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ID0122102700

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag — 221. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 9. Juli 1952 9785 221. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 9. Juli 1952. Geschäftliche Mitteilungen . 9786B, 9801C, 9841C Glückwünsche zum 60. Geburtstag der Abg. Dr. Köhler, Ludwig und Rath und zum 64. Geburtstag des Abg. Schill . . . 9786C Aufnahme des Abg. Wittmann als Gast in die Fraktion der CDU/CSU 9786C Mandatsniederlegung des Abg. Vesper (KPD) 9786C Vorlage der Rechnungen über den Haushalt des Rechnungshofs im Vereinigten Wirtschaftsgebiet für das Rechnungsjahr 1948 bzw. 1949 9786D Ausschußüberweisung 9786D Beschlußfassung des Deutschen Bundesrats zum Gesetz zur Verlängerung der Geltungsdauer des Gesetzes über den Kapitalverkehr 9786D Gesetz über das Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Österreich über Arbeitslosenversicherung 9786D Gesetz über Preise für Getreide inländischer Erzeugung für das Getreidewirtschaftsjahr 1952/53 und über besondere Maßnahmen in der Getreide-und Futtermittelwirtschaft (Getreidepreisgesetz 1952/53) 9786D Gesetz betr. Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik (Österreich über Gastarbeitnehmer vom 23. November 1951 . . . 9787A Gesetz 'über die Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten 9787A Gesetz betr. das Protokoll vom 16. Februar 1952 über Zollvereinbarungen zwischen der Bundesrepublik- Deutschland und der Türkei 9787A Gesetz über das Erste Berichtigungs- und Änderungsprotokoll zu den Zollzugeständnislisten des Allgemeinen Zoll-und Handelsabkommens (GATT) . . . 9787A Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die Selbstverwaltung und über Änderungen von Vorschriften auf dem Gebiet der Sozialversicherung 9787A Kleine Anfrage Nr. 274 der Fraktion der SPD betr. Unterrichtung der diplomatischen Vertretungen über das Gesetz zur Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts für die im Ausland lebenden Angehörigen des öffentlichen Dienstes (Nrn. 3447, 3519 der Drucksachen) . . . . 9787A Kleine Anfrage Nr. 273 der Fraktion der SPD betr. Jugendarbeitsschutzgesetz (Nrn. 3446, 3553 der Drucksachen) . . . 9787A Kleine Anfrage Nr. 275 der Fraktion der SPD betr. Bauaufträge der Besatzungsbehörden (Nrn. 3448, 3554 der Drucksachen) 9787B Kleine Anfrage Nr. 280 der Fraktion der CDU/CSU betr. Anwendung der Soforthilfe — DVO — (Nrn. 3469, 3555 der Drucksachen) 9787B Kleine Anfrage Nr. 271 der Fraktionen der FDP, DP/DPB, FU betr. Verbilligung von Dieselkraftstoff (Nrn. 3378, 3556 der Drucksachen) 9787B Kleine Anfrage Nr. 278 der Fraktion der SPD betr. Hilfsmaßnahmen für durch Schließung der Zonengrenze im Kreis Eschwege arbeitslos gewordene Eisenbahner (Nrn. 3467, 3557 der Drucksachen) 9787B Kleine Anfrage Nr. 279 der Fraktion der SPD betr. Unterbindung der Werbung für die Fremdenlegion (Nrn. 3468, 3558 der Drucksachen) 9787B Kleine Anfrage Nr. 269 der Abg. Albers, Dr. Pünder u. Gen. betr. Absichten der belgischen Besatzungsbehörden auf Beschlagnahme von Gelände im äußeren Grüngürtel der Stadt Köln für Zwecke von Kasernenbauten (Nrn. 3348, 3401, 3564 der Drucksachen) 9787C Zur Tagesordnung, betr. Absetzung der Beratung der Mündlichen Berichte des Vermittlutngsausschusses zu den Gesetzentwürfen über den Lastenausgleich (Nr. 3548 der Drucksachen), zur Einfügung eines Art. 120 a in das Grundgesetz (Nr. 3550 der Drucksachen), über Teuerungszuschläge zur Unterhaltshilfe nach dem Lastenausgleichsgesetz (Nr. 3549 der Drucksachen) und zur Änderung des Lastenausgleichsgesetzes (Nr. 3560 der Drucksachen) . . . 9787C Dr. Mende (FDP) 9787C Beratung vertagt 9787D Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses nach Art. 77 des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuß) zu dem Entwurf eines Gesetzes über die Inanspruchnahme eines Teils der Einkommensteuer und der Körperschaftsteuer durch den Bund im Rechnungsjahr 1952 (Nrn. 3547, 3168, 3245, 3355 der Drucksachen) . . . 9787D Dr. Wellhausen (FDP), Berichterstatter 9787D Schoettle (SPD) (zur Abstimmung) 9788C Beschlußfassung (namentliche Abstimmung) 9788D, 9842 Erste Beratung der Entwürfe 1. eines Gesetzes betr. den Vertrag vom 26. Mai 1952 über die Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Drei Mächten mit den Zusatzverträgen, 2. eines Gesetzes betr. das Abkommen vom 26. Mai 1952 über die steuerliche Behandlung der Streitkräfte und ihrer Mitglieder (Nr. 3500 der Drucksachen) in Verbindung mit der Ersten Beratung der Entwürfe 1. eines Gesetzes betr. den Vertrag vom 27. Mai 1952 über die Gründung der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft und betr. den Vertrag vom 27. Mai 1952 zwischen dem Vereinigten Königreich und den Mitgliedstaaten der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft, 2. eines Gesetzes betr. das Abkommen vom 27. Mai 1952 über die Rechtsstellung der Europäischen Verteidigungsstreitkräfte und über das Zoll- und Steuerwesen der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft (Nr. 3501 der Drucksachen, Umdruck Nr. 599), sowie in Verbindung mit der Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betr. Wiedervereinigung Deutschlands durch freie Wahlen (Nr. 3495 der Drucksachen) 9788D Dr. Adenauer, Bundeskanzler . . 