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    Deutscher Bundestag — 229. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 11. September 1952 10419 229. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 11. September 1952. Geschäftliche Mitteilungen 10421A Änderungen der Tagesordnung 10421B Kleine Anfrage Nr. 285 der Abg. Dr. Schmid (Tübingen) u. Gen. betr. Wohnungsbeschlagnahme in Mannheim und Sigmaringen (Nrn. 3615, 3677 der Drucksachen) 10421B Vorlage des Entwurfs einer Verordnung zur Ergänzung der Verordnung M Nr. 1/52 über Preise für Milch, Butter und Käse 10421B Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für das Besatzungsstatut und auswärtige Angelegenheiten (7. Ausschuß) über den Antrag der Fraktion der KPD betr. Großer Knechtsand (Nrn. 3604, 2970 der Drucksachen): Beratung abgesetzt 10421C Fortsetzung der Beratung der Berichte des Ausschusses für Verkehrswesen (27. Ausschuß) über den Antrag der Fraktion der BP betr. Bau der Zellertalbahn (Nrn. 3485, 440 der Drucksachen), über den Antrag der Abg. Volkholz, Donhauser, Dr. Seelos und Fraktion der BP betr. Geplante Einstellung der Lokalbahn Passau-Wegscheid auf der Strecke Obernzell-Wegscheid (Nrn. 3488, 1087 der Drucksachen), über die Anträge der Abg. Dr. Etzel, Dr. Seelos und Fraktion der BP betr. Bau einer Autobahn und der Abg. Dr. Baumgartner, Dr. Etzel, Dr. Seelos und Fraktion der BP betr. Ausbau und Instandsetzung des Straßennetzes in Bayern (Nrn. 3486, 442, 469 der Drucksachen) und über den Antrag der Abg. Stücklen, Strauß, Dr. Solleder, Bodensteiner u. Gen. betr. Straßenbauten in Bayern (Nrn. 3487, 470 der Drucksachen) . . 10421C Ausschußüberweisungen 10421D Beratung des interfraktionellen Antrags betr. Überweisung von Anträgen an die Ausschüsse (Umdruck Nr. 643) 10421D Beschlußfassung 10421D Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über das gerichtliche Verfahren bei Freiheitsentziehungen (Nr. 3640 der Drucksachen) 10421D Dr. Strauß, Staatssekretär im Bundesministerium der Justiz . . 10422A Dr. Wahl (CDU) 10422C Frau Dr. Steinbiß (CDU) 10423D Dr. Schneider (FDP) 10424C Dr. Hammer (FDP) 10424D Dr. Greve (SPD) 10425B Dr. Reismann (FU) 10427B Fisch (KPD) 10427D Ewers (DP) 10428C Ausschußüberweisung 10429B Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über Gebührenbefreiungen beim Wohnungsbau (Nr. 3611 der Drucksachen) . 10429B Ausschußüberweisung 10429C Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über den Auslieferungsvertrag zwischen der Bundesrepublik , Deutschland und Frankreich (Nr. 3599 der Drucksachen) . 10429C Ausschußüberweisung 10429D Beratung des Mündlichen 'Berichts des Ausschusses für Rechtswesen und Verfassungsrecht (23. Ausschuß) über den Antrag der Abg. Dr. Dr. Nöll von der Nahmer, Dr. Nowack, Neumayer, Dr. Atzenroth, Dr. Blank, Dr. Wellhausen, Dr. Oellers u. Gen. betr. Vereinheitlichung des Rückerstattungsrechtes, über den Antrag der Abg. Schmidt (Bayern) u. Gen. betr. Abänderung des Gesetzes für Wiedergutmachung, über den Antrag der Abg. Dr. Solleder, Dr. Horlacher, Bauereisen u. Gen. betr. Änderung des Rückerstattungsgesetzes, über den Antrag der Fraktion der SPD betr. Vorlage des Entwurfs eines Wiedergutmachungsgesetzes, über den Antrag der Fraktion der. BP betr. Rückerstattung feststellbaren ehemals jüdischen Vermögens (Restitution), (Nrn. 3583, 159, 886, 1010, 1828, 2447 der Drucksachen) in Verbindung mit der Ersten Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Anerkennung des deutschen Widerstandes und zur Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts (Nr. 3472 der Drucksachen; Umdrucke Nrn. 653, 656) 10429D Dr. Weber (Koblenz) (CDU): als Berichterstatter 10430A als Abgeordneter 10443A Dr. Arndt (SPD), Antragsteller . . 