Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Erlauben Sie mir, daß ich, meiner Gewohnheit gemäß, ohne Schlagworte zu gebrauchen, zu der Angelegenheit Stellung nehme und etwas mehr als manche meiner Vorredner auf die Sache eingehe.
Ich bin der Meinung, daß Schlagworte nicht nur dann Ladenhüter sind, Herr Kollege Ollenhauer, wenn der alte Seemann Walter, den nichts erschüttern kann, sie gebraucht,
sondern daß es nicht anders ist, wenn Sie uns hier eine ganze Ahnenreihe von Schlagworten vorführen.
Sie sind verstaubt — ich meine die Schlagworte —
und sie sind leicht verschmutzt und sie sind nur dann von Bedeutung, wenn sie geeignet sind, in einen neuen Büchmann „Geflügelte Worte" überzugehen; und ich glaube nicht, daß vieles von dem, was Sie gesagt haben, dazu geeignet ist. Machen Sie dem Verlag oder dem seligen Büchmann ein Angebot! Sie werden ein schlechtes Geschäft machen.
Diese Aneinanderreihung von Schlagworten hat aber die Reihe der Enttäuschungen fortgesetzt, die ich in den letzten Wochen erlebt habe.
Ich sage ganz offen, daß meine größte Enttäuschung darin bestanden hat, daß ich als einer des sogenannten Achter-Ausschusses es erleben mußte, daß in einmal vier und einmal acht, zusammen zwölf Stunden über den Gegenstand des Betriebsverfassungsgesetzes auch nicht ein einziges Wort verloren wurde,
sondern daß ausschließlich über das Personalvertretungsgesetz und eine Koppelung gesprochen wurde, obwohl die verehrten Gesprächspartner ganz genau wußten, daß dieses Gesetz überhaupt noch nicht das Parlament, sondern nur den Bundesrat beschäftigt hat. Sie haben allen Anlaß, zu glauben, daß auch wir uns mit diesem Personalvertretungsgesetz noch sehr intensiv und nicht in jedem Punkte zustimmend beschäftigen werden.
Die Entwicklung in der zweiten Lesung war nicht befriedigend. Es ist auch vorher schon viel gesagt worden. Von uns ist sehr wenig gesagt worden, und es würde mich keine Mühe kosten, nun alles mögliche in dieser Beziehung nachzuholen. Ich glaube aber nicht, daß Sie dadurch bereichert würden.
Wie in solchen Dingen immer, ist dann irgendwann in unseren Beratungen der Moment gekommen, in dem man sagen mußte: Der Worte sind genug gewechselt!
Es ist dann aber die Frage gestellt worden: Ist es überhaupt richtig, daß man Taten sehen will? Ich gebe Ihnen zu, daß die Entwicklung, die die Materie des Betriebsverfassungsgesetzes in der Zeit
nach dem Zusammenbruch genommen hat, nicht geradezu danach schreit, daß im Juli 1952 ein neues Gesetz gemacht wird. Denn es haben sich bisher nicht alle Hoffnungen, die an die Ländergesetze geknüpft wurden, erfüllt. Es haben sich auch nicht alle Prophezeiungen über schlechte Auswirkungen dieser Gesetze, sagen wir des hessischen Gesetzes, erfüllt. Aber warum ist 'das so? Das ist so, meine Damen und Herren, weil diese Gesetze ja erst seit ganz kurzer Zeit in Kraft sind und weil sie sich überhaupt erst seit der Währungsreform auswirken konnten. Es hat sich, auch bei den Gegnern der Adenauer-Regierung herumgesprochen, daß wir, von ganz kleinen Einbrüchen abgesehen, seit der Währungsreform eine unentwegte Wirtschaftsbelebung gehabt haben. Es ist auch kein Geheimnis — selbst wer von diesen Dingen nur wenig versteht, wird das wissen —, daß in Zeiten einer aufsteigenden Wirtschaft die Gelegenheit für Meinungsverschiedenheiten und Streitigkeiten über das Gebiet des Betriebsverfassungsgesetzes nicht gerade gegeben ist.
Aber ,ich meine, dieser Gesetzgeber, also wir, kann so bequem nicht argumentieren. Nach meiner Auffassung muß die Frage, ob es sich hier um eine von der Republik einheitlich zu regelnde Angelegenheit handelt, unbedingt bejaht werden. Daher müssen wir uns zum Erlaß eines Gesetzes entschließen.
