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ID0122103100

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag — 221. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 9. Juli 1952 9785 221. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 9. Juli 1952. Geschäftliche Mitteilungen . 9786B, 9801C, 9841C Glückwünsche zum 60. Geburtstag der Abg. Dr. Köhler, Ludwig und Rath und zum 64. Geburtstag des Abg. Schill . . . 9786C Aufnahme des Abg. Wittmann als Gast in die Fraktion der CDU/CSU 9786C Mandatsniederlegung des Abg. Vesper (KPD) 9786C Vorlage der Rechnungen über den Haushalt des Rechnungshofs im Vereinigten Wirtschaftsgebiet für das Rechnungsjahr 1948 bzw. 1949 9786D Ausschußüberweisung 9786D Beschlußfassung des Deutschen Bundesrats zum Gesetz zur Verlängerung der Geltungsdauer des Gesetzes über den Kapitalverkehr 9786D Gesetz über das Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Österreich über Arbeitslosenversicherung 9786D Gesetz über Preise für Getreide inländischer Erzeugung für das Getreidewirtschaftsjahr 1952/53 und über besondere Maßnahmen in der Getreide-und Futtermittelwirtschaft (Getreidepreisgesetz 1952/53) 9786D Gesetz betr. Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik (Österreich über Gastarbeitnehmer vom 23. November 1951 . . . 9787A Gesetz 'über die Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten 9787A Gesetz betr. das Protokoll vom 16. Februar 1952 über Zollvereinbarungen zwischen der Bundesrepublik- Deutschland und der Türkei 9787A Gesetz über das Erste Berichtigungs- und Änderungsprotokoll zu den Zollzugeständnislisten des Allgemeinen Zoll-und Handelsabkommens (GATT) . . . 9787A Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die Selbstverwaltung und über Änderungen von Vorschriften auf dem Gebiet der Sozialversicherung 9787A Kleine Anfrage Nr. 274 der Fraktion der SPD betr. Unterrichtung der diplomatischen Vertretungen über das Gesetz zur Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts für die im Ausland lebenden Angehörigen des öffentlichen Dienstes (Nrn. 3447, 3519 der Drucksachen) . . . . 9787A Kleine Anfrage Nr. 273 der Fraktion der SPD betr. Jugendarbeitsschutzgesetz (Nrn. 3446, 3553 der Drucksachen) . . . 9787A Kleine Anfrage Nr. 275 der Fraktion der SPD betr. Bauaufträge der Besatzungsbehörden (Nrn. 3448, 3554 der Drucksachen) 9787B Kleine Anfrage Nr. 280 der Fraktion der CDU/CSU betr. Anwendung der Soforthilfe — DVO — (Nrn. 3469, 3555 der Drucksachen) 9787B Kleine Anfrage Nr. 271 der Fraktionen der FDP, DP/DPB, FU betr. Verbilligung von Dieselkraftstoff (Nrn. 3378, 3556 der Drucksachen) 9787B Kleine Anfrage Nr. 278 der Fraktion der SPD betr. Hilfsmaßnahmen für durch Schließung der Zonengrenze im Kreis Eschwege arbeitslos gewordene Eisenbahner (Nrn. 3467, 3557 der Drucksachen) 9787B Kleine Anfrage Nr. 279 der Fraktion der SPD betr. Unterbindung der Werbung für die Fremdenlegion (Nrn. 3468, 3558 der Drucksachen) 9787B Kleine Anfrage Nr. 269 der Abg. Albers, Dr. Pünder u. Gen. betr. Absichten der belgischen Besatzungsbehörden auf Beschlagnahme von Gelände im äußeren Grüngürtel der Stadt Köln für Zwecke von Kasernenbauten (Nrn. 3348, 3401, 3564 der Drucksachen) 9787C Zur Tagesordnung, betr. Absetzung der Beratung der Mündlichen Berichte des Vermittlutngsausschusses zu den Gesetzentwürfen über den Lastenausgleich (Nr. 3548 der Drucksachen), zur Einfügung eines Art. 120 a in das Grundgesetz (Nr. 3550 der Drucksachen), über Teuerungszuschläge zur Unterhaltshilfe nach dem Lastenausgleichsgesetz (Nr. 3549 der Drucksachen) und zur Änderung des Lastenausgleichsgesetzes (Nr. 3560 der Drucksachen) . . . 9787C Dr. Mende (FDP) 9787C Beratung vertagt 9787D Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses nach Art. 77 des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuß) zu dem Entwurf eines Gesetzes über die Inanspruchnahme eines Teils der Einkommensteuer und der Körperschaftsteuer durch den Bund im Rechnungsjahr 1952 (Nrn. 3547, 3168, 3245, 3355 der Drucksachen) . . . 9787D Dr. Wellhausen (FDP), Berichterstatter 9787D Schoettle (SPD) (zur Abstimmung) 9788C Beschlußfassung (namentliche Abstimmung) 9788D, 9842 Erste Beratung der Entwürfe 1. eines Gesetzes betr. den Vertrag vom 26. Mai 1952 über die Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Drei Mächten mit den Zusatzverträgen, 2. eines Gesetzes betr. das Abkommen vom 26. Mai 1952 über die steuerliche Behandlung der Streitkräfte und ihrer Mitglieder (Nr. 3500 der Drucksachen) in Verbindung mit der Ersten Beratung der Entwürfe 1. eines Gesetzes betr. den Vertrag vom 27. Mai 1952 über die Gründung der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft und betr. den Vertrag vom 27. Mai 1952 zwischen dem Vereinigten Königreich und den Mitgliedstaaten der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft, 2. eines Gesetzes betr. das Abkommen vom 27. Mai 1952 über die Rechtsstellung der Europäischen Verteidigungsstreitkräfte und über das Zoll- und Steuerwesen der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft (Nr. 3501 der Drucksachen, Umdruck Nr. 599), sowie in Verbindung mit der Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betr. Wiedervereinigung Deutschlands durch freie Wahlen (Nr. 3495 der Drucksachen) 9788D Dr. Adenauer, Bundeskanzler . . 9789B Unterbrechung der Sitzung . 9801C Dr. Gerstenmaier (CDU) 9801C Dr. Schmid (Tübingen) (SPD) . . . 9807D Dr. Schäfer (FDP) 9819A Dr. von Merkatz (DP) 9823D Schäffer, Bundesminister der Finanzen 9829C, 9839A Schoettle (SPD) 9834A Weiterberatung vertagt 9841C Beratung des interfraktionellen Antrags betr. Überweisung von Anträgen an die Ausschüsse (Umdruck Nr. 597) 9841C Beschlußfassung 9841C Nächste Sitzung 9841C Zusammenstellung der namentlichen Abstimmung über den Antrag des Vermittlungsausschusses zum Entwurf eines Gesetzes über die Inanspruchnahme eines Teils der Einkommensteuer und der Körschaftsteuer durch den Bund im Rechnungsjahr 1952 (Nr. 3547 der Drucksachen) 9842 Die Sitzung wird um 9 Uhr 3 Minuten durch den Präsidenten Dr. Ehlers eröffnet.
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    Namentliche Abstimmung über den Antrag des Vermittlungsausschusses zum Entwurf eines Gesetzes über die Inanspruchnahme eines Teils der Einkommensteuer und der Körperschaftsteuer durch den Bund im Rechnungsjahr 1952 (Nr. 3547 der Drucksachen) Name Abstimmung Name Abstimmung CDU/CSU Höfler Ja Hohl Ja Dr. Adenauer Ja Dr. Holzapfel — Albers Ja Hoogen Ja Arndgen . . . .. . • Ja Hoppe . . . . . . . . Ja Dr. Bartram (Schleswig-Holstein) Ja Dr. Horlacher Ja Bauereisen J a Horn Ja Bauknecht . . . . . .. . Ja Huth Ja Dr. Baur (Württemberg) . . . . Ja Dr. Jaeger (Bayern) enthalten Bausch Ja Junglas Ja Becker (Pirmasens) Ja Kahn Blank (Dortmund) Ja Kaiser Ja Bodensteiner Ja Karpf Ja Frau Brauksiepe Ja Dr. Kather Ja Dr. von Brentano Ja Kemmer Ja Brese Ja Frau Dr. Brökelschen Ja Kemper Ja . . . . . Dr. Brönner Ja Kern . . . . . . . . . . entschuldigt Brookmann Ja Kiesinger Ja Dr. Bucerius Ja Dr. Kleindinst Ja . . . . . . . . Frau Dietz Ja Dr. Köhler . . . . . . . . . Ja . . . . . . .. Dr. Dresbach . . . . . . . . — Dr. Kopf Ja Eckstein Ja Kühling . . . . . . . . . . Ja Dr. Edert Ja Kuntscher . . . . . . . . Ja Dr. Ehlers . . . . . . . . . Ja Kunze . . . . . . . . . . Ja Ehren Ja Dr. Laforet . . . . . . . . . Ja Dr. Erhard Ja Dr. Dr. h. c. Lehr . . . . . . Ja Etzel (Duisburg) . . . . . . . Ja Leibfried Ja Etzenbach Ja Lenz Ja Even — Leonhard Ja Feldmann Ja Lücke Ja Dr. Fink Ja Majonica . . . . . . . . . Ja Dr. Frey Ja Massoth Ja Fuchs Ja Mayer (Rheinland-Pfalz) . . . Ja Dr. Freiherr von Fürstenberg . . Ja Mehs Ja Fürst Fugger von Glött . . . . Ja Mensing — Funk Ja Morgenthaler . . . . . . . . Ja Gengler Ja Muckermann . . . . . . . . Ja Gerns Ja Mühlenberg . . . . . . . . Ja Dr. Gerstenmaier Ja Dr. Dr. Müller (Bonn) Ja Gibbert Ta Müller-Hermann Ja Giencke .Ta Naegel Ja Dr. Glasmeyer Ja Neber Ja Glüsing Ja Nellen Ja Gockeln entschuldigt Neuburger krank Dr. Götz Ja Nickl Ja Frau Dr. Gröwel — Frau Niggemeyer Ja Günther Ja Dr. Niklas — Hagge Ja Frau Heiler Ja Dr. Oesterle Ja Heix Ja Dr. Orth Ja Dr. Henle Ja Pelster Ja Hilbert . . . . . . . . . . Ja Pfender Ja Name Abstimmung Name 1 Abstimmung Dr. Pferdmenges . . . . . . . Ja Bromme Nein Dr. Povel entschuldigt Brünen Nein Frau Dr. Probst Ja Cramer Nein Dr. Pünder . . . . . . . . . Ja Dannebom Nein Raestrup Ja Diel Nein Rahn Ja Frau Döhring . . . . . . . . Nein Frau Dr. Rehling Ja Eichler Nein Frau Rösch Ja Ekstrand Nein Rümmele Ja Erler Nein Sabel . Ja Faller . . . • . . . . . . Nein Schäffer Ja Franke Nein Scharnberg . . . . . . . . . Ja Freidhof . . . . . . . . . Nein Dr. Schatz Ja Freitag Nein Schill Ja Geritzmann . . . . . . . . Nein Schmitt (Mainz) Ja Gleisner . . . . . . . . . Nein Schmitz beurlaubt Görlinger . . . . . . . . . Nein Schmücker Ja Graf Nein Dr. Schröder (Düsseldorf) Ja Dr. Greve — Schüttler . . . . . . . . . Ja Dr. Gülich . . . . . . . . Nein Schütz entschuldigt Happe . . . . . . . . . . Nein Schuler Ja Heiland Nein Schulze-Pellengahr Ja Hennig Nein Dr. Semler Ja HenBler krank Dr. Serres Ja Herrmann Nein Siebel Ja Hoecker Nein Dr. Solleder Ja Höhne Nein Spies Ja Frau Dr. Hubert Nein Graf von Spreti Ja Imig Nein Stauch Ja Jacobi Nein Frau Dr. Steinbiß Ja Jacobs Nein Storch — Jahn Nein Strauß Ja Kalbfell krank Struve _ Kalbitzer Nein Stücklen Ja Frau Keilhack Nein Dr. Vogel Ja Keuning . . . . . . . . . Nein Wacker Ja Kinat Nein Wackerzapp Ja Frau Kipp-Kaule — Dr. Wahl . . . . . . .. . Ja Dr. Koch Nein Frau Dr. Weber (Essen) . . . . Ja Frau Korspeter Nein Dr. Weber (Koblenz) Ja Frau Krahnstöver Nein Dr. Weiß Ja Dr. Kreyssig Nein Winkelheide Ja Kriedemann Nein Wittmann Ja Kurlbaum beurlaubt Dr. Wuermeling . Ja Lange Nein Lausen entschuldigt Frau Lockmann Nein SPD Ludwig Nein Dr. Laetkens Nein Frau Albertz . . . . . . . . Nein Maier (Freiburg) Nein Frau Albrecht . . . . . . . . Nein Marx . . . . . . . . . . . Nein Altmaier Nein Matzner Nein Frau Ansorge . . . . . . Nein Meitmann Nein Dr, Arndt Nein Mellies . . . . . . . . . . Nein Arnholz Nein Dr. Menzel Nein Dr. Baade Nein Merten Nein Dr. Bärsch Nein Mertins Nein Baur (Augsburg) Nein Meyer (Hagen) Nein Bazille Nein Meyer (Bremen) Nein Behrisch Nein Frau Meyer-Laule . . . . . . Nein Bergmann Nein Mißmahl . . . . . . . . . Nein Dr. Bergstraeßer . . . . . . . Nein Dr. Mommer . . . . . . . . Nein Berlin Nein Moosdorf Nein Bettgenhäuser . . . . . . . Nein Dr. Mücke Nein Bielig Nein Müller (Hessen) Nein Birkelbach . . Nein Müller (Worms) Nein Blachstein . . . . . . . . . Nein Frau Nadig . . . . . . . . Nein Dr. Bleiß Nein Dr. Nölting . . . . . . . . Nein Böhm Nein Nowack (Harburg) Nein Dr. Brill Nein Odenthal Nein Name Abstimmung Name Abstimmung Ohlig Nein Dr. Leuze Ja Ollenhauer Nein Dr. Luchtenberg . . . . Ja Paul (Württemberg) Nein Margulies Ja Peters Nein Mauk . . . . . . . . . . Ja Pohle Nein Mayer (Stuttgart) krank Dr. Preller entschuldigt Dr. Mende Ja Priebe Nein Dr. Miessner . . . . . , . . Ja Reitzner Nein Neumayer Ja Richter (Frankfurt) Nein Dr. Dr. Nöll von der Nahmer Nein Ritzel Nein Dr. Nowack (Rheinland-Pfalz) . . — Ruhnke Nein Onnen krank Runge Nein Dr. Pfleiderer Ja Sander Nein Dr. Preiß Ja Sassnick Nein Dr. Preusker Ja Frau Schanzenbach Nein Rademacher entschuldigt Dr. Schmid (Tübingen) Nein Rath Ja Dr. Schmidt (Niedersachsen) . . Nein Dr. Freiherr von Rechenberg . krank Dr. Schöne Nein Revenstorff Ja Schoettle Nein Dr. Schäfer Ja Dr. Schumacher krank Dr. Schneider Ja Segitz Nein Stahl Ja Seuffert Nein Stegner Ja Stech Nein Dr. Trischler Ja Steinhörster Nein Dr. Wellhausen Ja Stierle Nein Wirths . . . . . . . . . . Ja Striebeck Nein Dr. Zawadil . . . . . . . . — Frau Strobel Nein Temmen Nein DP-DPB Tenhagen Nein Troppenz Nein Ahrens . . . . . . . . . , Ja Dr. Veit krank Bahlburg Ja Wagner — Frau Bieganowski Ja Wehner Nein Eickhoff Ja Wehr Ewers Ja Weinhold Nein Farke . . . . . . . . . . . Ja Welke . . . . . . . . . . Nein Dr. Fricke Ja Weltner Nein Frommhold Dr. Wenzel Nein Hellwege Ja Wönner Nein Jaffé Ja Zühlke . . . . . . . . . . Nein Frau Kalinke Ja Kuhlemann Ja Dr. Leuchtgens Ja FDP Löfflad Ja Matthes Ja Dr. Atzenroth . . . . . . . . Dr. von Merkatz . . . . . . . Ja Dr. Becker (Hersfeld) . . . . . Ja Dr. Mühlenfeld Ja Dr. Blank (Oberhausen) . . . . Ja Reindl Ja Blücher . . . . . . . . . Ja Schmidt (Bayern) . . . . . . . Ja Dannemann Ja Schuster Ja Dr. Dehler — Dr.Seebohm . . . . . . . . Ja Dirscherl krank Tobaben — Euler Ja Wallner Ja Fassbender Ja Walter Ja Freudenberg Ja Wittenburg . . . . . . . . — Dr. Friedrich Ja Frühwald Ja FU Funcke Ja Gaul Ja Freiherr von Aretin Nein Dr. von Golitschek Ja Frau Arnold Nein Grundmann Ja Dr. Bertram (Soest) — Dr. Hammer Ja Dr. Besold Nein Dr. Hasemann Ja Clausen Nein Dr. Hoffmann (Lübeck) . . . . . Ja Dr.-Ing. Decker Nein Dr. Hoffmann (Schönau) . . . . Ja Determann Nein Frau Hütter . . . . . . . . Ja Eichner Nein Frau Dr. Ilk . . . . . - . . Ja Dr. Etzel (Bamberg) Nein Juncker Ja Hoffmann (Lindlar) Nein Dr. Kneipp . . . . . . . . . Ja Lampl Nein Kühn Ja Mayerhofer Nein Name Abstimmung Name Abstimmung Dr. Meitinger . . . . . . . . Nein Renner — Fürst zu Oettingen-Wallerstein . krank Rische entschuldigt Pannenbecker Nein Frau Strohbach Nein Parzinger Nein Frau Thiele Nein Dr. Reismann Nein Ribbeheger Nein Volkholz — Fraktionslos Wartner Nein Frau Wessel . . . . . . . . Nein Aumer — Willenberg Nein Donhauser Ja Dr. Dorls . . . . . . . . . — Fröhlich enthalten KPD Goetzendorff Nein Agatz Nein Hedler Ja Fisch — Frau Jaeger (Hannover) . . . . Nein Gundelach Nein Dr. Keller — Harig Nein Langer Ja Kohl (Stuttgart) . . . . . . krank Loritz entschuldigt Müller (Frankfurt) krank Müller (Hannover) — Niebergall Nein Dr. Ott krank Paul (Düsseldorf) . . . . . . . Nein von Thadden Nein Reimann Nein Tichi — Zusammenstellung der Abstimmung: I Abstimmung Abgegebene Stimmen . • • • 349 Davon: Ja 196 Nein 151 Stimmenthaltung . . . . 2 Zusammen wie oben . . . . 349 Berliner Abgeordnete Name Abstimmung I Name I Abstimmung CDU/CSU Neumann Nein Dr. Friedensburg — Dr. Schellenberg krank Dr. Krone Ja Frau Schroeder (Berlin) . . . . Nein Lemmer Ja Schröter (Berlin) Nein Frau Dr. Maxsein Ja Frau Wolff krank Dr. Tillmanns Ja FDP SPD Dr. Henn Ja Brandt Nein Hübner Ja Dr. Koenigswarter Nein Frau Dr. Mulert Ja Löbe Nein Dr. Reif Ja Neubauer Nein Dr. Will Ja Zusammenstellung der Abstimmung der Berliner Abgeordneten Abstimmung Abgegebene Stimmen . . . . 16 Davon: Ja . . . . . • . 9 Nein . . . . . . . . 7 Stimmenthaltung . . . . — Zusammen wie oben 16
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Hermann Schäfer