10433C Dr. Etzel (Bamberg) (FU) 10436A Ewers (DP) 10436B Dr. Schneider (FDP) 10437B Müller (Frankfurt) (KPD) 10438C Dr. Greve (SPD) 10440B von Thadden (Fraktionslos) 10442C Abstimmungen 10445B Erste Beratung des Entwurfs eines Arbeitsgerichtsgesetzes (Nr. 3516 der Drucksachen; Umdruck Nr. 647) 10445C Storch, Bundesminister für Arbeit 10445C Sabel (CDU) 10446B Kohl (Stuttgart) (KPD) 10447B Richter (Frankfurt) (SPD) 10448B Dr. Atzenroth (FDP) 10449C Schuster (DP) 10450A Ausschußüberweisung 10450C Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über den Ablauf der durch Kriegsvorschriften gehemmten Fristen in der Sozial- und Arbeitslosenversicherung (Nr. 3597 der Drucksachen) 10450C Ausschußüberweisung 10450D Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Altersversorgung für das Deutsche Handwerk (Nr. 3598 der Drucksachen) . . . . 10450D Storch, Bundesminister für Arbeit . 10450D Dr. Etzel (Bamberg) (FU) 10451D Eickhoff (DP) 10452C Becker (Pirmasens) (CDU) 10453A Freidhof (SPD) 10454C Dr. Hammer (FDP) 10455D Ausschußüberweisung 10456A Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Arbeit (20. Ausschuß) über den Antrag der Fraktion der CDU/CSU betr. Vorlage eines Gesetzes zur Bekämpfung der Schwarzarbeit (Nrn. 3566, 3135 der Drucksachen; Änderungsantrag Umdruck Nr. 655) 10456B Frau Kipp-Kaule (SPD), Berichterstatterin 10456B Dr. Etzel (Bamberg) (FU) 10457B Schmücker (CDU) 10457D Kalbfell (SPD) 10458D Storch, Bundesminister für Arbeit . 10459B Dr. Hammer (FDP) 10459D Schuster (DP) 10460A Abstimmungen 10460B Beratung des Antrags der Fraktion der DP betr. Angestellte und Beamte in Berlin (Nr. 3451 der Drucksachen) . . . . 10460C Frau Kalinke (DP), Antragstellerin 10460C, 10464B Schröter (SPD) 10461B Horn (CDU) 10463A Hübner (FDP): zur Sache 10463D persönliche Erklärung . . . . 10465A Arndgen (CDU) 10464D Beschlußfassung 104653 Beratung des Antrags der Fraktion der DP betr. Bundesanstalt für Angestelltenversicherung in Berlin (Nr. 3452 [neu] der Drucksachen) 10465B Frau Kalinke (DP): als Antragstellerin 10465B als Abgeordnete 10469A persönliche Erklärung 10471D Storch, Bundesminister für Arbeit 10466C Dr. Schellenberg (SPD) 10467A Kohl (Stuttgart) (KPD) 10468B Frau Wolff (SPD) 10470A Arndgen (CDU) 10471B Abstimmungen 10471C Beratung des Antrags der Fraktion der FU betr. Erhöhung der Posttarife (Nr. 3630 der Drucksachen) 10471D Mayerhofer (FU), Antragsteller . . 10472A Cramer (SPD) 10472B Leonhard (CDU) 10473A Dr. Schneider, Staatssekretär im Bundesministerium für das Post- und Fernmeldewesen 10474B Niebes (KPD) 10475D Hübner (FDP) 10476A Dr.-Ing. Decker (FU) 10476C Ausschußüberweisungen 10476D Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität (3. Ausschuß) betr. Genehmigung zum Strafverfahren gegen den Abg. Goetzendorff gemäß Schreiben des Bundesministers der Justiz vom 20. Juni 1952 (Nr. 3634 der Drucksachen) . . . . 10476D Muckermann (CDU), Berichterstatter 10477A Beschlußfassung 10477C Beratung der Übersicht Nr. 56 über Anträge von Ausschüssen des Deutschen Bundestages über Petitionen (Umdruck Nr. 641) 10477C Beschlußfassung 10477C Nächste Sitzung 10477C Die Sitzung wird um 13 Uhr 31 Minuten durch den Präsidenten Dr. Ehlers eröffnet.
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    Rede von Dr. Otto Heinrich Greve