Ich tue, glaube ich, auch niemandem unrecht, wenn ich sage, daß diese Frage, ob man ein neues Gesetz schaffen soll oder nicht, erst in dem Augenblick aufgekommen ist, in dem man sich vor außerordentlichen Schwierigkeiten bezüglich des Inhalts des Gesetzes sah, und ich finde, daß diese Zurückhaltung ein wenig auf den besseren Teil der Tapferkeit zurückgeht.
Ich bitte Sie, auch zu bedenken, meine Damen und Herren, daß wir eine Tradition haben. Wir haben schon vor mehr als 30 Jahren ein Reichsgesetz erlassen. Ich zweifle nicht, daß dieses Gesetz der inzwischen eingetretenen wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung nicht mehr in allen Punkten entspricht. Das ist nicht verwunderlich. Wer sich, wie wir Älteren, einen Überblick über diese 30 Jahre verschaffen kann, weiß, welches Geschehen, welches zum Teil fürchterliche Geschehen diese 30 Jahre umschließen; der weiß auch, daß die Reaktion auf dieses Geschehen und die Folgen dieses Geschehens auch in einem Betriebsverfassungsgesetz beachtet werden müssen.
Ganz nebenbei: eine ganz andere Frage ist es, ob Deutschland richtig gehandelt hat, daß es als erstes Land der Welt ein Betriebsrätegesetz erlassen hat.
Ich bin dieser Meinung, wenn ich auch glaube, daß bei den Motiven ein wenig unser manchmal schädlicher Hang mitgespielt hat, möglichst alles in Gesetze zu fassen. Die sozialpolitische Organisation. also die Betriebsverfassung, ist schwer in Paragraphen zu fassen, und man sollte sich davor hüten, sie in spanische Stiefel einzuschnüren. Vor allen Dingen sollte man sich davor hüten, bei jeder Gelegenheit irgendwelche unwiderlegbaren Dogmen durchscheinen oder -schimmern zu lassen. Das ist aber geschehen. Wir haben das Gesetz von 1920 gemacht, und wir müssen es fortsetzen und erweitern; das habe ich schon gesagt. Aber wir sollten uns doch davor hüten, nun allzu minutiös zu sein. Was wurden nicht alles für Eventualitäten im Einzelfall in den Ausschüssen erörtert und was
hat nicht alles dann seinen Niederschlag gefunden in Gesetzesbestimmungen! Ich habe mich dabei öfter gefragt — übrigens nicht ich allein —, ob man des Guten nicht zuviel getan hat. Sie werden vielleicht sagen: Des Guten kann man nie zuviel tun. Ich glaube aber, es hätte Fälle gegeben und gibt sie auch heute noch, in denen es besser wäre, die Regelung mancher Einzelfragen den Sozialpartnern in eigener Zuständigkeit zu überlassen. Diese Sozialpartner bestehen ja doch nach unser aller Meinung überwiegend aus verständigen Leuten. Warum sollte man denen nicht langsam etwas mehr zutrauen, warum sollte man in einem Maße, wie wir es im Begriff sind zu tun, Vorsehung spielen? Ich halte es für ein gesundes Ziel der Zukunft, Sorge zu tragen, daß ein solches Gesetz in gewissen Teilen überflüssig wird, weil seine Bestimmungen selbstverständlich sind.
Wir haben in den Aktionen der letzten Wochen manche Behauptungen gehört, die das Gegenteil aussagen. Sie sind für mich nicht beweiskräftig; sie sind für meine Begriffe vielmehr ein Zeichen übersteigerter Regie, ohne die Aktionen auf dem Erdball anscheinend nicht gestartet werden können. Am Ende — ja, am Ende steht dann sehr leicht die Totalität; und was wir damit für Erfahrungen gemacht haben, das sollte auf keiner Seite dieses Hauses vergessen werden.
Ich habe mit einigen Bemerkungen, vielleicht zwischen den Zeilen, schon angedeutet, daß ich glaube, eine spätere Zeit — vielleicht dauert es gar nicht lange — wird bezeugen, daß es -einer Demokratie vom Schlage der Deutschen Bundesrepublik schlecht ansteht, daß es ein schlechter Stil ist, die nun aus dem Gedanken, den ich genannt habe, also aus dem Gedanken der Fortentwicklung des Betriebsrätegesetzes entstandenen Verhandlungen und Beratungen in Parlament und Ausschüssen von außen zu beeinflussen oder zu stören.