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Meine Damen und Herren! Es wäre fruchtbarer für unsere Auseinandersetzung und es wäre vor allen Dingen dankbarer für denjenigen, der nach dem Herrn Kollegen Schmid zu sprechen hat, wenn er in der Lage wäre, sich zu einer echten politischen Auseinandersetzung hierher zu begeben und sich dann auseinanderzusetzen mit einer wirklich gezeigten Alternative zu den Wegen, die die Bundespolitik geht.

    (Beifall bei den Regierungsparteien. — Zurufe von der SPD: Sie wollen sie ja nicht hören! — Unruhe.)

    Aber ich habe leider in den eineinhalb Stunden sehr aufmerksamen Zuhörens und auch des Willens, die Dinge zu begreifen — nämlich die Wege, die gegangen werden sollten —, nichts weiter wahrgenommen

    (fortgesetzte lebhafte Zurufe von der SPD) als eine wundervolle Zusammenstellung — —


    (Anhaltende Zurufe von der SPD. — Gegenrufe von den Regierungsparteien. — Unruhe.)

    — Ja, Sie werden mir auch gestatten müssen, daß ich mal eine andere Meinung habe als Sie. Ich glaube, Sie müssen von der Tatsache ausgehen, daß es zum Wesen des Parlaments

    (erneute Zurufe von der SPD)

    — für dessen Rechte Sie sich ja sonst so empfindsam gebärden — gehört, auch einmal einem Menschen mit anderer Überzeugung zuzuhören.

    (Beifall bei den Regierungsparteien. — Zurufe von der SPD.)

    Meine Damen und Herren, ich habe mich in den letzten eineinhalb Stunden eifrig bemüht, etwas von einem anderen politischen Weg zu hören, mit dem ich den Weg der Bundesregierung hätte vergleichen können.

    (Zustimmung bei den Regierungsparteien.)

    Ich habe eine Fülle von Ausschnitten aus dem
    Zettelkatalog der verschiedenartigen Geschehnisse
    — Notenwechsel, Verträge, was weiß ich, diplomatischen Geschehnisse — gehört, wobei der Versuch gemacht wurde, die Dinge immer so — nach einem relativ einfachen Rezept — zu deuten: Alles das,

    (Zuruf von der SPD: S i e deuten sie so!)

    was inzwischen innerhalb der Verträge niedergelegt ist, ist unwesentlich und geringfügig; denn
    irgendwo hat schon mal etwas Ähnliches gestanden;

    (Zustimmung und Heiterkeit bei den Regierungsparteien)

    infolgedessen ist es kein Fortschritt, wenn das jetzt in den hier verhandelten Verträgen vorhanden ist. Es ist eine Fülle von Punkten aufgezählt worden, die man gegebenenfalls hätte regeln können, die aber nicht geregelt sind. Es mag sein, daß manches darunter ist, was zu regeln wir für wünschenswert gehalten hätten.

    (Zuruf von der SPD: Na also!)

    — „Na also". Meinen Sie, dieses Vertragswerk sei für uns der Gipfel der Vollkommenheit? Aber wir haben eine ganz bestimmte realistische Vorstellung. Ich muß leider nach diesem Zwischenruf etwas primitiv anfangen,

    (Heiterkeit bei den Regierungsparteien — Zuruf von der SPD: Sind wir von Ihnen gewohnt! — weitere Zurufe)

    ich muß nämlich doch einmal auf einige Grundvorstellungen der Außenpolitik hinweisen. Sie unterscheidet sich nämlich von der Innenpolitik durch ein sehr wesentliches Merkmal. Man kann in der Innenpolitik seinen Einfluß geltend machen, indem man sich an die Spitze der Organe einer staatlichen Gruppe, eines Staatswesens heranmacht, um von dort auf die Entwicklung einzuwirken. Man kann auf diese Weise die innerstaatliche Entwicklung bestimmen und beeinflussen. Leider gibt es zwischen den Völkern keine Zentralinstanz, von der aus man die Dinge regeln könnte, sondern die außenpolitische Gestaltung vollzieht sich so, daß man Kräfte und Gegenkräfte in einer bestimmten Richtung so zwischen den Völkern zu gruppieren bemüht ist, damit sich aus bestimmten Konstellationen und Kräfteverhältnissen eine Entwicklung ergibt, innerhalb deren man für sein eigenes Volk und für die Völker in der Welt ein Höchstmaß an Frieden und Ordnung herbeizuführen gedenkt. Voraussetzung ist, daß man von dem Prinzip ausgeht, daß die Zwecke der Außenpolitik in erster Linie Frieden und Ordnung zwischen den Volksteilen der Menschheit sein sollen, wenn man nicht von vornherein hinter den Dingen machtpolitische Zielgedanken hegt.
    In den vorhin gehörten Ausführungen ging man z. B. von der Vorstellung aus. als ob diese Einederung Deutschlands ausschließlich ein Geschäft für die anderen wäre und alles, was wir mit den anderen zu tun bereit sind, immer nur zu deren Vorteil gereichte und für uns vorwiegend Nachteile darstellte. Ich glaube, es ist notwendig, diese Betrachtung vor der deutschen Öffentlichkeit doch einmal auf das richtige Maß zurückzuführen.