9789B Unterbrechung der Sitzung . 9801C Dr. Gerstenmaier (CDU) 9801C Dr. Schmid (Tübingen) (SPD) . . . 9807D Dr. Schäfer (FDP) 9819A Dr. von Merkatz (DP) 9823D Schäffer, Bundesminister der Finanzen 9829C, 9839A Schoettle (SPD) 9834A Weiterberatung vertagt 9841C Beratung des interfraktionellen Antrags betr. Überweisung von Anträgen an die Ausschüsse (Umdruck Nr. 597) 9841C Beschlußfassung 9841C Nächste Sitzung 9841C Zusammenstellung der namentlichen Abstimmung über den Antrag des Vermittlungsausschusses zum Entwurf eines Gesetzes über die Inanspruchnahme eines Teils der Einkommensteuer und der Körschaftsteuer durch den Bund im Rechnungsjahr 1952 (Nr. 3547 der Drucksachen) 9842 Die Sitzung wird um 9 Uhr 3 Minuten durch den Präsidenten Dr. Ehlers eröffnet.
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    Namentliche Abstimmung über den Antrag des Vermittlungsausschusses zum Entwurf eines Gesetzes über die Inanspruchnahme eines Teils der Einkommensteuer und der Körperschaftsteuer durch den Bund im Rechnungsjahr 1952 (Nr. 3547 der Drucksachen) Name Abstimmung Name Abstimmung CDU/CSU Höfler Ja Hohl Ja Dr. Adenauer Ja Dr. Holzapfel — Albers Ja Hoogen Ja Arndgen . . . .. . • Ja Hoppe . . . . . . . . Ja Dr. Bartram (Schleswig-Holstein) Ja Dr. Horlacher Ja Bauereisen J a Horn Ja Bauknecht . . . . . .. . Ja Huth Ja Dr. Baur (Württemberg) . . . . Ja Dr. Jaeger (Bayern) enthalten Bausch Ja Junglas Ja Becker (Pirmasens) Ja Kahn Blank (Dortmund) Ja Kaiser Ja Bodensteiner Ja Karpf Ja Frau Brauksiepe Ja Dr. Kather Ja Dr. von Brentano Ja Kemmer Ja Brese Ja Frau Dr. Brökelschen Ja Kemper Ja . . . . . Dr. Brönner Ja Kern . . . . . . . . . . entschuldigt Brookmann Ja Kiesinger Ja Dr. Bucerius Ja Dr. Kleindinst Ja . . . . . . . . Frau Dietz Ja Dr. Köhler . . . . . . . . . Ja . . . . . . .. Dr. Dresbach . . . . . . . . — Dr. Kopf Ja Eckstein Ja Kühling . . . . . . . . . . Ja Dr. Edert Ja Kuntscher . . . . . . . . Ja Dr. Ehlers . . . . . . . . . Ja Kunze . . . . . . . . . . Ja Ehren Ja Dr. Laforet . . . . . . . . . Ja Dr. Erhard Ja Dr. Dr. h. c. Lehr . . . . . . Ja Etzel (Duisburg) . . . . . . . Ja Leibfried Ja Etzenbach Ja Lenz Ja Even — Leonhard Ja Feldmann Ja Lücke Ja Dr. Fink Ja Majonica . . . . . . . . . Ja Dr. Frey Ja Massoth Ja Fuchs Ja Mayer (Rheinland-Pfalz) . . . Ja Dr. Freiherr von Fürstenberg . . Ja Mehs Ja Fürst Fugger von Glött . . . . Ja Mensing — Funk Ja Morgenthaler . . . . . . . . Ja Gengler Ja Muckermann . . . . . . . . Ja Gerns Ja Mühlenberg . . . . . . . . Ja Dr. Gerstenmaier Ja Dr. Dr. Müller (Bonn) Ja Gibbert Ta Müller-Hermann Ja Giencke .Ta Naegel Ja Dr. Glasmeyer Ja Neber Ja Glüsing Ja Nellen Ja Gockeln entschuldigt Neuburger krank Dr. Götz Ja Nickl Ja Frau Dr. Gröwel — Frau Niggemeyer Ja Günther Ja Dr. Niklas — Hagge Ja Frau Heiler Ja Dr. Oesterle Ja Heix Ja Dr. Orth Ja Dr. Henle Ja Pelster Ja Hilbert . . . . . . . . . . Ja Pfender Ja Name Abstimmung Name 1 Abstimmung Dr. Pferdmenges . . . . . . . Ja Bromme Nein Dr. Povel entschuldigt Brünen Nein Frau Dr. Probst Ja Cramer Nein Dr. Pünder . . . . . . . . . Ja Dannebom Nein Raestrup Ja Diel Nein Rahn Ja Frau Döhring . . . . . . . . Nein Frau Dr. Rehling Ja Eichler Nein Frau Rösch Ja Ekstrand Nein Rümmele Ja Erler Nein Sabel . Ja Faller . . . • . . . . . . Nein Schäffer Ja Franke Nein Scharnberg . . . . . . . . . Ja Freidhof . . . . . . . . . Nein Dr. Schatz Ja Freitag Nein Schill Ja Geritzmann . . . . . . . . Nein Schmitt (Mainz) Ja Gleisner . . . . . . . . . Nein Schmitz beurlaubt Görlinger . . . . . . . . . Nein Schmücker Ja Graf Nein Dr. Schröder (Düsseldorf) Ja Dr. Greve — Schüttler . . . . . . . . . Ja Dr. Gülich . . . . . . . . Nein Schütz entschuldigt Happe . . . . . . . . . . Nein Schuler Ja Heiland Nein Schulze-Pellengahr Ja Hennig Nein Dr. Semler Ja HenBler krank Dr. Serres Ja Herrmann Nein Siebel Ja Hoecker Nein Dr. Solleder Ja Höhne Nein Spies Ja Frau Dr. Hubert Nein Graf von Spreti Ja Imig Nein Stauch Ja Jacobi Nein Frau Dr. Steinbiß Ja Jacobs Nein Storch — Jahn Nein Strauß Ja Kalbfell krank Struve _ Kalbitzer Nein Stücklen Ja Frau Keilhack Nein Dr. Vogel Ja Keuning . . . . . . . . . Nein Wacker Ja Kinat Nein Wackerzapp Ja Frau Kipp-Kaule — Dr. Wahl . . . . . . .. . Ja Dr. Koch Nein Frau Dr. Weber (Essen) . . . . Ja Frau Korspeter Nein Dr. Weber (Koblenz) Ja Frau Krahnstöver Nein Dr. Weiß Ja Dr. Kreyssig Nein Winkelheide Ja Kriedemann Nein Wittmann Ja Kurlbaum beurlaubt Dr. Wuermeling . Ja Lange