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Meine Damen und Herren! Ich weiß nicht, woher ausgerechnet der Herr Kollege Müller von der KPD das Recht nimmt,

    (Zurufe von der KPD)

    an uns, die wir irgend willens sind, Restitution zu leisten und auch Wiedergutmachung zu üben, Forderungen zu stellen und uns hier Belehrungen zu erteilen. Herr Kollege Müller, Sie fahren am besten in die von Ihnen so geliebten Gebiete östlich des Eisernen Vorhangs

    (Zurufe von, der KPD)

    und halten dort die Rede, die Sie hier eben gehalten haben!

    (Lebhafte Zustimmung bei der SPD, in der Mitte und rechts.)

    Wo gibt es in den Gebieten der sowjetisch besetzten Zone eine Restitution? Was haben Sie mit dem jüdischen Vermögen in diesen Gebieten gemacht? Volkseigene Betriebe haben Sie aus diesen Vermögen gemacht!

    (Zurufe von der KPD: Jawohl! Jawohl! Haben wir gemacht!)

    — Ja, halten Sie das für eine richtige Restitution?

    (Abg. Rische: Jawohl!)

    — Na ja, wenn Sie das für eine richtige Restitution halten, dann haben Sie nicht das Recht, sich hierher zu stellen und so zu tun, als ob Sie im Interesse von Recht und Gerechtigkeit etwas sagten!

    (Beifall bei der SPD, in der Mitte und rechts.)

    Wir wissen doch alle, die wir aus den Gebieten der sowjetischen Zone stammen, was man selbst mit unserem Vermögen gemacht hat, die wir nicht vom Nationalsozialismus betroffen sind. Das wissen wir doch auch!

    (Lachen bei der KPD. — Abg. Fisch: Sind Sie auch ein großer Fabrikant gewesen?)

    (Zustimmung in der Mitte. — Abg. Rische:
    Sie haben aber reichlich geredet! — Weitere Zurufe von der KPD.)
    Meine verehrten Anwesenden! Die Frage der Rückerstattung, die uns alle schon ausgiebig beschäftigt hat, veranlaßt mich, zunächst dem Herrn Kollegen Dr. Weber außerordentlich zu danken für die Art und den Inhalt der Berichterstattung, die bestimmt keine leichte gewesen ist, wenn das wiedergegeben werden sollte, was das Ergebnis der vielfältigen, oft auch dramatischen Bemühungen und Arbeiten im Rechtsausschuß gewesen ist. Meine Freunde und ich stimmen im wesentlichen den Punkten zu, die Herr Kollege Dr. Weber hier erwähnt hat. Wir freuen uns, daß wir im Rechtsausschuß zu diesem Ergebnis gekommen sind.
    Allerdings darf ich sagen, daß es sich gerade bei der Rückerstattung darum handelt, sich zu bekennen. Nirgends gilt mehr der Satz „Hic Rhodos, hic salta!" Jeder muß hier eben Partei ergreifen, ob er will oder nicht, entweder für den Geist der Rückerstattung, der, wie mein Freund Arndt das hier heute anläßlich der Begründung des Wiedergutmachungsgesetzes gesagt hat, aus Reue und Buße geboren sein muß, wenn er echt ist; oder aber, wenn jemand nicht für den Geist der Rückerstattung Partei ergreift, dann bleibt ihm nur die Möglichkeit, sich für die erbarmungslose Verfolgung der Gegner des Nationalsozialismus möglicherweise noch nachträglich einzusetzen.
    Wir brauchen uns nur zu fragen: „Wer ist der Berechtigte?" In jedem Fall doch sowohl auf dem Gebiete der Rückerstattung wie auf dem Gebiete der Entschädigung der Verfolgte oder ein Erbe des


    (Dr. Greve)