Ich betrachte es als ein erfreuliches Anerkenntnis dieser Auffassung und auch als Eingeständnis eines bis dahin leider schlechten Stils — aber das will ich gern vergessen! —, daß eine große und sehr beachtliche Körperschaft diese Aktionen eingestellt hat und mindestens zugesehen hat, wie die parlamentarischen Erörterungen sich in voller Freiheit abwickelten. Ich hoffe nicht, aus der Rede des Kollegen Ollenhauer annehmen zu müssen, daß diese Einsicht im Begriff ist, wieder verlassen zu werden.
Erlauben Sie mir, daß ich über den parlamentarischen Stil — nachdem ich schon über den Stil spreche — nichts sage. Gutes könnte ich nicht sagen, und daher schweigt des Sängers Höflichkeit.
Meine Damen und Herren, nur übergroße Toren können annehmen, daß ein Gesetz wie das, was wir verabschieden wollen, ohne Kompromisse zustande kommen kann.
Keiner kann mit dem Kopf durch die Wand.
Ich freue mich, feststellen zu können, daß nicht wenige solcher Kompromißlösungen auch, gefunden sind.
Es wären mehr möglich gewesen — zum Nutzen der deutschen Wirtschaft und darüber hinaus —, wenn nicht grundsätzliche Einstellungen das gehindert hätten. Sie werden es mir nicht übelnehmen, wenn ich glaube, daß diese Kompromisse durch einen grundsätzlichen „Herr-im-HauseStandpunkt" — mit dessen schlagwortartiger Darstellung uns die linkeste Seite dieses Hauses in den letzten Tagen allmählich schon gelangweilt hat —, wenn ich sage, daß diese Kompromisse durch einen starren Herr-im-Hause-Standpunkt verhindert worden sind; und es ist mir sehr unangenehm — aber man muß auch unangenehme Dinge sagen —, hinzufügen zu müssen, daß ich glaube, weitere Kompromisse sind verhindert worden durch eine Übersteigerung der Begriffe über die Aufgaben der Gewerkschaften. Ich habe oft in Ausschüssen und gelegentlich der Beratung des Kohle- und Eisengesetzes — kurz gesagt — auch hier ausgeführt, daß ich die Hauptaufgabe der Gewerkschaften nicht in der eines Vormunds sehe, eines Vormunds, dessen Begriff nicht das geringste Diskriminierende an sich hat, sondern aus dem Vierten Teil des Bürgerlichen Gesetzbuches stammt. Ich bin der Meinung, daß sich in der überwiegenden Mehrzahl der deutschen Betriebe inzwischen Männer und Frauen befinden, die es verstehen — und auch den richtigen Ton finden —, ihre eigenen Interessen und die ihrer Arbeitskameraden wahrzunehmen und durchzusetzen, und dabei die Interessen der Nährmutter, also des Betriebes selbst, nicht vergessen oder gar verletzen.
Wenn Sie, meine Herren von der SPD, das auch sehr oft bejaht haben, so haben Sie doch hinzugefügt, so weit sei es noch nicht überall, und daher müsse man überall mit den Gewerkschaften eingeschaltet bleiben. Das finde ich unlogisch. Wenn Sie gesagt haben: Wir wollen ja gar nicht Vormund spielen, und später ist das vielleicht auch nicht mehr nötig, so haben Sie in mir einen wirklich sehr gutgläubigen — das kann man ja natürlich nur von sich selbst aus beurteilen; erlauben Sie diese Überheblichkeit —, dann haben Sie einem sich für sehr gutgläubig haltenden Manne leider in den letzten Wochen diesen guten Glauben genommen, den Glauben nämlich, daß Sie später, wenn alle Betriebe, alle minderjährigen Kinder volljährig geworden sind, von Ihrer Vormundtätigkeit zurücktreten. Das wäre vielleicht auch mit den menschlichen Eigenschaften schwer in Einklang zu bringen; das gebe ich zu. Versicherungen, daß es anders kommt, nützen demgegenüber nicht viel.