Nein Lausen entschuldigt Frau Lockmann Nein SPD Ludwig Nein Dr. Laetkens Nein Frau Albertz . . . . . . . . Nein Maier (Freiburg) Nein Frau Albrecht . . . . . . . . Nein Marx . . . . . . . . . . . Nein Altmaier Nein Matzner Nein Frau Ansorge . . . . . . Nein Meitmann Nein Dr, Arndt Nein Mellies . . . . . . . . . . Nein Arnholz Nein Dr. Menzel Nein Dr. Baade Nein Merten Nein Dr. Bärsch Nein Mertins Nein Baur (Augsburg) Nein Meyer (Hagen) Nein Bazille Nein Meyer (Bremen) Nein Behrisch Nein Frau Meyer-Laule . . . . . . Nein Bergmann Nein Mißmahl . . . . . . . . . Nein Dr. Bergstraeßer . . . . . . . Nein Dr. Mommer . . . . . . . . Nein Berlin Nein Moosdorf Nein Bettgenhäuser . . . . . . . Nein Dr. Mücke Nein Bielig Nein Müller (Hessen) Nein Birkelbach . . Nein Müller (Worms) Nein Blachstein . . . . . . . . . Nein Frau Nadig . . . . . . . . Nein Dr. Bleiß Nein Dr. Nölting . . . . . . . . Nein Böhm Nein Nowack (Harburg) Nein Dr. Brill Nein Odenthal Nein Name Abstimmung Name Abstimmung Ohlig Nein Dr. Leuze Ja Ollenhauer Nein Dr. Luchtenberg . . . . Ja Paul (Württemberg) Nein Margulies Ja Peters Nein Mauk . . . . . . . . . . Ja Pohle Nein Mayer (Stuttgart) krank Dr. Preller entschuldigt Dr. Mende Ja Priebe Nein Dr. Miessner . . . . . , . . Ja Reitzner Nein Neumayer Ja Richter (Frankfurt) Nein Dr. Dr. Nöll von der Nahmer Nein Ritzel Nein Dr. Nowack (Rheinland-Pfalz) . . — Ruhnke Nein Onnen krank Runge Nein Dr. Pfleiderer Ja Sander Nein Dr. Preiß Ja Sassnick Nein Dr. Preusker Ja Frau Schanzenbach Nein Rademacher entschuldigt Dr. Schmid (Tübingen) Nein Rath Ja Dr. Schmidt (Niedersachsen) . . Nein Dr. Freiherr von Rechenberg . krank Dr. Schöne Nein Revenstorff Ja Schoettle Nein Dr. Schäfer Ja Dr. Schumacher krank Dr. Schneider Ja Segitz Nein Stahl Ja Seuffert Nein Stegner Ja Stech Nein Dr. Trischler Ja Steinhörster Nein Dr. Wellhausen Ja Stierle Nein Wirths . . . . . . . . . . Ja Striebeck Nein Dr. Zawadil . . . . . . . . — Frau Strobel Nein Temmen Nein DP-DPB Tenhagen Nein Troppenz Nein Ahrens . . . . . . . . . , Ja Dr. Veit krank Bahlburg Ja Wagner — Frau Bieganowski Ja Wehner Nein Eickhoff Ja Wehr Ewers Ja Weinhold Nein Farke . . . . . . . . . . . Ja Welke . . . . . . . . . . Nein Dr. Fricke Ja Weltner Nein Frommhold Dr. Wenzel Nein Hellwege Ja Wönner Nein Jaffé Ja Zühlke . . . . . . . . . . Nein Frau Kalinke Ja Kuhlemann Ja Dr. Leuchtgens Ja FDP Löfflad Ja Matthes Ja Dr. Atzenroth . . . . . . . . Dr. von Merkatz . . . . . . . Ja Dr. Becker (Hersfeld) . . . . . Ja Dr. Mühlenfeld Ja Dr. Blank (Oberhausen) . . . . Ja Reindl Ja Blücher . . . . . . . . . Ja Schmidt (Bayern) . . . . . . . Ja Dannemann Ja Schuster Ja Dr. Dehler — Dr.Seebohm . . . . . . . . Ja Dirscherl krank Tobaben — Euler Ja Wallner Ja Fassbender Ja Walter Ja Freudenberg Ja Wittenburg . . . . . . . . — Dr. Friedrich Ja Frühwald Ja FU Funcke Ja Gaul Ja Freiherr von Aretin Nein Dr. von Golitschek Ja Frau Arnold Nein Grundmann Ja Dr. Bertram (Soest) — Dr. Hammer Ja Dr. Besold Nein Dr. Hasemann Ja Clausen Nein Dr. Hoffmann (Lübeck) . . . . . Ja Dr.-Ing. Decker Nein Dr. Hoffmann (Schönau) . . . . Ja Determann Nein Frau Hütter . . . . . . . . Ja Eichner Nein Frau Dr. Ilk . . . . . - . . Ja Dr. Etzel (Bamberg) Nein Juncker Ja Hoffmann (Lindlar) Nein Dr. Kneipp . . . . . . . . . Ja Lampl Nein Kühn Ja Mayerhofer Nein Name Abstimmung Name Abstimmung Dr. Meitinger . . . . . . . . Nein Renner — Fürst zu Oettingen-Wallerstein . krank Rische entschuldigt Pannenbecker Nein Frau Strohbach Nein Parzinger Nein Frau Thiele Nein Dr. Reismann Nein Ribbeheger Nein Volkholz — Fraktionslos Wartner Nein Frau Wessel . . . . . . . . Nein Aumer — Willenberg Nein Donhauser Ja Dr. Dorls . . . . . . . . . — Fröhlich enthalten KPD Goetzendorff Nein Agatz Nein Hedler Ja Fisch — Frau Jaeger (Hannover) . . . . Nein Gundelach Nein Dr. Keller — Harig Nein Langer Ja Kohl (Stuttgart) . . . . . . krank Loritz entschuldigt Müller (Frankfurt) krank Müller (Hannover) — Niebergall Nein Dr. Ott krank Paul (Düsseldorf) . . . . . . . Nein von Thadden Nein Reimann Nein Tichi — Zusammenstellung der Abstimmung: I Abstimmung Abgegebene Stimmen . • • • 349 Davon: Ja 196 Nein 151 Stimmenthaltung . . . . 2 Zusammen wie oben . . . . 349 Berliner Abgeordnete Name Abstimmung I Name I Abstimmung CDU/CSU Neumann Nein Dr. Friedensburg — Dr. Schellenberg krank Dr. Krone Ja Frau Schroeder (Berlin) . . . . Nein Lemmer Ja Schröter (Berlin) Nein Frau Dr. Maxsein Ja Frau Wolff krank Dr. Tillmanns Ja FDP SPD Dr. Henn Ja Brandt Nein Hübner Ja Dr. Koenigswarter Nein Frau Dr. Mulert Ja Löbe Nein Dr. Reif Ja Neubauer Nein Dr. Will Ja Zusammenstellung der Abstimmung der Berliner Abgeordneten Abstimmung Abgegebene Stimmen . . . . 16 Davon: Ja . . . . . • . 9 Nein . . . . . . . . 7 Stimmenthaltung . . . . — Zusammen wie oben 16
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Eugen Gerstenmaier