    (Zustimmung bei den Regierungsparteien.) Auch da wieder — nach der Fülle der gravitätisch einherschreitenden Negationen — eine sehr einfache tatsächliche Feststellung:


    (Beifall bei der FDP.)

    Man sehe auf die Weltkugel und studiere da die Größenverhältnisse dieser Bundesrepublik und der übrigen Inhalte der Oberfläche des Globus. Dann gewinnt man nämlich auch das Gefühl für die echten Maße und die Möglichkeiten, eine Sicherheitspolitik für unser Land zu betreiben.
    Ich wiederhole jetzt das, was ich nach unserem Zusammentritt hier vor etwas weniger als drei Jahren gesagt habe: All unser Mühen gilt der Festigung dieses neuen Staatswesens mit — ich will das jetzt nicht weiter erörtern — mehr oder weniger provisorischem Charakter! Dafür sind wir doch alle hierhergekommen. Jedenfalls haben alle diese Bemühungen nur dann einen Sinn, wenn der äußere Rahmen der Stetigkeit und der Sicherheit seiner Entwicklung so schnell wie möglich geschaffen wird. Diese einfache Vorstellung ist für alle Überlegungen maßgebend gewesen, die wir anzustellen haben. Dabei sind wir allerdings nicht davon ausgegangen, uns selbst mit der Vorstellung eines Übermaßes unserer Eigengewichte zu täuschen. Wir haben vielmehr davon auszugehen, daß wir unser Eigengewicht zu gewinnen, zu bekräftigen und zu verstärken haben mit dem Grade einer fortschreitenden Eingruppierung dieser Bundesrepublik in ein kollektives Sicherheitssystem der freien Völker.
    Auch da ist wieder ein sehr einfacher Grundgedanke — wenn wir schon von Ost und West reden — für die Himmelsrichtung dieser Entscheidung bestimmend gewesen. Wir sind davon ausge-


    (Dr. Schäfer)

    gangen: Man kann sich nicht im Inneren seines Volkes um eine Demokratie bemühen und für die Festigung demokratischer Entwicklungen eintreten, wenn man sich nicht darüber klar ist, daß man das nur innerhalb einer Gruppenbildung freier demokratischer Völker zu erreichen vermag.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Insofern besteht zwischen der Grundtendenz der
    Innen- und Außenpolitik eine absolute Kongruenz.

    (Sehr richtig! rechts.)

    Wenn man von dieser sehr einfachen Vorstellung ausgeht,

    (Zuruf von der SPD: Sehr einfach!)

    dann sagt man sich, daß demokratische Lippenbekenntnisse nach innen keineswegs genügen. Vielmehr muß die Außenpolitik so gegründet sein, daß der innere demokratische Fortschritt möglichst störungsfrei verläuft. Zum zweiten muß man — möglichst eingebaut in eine wechselseitige Sicherheitsgewährleistung — die Möglichkeit haben, auch innerhalb der weltpolitischen Entwicklung die politischen Grundprinzipien, die Grundformen des staatlichen Lebens, die man im Innern anstrebt, auch nach außen hin in der Ordnung der Welt zur Geltung zu bringen. Also diesen Maßstab sollte man einmal an dieses Vertragswerk anlegen.
    Es geht dabei um ein Ziel: die eigenen Freiheiten zu erhöhen und zu verteidigen. Nun darf ich wieder einmal darauf aufmerksam machen, daß sich j a dieses politische Streben nicht in einem Laboratorium, nicht in einem Vergnügungspark vollzieht, sondern in dieser weiten Welt mit ungeheuren Gegensätzen, Unterschieden und Spannungen zwischen Völkern und Interessen.

    (Abg. Kunze: Sehr richtig!)

    Alles, was neue politische Ordnung zu werden vermag, kann nur geschehen und gedeihen in der Stufenfolge eines organischen Wachstums. Vorhin wurde dem Herrn Kollegen Schmid zugerufen: Ja, wo ist denn dies oder jenes? Und dann machte er den Einwand: Diese Regelung hat ja nicht automatisch dieses oder jenes zur Folge. Als ob in der Außenpolitik überhaupt allein der Maßstab gelten kannte, eine Entwicklung sei deswegen gut oder böse, weil sie automatisch erfolgt!

    (Sehr gut! bei der FDP.)

    Außenpolitik ist keine exakte Wissenschaft. Sie beruht nicht auf bestimmten Kausalgesetzen. Sie hat keine zwangsläufigen Gesetzmäßigkeiten. So besteht schon bei der Ausgangsstellung, bei den Grundvoraussetzungen einer außenpolitischen Konzeption eine Fülle von Vermutungen und Schätzungen. Deswegen ist auch die Auseinandersetzung so schwierig. Deswegen ist es so entsetzlich leicht, eine geistvoll klingende Negation aneinanderzureihen und in Wirklichkeit keine einzige positive Idee einer Alternative zu unseren Vorstellungen zu entwickeln.

    (Lebhafter Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Aber, meine Damen und Herren, weil diese Außenpolitik im Grunde genommen deswegen so schwer ist, weil sie nicht mit mathematischen Berechnungen arbeiten kann, gerade deswegen setzt sie ein besonderes Maß an Verantwortung voraus. Ich weiß nicht. ob diese damit gegeben ist. daß man sich zu einzelnen Vorgängen und Vorsätzen mit formalen oder juristischen Einwänden begnügt.
    Ich greife als Beispiel die Frage der Souveränität heraus. Herr Kollege Gerstenmaier hat schon auf die Fragwürdigkeit dieses Begriffs hingewiesen. Herr Kollege Dr. Schmid hat ihm da in gewisser Weise zugestimmt. Ich will mich auf dieses Gebiet der Relativität aller Souveränitätsvorstellungen jetzt nicht begeben, sondern ich will nur fragen: Ja, ist denn das eine verwerfliche Beschränkung der Souveränität, wenn in einem System kollektiver Sicherheit alle Beteiligten zugunsten dieses gemeinsamen Zweckes Souveränitätsverzichte auf sich nehmen und der eigene Staat auch solche Verzichte auf sich nimmt? Diese Souveränitätsverzichte sind doch wechselseitig!

    (Abg. Kunze: Sehr richtig!)

    Daß je nach der Art der exponierten Lage unter Umständen die militärischen Bedingtheiten und die Voraussetzungen des Funktionierens des Sicherheitssystems verschiedenartig gestuft und geregelt werden müssen, ergibt sich nicht aus Rangunterschieden der Souveränitätshöhe, sondern aus den praktischen Notwendigkeiten einer folgerichtigen Anwendung des Sicherheitssystems. Daran wird aber wieder in dieser Polemik überhaupt nicht gedacht,

    (Abg. Kunze: Das verschweigt man!)

    und es wird nun gesagt: In Wirklichkeit ist, weil in einem bestimmten Stadium durch die Notstandsklausel die Möglichkeit des Eingreifens gegeben ist, um die innere Sicherheit herzustellen, eine Souveränität fragwürdig.
    Stellen Sie sich doch bitte die praktische Seite der Dinge vor. Da sind Truppen, da sind Menschen, die die Sicherheit dieses Gebietes aufrechterhalten sollen. Es wird dann in ihrem Rücken oder in diesem Staatsgebiet eine Unruhe angezettelt. Sollen sie dann erst ein kompliziertes System von allen möglichen Abstimmungen — oder was weiß ich — zur Durchführung bringen? Eine bessere Form, sich subversiven Kräften ausliefern zu wollen, könnte ich mir nicht vorstellen. Es ist heute nicht zitiert worden, aber es ging neulich einmal durch die Zeitungen, daß man sagte: Der ist ja der eigentliche Souverän, der den Belagerungszustand auslösen kann. Das ist genau so, als wenn Sie sagen würden, die Feuerwehr ist der eigentliche Hauseigentümer, weil sie bei einem Brand das Recht hat, das Haus zu betreten und eventuell sogar zu Löschzwecken eine Wand einzureißen.

    (Sehr gut! und Beifall hei der FDP.)

    Nein, wir müssen hier, glaube ich, die Dinge auf ihr richtiges Maß zurückführen.
    Die Frage, um die es hier bei uns geht, ist in diesem System eine Steigerung unserer Sicherheit. Für die Anwendung der Notstandsklausel besteht zudem auch eine Möglichkeit einer Besserung der Eigenständigkeit. Diese Möglichkeit besteht in dem Maße. in dem wir selbst, in dem diese Bundesrepublik eigene Mittel und Kräfte gewinnt, bei ihr selbst die innere Ordnung mit stärkeren Garantien auszustatten. Das haben wir selbst in der Hand. Insofern besteht also die Möglichkeit, den Anwendungsumfang der Notstandsklausel sehr weitgehend selbst weiter zu bilden.
    Hier ist über die Frage der deutschen Wiedervereinigung gesprochen worden in einer Weise, als sei dies Vertragswerk ein Hindernis solcher Wiedervereinigung. Einer meiner Fraktionskollegen wird im Laufe der Debatte sich ganz besonders dieser Frage zuwenden. Ich will nur soviel


    (Dr. Schäfer)

    dazu sagen: Ich habe in den Ausführungen des Vorredners auch wieder nach Lösungsvorschlägen gesucht. Sie sind dann gekommen mit dem Hinweis auf die Notwendigkeit einer Viermächtekonferenz. Es ist dabei sehr kräftig, ja sehr markig gesagt worden, dort müßten die Ost- und Westmächte klipp und klar erklären, was sie nun hinsichtlich der gesamtdeutschen Entwicklung zu tun beabsichtigten. Einverstanden! Aber, meine Damen und Herren, wenn die Dinge so einfach wären! Leider ist die gesamtdeutsche Frage, das Anliegen der deutschen Wiedervereinigung über den Rahmen ihres eigenen — wie soll ich sagen? — geographischen Raumes hinausgewachsen und hineingestellt in die weltpolitischen Zusammenhänge. Sie ist nicht isoliert zu behandeln. Wegen dieser Frage allein werden Sie ein derartiges Gespräch daher nicht haben. Sondern Sie werden es dann mit einer Fülle von verwickelten Problemen der Weltpolitik zu tun bekommen. Ich widerspreche nicht dem Wunsch nach solchen Gesprächen. Aber ich möchte davor warnen, weil man gar nichts Besseres zu sagen vermag, allein in solchen Gesprächen, in einer solchen Viermächtekonferenz, die doch im System von Panmunjon, oder was weiß ich, bis in alle Ewigkeit ausgedehnt werden könnte, die bessere Patentlösung für die gesamtdeutsche Wiedervereinigung zu sehen. Meinen Freunden und mir scheint es jedenfalls unbefriedigend, der Lösung, die in diesen Verträgen mit dem Versuch angestrebt wird, eine Eingliederung Deutschlands in eine große weltpolitische Kräftegruppierung zu bewirken, allein die Forderung nach einer Viermächtekonferenz entgegenzustellen.
    In dieser Eingliederung, in dieser Eingruppierung liegt für uns das bewegende Element. Das
    hat nichts zu tun mit aggressiven Absichten, sondern es geht um die Möglichkeit der Wandlung. Im Außenpolitischen haben Sie nie absolute Gewißheiten, sondern in solchen verwickelten Zusammenhängen immer größere oder geringere Wahrscheinlichkeiten. Es geht uns um die Erwartung, diese erstarrten Fronten, diese erstarrten Beziehungen, diese verkrampfte Welt des kalten Krieges erneut und zugleich unter unserer Beteiligung in Bewegung zu bringen. Ich halte es dabei als Gegenleistung für einen Fortschritt, daß nicht in den vagen Formen der Noten aus der Washingtoner Konferenz, sondern in echten vertraglichen Bindungen die Beteiligung des Westens an der Wiederbefreiung der besetzten, der unerlösten deutschen Gebiete klar und bestimmt zum Ausdruck gekommen ist.