    Verfolgten, der meist selber auch Verfolgter gewesen ist. Und wer ist in den meisten Fällen — und da stimme ich nicht mit den Kollegen überein, die etwas anderes behauptet haben — der Entzieher? Der Entzieher ist eben in den meisten Fällen auch der Nutznießer. Es ist in manchen Fällen auch jemand, der aus Gefälligkeit gehandelt hat, und es gibt Nacherwerber — auch da stimme ich mit Ihnen weitgehend überein, Herr Kollege Dr. Weber —, die gutgläubig gewesen sind. Aber auch Sie stimmen darin mit mir überein, daß es Nacherwerber gibt, die sehr schlechtgläubig gewesen sind. Es wird darauf ankommen, im einzelnen zu untersuchen, wo gerade in den Fällen etwas getan werden soll, die vom sogenannten Härteausgleich betroffen werden. Ich darf für meine Person sagen, daß ich mich im Konfliktsfalle für den Berechtigten und nicht den Verpflichteten entscheide. Ich glaube auch, daß im Konfliktsfalle der Berechtigte den Vorrang vor dem Verpflichteten haben sollte.
    Ich darf mich einigen Ausführungen meiner Vorredner zuwenden, weil ich mich für verpflichtet halte, ihnen zu widersprechen. Kollege Dr. Etzel meinte, daß die Erwerber bzw. die Nacherwerber, die im wesentlichen gutgläubig gewesen seien, die meisten der Leidtragenden, wie er es nannte, die Mehrheit der Verpflichteten ausmachen. Nun, das stimmt nicht. Wer selbst aktiv in der Arbeit der Rückerstattung tätig ist, der weiß, daß die meisten Rückerstattungsverpflichteten zu Recht Verpflichtete sind und auch zu Recht von den Bestimmungen der Rückerstattungsgesetze betroffen werden. Eine vollständige .Beseitigung ,offenkundiger Härten, wie sie vom Kollegen Dr. Etzel gefordert wird, ist einfach ausgeschlossen. Hier muß im Konfliktsfalle der Vorrang der Berechtigten gegenüber den Verpflichteten gelten.
    Herr Kollege Ewers, es ist erstaunlich, daß gerade immer ein Vertreter Ihrer Partei uns bei der Erörterung solcher delikater Probleme zu gegensätzlichen Meinungen und gegensätzlichen Ausführungen herausfordert. Sie haben zwar zum Schluß Ihrer Ausführungen hier festgestellt, daß Sie im wesentlichen der Vorlage des Rechtsausschusses zustimmen und daß Sie auch weithin dem Inhalt der Gesetzesvorlage meiner politischen Freunde Ihre Zustimmung nicht versagen wollen. Aber der Vergleich, den Sie anläßlich der Erörterung dieser beiden Punkte hier zwischen dem „Dritten Reich" und der Bundesrepublik gerade im Hinblick auf die deutsche Jugend gezogen haben, ist doch in jeder Weise schief. Wir wissen, daß es der Bundesrepublik, die ja nur ein Teil Deutschlands ist — das bitte ich zu berücksichtigen; die Wiedervereinigung Deutschlands ist ja noch nicht Wirklichkeit geworden —, bisher nicht gelungen ist, die Jugend schwärmerisch an sich heranzuziehen und sie geradezu für die Ideale der Demokratie und des parlamentarischen Regierungssystems zu begeistern. Sie haben demgegenüber festgestellt, daß die Jugend damals weithin Ideale gehabt habe. Ich frage Sie: Waren denn das wirklich Ideale? Was die Jugend damals sah, das war ein System von Verbrechern. das uns dazu gebracht hat, daß wir uns heute mit diesen Gesetzesvorlagen und dem Bericht des Rechtsausschusses befassen müssen. Wir müssen uns doch nachträglich davon absetzen, daß diese Jugend überhaupt etwas Derartiges als Ideal haben konnte! Herr Kollege Ewers, auch wir sprechen die Jugend in keiner Weise schuldig, sondern sagen, daß sie weitgehend unschuldig war, daß es ihr vielleicht damals weithin nicht möglich war, anders zu sehen. Aber wir haben auch die Pflicht, der Jugend von heute zu sagen, was Wahrheit war und was heute Wahrheit ist. Unter diesem Gesichtspunkt kann man doch nicht zu der Auffassung kommen, daß die heute Dissentierenden zu Staatsfeinden werden — wenn man es auf den Gegensatz zwischen dem, was Sie „Drittes Reich" nannten, und der Bundesrepublik abstellt.
    Auch die Argumentation ist falsch, wenn Sie sagen, daß Sie unsere Gesetzesvorlage nicht akzeptieren können, weil darin jeder Widerstand zu einer rechtmäßigen Handlung erklärt wird. Sie dürfen doch diesen Widerstand nur aus der damaligen und nicht aus der heutig en Schau sehen. Ich gebe Ihnen darin vollkommen recht, daß es einem schwer fällt, jemandem zuzuerkennen, er habe damals Widerstand geleistet, der heute zum Widerstand herausfordert, wie es in den Gebieten jenseits des Eisernen Vorhangs der Fall ist. Lassen Sie uns das im Rechtsausschuß miteinander besprechen, und da Sie Jurist sind und ich Jurist bin, werden wir vielleicht nach dem Grundsatz der compensatio lucri cum damno etwas weiterkommen, Herr Kollege Ewers. Aber das ändert an dem Grundsatz, daß jeder Widerstand gegen das nationalsozialistische System rechtmäßig war, nichts.