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit der Vorlage dieses Vertragswerkes an die oberste frei gewählte gesetzgebende Körperschaft Deutschlands und mit der sie begleitenden großen Rede des Herrn Bundeskanzlers ist die politische Auseinandersetzung in Deutschland, wie wir meinen, zu ihrem Kern vorgedrungen und in ein Stadium der Entscheidung eingetreten. Welches auch immer die rechtlichen Zuständigkeiten und Verfahrensweisen anderweitig beteiligter Instanzen der Bundesrepublik sein mögen, — wir werden sie respektieren, wie es die Verfassung gebietet. Wir möchten aber keinen Zweifel darüber lassen, daß nach unserer Überzeugung dieses Haus dazu berufen ist, die Entscheidung zu treffen, die ihm mit der Vorlage dieser Verträge abverlangt wird.
    Es handelt sich hier nicht nur um ein Recht, sondern zugleich um eine Pflicht der politischen Entscheidung, die dem Deutschen Bundestag nicht abgenommen werden können. Weder die Exekutive noch ein oberstes Gericht, weder der Bundesrat noch eine sogenannte Volksentscheidung, auch wenn sie sich in der Form von Neuwahlen zum Bundestag vollzöge, kann und darf diesen Bundestag des Rechtes, der Pflicht und der Würde entkleiden, die weitaus bedeutsamste politische Entscheidung zu treffen, die ihm die Geschichte offenbar zugedacht hat. Wir gehen jedenfalls in die Debatte dieser Verträge in dem vollen Bewußtsein der diesem Haus auferlegten Verantwortung und in dem Willen, uns diese Entscheidung von niemand abnehmen zu lassen.
    Meine Damen und Herren, schon der bisherige Verlauf der außerparlamentarischen Debatte hat gezeigt, daß weit wichtiger als die Einzelbestimmungen der Verträge der politische Ort ist, von dem aus sie entworfen sind, und das politische Leitbild oder Thema, dem sie in der Vielfalt der von ihnen behandelten Probleme folgen. Die Diskussion auch noch so bedeutender Einzelfragen ist richtigerweise auch zurückgetreten hinter der Frage, welche Konsequenzen denn dieses Vertrags-


