorsitzenden bei den Arbeitsgerichten erster Instanz. Nach dieser Bestimmung sollen Vorsitzende in der ersten Instanz nur Personen sein, die die Befähigung zum Richteramt nach den Bestimmungen des Gerichtsverfassungsgesetzes haben. Wir glauben, daß wir im Gesetz das nicht so uneingeschränkt festlegen sollten. Seitdem seit 1945 wieder Arbeitsgerichte in der gesamten Bundesrepublik errichtet werden können, ist gesetzlich festgelegt, daß Personen, die auf Grund ihrer früheren Tätigkeit, ihrer Ausbildung oder den Obliegenheiten, die sie in Arbeitsangelegenheiten in Arbeitnehmer- oder Arbeitgeberverbänden hatten, dazu befähigt sind, richterliche Aufgaben wahrnehmen können. Die Berufsrichter sind nicht ausgeschlossen, sondern man hat hier bewußt Personen, die auf Grund ihrer Tätigkeit in Arbeitsangelegenheiten Erfahrungen sammeln konnten und gesammelt haben, mit den Berufsrichtern gleichgestellt. Wir haben schon in der Diskussion gehört, daß sich diese Einrichtung bewährt hat. Wir sehen nicht ein, daß wir etwas, was sich bewährt hat, wieder beseitigen.
In der Begründung zu dem Regierungsentwurf Drucksache Nr. 3516 heißt es auf Seite 23, daß nach den Bestimmungen des Kontrollratsgesetzes Nr. 21 sowohl Personen mit der Befähigung zum Richteramt als auch Personen, die besonders qualifizierte Nichtjuristen sind, als Vorsitzende tätig sein können. Es heißt dann weiter:
Im Hinblick darauf, daß sich unter den nicht
juristisch vorgebildeten Vorsitzenden der Arbeitsgerichte, die zur Zeit im Amt sind, bewährte Kräfte befinden, die sich in langjähriger Tätigkeit in die Wahrnehmung richterlicher Aufgaben gut eingearbeitet haben, erscheint es billig, durch eine Übergangsregelung diesen Personen das Verbleiben in der Arbeitsgerichtsbarkeit als Vorsitzende von Arbeitsgerichten zu ermöglichen.
Ein besseres Lob und eine bessere Anerkennung der Tätigkeit dieser Nichtjuristen in den Jahren, in denen schwere Aufbauarbeit zu leisten war, konnte nichtausgesprochen werden. Es wäre ungerecht, wenn man trotz dieser Feststellungen und Erkenntnisse in Zukunft alle Personen, die die Befähigung zum Richteramt nicht haben, kraft Gesetzes ausschließen wollte. Hier sollte man gleiches Recht für alle gelten lassen, für diejenigen, die sich durch ihre praktische Arbeit bewährt haben, genau so wie für diejenigen, die studiert und ihre Prüfungen abgelegt haben.
Anders liegen 'die Verhältnisse natürlich bei den Berufungsinstanzen, den Landesarbeitsgerichten, und bei der Revisionsinstanz. Diese Feststellung gilt ausdrücklich nur für die erste Instanz. Wir hoffen, daß der zuständige Ausschuß; der Ausschuß für Arbeit, unserer Meinung in den vorstehenden Fragen beipflichtet, damit wir ein wirklich fortschrittliches Arbeitsgerichtsgesetz in kürzester Zeit möglichst einmütig im 'Bundestag verabschieden können.
Was die anderen Fragen anlangt, so werden sie im Ausschuß beraten werden und ihre Regelung finden. Auch die Frage des Sitzes dürfte im Ausschuß wohl im Sinne der Vorlage gelöst werden.