    (Abg. Ewers: Das sagen wir auch! Das ist nur kein Verdienst!)

    Herr Kollege Schneider, einige Worte zu Ihren Ausführungen. Wenn Sie das, was wir mit unserer Gesetzesvorlage verlangen, als Vollentschädigung bezeichnen, dann haben die 131er mehr bekommen, als sie überhaupt zu beanspruchen gehabt hätten. Denn diese Sonderregelung, die wir allerdings für die vom Nationalsozialismus Geschädigten in einzelnen Fällen vorsehen, bleibt nicht nur soweit hinter dem tatsächlichen Schaden zurück, daß es sich heute praktisch oft nicht mehr um eine Entschädigung, um eine Wiedergutmachung handelt, sondern sie bleibt weit hinter dem zurück, was der Deutsche Bundestag auf anderen Gebieten getan hat. Ich erinnere in diesem Zusammenhang ausdrücklich an das Gesetz zur Ausführung des Art. 131 des Grundgesetzes. Da waren Sie nicht so sorgsam darauf bedacht, daß auch nicht zuviel gezahlt würde. Herr Kollege Wuermeling, Sie meinen — Kollege Wuermeling ist leider nicht da —, daß hier schon eine Schuld von 7 Milliarden DM anzunehmen sei, die den Haushalt der Bundesrepublik belaste. Ich muß Ihnen erwidern, daß diese Art der Argumentation uns zwingt, Sie zu fragen, ob Sie etwa auch die Lasten, die die Bundesrepublik für ihre Beamten und Pensionäre zu tragen hat, als Schulden ansehen, die so zu behandeln sind, wie Sie das in diesem Falle wünschen. Ich glaube, daß Sie uns auf dem Wege wohl nicht recht folgen können, aber eigentlich folgen müssen, wenn Ihre Ausführungen über 7 Milliarden DM Schulden der Bundesrepublik ernst genommen werden sollen.
    Die Aufforderung, Herr Kollege Schneider, diese Gesetzesvorlage nicht nur an den Rechtsausschuß, sondern auch an den Ausschuß für Geld und Kredit zu überweisen, ist schon nach dem Wesensgehalt dieses Gesetzes unmöglich. Ich sage Ihnen ausdrücklich: meine Freunde und ich sind der Auffassung, daß die Beträge, die auf Grund dieses Gesetzes gezahlt werden müssen, unter allen Umständen mit Vorrang vor allen anderen Ausgaben in den Bundeshaushalt einzustellen sind

    (Sehr wahr! bei der SPD)