Bleiben denn nicht, wenn Sie diese Vormundstelle — ich behalte diesen Ausdruck, nachdem ich ihn besonders erläutert habe, bei — nun nicht mehr einzunehmen brauchen, hinreichend Aufgaben für Ihre, für die gewerkschaftliche Organisation, die groß und nützlich ist? Bleibt nicht das große, den Gewerkschaften geradezu auf den Leib geschriebene Gebiet der Tarifverträge? Bleibt nicht die Unterrichtung und die Weiterbildung der ihnen anvertrauten Millionen oder derer, die sich ihnen anvertraut haben, auf den verschiedensten Gebieten? Meinetwegen brauchen Sie dafür das etwas in schlechten Geruch gekommene Wort Schulung. Bleibt nicht die große Aufgabe der Fürsorge? Bleiben nicht auch die kulturellen Aufgaben, denen sie sich zur allgemeinen Freude nicht nur ihrer Mitglieder in zunehmendem Maße widmen? Ich kann hier nicht alles aufzählen, aber nach meiner Überzeugung bleibt sehr vieles und ganz bestimmt genug.
Wenn Sie aber auf dem Wege fortfahren, den Sie — ich will jetzt nicht von Kleinigkeiten aus den ersten 50 Paragraphen des Betriebsverfassungsgesetzes sprechen; das würde der Bedeutung der dritten Lesung auch nicht entsprechen — z. B. hinsichtlich des verlangten Vorschlagsrechts der Gewerkschaften für die Vertretung der Arbeitnehmer im Betrieb beschritten haben, dann bekommt man einen unangenehmen Geschmack auf der Zunge, nicht weil man sich als Arbeitgeber — als solcher spreche ich nicht — nicht sicher fühlt, sondern weil man findet, Sie haben den Wunsch oder sogar das Ziel, den einzelnen Betrieb durch die Funktionäre der Gewerkschaften beeinflussen zu lassen; etwas deutlicher gesagt: den eigentlichen Ablauf des wirtschaftlichen Geschehens in einem solchen Betrieb, der doch wohl zum Nutzen der Wirtschaft sein Eigenleben hat und haben muß, durch die Funktionäre der Gewerkschaften beeinflussen zu lassen. Darum bemühen Sie sich, dieses Geschehen von Ihrer Zustimmung abhängig zu machen. Es sollte genügen — wenn ich von der Industrie sprechen darf —, den wirtschaftlichen Ablauf des Geschehens technisch, kaufmännisch hervorragenden Leuten anzuvertrauen. Heute spricht j e d e Vermutung dafür — heute! vielleicht vor 30 Jahren noch nicht —, daß diese Helfer der Betriebsführer diese Aufgaben zum Nutzen des einzelnen Arbeitnehmers wahrnehmen.
Nun gibt es aber schon heute darüber hinaus eine Fülle von Bestimmungen, die, wenn die Einsicht durch Bestimmungen schon erzwungen oder unterstrichen werden soll, sicherstellen, daß der Arbeiter in allen seinen Bedürfnissen gefördert wird: Er soll unterrichtet werden, er soll informiert werden, er soll gegen Unsinn, gegen Unverstand, gegen Schikane und — wenn Sie diese Reihe fortsetzen wollen — selbstverständlich auch gegen noch Schlechteres als das geschützt werden. Ich finde — wenn ich das in Parenthese bemerken darf —, daß jeder Arbeitgeber zu loben ist, der in dieser Beziehung nicht auf der Ochsentour daherreitet oder auf der ausgetretenen Straße geht, sondern der sich individuell und von mir aus auch von ganzem Herzen temperamentvoll bemüht, etwas auf die Eigenart seines Betriebes Zugeschnittenes zu leisten zum Wohle seiner Arbeiter.
Also, meine sehr verehrten Herren von den Gewerkschaften, ich halte keine Predigt, aber ich bin der Meinung, wir sollten doch das Bewußtsein der uns allen eigenen Unvollkommenheiten und Unzulänglichkeiten und — um mit Herrn Ollenhauer zu sprechen — der Fragwürdigkeit der menschlichen Gesellschaft nicht außer acht lassen. Wir sollen doch nicht glauben, daß eine noch so betriebsnahe Gewerkschaft das kann, was ein sozial und wirtschaftlich eingestellter Arbeitgeber in guter Verbundenheit mit seiner ebenso eingestellten Belegschaft — repräsentiert durch seinen Betriebsrat — erzielen und nach meiner Ansicht allein besser machen kann; und man soll im Leben nie Dinge machen, die andere besser machen können. Gewisse Schwierigkeiten gibt es j a für die Betriebsnähe einer Gewerkschaft. Auch ich würde mich als Funktionär sehr hart tun, in einem größeren Kreise diese Betriebsnähe wirklich zu erzielen. Das ist tatsächlich und sachlich schwierig.