    (Abg. Kunze: Sehr richtig!)

    Meine Damen und Herren, es ist von den verschiedensten Unzulänglichkeiten gesprochen worden. Der Herr Bundeskanzler hat heute morgen gesagt, auch er hätte in vielen Dingen eine andere Fassung gewünscht. Ich gehe noch weiter: ich würde nicht nur eine andere Fassung, sondern in vielen Dingen einen anderen Inhalt vorgezogen haben; und ich stehe nicht an zu sagen, daß manches oder sogar vieles von dem, was hier in den Verträgen geregelt ist, in sehr bedenklicher Weise Restbestände von Gedankengängen und Denkweisen widerspiegelt, die im Grunde genommen in Vorstellungen des hinter uns liegenden Krieges ihre Wurzel haben.

    (Sehr richtig! rechts.)

    Aber ist es nicht seltsam, was sich hier überhaupt
    vollzieht? Es werden viele historische Analogien
    versucht. Ich muß Ihnen sagen: ich sehe eigentlich keine für den einzigartigen Vorgang, der sich innerhalb der zur Erörterung stehenden außenpolitischen Entscheidungen des Bundestages abspielt. Da wird im Grunde genommen dreierlei zugleich gemacht. Da entsteht zunächst aus einem besetzten Gebiet, aus einem Besatzungszustand eine eigenständige staatliche Existenz. Da wird zum zweiten so etwas geschaffen wie eine Abwicklung des Kriegszustandes in den neugeordneten Beziehungen mit den bisherigen Besatzungsmächten, also so etwas wie ein Vorfriedensvertrag gemacht. Als drittes kommt dann ein Allianzverhältnis dazu, aber auch noch nicht einmal ein Allianzverhältnis in dem früheren Sinne einer Koalition, die einfach nationale Armeen addiert, sondern ein Allianzverhältnis, das mit einer Art von Fusion der Staaten, wenigstens mit einer Verschmelzung von Souveränitätsteilen dieser Staaten verbunden ist. Diese drei Stufen der Entwicklung sind nun in das eine Vertragswerk hineingepackt.
    Dieser ungewöhnliche Akt vollzieht sich in einer Welt voller Vorurteile und unter Beteiligung von mindestens sechs Parlamenten, sechs Regierungen und sechs öffentlichen Meinungen, vor allen Dingen, wie ich eben sagte, von sechs Parlamenten, die die in repräsentativen Demokratien übliche Aufteilung in Regierungs- und Oppositionsparteien haben. Hier übrigens zeigt sich eine Gefahr wie bei allen Integrationsbemühungen in der letzten Zeit: Diese Wechselwirkungen in den Parlamenten nach Regierungs- und Oppositionsparteien erschweren den Integrationsvorgang allenthalben. Früher war es so: wenn Staaten sich verbanden, in eine Form gebracht wurden, dann geschah das durch irgendeinen Gewaltakt, durch Annexion, oder was weiß ich. Hier sollen Staaten aus demokratischer, aus freier Entscheidung zusammenwachsen. Also sie sollen sich gemeinsame supranationale Institutionen schaffen; und nun steht dieser Vorgang immer unter dem Gesetz von Regierung und Opposition. Das Ergebnis ist, daß die Integrationsbemühungen der Regierungen oft dadurch behindert und gestört werden, daß die Oppositionsparteien die alten nationalstaatlichen Instinkte weiter umschmeicheln und so das Zusammenwachsen der Völker erschweren.

    (Lebhafter Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Da wird dann eine politische Erörterung zugespitzt nicht unter dem Gesichtspunkt: wie erreichen wir ein Höchstmaß an für alle gleich wirksamer und erfolgreicher Gemeinsamkeit?. sondern es wird nach dem Gesichtspunkt gehandelt: wie hole ich mir bei einem Konsortialgeschäft für mich selber möglichst viel heraus? Das ist noch nie ein Verfahren gewesen. ein erfolgreiches Konsortialgeschäft zu machen.

    (Sehr richtig! in der Mitte und rechts.)

    Das ist aber der Denkfehler, der sich auch hier in unserem Hause immer wieder sehr verhängnisvoll zeigt. Die parlamentarische Demokratie der freien Völker des Westens darf sich nicht als langsam und lahm erweisen vor der Notwendigkeit, die Integrationsprozesse, zu denen unser Zeitalter drängt, möglichst rasch und schnell und entschlossen zu erledigen.

    (Sehr richtig! bei den Regierungsparteien.)

    Wie gesagt, es ist sehr leicht für denjenigen, der Einwendungen aussprechen will, in diesen Verträgen manche Steckenpferde einer einst blühen-


    (Dr. Schäfer)

    den Besatzungspädagogik zu finden. Es ist nun einmal so, daß manche Pflänzchen — wenn Sie wollen, Unkräuter — leider noch weiter wuchern, auch da, wo man auf dem besten Wege ist, ein fruchtbares Gelände aus einem Brachland zu machen. Ich gebe zu, sie sind vorhanden. Aber da gibt es auch wieder eine sehr einfache Fragestellung für uns: wenn ich aus dem Zustand, sagen wir einmal, mit der Note fünf hineinwachsen kann in einen Zustand der Note drei bis zwei und nicht auf Anhieb die Note eins erreichen kann, soll ich dann lieber auf der Nummer fünf bleiben und auf die zwei bis drei verzichten?

    (Sehr gut! und Beifall bei den Regierungsparteien. — Abg. Kunze: Sitzenbleiben!) Das ist die furchtbar einfache Frage, die hier zu stellen und zu entscheiden ist.


    (Abg. Mellies: „Furchtbar einfach"!)

    — Ja, furchtbar einfach, Herr Mellies. Es ist nämlich manchmal notwendig, dort, wo versucht wird, durch Kompliziertmachen von Geschehnissen und Ereignissen die Klarheit der Entscheidung zu vernebeln, durch den Nebel durchzustoßen und auf die einfachen Grundtatsachen hinzuweisen.

    (Lebhafter Beifall bei den Regierungsparteien.) Ich will nicht weiter auf diese Dinge eingehen.

    Wenn wir den Unterschied in der deutschen Außenpolitik zwischen Utopie und Realität erkennen wollen, dann bietet dazu auch Anlaß ein Ereignis, das sich vorgestern in Berlin abspielte, wo man einen meiner politischen Freunde einfach so von der Straße weg geraubt und irgendwohin gekidnapt hat. Das sind Tatbestände, Unterscheidungsmerkmale zwischen zwei Welten, die ein solches Ereignis symptomatisch verdeutlicht.

    (Zustimmung bei den Regierungsparteien.)

    Sehen Sie, angesichts solcher Deutlichkeiten wird uns in der Frage: „dreieinhalb oder eins?" die Entscheidung nicht erschwert. Eine positive Entscheidung zu den unterzeichneten Verträgen wird durch ein solches Vorkommnis nur erleichtert.
    Im übrigen sehen wir auch als ein sehr positives Element des Vertragswerkes die europäischen Chancen an, die gerade in dem EVG-Vertrag unserer Meinung nach verstärkt erscheinen. Denn hier wird mehr, als das in den Institutionen von Straßburg der Fall ist, an einem sehr entscheidenden konkreten Beispiel ein Element supranationaler Willensbildung und supranationaler Ordnung geschaffen und bewirkt. Uns scheint das wesentlich. Wir haben vorhin von meinem verehrten Herrn Vorredner gehört, daß das alles geringfügig sei; das sei das Klein-Europa, unendlich weit entfernt von der großen europäischen Einheit, nach der wir streben wollten und von der wir träumten.

    (Abg. Wehner: Und mit sehr kontingentierter Demokratie!)

    — Ich komme gleich darauf! —

    (Abg Kunze: Es lohnt sich aber nicht!)

    Nun, meine Damen und Herren, ich will Ihnen auch da wieder einmal ein unabänderliches Lebensgesetz nennen. Es besteht nämlich darin, daß, wer groß werden will oder was groß werden soll, klein anfangen muß. Das gilt auch für die politische Verknüpfung in Europa. Dieses Lebensgesetz scheint mir im Vertragswerk vertreten. Oder wollen Sie sagen: Weil ich nicht sofort das ganze Große bekommen habe, bekommen kann, verzichte ich auf den kleinen Anfang? Schön, wenn Sie das wollen, dann müssen Sie sich auch darüber klar sein, daß
    Sie mit solchem Perfektionismus auf das Ganze und das Endgültige verzichten. Es gibt keine Vollkommenheit, die ohne einen Reifeprozeß entstehen könnte. Das Fertige ist niemals da wie bei einem Zauberer, der nur die Hand ausstreckt, um Armeen auf der flachen Hand zu entwickeln.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    So glauben wir an die Wirksamkeit der Entwicklungsgesetze. Wir werden uns durch den Einwand, daß das Anfänge, daß das unzulängliche Anfänge sind, nie abhalten lassen, die Anfänge zu bejahen und zu beschreiten. Wir betreiben eine positive Politik und nicht die Negation, die sich damit rechtfertigt, daß sie auf die Unzulänglicheit der Anfänge hinweist.
    Es ist eben ein Zuruf gemacht worden von der Beschränkung der Souveränitäten. Herr Kollege, in dieser Beschränkung der Souveränitäten sehe ich allerdings die einzige Möglichkeit, supranationale Wirklichkeit wachsen zu lassen.

    (Sehr richtig! bei der FDP.)

    Ich sehe in diesen Verträgen keineswegs, daß ausschließlich Deutschland Souveränitätsverzichte auferlegt sind, sondern ich sehe, daß sie auch den anderen beteiligten Völkern auferlegt werden. Wenn ich mich in die Seele manches anderen Volks versetze — nach bestimmten Geschehnissen und Erlebnissen der jüngsten Zeit, auch im Hinblick auf Traditionen, die bestimmte Einrichtungen des Staates und des Landes zu Elementen des nationalen Stolzes und Selbstgefühls werden ließen — und wenn ich sehe, daß sie manche schon vorhandenen Einrichtungen, die uns als Bestandteil in dem neuen Gemeinsamen noch zuwachsen, genau so einbringen müssen, dann weiß ich nicht, ob der für alle wirksame Souveränitätsverzicht manchmal nicht für uns sogar leichter ist als für die anderen Partner dieses Vertragswerkes.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Ich glaube — ich weiß, es wird mir dieser Satz mißdeutet werden —, wir werden den Mut haben müssen, auch einmal von der Seelenlage und dem psychologischen Innenverhältnis unserer Partner bei diesem Vertragswerk zu sprechen und davon auszugehen.

    (Sehr richtig! bei den Regierungsparteien.)

    Dann ist hier weiter ein weniges von der Neutralität gesagt worden; d. h. man hat sie nicht direkt genannt. Man hat aber die Möglichkeit einer deutschen Verstärkung der Verteidigung, die beabsichtigte Erhöhung des Risikos für den Angreifer beiseite geschoben mit formalen Einwänden, mit Bezweiflungen der guten Absichten des einen oder des andern, mit der Fragwürdigkeit der materiellen Möglichkeiten. Auch darauf will ich ein kurzes Wort erwidern. Diese Neutralität ist doch nur eine Selbsttäuschung. Denken wir doch einmal zurück! Der Herr Bundeskanzler hat es heute morgen angedeutet, und ich glaube, man muß es noch einmal ein bißchen verdeutlichen. Warum kam denn dieser zweite Weltkrieg zustande? Weil die freiheitlichen Völker die rechtzeitige Vorbereitung von Gegenmitteln versäumt hatten. So konnte der tyrannische Eroberer zunächst glauben, er könne risikolos seinem Gewaltstreben nachgehen.

    (Abg. Dr. von Brentano: Richtig! — Abg. Mellies: Es kommt auch noch einiges andere hinzu!)