    (Dr. Gerstenmaier)

    werk für die Entwicklung Deutschlands, und zwar des ganz en Deutschlands, hat. Wird es der Wiedervereinigung Deutschlands zuträglich oder wird es ihr abträglich sein? Das Thema der Verträge ist die Wiedervereinigung Deutschlands in Frieden und Freiheit in einem vereinigten Europa. Das politische Leitbild, dem das ganze Vertragswerk folgt, ist dementsprechend eine auf die Einbeziehung Gesamtdeutschlands gerichtete freie europäische Integration.
    Der politische Ort, von dem aus die Verträge entworfen sind, ist nicht die bedingungslose Kapitulation vom 8. Mai 1945, sondern er ist das Ereignis der europäischen Bewegung.
    Sie entstammt der geschichtlich weitaus wichtigsten und bedeutsamsten politischen Idee des 20. Jahrhunderts: der Schaffung der Vereinigten Staaten 'von Europa. Was wir auch im ganzen und im einzelnen zu dem Vertragswerk kritisch zu bemerken haben werden, zu diesem Thema und zu diesem Leitbild des Vertragswerkes sagen wir ja.
    Wir halten es für ein Ereignis von höchstem geschichtlichem Rang, daß dieses Vertragswerk dem grauenhaft simplen Gesetz von Schlag und Gegenschlag in der Geschichte endlich absagt, indem es, wenn auch erst nach bitteren Erfahrungen und wenn zunächst auch nur für den größeren Teil Deutschlands, die Epoche der Unterwerfung der Besiegten beendet.

    (Abg. Strauß: Sehr richtig!)

    Dieses Werk will fortan weder Sieger noch Besiegte kennen, sondern nur noch Bundesgenossen. Sie sollen die Träger einer gemeinsamen Zukunft, eines gemeinsamen freien europäischen Vaterlandes sein, das wiederum überdacht und geschützt ist von der Bundesgenossenschaft der freien atlantischen Welt. Weil wir dieses Leitbild nicht respektieren, sondern weil wir uns zu ihm als zu unserer eigenen Sache bekennen, deshalb billigen wir die Grundkonstruktion des Vertragswerkes, das einen Voroder Teil-Friedensvertrag mit einem Bündnisvertrag verbindet.
    Wir sprechen dieses Ja also nicht deshalb aus, weil wir der Meinung wären, daß das Vertragswerk im ganzen und in den Einzelheiten ein deutscher Triumph wäre. Das ist es nicht. Es gibt Einzelheiten in den Verträgen, die für uns nur unter Aufbietung aller Entschlossenheit zum Ziel der Verträge tragbar sind. Aber wir sind auf der andern Seite tief davon überzeugt, daß das Bekenntnis zu einem vereinigten Europa das Bekenntnis zu unserer eigenen Epoche und zu der uns aufgegebenen Geschichte ist. Wenn es redlich gemeint ist, darf es niemals nur ein Lippenbekenntnis sein, das vor den ersten Schwierigkeiten kapituliert.
    Schon weil diese Verträge also unter dem Leitbild der europäischen Vereinigung entworfen sind, verbietet sich ihnen gegenüber die Ablehnung a priori, und schon deshalb fordern sie unsere ernste aufgeschlossene Prüfung. Für uns Deutsche ist diese Prüfung aber nun, wie ich meine, unter zwei Gesichtspunkten vordringlich, nämlich erstens unter der Frage: Was leistet dieses Werk für die Bewältigung der bedingungslosen Kapitulation? und zweitens: Was leistet dieses Werk für die Wiedervereinigung Deutschlands? Die meisten Friedensverträge, die in den letzten hundert Jahren geschlossen wurden, insbesondere aber die Pariser Vorortverträge nach ,dem ersten Weltkrieg, zeigen, daß es keineswegs selbstverständlich ist, daß blutige Katastrophen zwischen den Völkern abgeschlossen werden nicht nur mit dem redlichen Willen zur Versöhnung, sondern — was weit mehr ist — auch mit dem vertraglich niedergelegten Willen zur Vereinigung ihres künftigen Schicksals.
    Man kann bei dem vorliegenden Vertragswerk an diesem oder jenem Kritik üben. Aber wer es etwa mit Versailles in einem Atem nennt, der weiß nicht, was er tut.

    (Zustimmung in der Mitte.)

    Die Erklärung des Herrn Bundeskanzlers hat bereits in unwiderleglicher Weise dargelegt, daß mit dem Deutschlandvertrag die Folgen der bedingungslosen Kapitulation, zunächst wenigstens für die Bundesrepublik, in entscheidenden Punkten bewältigt werden. Die Aufhebung des Besatzungsstatuts bringt der Bundesrepublik definitiv jenes Maß von Rechtshoheit und völkerrechtlicher Handlungsfreiheit, das wir uns nicht scheuen würden als Souveränität anzusprechen, wenn uns der Begriff der nationalstaatlichen Souveränität nicht in einem so hohen Maß suspekt geworden wäre.

    (Beifall bei der CDU.)

    Wir erklären frei, daß uns wenig Sinn und Weisheit darin zu liegen scheint, wenn man sich auf der einen Seite zu der europäischen Vereinigung bekennt und auf der andern Seite sich dem Begriff der Souveränität verpflichtet fühlt. Unter dem Leitbild der europäischen Vereinigung darf man die nationalstaatliche Souveränität nicht zum Maß aller Dinge machen.