Das ist keine Überheblichkeit auf der — von Ihnen aus gesehen! — anderen Seite; denn es ist ja nicht die andere Seite. Ich habe Ihnen j a ausdrücklich gesagt: m i t dem Betriebsrat. Und es ist auch kein Syndikalismus, vor dem manche Leute
Angst haben, sondern es ist die natürliche Lösung unserer Frage, mit der man nach meiner Ansicht niemandem zu nahe tritt.
Was geschieht nun aber über alles das, was, wie ich Ihnen dargelegt habe, schon heute im deutschen Wirtschaftsleben üblich ist, hinaus durch dieses Gesetz zusätzlich? Wenn auch das Wort „sozial" hier zu Tode geritten worden ist, so bin ich doch insofern in einer guten Lage, als ich von dem Kapitel des Gesetzes über die sozialen Angelegenheiten gar nicht zu sprechen brauche; denn über diese sozialen Dinge besteht ja Einigkeit. Man sollte das gelegentlich einmal erwähnen. Sie haben es in zweiter Lesung nicht erwähnt, und wir haben nicht gesprochen. Deswegen hole ich es in dieser Lesung nach: über den Abschnitt Soziale Angelegenheiten besteht Einigkeit zwischen der Regierungskoalition und der Opposition, und das ist schon etwas,
wenn man sachlich an die Dinge herangeht.
Darüber hinaus, d. h. in personellen und wirtschaftlichen Angelegenheiten, handelt es sich nun entscheidend — und hier greife ich einen Ausdruck auf, den wir in ganz anderem Zusammenhang hier gebraucht haben — um eine Mißbrauchsgesetzgebung; und das halte ich für richtig.
Wenn der schlechte oder der unfähige Arbeitgeber, den es auf dieser Welt immer geben wird, der aber bei uns zu der verschwindenden Minderheit gehört, in -Ausübung seiner Funktionen — um nun ein Beispiel aus dem personellen Mitbestimmungsrecht hier vorzubringen — Vetterleswirtschaft — ein bayerischer Ausdruck — treibt und diese Vettern für die Stellen, für die sie vorgesehen sind, offenbar ungeeignet sind, dann ist ein Fall des § 63 da, und dann soll dem allerdings entgegengetreten werden, und zwar durch das Gericht. Mehr können Sie nicht verlangen. Dieses Gericht soll end- gültig entscheiden, wer recht hat; also Mißbrauchs-gesetzgebung. Aber so weit zu gehen, wie es Ihr Änderungsantrag tut, nun jede Einstellung eines Arbeitnehmers in der Schwebe zu halten oder so lange unmöglich zu machen, bis sich herausgestellt hat, ob ein solcher ausgefallener — das war nur ein Beispiel mit der Vetternwirtschaft; es sind eine Menge anderer Beispiele da — und daher abzulehnender Gesichtspunkt vorliegt, das scheint uns erstens einmal ungemein unpraktisch zu sein und nach dem Grundsatz zu handeln: Warum einfach, wenn es kompliziert auch geht?
Es gibt aber außerdem eine Unsicherheit für den Arbeitnehmer, und ich möchte ihn davor bewahren; er verdient sie nicht. Denn wenn ich sage, daß die Arbeitgeber in der überwiegenden Mehrzahl verständig und einsichtig sind, dann gilt das in gleichem Maße von den Arbeitnehmern, wenigstens nach meiner Ansicht. Es war infolgedessen kein Trick und kein Schachzug, wenn von unseren Freunden, gerade von meinen Freunden, die Ansicht vertreten worden ist, daß auf dem Wege, den wir nun beschritten haben und zur Annahme empfehlen, dem sehr gesunden und förderungswürdigen Wunsch des Arbeitnehmers, mehr Geld zu verdienen, größere Aufgaben zu erfüllen, weiterzukommen — und das kann man sehr oft nur erreichen durch einen Arbeitsplatzwechsel —,
aus ganz klaren Gründen nachgekommen werden soll.