    Wer also in der Enthaltsamkeit von Verteidigungsmitteln eine außenpolitische Lösung andeutet, ach,


    (Dr. Schäfer)

    der findet leicht den Beifall all der Bequemen. Sicherlich ist es mühsam, was da verlangt wird; es ist teuer, was da zu erwarten ist. Dieser Appell an die leichten Auswege findet immer Widerhall bei allen, die die unbequeme Wirklichkeit nicht auf sich selbst beziehen wollen. Aber er bewirkt die Minderung des Wagnisses für den tyrannischen Machtstreber. Insofern fördert er mittelbar dessen Chancen. Hier handelt es sich einfach um die Verteilung der Chancen. Das muß man bei diesem ganzen Vertragswerk sehen.
    Es gibt noch viele Fragen. Eine will ich noch aufwerfen. Ich bitte, sich die Konsequenz der Ablehnung einmal klarzumachen. Der Herr Bundeskanzler hat bereits heute morgen davon gesprochen. Es bleibt dann bei dem gegenwärtigen Zustand mit seiner Beengtheit. Es bleibt bei Handelsbeschränkungen. Es bleibt bei Wirtschaftseingriffen. Es bleibt bei jenem „herrlichen" Sicherheitsamt, und es bleibt bei allen möglichen Beengungen von Handel und Wandel, von Ausfuhr und Einfuhr. Die Beharrung beim gegenwärtigen Zustand hätte doch nur Sinn, wenn andere Maßnahmen, die auch bleiben, einen Nutzen darstellen könnten. Man könnte für die Erhaltung des gegenwärtigen Zustandes doch nur eintreten, wenn man neben einigen Nachteilen auch einige Vorteile sähe. Leider ist dafür eine solche Beweisführung auch nicht gegeben worden. Wenn mir also die Frage gestellt wird, ob denn ein Nein eine bessere Situation bringt, so muß ich sie verneinen. Ich komme deswegen immer wieder zu dem Schluß: lieber die Stufe 31/2 als 5, auch wenn ich die 1 noch nicht erreichen kann.
    Im Zusammenhang mit Betrachtungen über die
    Möglichkeit von Vierer-Konferenzen sind auch Vorstellungen angeklungen, als ob sich eine andere Lösung ergeben könnte durch einen ähnlichen Status, wie wir ihn bei Österreich haben, oder in der Form eines Zustandes, wie wir ihn etwa unter einer Viermächte-Kontrolle hatten. Meine Damen und Herren, eine solche Einheit Deutschlands ist doch keine Einheit in Freiheit. Eine solche Einheit — ich darf Sie da auch einmal auf die wirtschaftliche Seite der Sache hinweisen — würde uns ja. gar nicht in die Lage versetzen, die Einheit zu realisieren.

    (Abg. Dr. von Brentano: Richtig!)

    In dem Augenblick, in dem der „Eiserne Vorhang" aufgeht, entsteht doch eine ungeheure Fülle von wirtschaftlichen Verpflichtungen, um diese große neue Kolonisationsaufgabe unseres Volkes zu verwirklichen,

    (Abg. Wehner: Hört! Hört! „Kolonialaufgabe", das ist ja toll!)

    aus einem verödeten, zerstörten und ausgepowerten Gebiet wieder einen fruchtbaren deutschen Lebensbereich zu machen.

    (Zustimmung bei den Regierungsparteien.)

    Das wird gewaltige Anstrengungen und gewaltige Belastungen für uns bedeuten. Wir wollen sie auf uns nehmen, meine Damen und Herren, aber wir wollen uns dabei darüber klar sein, daß wir dazu die Hilfe derer brauchen, die bereit sind, auch in dieser Hinsicht nicht nur ein theoretisch, sondern in seiner ganzen wirtschaftlichen Struktur faktisch freies Deutschland aus diesen jetzt verödeten Gebieten zu machen.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Meine Damen und Herren, wir haben also hier zu entscheiden, ob wir uns einfach bei der Aufzählung all der Unzulänglichkeiten verlieren wollen, die in dem Vertrag enthalten sind, oder ob wir von der Einsicht ausgehen wollen, daß ein Vertragswerk, das unter den parlamentarisch-politischen Verhältnissen in den beteiligten Völkern, wie wir sie vorauszusetzen haben, aus einer Fülle von Kräften und Gegenkräften heraus entwickelt werden mußte, immer ein Kompromiß bleiben muß, bei dem für den einen oder den andern unerfreuliche Dinge unvermeidlich sind. Ich bin auch bereit zu sagen, daß, wenn nicht sogleich die Gipfelstufe erreicht werden kann, das für die weitere Entwicklung Nächstliegende getan werden sollte, damit die Chance wächst, einst einen höheren Vollkommenheitsgrad unserer zwischenstaatlichen Beziehungen zu erreichen. Ich bin mir absolut. klar darüber, meine Damen und Herren, daß der Weg, den wir zu gehen bereit sind, nicht der bequemere, sondern der mühevollere Weg ist.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    — Der mühevollere, jawohl, aber es ist ein Weg, dem gegenüber ein anderer überhaupt gangbarer Weg bisher nie gezeigt worden ist,

    (Zustimmung bei den Regierungsparteien) und ich lasse mich nicht davon abbringen.

    Wenn draußen Besserwisser sich so gebärden, sich so anstellen, als ob sie einen überlegenen Weg wüßten, und ich kriege hier nichts anderes zu hören als eine schier endlose Aneinanderreihung von sehr klangvoll formulierten Gemeinplätzen,

    (Beifall bei den Regierungsparteien) gemischt mit allen möglichen Zettelkastenexzerpten, dann, meine Damen und Herren, kann mich doch damit niemand von einer positiven Entscheidung abbringen. Ich glaube deswegen, im Namen meiner politischen Freunde sagen zu können, daß wir in aufgeschlossener Bereitschaft


    (Abg. Wehner: Sehr aufgeschlossen!)

    in den Ausschüssen bei der Vorberatung der Ratifikation mitarbeiten werden. In diesen Verträgen sehen wir jedenfalls einen weiteren Schritt auf dem Wege der Außenpolitik, zu der wir ans bekannt und für die wir uns bereits in jenen Tagen entschieden haben, als wir hier zu den ersten Regungen unseres neuen Staatslebens zusammengekommen sind.

    (Anhaltender lebhafter Beifall bei den Regierungsparteien.)



Rede von Dr. Hermann Ehlers
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. von Merkatz von der Fraktion der Deutschen Partei.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Hans-Joachim von Merkatz


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (DP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte die mir zur Verfügung stehende knappe Redezeit nicht damit vergeuden, daß ich ein Streitgespräch mit der Opposition beginne. Aber mir ist eines aufgefallen, was ich für so wesentlich halte, daß ich es an den Anfang stellen möchte. Ich weiß' nicht, ob es die richtige Lösung ist, so wie es aus den Worten von Herrn Professor Carlo Schmid hervorstach, daß man hier gegenüber dem Westen eine starke, fast von deutschnationaler Eitelkeit getragene Haltung eingenommen hat, während man sich anscheinend den Russen gegenüber recht entgegenkommend beweisen will.

    (Lebhafter Beifall bei den Regierungsparteien. — Abg. Neumann: Das müssen ausgerechnet Sie feststellen!)



    (Dr. von Merkatz)

    Ich glaube nicht, daß es in dieser Stunde, in der sich das deutsche Volk Sorgen über die Tragweite des Ja oder des Nein macht, gut ist, eine Politik des Absentismus zu vertreten, wie das von der Opposition geschehen ist.

    (Sehr gut! bei den Regierungsparteien.)

    Denn in Wahrheit ist der Vorschlag, man solle die Chancen für ein Vierergespräch schaffen, ja doch nichts anderes, als daß man die Chancen für die Sowjet-Union schaffen soll, damit dieses Vierergespräch ihr lukrativ erscheint. Ich glaube nicht, daß in dieser Situation den Sorgen des deutschen Volkes gedient wird, wenn man von solcher Ausgangsposition die Debatte über diese schicksalsschwere Frage unseres Landes einleitet.
    Ja oder nein? Es hat sich eine Mode breitgemacht: Man bemüht sich, in die Abgründe des Ja zu starren. Die Abgründe des Nein werden übergangen, werden verschwiegen oder werden in einen Nebel gehüllt, damit man um so sicherer in den Abgrund des Nein hinunterstürzen möge. Eines sollte doch wirklich klar und einfach für uns erkennbar sein: Die deutsche Situation, die europäische Situation ist gefährlich. Der Ausgang des Krieges hat eine solche Konstellation der Staaten, eine solche Zerstörung der Ordnung mit sich gebracht, daß die Wiederherstellung einer echten, einer soliden Friedensordnung unerhört schwer wird und daß wir, die wir durch den Zusammenbruch Mitteleuropas gespalten sind, uns in großer Gefahr befinden. Dann soll man glauben, in einer so gefährlichen Situation ohne Bundesgenossen auskommen zu können?
    Es geht hier um viel mehr als nur um das Erfechten dieser oder jener Einzelheit. Es geht tatsächlich um das Überleben des deutschen Volkes, darum, die letzte Chance zu gewinnen, die uns die Vernichtung in einer dritten Katastrophe erspart. Bundesgenossen in dieser Zeit, das bedeutet sehr viel. Wir sind uns der Sorgen voll bewußt, die man sich im Volke macht. Man besorgt einen heißen Krieg; man fühlt sich nicht genügend geschützt. Auch die Tatsache, daß Deutschland bisher ein Objekt gewesen ist, ein Glacis, etwas, mit dem die anderen nach eigenem Gutdünken verfuhren, auch das ist eine Grundlage für jene Besorgnis, die unser Volk durchwühlt.
    Aber auch das andere muß ich erwähnen. Es wird Mißtrauen in jede Art von Partnerschaft gesetzt, gewiß! Aber hält man es dann für nützlich, alle Faktoren des Mißtrauens zu unterstreichen und aufzublähen? Ist es nicht die Aufgabe aller Politik, letzthin aus einer fast aussichtslosen Lage des traditionellen Mißtrauens einen Weg zu finden zum Vertrauen und damit die geistigen. die sozialen Fundamente für eine künftige Zusammenarbeit zu schaffen, echte Bündnisse zu schaffen? Oder soll man ständig in einer Position und einer Zeit verharren. deren Mißerfolg und Irrweg, deren Schrecken im letzten Ergebnis ia doch offensichtlich geworden sind? Haben wir denn alle, alle Völker in Europa, nicht nur wir Deutschen, noch nicht genug gelernt aus den zwei Weltkriegen. ihren Voraussetzungen und ihrem Ausgang? Hat man denn nicht gelernt, daß jenes cauchemar des coalitions, von dem Bismarck gesprochen hat, daß die fehlenden Bündnisbindungen unser Land in das Verderben getrieben haben? Und sollte man nicht alle Energie daran wenden, nun die Grundlage für echte Partnerschaften und Bündnisse zu bilden, um sie zu kämpfen, sie in aktiver Außenpolitik zu erringen?
    Gewiß erfüllt uns alle die Sorge um die Spaltung unseres Landes. Aber das deutsche Volk ist sich doch wohl auch bewußt, daß, wenn auch nur ein Funken echter Veständigungsbereitschaft auf seiten der expansiven sowjetischen Macht vorhanden gewesen wäre, wir in diesen Zustand der Spaltung Deutschlands doch nicht hineingeraten wären. Denn nicht w i r haben Deutschland gespalten, auch die Westmächte haben Deutschland nicht gespalten, sondern gespalten hat Deutschland der Ostblock.

    (Sehr richtig! rechts.)

    Das ist eine Tatsache, vor der man nicht ausweichen kann, auf die man, so trostlos sie ist, eine deutsche Außenpolitik einstellen muß und nach der man sich richten muß, um diesen unsere Nation letzthin vernichtenden Zustand zu überwinden. Denn darüber sind wir uns klar: eine gespaltene deutsche Nation ist gar keine deutsche Nation mehr. Wenn wir nun durch die Gnade des Schicksals noch einmal die Möglichkeit haben, von einem freien deutschen Kerngebiet aus praktisch darum zu ringen — nicht in einer Politik der Nachgiebigkeit gegenüber dem Ostblock, sondern in einer Politik aktiver Bündnispartnerschaft —, daß die Einheit der Nation wieder ersteht, dann sollte doch jeder Deutsche Herz und Mut zusammennehmen, um diese letzte, allerletzte Chance des Überlebens unserer Nation zu nutzen.

