Rede von
Dr.
Franz Josef
Strauß
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Ihnen von der Bundesregierung vorgelegte Entwurf eines Gesetzes über das gerichtliche Verfahren bei Freiheitsentziehungen ist nicht nur wegen seines Inhalts als solchen bedeutsam, sondern insbesondere auch deswegen, weil es sich bei diesem Gesetzentwurf um ein Ausführungsgesetz zum Grundrechtsteil unserer Verfassung handelt. Art. 2 Abs. 2 des Grundgesetzes besagt, daß die Freiheit der Person unverletzlich ist. Bei den Beratungen dieses Artikels im Parlamentarischen Rat hat man sich bemüht, die Wirksamkeit dieses Artikels durch ergänzende Bestimmungen zu untermauern, hat es dann aber dem Teil unseres Grundgesetzes über die Rechtsprechung überlassen, die entsprechenden Vorschriften vorzusehen. Sie haben ihren Niederschlag in den Vorschriften des Art. 104 unseres Grundgesetzes gefunden, den ich selbst als Mitglied des Rechtspflegeausschusses des Parlamentarischen Rates vor nahezu drei Jahren formuliert habe.
Die Vorschriften des Art. 104 befinden sich zwar nicht im eigentlichen Grundrechtsteil. Es herrscht aber allgemeine Übereinstimmung darüber, daß Art. 104 eine Grundrechtsnorm darstellt. Er ist mitunter als die deutsche Magna Charta bezeichnet worden. Er stellt jedenfalls den Habeas-corpus- Artikel unserer Verfassung dar. Er ist ferner unmittelbar anwendbares Recht. Er ist anwendbar geworden mit dem Inkrafttreten des Grundgesetzes. Dennoch sind ausführende Bestimmungen notwendig. Art. 104 Abs. 2 sieht daher selbst vor, daß die nähere Regelung hinsichtlich der Freiheitsentziehung einem einfachen Bundesgesetz vorbehalten bleibt.
Art. 104 befaßt sich nicht nur mit den eigentlichen Freiheitsentziehungen, sondern auch mit den Freiheitsbeschränkungen. Sein Abs. 1 enthält den Oberbegriff der Freiheitsbeschränkungen, während die Absätze 2 bis 4 sich mit den eigentlichen schwerwiegenderen Freiheitsentziehungen bef assen. Für diese Freiheitsentziehungen soll nach den Vorschriften des Grundgesetzes ein Ausführungsgesetz ergehen.
Das Ihnen vorgelegte Gesetz begnügt sich auch aus diesem Grunde damit, das gerichtliche Verfahren für Freiheitsentziehungen — für die eigentlichen Freiheitsentziehungen — zu regeln. Sondervorschriften für Freiheitsbeschränkungen, also für die losere Form, sind nicht in Aussicht genommen. Auch hierüber haben im Rechtspflegeausschuß des Parlamentarischen Rates eingehende Erörterungen stattgefunden, und es wurde auf gewisse Bedenken hingewiesen, die hinsichtlich einer zu vorzeitigen Kontrolle der Freiheitsbeschränkungen bestehen. Das Grundgesetz schreibt daher die richterliche Anordnung nur bei den eigentlichen Freiheitsentziehungen vor.
Der Entwurf ist auch deswegen notwendig, weil durch das Inkrafttreten des Grundgesetzes in mehr Fällen als bisher eine richterliche Anordnung bei Freiheitsentziehungen erforderlich wurde. Der Entwurf zählt die Fälle im einzelnen auf, bei denen eine derartige richterliche Entscheidung notwendig ist. Es bedarf keiner Regelung für die Fälle, bei denen eine mit Art. 104 in Einklang stehende gesetzliche Regelung aus früherem Recht bereits vorhanden ist. Zuständig sind die ordentlichen Gerichte, die auf Antrag tätig werden und die Freiheitsentziehung selbst anordnen, nicht etwa nur nachprüfen, ob ein Verwaltungsakt, der eine Freiheitsentziehung vornimmt, sich im Rahmen der Gesetze hält.
Als Verfahren wird das Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit vorgeschlagen. Zuständig im Einzelfall soll das Amtsgericht des Aufenthaltsorts sein. Dem Betroffenen, dem ein weitgehendes Anhörungsrecht gesichert wird, ist die sofortige Beschwerde gegen die Entscheidung des Amts- Berichts gegeben. Es ist sichergestellt, daß, wenn eine Entscheidung eine Freiheitsentziehung anordnet, sie fortlaufend überprüft wird, daß sie nicht mit unbeschränkter Frist ergeht, und endlich ist im Gesetz auch ausdrücklich vorgesehen, daß in notwendigen Fällen das Gericht gezwungen ist, ärztliche Sachverständige beizuziehen.
Ich darf bitten, daß das Hohe Haus den Gesetzentwurf den für die Bearbeitung zuständigen Ausschüssen überweist. '