    (Beifall bei der CDU.)

    Die Frage, ob unter Anwendung der Begriffe

    (Zuruf von der SPD: Sehr einseitig!)

    etwa des 19. Jahrhunderts der Deutschlandvertrag uns die volle Souveränität der alten Nationalstaaten bringt, ist uns deshalb weit weniger interessant als die andere Frage, nämlich die, ob uns diese Verträge die volle, uneingeschränkte Gleichberechtigung mit unseren bislang doch gewiß als souverän geltenden Partnern bringen. Wenn auf diese Frage mit ja geantwortet werden darf, dann halten wir dafür, daß die Zeit der bedingungslosen Kapitulation vorbei ist und eine Zeit der nationalen Katastrophe und — scheuen wir uns nicht, das auszusprechen! — auch der nationalen Unehre sich ehrenvoll gewendet hat.

    (Beifall bei der CDU.)

    Wir glauben also, daß diese Wiederherstellung unserer Rechtshoheit so bedeutsam ist, daß diesem Haus alles daran gelegen sein muß, so schnell wie möglich aus dem Schatten des 8. Mai 1945 herauszutreten und Deutschland nicht nur de facto, sondern auch de jure seine Freiheit wieder zu verschaffen.

    (Erneuter Beifall bei der CDU.)

    Es ist kein Geheimnis, daß die Zeit des Besatzungsstatuts nicht nur deshalb für Deutschland erträglich war, weil es einen Bundeskanzler gab, der sich ihm gewachsen zeigte, sondern vor allem auch deshalb, weil sich in diesen Jahren eine echte Gemeinsamkeit der Interessen zwischen den Drei Mächten und Deutschland herausgebildet hat. Wer diese Gemeinsamkeit stört oder seine Macht in ihr zu überziehen versucht, der läuft Gefahr, daß er nicht zu neuen Verhandlungen mit besseren Ergebnissen kommt — ich sage: er läuft Gefahr! —, sondern daß er zurückgeworfen wird in einen


    (Dr. Gerstenmaier)

    Zustand, den wir mit Mühe — und hoffentlich auch einiger Weishheit — für immer hinter uns gebracht haben.

    (Sehr richtig bei der CDU.)

    Aber nun hören wir: Über den Deutschlandvertrag läßt sich reden, denn — so sagt einer seiner vornehmen Kritiker — er bringt Deutschland unzweifelhaft ein Mehr an staatsrechtlichen Befugnissen. Aber der Verteidigungsvertrag! Zwar, meine Damen und Herren, wird auch hier nicht bestritten, daß sich sein Inhalt vertreten läßt; aber die Verbindung der Verträge, das Junktim, wird für schlechterdings untragbar erachtet.
    Ich will mich hier weder mit den rechtlichen noch mit den politischen Sonderfragen des Verteidigungsvertrages auseinandersetzen; darüber werden in diesem Hause andere — ich nehme an: sachlich Berufenere - sprechen. Ich möchte lediglich ein Wort zu dem politischen Begründungszusammenhang sagen, der die beiden Verträge umspannt. Es ist nicht nur unsere Pflicht, alles zu tun, um die oberste Gewalt in Deutschland wieder in deutsche Hand zu bringen, sondern es ist ebenso unsere Pflicht, diese oberste Gewalt und ihren Vollzug mit der auf ihr beruhenden rechtsstaatlichen Ordnung zu sichern. Daß wir eine Garantie unserer Sicherheit von anderen von dem Augenblick ab nicht mehr verlangen können, in dem wir uns weigern, das Unsere für den Schutz dieser unserer Sicherheit beizutragen, ist doch ganz selbstverständlich. Wir stehen noch dazu, was wir im August 1950 in Straßburg auf die an uns ergangene Aufforderung hin erklärt haben: daß wir nämlich nicht von anderen verlangen, daß sie für uns etwas tun, was wir selbst für uns zu tun nicht bereit sind.

    (Abg. Kunze: Sehr richtig!)

    Ich glaube, im deutschen Volk hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, daß es schon die Selbstachtung gebietet, entweder auf die Sicherheitsgarantie der drei Mächte auf die Dauer zu verzichten oder aber uns an ihrer Verwirklichung aktiv zu beteiligen.

    (Lebhafter Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Von Anfang an, meine Damen und Herren, hielten wir — ich glaube mich dabei in einer breiten Übereinstimmung mit diesem Hause zu befinden — den Gedanken einer deutschen Nationalarmee nicht für vollziehbar, und zwar nicht deshalb — lassen Sie mich auch das einmal aussprechen —, weil wir vor den auch heute noch in der Welt vorhandenen Vorbehalten gegenüber einer deutschen Armee kapitulierten oder weil uns das deutsche Soldatentum als solches etwa selbst suspekt wäre. Nichts von alledem! Vielmehr glauben wir, daß sich eine deutsche Armee auch in der Zukunft der großen Tradition echten deutschen Soldatentums würdig erweisen würde. Aber es ist einfach nicht mehr an der Zeit, in diesem Augenblick der geschichtlichen Entwicklung Europas Nationalarmeen aufzurichten. Es ist vielmehr an der Zeit, auch in dieser Hinsicht Konsequenzen zu ziehen, und zwar Konsequenzen zu ziehen nicht nur aus der gegenwärtigen Situation, sondern vor allem aus dem politischen Leitbild, zu dem wir uns bekennen.
    Schon die gegenwärtige Lage macht die Wiederholung alter Formen und Lösungen einfach unmöglich. Zur Schaffung einer modernen deutschen
    Nationalarmee fehlen Deutschland so gut wie alle materiellen Voraussetzungen. Die Russen wissen mit ihrem so großzügig aussehenden Angebot einer wahrscheinlich übrigens dauernder auswärtiger Kontrolle unterworfenen deutschen Nationalarmee recht gut, daß in der Zeit der Atomwaffen 100 000 Mann oder mehr, unzureichend bewaffnet, nichts anderes sind als Hellebardenträger gegenüber Maschinengewehren. Wir haben nicht die Absicht, meine Damen und Herren, uns auf ein solches Abenteuer einzulassen. Wir haben nicht die Absicht, uns zu Hellebardenträgern von Rußlands Gnaden machen zu lassen, selbst dann nicht, wenn man uns eine noch so gute Militärmusik großzügig dazu konzediert.