    (Lebhafter Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Ich komme nun zu der weiteren Besorgnis, zu der Frage der Gleichberechtigung. Meine Damen und Herren, Gleichberechtigung wird einem nicht geschenkt; die erwirbt man sich, weil man die Kraft dazu hat. Gleichberechtigung ist keine juristische Angelegenheit, sondern eine Frage der Selbstachtung unseres Volkes; und ich hasse diese Worte, daß der Westen ja nur „Hiwis" brauche. Ein Volk, das sich seine eigene Leistung und sein Anerbieten im Sinne einer konstruktiven Politik der Zukunft mit den Ausdrücken und Begriffen seiner Niederlage diffamieren läßt, kann niemals — niemals! — zu dem Selbstbewußtsein und zu der Stärke, zu diesem echten patriotischen Gefühl zurückfinden, mit denen Völker, die geschlagen worden sind, überleben.
    Meine Damen und Herren, es ist in der letzten Zeit auch sehr viel Strategie getrieben worden. Es ist vom Kriege gesprochen worden. Es ist einmal definiert worden, der Krieg sei die Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln. Ich möchte für das zwanzigste Jahrhundert eine andere Definition ceben: Der Krieg ist die Katastrophe einer jeden Politik!

    (Sehr gut! bei den Regierungsparteien.)

    Infolgedessen ist das, was wir hier als Außenpolitik vertreten, im innersten Impuls durchdrungen von dem Ziel, den Krieg zu verhindern. Denn nur wenn dieser Krieg verhindert wird. kann unser deutsches Volk überleben. Diese innere Moralität, mit der wir an die Fragen der außenpolitischen Verpflichtung — wir hier in einem Teilbereich unserer Nation. der aber noch in Freiheit handeln kann. der das Kernstück des Ganzen ist — herantreten, diese Verpflichtung, den Krieg zu verhindern — das ist das Wesentliche und überhaupt der Grundgedanke der ganzen außenpolitischen Konzeption.
    Ich glaube, wer sich ganz bewußt geworden ist, was der Ausgang des zweiten Weltkrieges für unsere Nation bedeutet, wird sehr viel be-


    (Dr. von Merkatz)

    scheidener sein in der Bewertung der realen Möglichkeiten, die erreichbar sind. Ich glaube, es ist keine Überheblichkeit, zu sagen, daß der Weg der deutschen Außenpolitik seit 1949 überraschend viel — eigentlich mehr, als man sich bei den besten Erwartungen versprechen konnte — gebracht hat.

    (Lebhafte Zustimmung bei den Regierungsparteien.)

    Versetzen wir uns doch einmal zurück in jene Zeit, da wir zu Beginn des Bundestages die erste außenpolitische Debatte hatten. Wenn wir damals uns heute an diesem Platz erlebt hätten mit dem, was jetzt geschaffen worden ist, wir hätten diesem Traum nicht geglaubt!

    (Zustimmung bei den Regierungsparteien.)

    Worum ging es denn damals noch? Ich möchte nicht alles wiederholen, was der Herr Bundeskanzler gesagt hat. Aber allein die Überwindung der uns auferlegten Demontage bedeutet ja doch einen sehr weiten Weg in einer Frage, die tief in die Substanz unseres Volks- und Soziallebens eingriff.
    Gestatten Sie mir, doch einiges über die Grundkonzeption zu sagen, über das, was man als deutsche Lage ansehen kann, und darüber, wie die deutsche Lage im Zusammenhang mit der Weltlage zu betrachten ist. Ich sagte bereits einleitend, daß als Ergebnis des Ausgangs des zweiten Weltkrieges festgestellt werden müsse, daß die sogenannten Zentralmächte, wie man sie noch im ersten Weltkrieg nannte — Deutschland, Österreich usw. — untergegangen sind und daß damit der Kern und das Herzstück Europas vernichtet worden ist. Rußland ist heute die Zentralmacht geworden. Es ist ein altes Gesetz der Politik, daß um diese Zentralmächte herum — Zentralmächte, die in der Regel eine expansive Kraft haben — sich die Ringmächte bilden. Das ist ein Vorgang fast wie in der Biologie. Deswegen glaube ich, daß bei einer distanzierten Sicht das, was mit unserem Lande geschieht, und die Bildung des Ringes, die Bildung der Bündnissysteme eine Entwicklungslinie ist, die sozusagen unvermeidlich ist, um überhaupt ein Mittel zu finden, die Expansion der Zentralmacht einzudämmen.
    Nun hat die Bildung des Ringes um die Zentralmacht zweimal in Europa zur allerschwersten Katastrophe geführt. Für uns, die wir ja gewissermaßen an der äußersten Kante des Ringes liegen
    unentschieden, wohin das deutsche Volk geworfen wird —, ist die große Aufgabe, unbedingt aus der Stellung eines Objekts herauszukommen und in die Stellung eines Subjekts einzugehen; denn wir sind diejenigen, die das größte Risiko zu tragen haben. Der Kampf um diese Stellung, um die Mitwirkung, das Mithandein, das Mit-amTisch-der-Nationen-Sitzen, das ist der schwierige Weg der deutschen Außenpolitik, um Gefahren abzuwenden, um unsere Stimme mit in die Waagschale zu werfen, wenn Sturm aufkommt, wenn dramatische Situationen kommen. Es wird für uns außerordentlich wichtig sein, durch die Art unserer außenpolitischen Handlung alles Dramatisieren zu vermeiden, wenn die echte kritische Situation entsteht. Aber wir können doch auch nicht vor der kritischen Situation einfach den Kopf in den Sand stecken und so tun, als ob sie tatsächlich nicht vorhanden wäre, als ob wir neutral sein könnten, als ob man unseren Willen, nicht in den Weltkonflikt einbezogen zu sein, nur weil wir es wünschten und wollten, respektieren würde.
    Es ist hier von der Tribüne schon so oft über die Unmöglichkeit der Neutralität und der Neutralisierung und ihre bösen Folgen gesprochen worden, so daß ich mich hier nicht wiederholen möchte. Allerdings hat Herr Professor Carlo Schmid heute eine besondere und neue Definition der Neutralität gegeben, indem er sagt: dieser dritte Weg, das sei die Möglichkeit für Deutschland, überhaupt eine Politik, eine eigenständige Außenpolitik zu führen, und wir dürften unsere Außenpolitik unter keinen Umständen fremdem Willen unterwerfen. Ich muß sagen, daß ich mit dieser Formel nicht viel anzufangen weiß. Denn was besagt sie wirklich? Von Neutralität ist damit kein Wort gesagt; sie besagt doch letzthin eigentlich das, was die Regierung nun seit zweieinhalb, seit drei Jahren tut: nämlich aus dem Zustand der vollkommenen Ohnmacht, aus dem Zustand des Objekts heraus- und allmählich in den Zustand des Subjekts hineinzukommen, eben den deutschen Willen nicht abhängig zu machen, ihn nicht zum Spielball worden zu lassen.
    Aber, meine Damen und Herren, was heißt diese Eigenliebe der sogenannten selbständigen Politik, was bedeutet diese „selbständige Politik", diese Illusion einer selbständigen Politik zwischen den beiden Machtblöcken, dem Machtblock des Ostens und dem Machtblock des Westens? Machen wir uns doch nichts vor! Man soll sich doch einmal die Geschichte von Neutralen in Europa in den beiden letzten Weltkriegen ansehen: selbst Mächte, die auf gewisse Bündnismöglichkeiten nach dem Westen hin rechnen konnten, haben tatsächlich und praktisch — in sehr viel günstigerer Lage — ihre Neutralität nicht voll aufrechtzuerhalten vermocht. Was sollte hier aus diesem Deutschland werden, wenn es — ich möchte fast sagen — die Anmaßung der Neutralitätspolitik betreiben wollte. Sie ist eine Anmaßung in dem gegenwärtigen Zeitpunkt, und durch eine Neutralisierungspolitik würde dieses Deutschland ein Hexentanzplatz aller Welt.

    (Sehr richtig! rechts.)

    Diese Vorstellungen sind doch entweder Wunschträume, Illusionen, sich nach Möglichkeit aus dem Weltkonflikt herauszudrücken, oder es sind verschleierte Anerbieten an den Ostblock,

    (Zustimmung bei der DP)

    von dem man vielleicht in mancherlei Beziehungen
    auch eine Position sozialpolitischer Art erwartet,

    (Lebhafte Zustimmung rechts)

    die reichlich bedenklich ist.
    Meine Damen und Herren. wenn die Wahl gestellt ist zwischen den Satelliten des Ostens und einer Politik der Partnerschaft, der Zusammenarbeit — gewiß auch der Abhängigkeiten, machen wir uns nichts vor: schwache Mächte sind von Großmächten und Weltmächten in der Regel abhängig; das ist so in der Welt —, aber wenn die Wahl gestellt wird zwischen den Satelliten einer Mächtegruppe, die die gesamten Grundwerte unserer abendländischen Existenz verneint, und einer Mächtegruppe, die diese Grundwerte letzthin zum Maßstab ihres staatlichen und politischen Seins macht, dann, glaube ich, sollte doch die Wahl nicht allzuschwer fallen, sich den gesamten Versuchungen einer Überwältigung von drüben zu widersetzen.
    Es ist heute morgen in der Regierungserklärung sehr eindringlich klargelegt worden, wie die Entwicklung seit 1945 gelaufen ist. Ich kann es mir ersparen, noch darauf einzugehen. Aber eines muß


    (Dr. von Merkatz)

    unterstrichen werden, was gerade für unsere Gruppe bei der sehr nüchternen Bewertung der Vertragswerke von großer Bedeutung ist, und das ist folgendes. Zum ersten Male in der neueren deutschen Geschichte findet sich die Möglichkeit eines angelsächsischen Bündnisses. Wenn wir uns daran erinnern, wie die vergangenen Generationen, die vergangene deutsche Außenpolitik — Bismarcks und der späteren Zeit — um die Frage des Bündnisses mit der angelsächsischen Welt gerungen haben, wenn wir uns das vergegenwärtigen, dann sollten wir die Entwicklungslinie, die sich hier andeutet, doch nicht allzu gering schätzen.

    (Abg. Strauß: Sehr richtig!)

    Wir sollten hierin vielmehr eines der konstruktivsten Elemente für Europa und für die Fundamente eines künftigen Friedens sehen, die es überhaupt gibt.
    Dann auch einmal ein Rückblick auf das berühmte preußisch-russische Bündnis! Was ist denn diese früher von gewissen Militärkreisen bei uns so überschätzte sowjetrussische Bündnisverpflichtung bisher gewesen? Preußen war ein Satellit Rußlands bis Mitte des 19. Jahrhunderts. Warum ist denn Bismarck auf den Dreibund übergegangen? Warum? — Ich möchte hier die Dinge nicht allzu deutlich aussprechen. Auch Bismarck hat es sehr gespürt, was eine Abhängigkeit auf Gedeih und Verderb von einer derart von irrationalen Kräften durchdrungenen Macht, wie es Rußland in der Geschichte immer gewesen ist, bedeutet. Bismarcks ganze Bündnispolitik in ihrem letzten Ziel — nämlich im Hinblick auf ein Bündnis mit den Angelsachsen ausgewogene Verhältnisse für Mitteleuropa zu schaffen — ist gescheitert. Dieser Albdruck der Koalitionen ist ein sehr deutliches Zeichen für die überaus prekäre Lage gewesen, in der sich Deutschland in der Mitte Europas von jeher befunden hat. Das Satellitenverhältnis nach Osten hin ist — und das beweist unsere deutsche Geschichte — immer nur Zeichen einer Epoche der Schwäche gewesen. Wir müssen uns gegenüber diesem Block die Freiheit erringen; und die einzige Möglichkeit eines ausgewogenen Verhältnisses ist das solide Bündnis mit der angelsächsischen Welt, mit der westlichen Welt insgesamt.
    Über das Verhältnis zwischen uns und Frankreich sind viele Worte gesprochen worden. Es ist da — ich gebe es offen zu und sage das namens meiner politischen Freunde — zum Schluß eine Kette von Enttäuschungen festzustellen. Ich beschränke mich deshalb darauf, zu erklären, daß wir nach wie vor an der Grundkonzeption festhalten: die Verständigung zwischen uns und Frankreich in Verbindung mit dem angelsächsischen Bündnis ist eine unbedingte Notwendigkeit, wenn überhaupt die Lage des rechten Maßes — eine wirklich ausgewogene Friedensordnung in der westlichen Welt und auch gegenüber der östlichen Welt — aufgebaut werden kann. Das Hochziel dieser Politik der Verständigung kann und darf im lebensnotwendigen deutschen Interesse nicht aufgegeben werden.
    Was ist das Ziel? Wie kann man sich vorstellen, daß nach dieser Katastrophe ein Frieden in der Welt aufgebaut wird? Zwei grundsätzliche Ziele sind anzusteuern: einen echten Ausgleich, eine echte Ausgewogenheit zu schaffen und daran mitzuwirken, daß wir bei der Entwicklung des neuen Staatensystems, bei den großräumigen politischen
    Gebilden, die augenblicklich im Entstehen begriffen sind, mit am Tisch der Nationen sitzen.

