Rede von
Heinrich
Imig
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte zunächst einige Worte an die Adresse des Herrn Bundesarbeitsministers richten, der einmal dartut, wie wesentlich es gewesen wäre, wenn man hier in irgendeiner Form zu irgendeiner Arbeitsgemeinschaft geschritten wäre, und auf der andern Seite nichts Besseres zu tun weiß, als alles zu zertöppern, was irgendwie dazu führen könnte.
Es fehlte in seinen Äußerungen nur noch, daß er die SPD beschuldigt hätte, die NSDAP aufgezogen zu haben!
— Aber, meine Damen und Herren von der Rechten, nun werden Sie doch nicht immer gleich wild,
wenn Sie einen Gewerkschaftler hier stehen sehen!
Herr Kollege Schröder, Sie haben sich so sehr dagegen gewehrt, daß mein Parteifreund Ollenhauer gesagt hat, der vorliegende Gesetzentwurf sei ein Produkt dieser Koalition — ich will's auf einen Nenner bringen —, in dem nicht nur die innen-. sondern auch 'die außenpolitischen Verhältnisse einen Ausdruck gefunden hätten.
Sehen Sie, meine Damen und Herren, wie wäre es denn sonst überhaupt zu verstehen, daß so mancher Abgeordnete dieses Hohen Hauses seine Meinung hat ändern müssen, und nicht nur so mancher Abgeordnete dieses Hohen Hauses? Ich könnte auch den Herrn Bundeskanzler selbst, auch den Herrn Vizekanzler und auch den Herrn Bundesminister Kaiser benennen. Ich erkenne die Bemühungen des Herrn Bundesminister Kaiser, die er sich gegeben hat, um hier zu einem Ausgleich zu kommen, ohne weiteres an. Dafür sprechen wir unsere Anerkennung aus.
— Ihre Äußerungen zeigen doch, wie weit Sie schon abgesunken sind.
Ich weiß auch, daß er eine sehr weitgehende Erkenntnis hatte, indem er einmal zum Ausdruck gebracht hatte, die Christlich-Demokratische Union wird eine Partei wirklichen sozialen Fortschrittes sein,
oder sie wird nicht sein.
Aber wenn sie das ist, dann können Sie das heute in die Praxis umsetzen.
Die Forderung der Gewerkschaften auf Mitbestimmung ist doch nicht neu. Sie besteht doch schon
seit Jahrzehnten. Dann muß es doch geradezu auffallen und uns nicht nur mit Erstaunen erfüllen,
sondern auch das Mißtrauen bei uns wecken,
warum das Betriebsverfassungsgesetz gerade jetzt
in drei oder vier Tagen verabschiedet werden muß.
Herr Dr. S c h r ö d er hat es damit begründet, daß
den Arbeitern endlich die Vorteile dieses Gesetzes gewährt werden müßten; mein Kollege Ollenhauer hat auch schon darauf hingewiesen. Herr Dr. Schröder, haben Sie dann eine Erklärung dafür, warum Hunderttausende von Arbeitern gegen die „Vorteile" in dieser Form protestiert haben?
— Augenblick, Herr Doktor, ich komme ja schon darauf. Sie können mir sagen, 'daß die im DGB organisierten Arbeiter nur einen Teil der gesamten Arbeiterschaft vertreten. Das stimmt, Herr Kollege.
Aber sie sind der Teil, der erkannt hat, daß nur
auf Grund von Kenntnissen und Macht erlassene
Gesetze in Anspruch genommen und zur Durchführung gebracht werden können. 'Sie wissen sehr
genau, wie ein Gesetz aussehen muß, wenn es
seinen Zweck erfüllen soll; denn wir wissen, daß
auch das 'beste Gesetz den Arbeitnehmern nichts
nützt, wenn sie nicht über die notwendigen Kenntnisse verfügten, 'dieses Gesetz auch durchzuführen.
Sie fußen dann darauf, die Leute kennen ja 'dieses Gesetz gar nicht. Herr Dr. Schröder, erkundigen Sie sich bei jedem Funktionär der IG-Bergbau, er hat 'das Gesetz — —
— Ja, mein Gott, Ihre ganzen Äußerungen zeigen doch, daß Sie von dem Aufbau und der Organisation einer Gewerkschaft überhaupt nichts verstehen.
Warum wird um dieses Gesetz so erbittert gekämpft? Weil 'die 'Gewerkschaften Macht ausüben wollen?
Es geht bei diesem Gesetz gar nicht um die Macht der Gewerkschaften,
es geht ja nicht einmal um die Gewerkschaften selbst, sondern hier geht es um die sozialen Belange der deutschen Arbeitnehmer und damit des deutschen Volkes.
Wenn die Gewerkschaften nur Macht ausüben wollten, dann wäre es nicht mehr um 'das Betriebsverfassungsgesetz gegangen. Von Machtgelüsten kann doch nur derjenige reden, 'der in diesen Ideengängen befangen ist und der 'darauf erpicht ist, Macht auszuüben.