    (Sehr richtig! in der Mitte.)

    Aber selbst wenn die materiellen Voraussetzungen dafür vorhanden wären, würden wir es für eine der größten Fehlentscheidungen halten, in Europa die Tradition der Nationalarmeen fortzusetzen.

    (Sehr gut! in der Mitte.)

    Europa ist so klein geworden, seine vitalen Lebensinteressen liegen so ineinander, die freien Völker Europas sind so unabweisbar aufeinander angewiesen, daß sie in Zukunft nur noch die Möglichkeit haben, gemeinsam zu leben oder nacheinander unterzugehen.

    (Sehr richtig! in der Mitte.)

    Wenn wir Deutsche uns schon entschließen, das Unsrige für die Aufrechterhaltung unserer Freiheit und Sicherheit zu tun, so müssen wir uns auch entschließen, es in der Gestalt zu tun, die heute unserem politischen Leit- und Zielbild am ange
    messensten ist, d. h. aber eben in der Form der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft. Mehr als die Montan-Union und wirkungsvoller, als es bis jetzt der Europarat vermochte, ist die Europäische Verteidigungsgemeinschaft ein erstrangiges Instrument der europäischen Vereinigung.

    (Sehr gut! in der Mitte.)

    Ihr Wert und ihre Bedeutung als Element und Antriebskraft der europäischen Integration ist für uns mindestens ebenso wichtig wie ihre Bedeutung als ein defensives Bündnis neuer Art — meine Damen und Herren, beachten wir: neuer Art —, als ein neuer Schutzbund der freien Völker unseres alten Kontinents. Ich glaube, daß der Herr Bundeskanzler kein Wort zuviel gesagt hat, wenn er darauf hinwies, daß dieser Vertrag mehr als alles andere das Gesicht Europas verändern wird. Es ist wahr, er wird es, weil er etwas qualitativ anderes ist als die politischen und militärischen Allianzen des 19. Jahrhunderts und weil er etwas völlig anderes ist als die Koalitionen des 20. Jahrhunderts, die wir his jetzt erlebt haben.

    (Zustimmung bei den Regierungsparteien.)

    Diese Verteidigungsgemeinschaft hat ihr höheres Ziel verfehlt und sie hat ihren eigentlichen Sinn verloren, wenn sie nicht — dürfen wir es wagen, das auszusprechen? — noch im Laufe des nächsten Jahrzehnts überdacht und umfaßt wird von der Gemeinschaft, auf die sie angelegt ist, nämlich auf die europäische Föderation.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Nun muß die Europäische Verteidigungsgemeinschaft leider einstweilen gelten lassen, daß auch sie keine Garantie für eine allgemeine Abrüstung im Weltmaßstab darstellt. Aber sie ist ohne jeden


    (Dr. Gerstenmaier)

    Zweifel die denkbar beste Garantie dafür, daß das Schießen, das wir erlebt haben, das Schießen über den Rhein, über die Alpen und über den Belt für immer ein Ende hat!

    (Erneuter Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Neue Massenfriedhöfe in Flandern, um Verdun und um den Hartmannsweilerkopf wird es danach nie mehr geben, wenn dieser Vertrag in Kraft ist. Und ist das wirklich so wenig?
    Meine Damen und Herren, die wirkliche Entscheidung, vor die wir mit diesem Vertragswerk gestellt sind, fängt also nicht an bei der Notstandsklausel und sie hört nicht auf bei den Entflechtungsbestimmungen, sondern diese Entscheidung beginnt und endet mit der Frage, wo wir Deutsche selber unsere Zukunft suchen. Es hieße unsere Vergangenheit, ihre Größe und ihr Elend unterschätzen, wenn wir der Meinung wären, daß sich unter dem Aspekt der Einigung Europas nunmehr alle Schwierigkeiten und Widerstände leichthin überwinden ließen. An dem ist es leider nicht. Die Wiederaufrichtung des Reiches als eine unabhängige Großmacht zwischen West und Ost halten manche immer noch für das einzig erlaubte Leitmotiv aller deutschen Politik. Da und dort mögen auch späte, überspäte Träumer ihre RapalloTräume weiterpflegen.

    (Abg. Strauß: Wirths!)