    (Abg. Strauß: Sehr richtig!)

    Es wäre überaus gefährlich, uns gerade in dieser Epoche in einen eigensinnigen Absentismus, in eine Politik der Verneinung zu verbeißen. Wir würden die letzten Chancen unseres — ich muß es so deutlich sagen — Überlebens verspielen; denn eine Nation, die ihren mitbestimmenden Charakter in der Entwicklung der Welt verliert, gibt sich auf und stirbt daran. Leider ist dieses 20. Jahrhundert so geartet, daß nicht nur die moralische und die kulturelle, sondern auch die physische Vernichtung von Völkern möglich geworden ist, und darum ist die Situation um ein Vielfaches gefährlicher.
    Der Gedanke der supranationalen Gebilde, der im Vertrag für die Europäische Verteidigungsgemeinschaft konzipiert worden ist, bedeutet tatsächlich etwas vollkommen Neues. Dieser Vertrag zur Bildung der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft mit seinem Art. 38 enthält den konkreten Anfang, nun praktisch an die Ausarbeitung der europäischen Verfassung heranzugehen. Dazu bitte ich mir eine kurze Bemerkung zu gestatten.
    Die europäische Verfassung der Zukunft, die durch den EVG-Vertrag möglich wird, darf nicht mehr auf dem Prinzip der Souveränitäten aufgebaut werden.

    (Abg. Hilbert: Sehr gut!)

    Das Völkerrecht, das auf dem Souveränitätsprinzip beruht, gehört einer Epoche der Vergangenheit an und muß überwunden werden. Die Demokratie im Inneren der Staaten muß ihre Spiegelung und Entsprechung auch in der Gestaltung des Völkerrechts finden. Deshalb, glaube ich, können wir Deutschen, die wir 15 Millionen Vertriebene, die wir die große Katastrophe unseres Volkes erlebt haben, den Grundgedanken mit einbringen, daß diese künftige europäische Verfassung auf den Prinzipien des Menschenrechts aufgebaut wird. Dieses grundsätzliche Menschenrecht, das wir hier zu nennen haben, ist das Recht auf die Heimat. Aus dem Erlebnis der Völkerkatastrophe sollte in Europa das grundsätzliche Prinzip für die Bildung einer neuen völkerrechtlichen Ordnung geboren werden. Diese neue Ordnung, die auf den Menschenrechten aufgebaut ist, und zwar — um dieses Menschenrecht in eine kurze Formel zu fassen — auf dem Recht auf die Heimat, aus der niemand den Menschen vertreiben kann, sollte unser deutscher Beitrag sein, ein Beitrag, den wir mit Millionen Toten zu bezahlen hatten. Nur dann, wenn eine völkerrechtliche Ordnung und eine europäische Ordnung, die auf dem Menschenrecht aufgebaut ist, geschaffen ist, wird es möglich sein. den Menschen über seine nationale Erige hinauszuheben zum Europäertum, zum Bewußtsein des Europäischen in jeder einzelnen Seele.
    Es wäre sehr reizvoll, die wirtschaftliche Bedeutung des Vertragswerks, das wir hier zu behandeln haben, zu betrachten und an diese Betrachtung die über die soziale Tragweite anzufügen. Mir bleibt nicht viel Zeit. Ich kann es daher nur ganz kurz andeuten. In einem Zeitalter, in dem Technik und Verkehr die Entwicklung bestimmen, und zwar großräumig bestimmen, kann eine Wirtschaftsverfassung auch nur großräumig lebendig sein. Ich glaube, daß diese wirtschaftliche Entwicklung gerade für uns, die wir ein zerstörtes Land, ein übervölkertes Land sind, ein Land, das vom Export lebt, eine Lebensnotwendigkeit ist.


    (Dr. von Merkatz)

    Um den sozialen Aspekt der Großraumbildung zu berühren, darf ich vielleicht darauf hinweisen, daß es mir unmöglich erscheint, die großen Aufgaben sozialer Art, die das 20. Jahrhundert stellt, zu lösen, ohne daß hinter diesem Vollbringen die Wirtschaftskraft eines großen Raumes steht, der Massenwohlstand, der möglich wird in einer europäischen Großraumwirtschaft, die eng mit der atlantischen Gemeinschaft verbunden ist. Allerdings — und das ist eine Frage der Ausführung dieses Vertragswerks, das j a letzthin auch mit dem Schumanplan eine Einheit bildet —: es wird sehr eingehend darauf zu sehen sein, daß die innerwirtschaftliche Verfassung unseres Landes sich an dieses geschichtliche große Entwicklungsgesetz anpaßt. Ich würde es — und sage das hier in dieser Stunde offen — für eine Katastrophe halten, wenn wir uns im Jahre 1953 in Deutschland einen Rückfall in eine sozialistische Planwirtschaft leisteten.

    (Beifall bei der DP.)

    Das würde völlig die Entwicklungslinie in die Zukunft abschneiden.
    Ich glaube, es wird hier gerade auch eine Aufgabe der Frauen sein, die soziale Seite dieser europäischen Politik zu unterstützen. Denn letztlich bestimmt die Frau über die Vitalsituation eines Volkes. Wir sollten in unserer Politik und auch in unseren Taten und in unseren Entscheidungen mehr Rücksicht nehmen auf die Bedürfnisse der Frau

    (Beifall)

    und uns in diesem Punkt die Frauen zu Bundesgenossen machen. Denn wer die Frauen einer Nation hat, kann die Zukunft des Landes aufbauen. Deshalb darf ich hier einmal an die Hilfe der deutschen Frau appellieren, die schon die Krise des Krieges und der Nachkriegszeit in so beispielhafter Weise zu überwinden geholfen hat. Auch dieser Weg in eine europäische Zukunft hinein wird sehr wesentlich mit von der deutschen Frau zu tragen, zu verstehen und zu lehren sein.
    Der Generalvertrag ist in einer überaus kritischen Weise von Herrn Professor Schmid analysiert worden. Darüber ist die eigentliche Zielsetzung des Deutschlandvertrags, der nämlich den Zweck hat, Deutschland zu einer Bündnispartnerschaft fähig zu machen, ziemlich aus dem Auge verloren worden. Ich möchte Ihnen deshalb noch einmal das in Erinnerung rufen, was in der Präambel und in den entscheidenden Artikeln steht: die Integration Europas, die Wiederherstellung Deutschlands und die Ermöglichung eines frei vereinbarten Friedensvertrags. Gewiß, es bestehen Vorbehalte. Heute morgen ist etwas Merkwürdiges geschehen. Herr Professor Schmid hat davon gesprochen, daß derjenige, der über das Vorbehaltsrecht verfügt, der über das Recht zur Verhängung des Ausnahmezustandes verfügt, der eigentliche Herr der Verfassung sei. Nun, ich möchte hier eine sehr merkwürdige Identität zwischen zwei Herren ähnlichen Namens feststellen; der eine schreibt sich mit tt, der andere schreibt sich mit d.

    (Abg. Schoettle: Das ist ein billiges Argument gegen eine geschichtliche Erfahrung, Herr Merkatz!)

    — Gut! — Wer aber das Vorbehaltsrecht, den Notstand, der hier eingeführt worden ist, im Sinne
    von Karl Schmitt — tt — auffaßt, der verkennt
    das Wesen dieses Vorbehalts grundsätzlich, und deshalb muß ich widersprechen.

    (Abg. Schoettle: Hoffentlich wird man durch die Erfahrung eines Besseren belehrt!)

    Es ist nicht der Vorbehalt, nicht der Ausnahmezustand, der aus der inneren Legitimation einer Verfassung entspringt,

    (Sehr gut! in der Mitte)

    sondern — wir halten daran fest — durch diese Verträge ist die oberste Gewalt der Alliierten nicht anerkannt worden. Niemand hat in eine Beschränkung der Souveränität eingewilligt, und wenn das die juristische Ausgangsbasis ist, dann bedeuten die Begrenzungen der Ausnahmegewalt, die in dem Vertrag bindend vereinbart worden sind, substantiell etwas ganz anderes als das, was Herr Professor Schmid gesagt hat.

    (Abg. Dr. von Brentano: Richtig!)

    Denn es ist nicht möglich, diesen Vorbehalt des Notstands seitens der Alliierten aus einer rein innerpolitischen deutschen Situation heraus zu benutzen. Es handelt sich hier lediglich um einen Notstand, dessen Ursache aus einer unmittelbaren oder mittelbaren äußeren Bedrohung entspringt und der die Sicherheit der Truppen gefährdet.
    Meine politischen Freunde haben immer den größten Wert darauf gelegt, zwischen der obersten Gewalt und der Vorstellung der deutschen Souveränität einen klaren Trennungsstrich zu ziehen. Dieser klare Trennungsstrich ist bei der Verhandlung des Deutschlandvertrags durchaus beachtet worden. Ich betrachte es als einen ganz wesentlichen Fortschritt unserer Situation, daß an Stelle von Punkt 3 des Besatzungsstatuts nun die Begrenzung der obersten Gewalt mit Konsultation der Bundesregierung eingeführt worden ist. Dazu kommt — das ist der Beweis, daß ich mit dieser Auslegung recht habe, daß hier lediglich zur vertraglichen Bindung die Begrenzung der Ausübung der obersten Gewalt im Rahmen dieser drei Vorbehalte gehört — der Art. 9, in dem ein Schiedsgericht eingeführt worden ist, das über die Grenzen letzthin der Ausübung jenes Fremdrechtes auf deutschem Boden Bestimmungen zu treffen hat.
    Meine Damen und Herren, meine Fraktion wird sich eine Stellungnahme zu den Zusatzverträgen im einzelnen für die zweite und dritte Lesung und besonders für die Beratungen in den Ausschüssen vorbehalten. An einigen Fragen kann ich aber nicht vorbeigehen. Die Behandlung der Frage der sogenannten Kriegsverbrecher in der Nachkriegszeit, nach Ausgang dieses zweiten Weltkrieges bedeutet ein Abgehen von einem alten völkerrechtlichen Prinzip. Es ist nicht möglich, Richter in eigener Sache zu sein. Es ist nicht möglich, daß der Sieger über den Besiegten richtet. Hier sind uralte Prinzipien abendländischer Rechtsauffassung verlassen worden. Ich möchte feststellen, daß in Art. 6 des Zusatzvertrags auch die Bundesregierung keine Anerkennung dieser Urteile vollzieht.

    (Abg. Dr. von Brentano: Richtig!)