Revidieren Sie sich! Finden Sie sich doch damit ab, daß es den Gewerkschaften gar nicht mehr möglich sein wird, sich nur auf ;die Gestaltung der Lohn- und Arbeitsbedingungen 'zu beschränken! Ob die Gewerkschaften wollen oder nicht, sie werden gezwungen sein, ihre Tätigkeit und ihren Einfluß auf die Faktoren auszuüben, von denen Lohn- und Arbeitsbedingungen abhängig sind.
Es kann keine Lohnpolitik ohne Einfluß auf die Preisgestaltung geben. Beide Vorgänge in eine vernünftige Relation zu bringen, wird und muß Aufgabe 'der Gewerkschaften sein. Was nützen die besten Arbeitsbedingungen, wenn die Menschen
arbeitslos sind! Glauben Sie, das damit beheben zu können, daß Sie idem Betriebsrat die Mitbestimmung geben, wenn das Werk vor dem Bankerott steht? Damit wollen Sie ihn doch nur für Verhältnisse verantwortlich machen, auf deren Entstehung er überhaupt keinen Einfluß gehabt hat.
Wenn der Betriebsrat unter Berücksichtigung dieser wirtschaftlichen Probleme ,mitbestimmen und mitverantworten soll, 'dann können Sie seine Rechte und Pflichten nur unter diesen weitgehenden Gesichtspunkten betrachten, dann können Sie aber auch nur ein Gesetz verabschieden, das ihm volle Gleichberechtigung gibt. Ich will hier nicht auf die Gleichstellung von Kapital und Arbeit eingehen. Darüber ist genug geredet worden. Es gilt heute, alle diese -schönen Worte in die Tat umzusetzen. Es geht darum, dem arbeitenden Menschen die Gewißheit zu verschaffen, daß er einen gerechten Anteil am Sozialprodukt erhält und daß seine Existenz gesichert ist.
Sehen Sie, Herr Kollege Even, von diesem Gesichtspunkt aus unterscheiden wir uns schon im wesentlichen 'in der Zielsetzung. Aber die Gewerkschatten haben auch einen anderen Grund. In Deutschland ist jahrzehntelang von seinenBurgern um die politisch-demokratischen Rechte gerungen worden. sie mußten errungen werden, um Staat und Volk 'zu sichern. Was es bedeutete, wenn sie beseitigt wurden, das haben war am eigenen Leibe erlebt. the Vergangenheit hat uns gelehrt, daß die Erhaltung der politisch-demokratiscnen Rechte nicht gewahrleistet ist, wenn sie auf der wirtschaftlichen Ebene keine Untermauerung finden.
Der größte Teil der Mitglieder dieses Hauses hat die Zelt von 1918 bis 1945 mitgemacht. Man hat über die Anlange der NSDAP damals vielleicht genau so mitleidig gelächelt, wie es heute manch einer hier in diesem Hohen Hause auch tun wird, aber sie ist zu einer unheilvollen Macht geworden, die Deutschland in das tiefste Elend gestürzt hat. Und wie ist es dazu gekommen? Indem man Methoden verwandte, die das gesamte öffentliche Leben, ob Personen oder Institutionen, diffamierten, verleumdeten und beschmutzten. Die Geldaufwendungen für den Aufzug dieser Partei kamen nicht aus den Reihen ihrer Mitglieder. Sie ist gefördert und begünstigt worden, und die Partei ist zu einer Macht geworden, die Deutschland an den Rand ides Abgrundes gebracht hatte. Als ihr unheilvoller Einfluß erkannt wurde, konnte man die Geister nicht mehr loswerden. Glauben Sie, daß das hätte geschehen können, wenn man schon zu dieser Zeit über ein ausreichendes und weitgehendes Mitbestimmungsrecht in der Wirtschaft verfügt hätte?
Die Arbeiter selbst hätten diesem Spuk sehr bald ein Ende gesetzt; aber so 'waren ihnen die Hände gebunden.
Wir fordern das Mitbestimmungsrecht, weil wir uns nicht noch einmal in die Gefahr begeben wollen,, daß ;die Werte, die der Arbeiter schafft, dazu benutzt werden, seine Kerkeraufseher wieder großzuziehen.
Sie können mir nicht sagen, daß diese Gefahr heute
nicht besteht. Ich wünschte nur, Sie hätten recht.
Heute werden teilweise schon wieder dieselben
Wege beschritten, die zur Katastrophe von 1945
geführt haben. Das geht über Schwarz-Weiß-Rot, über geschickt lancierte Pressemeldungen, die Stimmungen erzeugen sollen, die man glaubt vorbereiten zu müssen;
Der DGB wird diesen Schritt auch tun.
Eines hat sich in aller Deutlichkeit gezeigt. Bisher hat nur eine Fraktion dieses Hohen Hauses geschlossen für die Forderungen ides Deutschen 'Gewerkschaftsbundes gekämpft, 'und 'das ist die SPD.
Sie mögen darin nun wieder eine Verbindung zwischen SPD und DGB sehen, aber — —
— Herr Kollege Sabel, die SPD wird immer auf der Seite derjenigen stehen,
die sich im Kampf befinden um Volk und Staat, um eine gerechte Sozialordnung!