    (Dr. Greve)

    und daß es völlig überflüssig ist, irgendeinen Ausschuß, der sich mit Finanzen oder Krediten oder Geld zu befassen hat, damit zu beschäftigen. Bei der ordnungsgemäßen Beratung des deutschen Bundeshaushalts im Haushaltsausschuß mag auch über diesen Posten gesprochen werden wie über jeden anderen. Für die Fragen des Entschädigungsgesetzes sollte ausschließlich der Rechtsausschuß zuständig sein.
    Zum Abschluß meiner Ausführungen darf ich noch auf eins hinweisen. Ich vermag mich nicht ausschließlich auf den Standpunkt zu stellen, der vom Kollegen Weber vertreten worden ist, daß der Härteausgleich so gehandhabt wird, wie es vorgesehen ist, auch unter Berücksichtigung der Ziffer E. Es ist nicht notwendig, hier einzelne Ausführungen zu machen. Das ergibt sich aus dem, was ich Ihnen bereits im Hinblick auf den Vorrang der Berechtigten gegenüber den Verpflichteten im Konfliktsfalle vorgetragen habe. Aber auf eines möchte ich den Herrn Bundesfinanzminister aufmerksam machen, damit er möglicherweise auch die Herren Länderfinanzminister darauf hinweist. Das ist in der Öffentlichkeit nicht genügend bekannt, und im allgemeinen wissen es nur diejenigen, die als Praktiker mit diesen Dingen in Berührung kommen. Wenn sich z. B. jemand als Verpflichteter mit dem Berechtigten heute im Vergleichswege auf einen bestimmten Betrag einigt, dann glauben Sie nicht, meine verehrten Damen und Herren, daß der Verpflichtete das nun auch wirklich aus seinem Vermögen bezahlt! Nein, das bezahlen wir alle! Die Oberfinanzdirektionen haben nämlich in diesen Fällen das getan, was ein guter Steuereinnehmer eigentlich nicht zu tun pflegt. Im ersten Jahr können in erheblichem Umfange von den Beträgen, die die Verpflichteten an den Berechtigten zahlen, 30 % steuerlich abgesetzt werden und in den nächsten sieben Jahren je 10 %, so daß also die wesentliche Summe nicht aus dem Vermögen der Verpflichteten selbst, das sie an sich rückerstatten sollten, gezahlt wird, sondern über den Steuerhaushalt aus den Taschen der Steuerzahler entnommen wird. Wie lange noch, Herr Bundesfinanzminister, frage ich Sie, soll diese Handhabung der Oberfinanzdirektionen aufrechterhalten werden? Halten Sie es nicht für angebracht, daß in den Fällen, in denen wirklich auch restitutionsverpflichtetes Vermögen vorhanden ist, dieses restitutionsverpflichtete Vermögen selbst in Anspruch genommen und nicht der Steuerzahler zur Abdeckung der Restitutionsverpflichtungen herangezogen wird? Ich glaube, daß wir bei der Beratung des Gesetzes, das uns möglicherweise vorgelegt wird, auf diesen Punkt sehr genau eingehen müssen.
    Zum Schluß, meine verehrten Anwesenden, möchte ich Ihnen sagen, daß ich Ausführungen zu dem Gesetz, das meine Fraktion vorgelegt hat, nicht zu machen habe.
    Was die Restitution betrifft, die wir insbesondere gegenüber den durch den Nationalsozialismus geschädigten Juden zu leisten haben, so, glaube ich, hat mein Freund Arndt Worte gefunden, denen ich nicht viel hinzuzusetzen brauche. Ich glaube aber, daß es richtig ist, die Vertretung der Bundesrepublik an ein Wort zu erinnern, das der insbesondere den Juristen nicht unbekannte Max Hachenburg in seinem achten oder neunten Lebensjahrzehnt gerade im Hinblick auf die Restitution gesprochen hat. Er sagt: „Das Gewissen des Volkes spricht durch den Mund seiner Vertreter." Wir sind die Vertreter, die hier das Gewissen des Volkes sprechen lassen müssen. Auch dafür gilt, was
    Hachenburg in einem weiteren Satz sagte: daß uns als Gewissenspflicht die „Reue über das Vorgefallene gestellt ist und sich aus ihr das Bestreben nach Wiedergutmachung natürlich ergeben sollte."

    (Beifall bei der SPD.)