    Das ist festzuhalten; denn es hängt hier ein Stück unserer deutschen Würde daran. Es ist hier ein Prinzip verlassen worden, das seinerzeit Heinrich IV. von Frankreich in der Präambel des Edikts von Nantes sehr viel klarer, sehr viel richtungweisender auszudrücken gewußt hat als eine spätere Zeit. Meine Redezeit ist fortgeschritten;


    (Dr. von Merkatz)

    deshalb verzichte ich auf eine Verlesung dieser Präambel. Aber letzthin kommt hier der Geist der Großzügigkeit, der Geist zum Ausdruck, daß es nach den Schrecken des Krieges notwendig ist, reinen Tisch zu machen, daß ein Schlußstrich unter die Schrecken gemacht wird und daß es letzten Endes Schuld und Unschuld gibt, über die zu richten Menschenkraft nicht mehr in der Lage ist.

    (Beifall rechts.)

    Meine Damen und Herren, meine Freunde fordern eine vorherige Bereinigung der Frage der sogenannten Kriegsverbrecher, nicht weil dies eine billige nationalistische Formel und Forderung wäre — wir lehnen die politische Geschäftemacherei mit dieser Frage aus innerster Überzeugung ab —; aber es geht hier tatsächlich um ein abendländisches Prinzip. Eine Nation kann aus Selbstachtung auf den Schlußstrich unter diese Frage nicht verzichten. Wer eine neue Welt aufbauen will, der muß auch drüben vor seiner Öffentlichkeit den Mut haben, einen Schlußstrich unter die Schrecken des Krieges zu ziehen. Es wird über dieses Problem, wenn wir unsere Große Anfrage an die Regierung zu begründen haben werden, noch im einzelnen zu sprechen sein. Ich möchte mich hier lediglich mit dieser prinzipiellen Feststellung begnügen und sagen, daß das Gefühl echter Partnerschaft nur dann gegeben sein kann, wenn in dieser grundsätzlichen, mit der Ehre eines Volkes zusammenhängenden Frage eine Bereinigung erzielt ist.

    (Sehr gut! rechts.)

    Hier geht es um mehr. Hier geht es nicht um die Personen, hier geht es auch nicht um die Untersuchung einzelner Rechtsfragen, sondern hier geht es um die Kraft, Vergangenes vergangen sein zu lassen.

    (Sehr gut! bei der DP.)

    Meine Damen und Herren, auch zur Frage des Auslandsvermögens wäre viel zu sagen. Wir behalten uns dies für die zweite und dritte Lesung vor. Da ist in der Öffentlichkeit allerdings insofern eine falsche Vorstellung entstanden, als habe die Bundesregierung einen Verzicht auf diese Auslandswerte ausgesprochen. Meine Damen und Herren, das ist nicht der Fall.

    (Vizepräsident Dr. Schmid übernimmt den Vorsitz.)

    Letzthin ist die Auflage, keine Einwendungen zu erheben für das, was in der Vergangenheit geschehen ist, und das, was noch in der Zukunft geschehen sollte, nicht zu verstehen im Sinne einer Anerkennung dieser rechtswidrigen und der gesamten völkerrechtlichen Entwicklung wider- sprechenden Maßnahmen. Immerhin liegt in diesem Komplex eine gewaltige Gefahr für die Zukunft. Es handelt sich um einen Wert der Auslandsvermögen, den manche Experten auch heute in der Hälfte, in der er noch besteht, auf etwa zehn Milliarden DM schätzen. Ich glaube, daß es daher nicht unbillig ist, hinsichtlich der Durchführung der Verträge an die Bundesregierung die Bitte zu richten, daß sie ihre Zusage — ich muß in diesem Fall schon sagen: die ihr abgenötigte Zusage —, keine Einwendungen zu erheben, so wie es in Art. 3 steht, nur unter Wahrung ihres grundsätzlichen Rechtsstandpunktes abgibt, eines grundsätzlichen Rechtsstandpunktes, der dann, wenn über die Frage abschließend in einer friedensvertraglichen Regelung gesprochen wird, die rechtliche Position wahrt.
    Zweitens sollten die drei Mächte zu einer Erklärung gebracht werden — auch das gehört zu einer echten Partnerschaft, wenn wir den Weg in die Zukunft antreten wollen —, daß sie neue Maßnahmen gegen deutsches Auslandsvermögen nicht zulassen bzw. nicht unternehmen werden. Drittens sollte klargestellt werden, daß der Schutz deutschen Vermögens, das im Ausland nach dem 8. Mai 1945 erworben worden ist, absolut gewährleistet bleibt und daß für die im neutralen Gebiet gelegenen Werte in deutschem Besitz das Völkerrecht und mit ihm in letzter Instanz der Spruch des Haager Gerichtshofs maßgebend Geltung behalten sollen.
    Auch auf dem Gebiet der Entflechtung — ich möchte hier die Ausführungen dem besonderen Sachkenner überlassen — scheinen mir Prinzipien obgewaltet zu haben, die im Hinblick auf die einseitig Deutschland auferlegten Dekartellisierungsmaßnahmen die Einbeziehung, die wirkliche Eingliederung unserer deutschen Wirtschaft in eine europäisch-atlantische Großraumwirtschaft unter Umständen beeinträchtigen können. Aber wer den Weg des Schritt für Schritt in der Politik des Erreichens des Möglichen geht und wer erkannt hat, daß in den bisherigen Versuchen, uns aus den Ketten der Niederlage zu befreien und einen neuen konstruktiven Weg des Zusammenarbeitens unter den Völkern zu finden, eine außerordentliche Dynamik nach vorne gegeben ist, der wird mir auch zugeben, daß bei der Ausführung und Durchführung dieser Vertragswerke sehr viele Möglichkeiten bestehen, parallel mit dem Geist, in dem die neue politische Bildung geschieht, die Vernunft obsiegen zu lassen und damit zu zeigen, daß alle die schwarzen Befürchtungen, die die Opposition ausgesprochen und ins Volk gesenkt hat — nebenbei gesagt auch beim Petersberger Abkommen, ja bei jeder Station des Weges, den wir gegangen sind —, nicht zutreffen, sondern daß letzthin die Dynamik nach vorn, der vernünftige, konstruktive Weg den Sieg über die Unvernunft und die Unterdrückungspolitik mit sich bringt.
    Auch auf dem Gebiet des Requisitionswesens wird es weniger auf die juristische Formel ankommen, wie sie im Vertrag vereinbart ist, sondern letzthin auf die Anwendung, auf die Praxis der Auftragsvergebung und auf die Praxis der Aufwandsforderungen, die von den Sicherungstruppen gestellt werden können.
    Die Frage der Wiedervereinigung Deutschlands! Auch hier werden viele Wortschiebungen gemacht. Bisher hat sich noch kein deutlicher Weg abgezeichnet, auf welcher Basis ein fruchtbares Gespräch über die Wiedervereinigung stattfinden könnte. Ich persönlich schätze das berühmte Argument von der gegenseitigen Stärke nicht besonders; ich möchte diesen Ausdruck „Stärke" in einem andern Sinn verwenden. Es kommt vielmehr darauf an, ein Staatensystem zu schaffen, in dem eine Ordnung möglich ist. Nur wenn aus dem völligen deutschen und europäischen Vakuum gegenüber Rußland ein echtes, widerstandsfähiges Staatensystem im Entstehen begriffen ist, erst dann besteht j a ein reales Bedürfnis, die deutsche Frage einer Lösung näherzubringen. Was hat bisher die ganze Argumentation in unserem Volk getan, z. B. gerade die Haltung der Opposition, ihr Neinsagen zu diesen Verträgen um jeden Preis? Haben Sie einmal verfolgt, was in der ersten und in der zweiten Sowjetnote enthalten war und wie dann, nachdem ruchbar geworden war, daß etwa das Bundesverfassungsgericht die Ratifikation der Ver-

    von Merkatz)
    träge unmöglich machen könnte, die dritte Sowjetnote gehalten war? In der stand gar nichts mehr drin!

    (Sehr richtig! rechts.)

    Ich achte die Opposition, soweit sie ein echtes Anliegen ist. Auch wir sind nicht bereit, prinzipielle Rechte preiszugeben, um für diesen Preis uns aus dem Joch der Niederlage zu befreien. Wir sehen manche Notwendigkeit, der wir uns in unserer anomalen Lage beugen müssen, nicht als eine glanzvolle, nicht als eine zu preisende Sache an. Auch wir haben Verständnis, wirklich Verständnis für manches Bedenken, das vorgebracht worden ist. Aber es muß dann auch ein echtes Anliegen sein. Ein echtes Anliegen kann nur dann gegeben sein, wenn man den andern Weg, die Alternative aufzuzeigen weiß, wenn man ein konstruktives Bild hinzustellen vermag, das das Volk überzeugt. Bisher hat die Opposition dieses Bild, diese Möglichkeit nicht hinzustellen gewußt. Wenn das letzte Ergebnis ihrer Worte zur deutschen Frage ist, man solle die Chance für eine Viermächtebesprechung schaffen, so kann ich den teuflischen Pferdefuß, der in diesem Vorschlag liegt, nicht laut genug vor aller Öffentlichkeit anprangern; denn wir sind nicht bereit, Konzessionen auf Kosten der Freiheit unseres Volkes, der Menschenwürde und der europäischen Integration an die Sowjetunion zu machen.

    (Beifall bei den Regierungsparteien. Abg. Jacobi: Wer will denn solche Konzessionen machen?)

    Ich möchte zum Abschluß kommen und noch folgendes kurz sagen. Es ist immer ein schlechtes Zeichen für das Selbstbewußtsein einer Nation, wenn über den Ehrenstandpunkt gestritten wird. Ich betrachte es nicht als eine Stärke — weder für uns noch für die Opposition —, daß hier Fragen der Würde, der Ehre, der Souveränität zur Diskussion gestellt werden. Ich möchte folgendes sagen. Die Ehre eines Volkes ist grundsätzlich das Unverzichtbarste, was es in der Welt gibt; über das braucht und darf man nicht reden.

    (Zuruf von der SPD: Sie auch!)

    Letzthin besteht diese Ehre darin,

    (Zuruf von der SPD: Hören Sie auf!)

    daß man Verantwortung auf sich nehmen will. Ich sehe den ganzen Patriotismus darin, daß ein Volk die Kraft gewinnt, Verantwortung für sein Geschick zu tragen, wieder für sich selbst einzustehen, nicht, sich über die Schwere der Zeit durch ein Provisorium hinwegzuschwindeln. Gewiß, die Bundesrepublik soll nur ein Provisorium sein. Wir sind uns dessen sehr wohl bewußt. Aber in uns muß Kraft und Ehre des ganzen deutschen Volkes — ich meine das ganze deutsche Volk mit seinem Anspruch in seinen historischen Grenzen — stehen. Dieser Kernstaat hat den Karren aus dem Dreck zu ziehen.
    Meine Damen und Herren, darin sehe ich die vaterländische Pflicht: das Mögliche zur Befreiung, zur Rückkehr zu unserer Selbstachtung, zu unserem Selbstbewußtsein, das Mögliche in dieser Außenpolitik zu erzielen. Allen, die da glauben, die Ehre des deutschen Soldaten oder die Ehre des deutschen Volkes oder irgendeines Menschen sei verletzt und gekränkt worden und darüber könnte man nicht hinwegkommen, möchte ich sagen: ein Herr bleibt ein Herr, und wenn er in Ketten liegt!

    (Beifall bei der DP.)

    Herr sein unter den Nationen heißt, daß man bereit und gewillt ist, für sein Geschick einzutreten. Darum sehe ich die oberste Pflicht darin, an den Tisch der Nationen zurückzukehren mit dem Willen, Verantwortung zu tragen, mitzuarbeiten an dem konstruktiven Weg, eine neue Welt aufzubauen, die den Frieden gibt. Wenn Sie zurückblicken auf den Weg dieser drei Jahre, den wir — die christlich-sozialen, liberalen und konservativen Kräfte dieser Koalition — zur Wiederherstellung unserer Staatlichkeit und unserer Verantwortungsfähigkeit gegangen sind, dann werden Sie bei einem einigermaßen sachlichen und ruhigen Urteil bestätigen können: dieser Weg war gut, und er ist durch die Gnade des Himmels gesegneter gewesen, als wir je erwarten durften.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)