Wir haben für die Möglichkeit des Einspruchs eine Aufzählung der Tatbestände hergebracht, und bedanken sollte sich in erster Linie bei uns der Arbeitsrichter, der schließlich diese Dinge erledigen muß. Denn wie soll dieser arme Mann nach dem Gesichtspunkt oder der Tatbestandsbestimmung entscheiden, die Sie vorschlagen und die wörtlich aus dem hessischen Gesetz stammt, daß nämlich ein Einspruch möglich ist, wenn die Einstellung dem wohlverstandenen Interesse des Betriebes und der Arbeitnehmerschaft zuwiderläuft? Ich war auch einmal Jurist; ich stelle es mir sehr schwierig vor, das zu beurteilen.
Das ist also der Grund, meine Damen und Herren, diese Förderung des Aufstiegsstrebens unserer Arbeitnehmer, aus dem heraus wir — wenn ich mich so ausdrücken darf — umgekehrt vorgegangen sind,
als Sie es uns vorgeschlagen haben.
Ich kann bei der Kürze der mir zur Verfügung stehenden Zeit auf das wirtschaftliche Mitbestimmungsrecht, hinsichtlich dessen wir, Herr Imig, wie ich glaube, gar nicht so weit auseinander sind, nicht eingehen; denn dann kriegen Sie ja. was ich sehr gut verstehe, in gewissem Sinne kalte Füße. Auch hinsichtlich dieser Frage glauben wir, daß Mißbräuche, die den schutzbedürftigen, schwachen Arheitnehmer — und das ist der ausschlaggebende Punkt — in Gefahr bringen können, auf dem Wege, wie das Gesetz vorsieht, verhindert werden.
Ich komme zum Schluß. Es ist selbstverständlich, daß jeder, der, wie z. B. ich, nun fast auf den Tag genau zwei Jahre lang sich mit diesen Problemen beschäftigt, und zwar intensiv beschäftigt, sich zwei Gefahren aussetzt. Die eine haben wir überwunden; das ist nämlich die, daß man mißmutig wird. Anwandlungen in dieser Beziehung haben wir, glaube ich, alle gehabt. Die andere ist die, daß man einseitig wird. Ich nehme mir aber die Freiheit, darauf hinzuweisen, daß viele derienigen, die diese Dinge in den Ausschüssen beraten haben, vor den anderen Abgeordneten des Parlaments das Prae oder den Vorzug haben, wenn Sie so sagen wollen, einen großen Teil der Fragen, die in Rede stehen, im täglichen Leben eines großen Betriebes viele Jahre lang kennengelernt und exerziert zu haben, und nicht von Anfang an nur von oben herab, wie das so gern behauptet wird.
Bei dieser Sachlage und bei der Wichtigkeit der Angelegenheit und im Vollgefühl der Verantwortung. die auf jedem einzelnen liegt. kann ich — und ich bitte, mir zu gestatten, in diesem Fall von mir persönlich zu sprechen — nicht mehr tun, als auch unter Beachtung der weltanschaulichen Bedeutung, die diese Dinge haben und die vielleicht in einer gewissen Überspitzung hier vorgetragen wird. sagen. daß ich glaube, daß wir diesem Hause in den Mehrheitsbeschlüssen der beiden großen Ausschüsse ein fortschrittliches Gesetz vorgelegt haben. das bei einem Vergleich mit dem Gesetz von 107.0 dieses weit hinter sich läßt. Denken Sie bitte als Beweis für diese meine Behauptung nur an ein einziges Kapitel, nämlich an die Teilnahme der Arbeitnehmer am Aufsichtsrat.
ich finde es eine schlechte Journalistik, wenn der
Bonner ,.Neue Vorwärts" heute schreibt: „Man
hatte einfach nicht den Mut, offen zu bekennen,
daß man die Rechte der Arbeiterschaft schmälern
will." Meine Damen und Herren, Sie sollten Ihre
Presse etwas mehr im Sinne der Befriedung und der Fortentwicklung des Betriebsrätegesetzes beeinflussen!
Damit würden Sie der Wahrheit sehr viel näherkommen!