Rede von Dr. Hermann Ehlers
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Das Wort hat der Abgeordnete von Thadden.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Adolf von Thadden


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (Fraktionslos)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (DRP)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte nur einige wenige Bemerkungen zu dem Bericht des Ausschusses und dem Antrag der SPD machen.
    Ich halte es für notwendig, wie der Kollege Ewers gesagt hat, den § 4 des sozialdemokratischen Entwurfes, der j a bereits das große Mißfallen des Vertreters der KP erregt hat, doch noch präzise dahingehend zu erweitern, daß diejenigen, deren ganzer Widerstand darin bestand, daß sie ein totalitäres Regime durch ein totalitäres Regime anderer Prägung ersetzen wollten, nicht als Widerstandskämpfer anerkannt werden. Ich glaube, daß man nicht — wie es Kollege Greve eben tat — von einer „damaligen Schau" und von einer „heutigen Schau" sprechen kann. Irgendwelche durchlaufende Maximen sollte es wohl geben.
    Dann noch ein weiteres Wort. Herr Kollege Greve hat eben gesagt, der Grundsatz müsse bleiben: „Jeder Widerstand war rechtmäßig". Zunächst einmal begrüße ich den Änderungsvorschlag der Fraktion der DP, den Herr Ewers eben vorgebracht hat. Aber lassen Sie mich ein Beispiel anführen. Wie wäre es in folgendem Falle? Ich habe vor einigen Tagen die Inhaltsangabe mit Bildern eines amerikanischen Filmes gesehen, worin es darum geht, daß ein Deutscher, nachdem er als Soldat gefangen geriet, von den Alliierten — in diesem Falle den westlichen Alliierten — in Deutschland zur Spionage eingesetzt wurde. Dieser Mann hat sich dann, wie aus dem Film hervorgeht, mit innerer Überzeugung für diese Sache verwendet. Er wurde in Ausführung seines ihm gegebenen Auftrags, den er aber auch mit einer inneren Berufung ausführen zu müssen glaubte, geschnappt, zum Tode verurteilt und hingerichtet. Was wäre im Sinne dieser Anträge z. B. mit den Angehörigen dieses Mannes? Hätten die Angehörigen dieses Mannes einen Anspruch auf Leistungen im Sinne dieses Gesetzes? Ich glaube, um hier einen ganz konkreten Einzelfall anzuführen, der immerhin denkbar ist, — — -

    (Abg. Dr. Arndt: Wir machen ja keine Gesetze für amerikanische Filme! — Abg. Sabel: Sehr richtig! — Weitere Zurufe links und von der Mitte.)

    — Herr Kollege Dr. Arndt, dieser Einwand: „Wir machen keine Gesetze für amerikanische Filme", war ungemein töricht;

    (erneute Zurufe links — Abg. Sabel: Das finde ich überflüssig, was Sie da erzählen!)

    (Abg. Dr. Arndt: Selbst bei größter Bemühung würde es mir nicht gelingen,
    törichter zu sein als Sie!)


    (von Thadden)

    — Das ist eine Ansichtssache, Herr Dr. Arndt!

    (Abg. Mellies: Und außerdem sollten Sie Ihre Stellungnahme deutlicher aussprechen!)

    Ich möchte hoffen, daß der Antrag, wie es bereits
    Herr Dr. Schneider beantragt hat, auch an den
    Ausschuß für Geld und Kredit überwiesen wird.
    In der Fragestunde der nächsten Woche werde ich mit einer Frage auf dieses Thema zurückkommen und die Bundesregierung fragen, um was für Ziffern es sich handelt. Wenn von Rückerstattungssummen von über 30 Milliarden Mark in Publikationen des Review Boards der britischen Zone gesprochen wird, dann bedeutet das doch, daß es sich um Ziffern handelt — sie sind in ähnlicher Höhe außerdem durch Feststellungen des hessischen und des bayerischen Finanzministeriums, allerdings schätzungsweise, ermittelt worden —, die uns doch erhebliche Bedenken machen sollten. Ich glaube deswegen, daß eine Verweisung dieser Anträge, so wie es eben Herr Dr. Schneider beantragt hat, auch an diesen Ausschuß gut und richtig wäre. Ich hoffe auch, daß die Festlegung, wer nun wirklich anspruchsberechtigt wird, doch etwas gründlicher vorgenommen wird, als das in den beiden Entwürfen der Fall ist.

    (Vizepräsident Dr. Schäfer übernimmt den Vorsitz.)