    Auch dort, wo mehr Verstand vorausgesetzt werden darf, liegt seit einiger Zeit die Vermutung nahe, daß der Abstand vom Westen, der stillschweigende oder praktische Verzicht auf die europäische Integration vielleicht nicht nur die Wiedervereinigung Deutschlands ermöglichen, sondern auch irgendwann die Chance bieten werde, zwischen West und Ost noch einmal eine eigene deutsche Politik zu betreiben. Es würde eine Politik des nationalen Revisionismus sein, von der mancher träumt, daß sie zum Zünglein an der Waage zwischen Ost und West werden könnte.
    Diejenigen, die so offen oder geheim der Politik der europäischen Föderation zugunsten einer Politik des nationalen Revisionismus abgesagt haben oder abzusagen im Begriffe sind, muß man daran erinnern, daß dieser Weg ein sehr gefährlicher Weg ist. Es ist die Schuld und die Tragödie des Versailler Vertrags, daß er ein berechtigtes deutsches Revisionsbegehren schuf, das Demagogen sondersgleichen zu einer Leidenschaft entfachte, die nicht ruhte und nicht rastete, bis jener Fackelzug durch die Wilhelmstraße in Berlin zog, jener Fackelzug, an dem sich schließlich ein Weltbrand entzündet hat.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Und nun meinen wir, meine Damen und Herren, daß diese Erfahrung uns alle verpflichtet. Den Siegern, die im Begriffe waren, nach dem Rezept eines Mannes namens Morgenthau ein Super-Versailles in die Welt zu setzen, begann es Gott sei Dank zu dämmern. Wir sollten dem unbefangenen Mut der Vereinigten Staaten von Amerika mit Respekt begegnen, dem Mut nämlich, der es fertiggebracht hat, weit verbreitete und vertiefte Gefühlskomplexe und festgefahrene Anschauungen im eigenen Lande ohne jede Rücksicht auf sogenanntes Prestige so zu verwandeln, daß von dem Gebäude Morgenthaus sieben Jahre nach dem Kriege kaum noch ein Stein auf dem andern geblieben ist.

    (Erneuter Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Aber es wäre ein Irrtum, wenn daraus bei uns gefolgert würde, daß die anderen ihrer Sache nicht mehr sicher seien und deshalb die Politik des nationalen Revisionismus die chancenreichste und mithin die gebotene sei. Wir glauben, daß trotz der vorliegenden Verträge und über sie hinaus auch einiges, ja vielleicht noch vieles von erheblicher Bedeutung in Deutschland zu revidieren ist. Ich sage nur Saar und Oder-Neiße. Man könnte anderes hinzufügen. Aber es kann kein Zweifel sein, daß auch dieser sittlich und politisch gebotene Revisionswille nicht zu einem Ergebnis gelangen kann gegen den Geist und gegen die Partner dieser Verträge, sondern nur in der Verständigung mit ihnen. Mit anderen Worten: die Chancen für die Durchsetzung der berechtigten Revisionsanliegen des deutschen Volkes auch in der Zukunft sehen wir nur auf dem Boden dieser Verträge und in der Treue zu ihrem politischen Leitbild. Aber wir sehen sie nicht in einer Politik, die sich vermißt, das Zünglein an der Waage im Spiel der Weltmächte zu sein. Wir sehen sie erst recht nicht in dem Versuch einer völlig deplacierten Wiederholung deutscher Großmachtpolitik. Ob diese Politik sich nun mit dem Gedanken der bewaffneten oder der unbewaffneten Neutralität verbindet, sie ist und bleibt gleich reaktionär und gleich gefährlich. Auf dem Wege einer Politik des nationalen oder nationalistischen Revisionismus steht seit Hitlers Tagen nicht nur ein Stopp-, sondern ein Verbotsschild. Es steht dort nicht deshalb, weil es uns die Sieger hingesetzt hätten, sondern es steht dort nach unserem Willen, weil wir Deutsche nicht taub und blind durch die Geschichte unserer Größe und unseres Elends taumeln, sondern weil wir willens sind, dieses Mal aus eigener Einsicht die rechte Richtung zu halten, und das heißt: hin zur europäischen Vereinigung!

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Aber nun, meine Damen und Herren, bewegt uns alle seit Jahr und Tag die Frage des Gewissens: Ist dieser Verzicht auf Neutralisierung, auf autonomen Revisionismus nicht zugleich der Verzicht auf die Wiedervereinigung Deutschlands? Damit stehen wir vor dem anderen vordringlichen Gesichtspunkt der Überprüfung dieses Vertragswerkes, nämlich vor der Frage: Was leistet es für die Wiedervereinigung? Zunächst eine Feststellung in Gestalt einer Frage. Was ist denn eigentlich von russischer Seite bislang auf die immer wieder und wieder unternommenen Bemühungen — ich denke etwa an die Bemühungen der Kirchenführer oder anderer Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens in Deutschland — um die Wiedervereinigung geschehen? Es ist doch so lange nichts geschehen, bis durch die Politik, die von der Bundesregierung — es wäre leider zuviel gesagt, wenn ich nun sagen würde: und von diesem Hause — getragen wird

    (Abg. Dr. Schröder [Düsseldorf]: Seien Sie großzügig, Herr Gerstenmaier!)

    — nun, so sage ich: von der Mehrheit dieses Hauses getragen wird —, neue Tatbestände geschaffen wurden,

    (Beifall bei den Regierungsparteien)

    Tatbestände von so plastischer und konkreter Bedeutung, daß sich sogar die Sowjets schließlich bemüßigt fühlten, ihre intransigente Ablehnung des
    deutschen Einheitsverlangens aufzugeben oder
    wenigstens zu tarnen. Es ist doch eine Tatsache,
    die merkwürdigerweise bis jetzt viel zu wenig


    (Dr. Gerstenmaier)

    beachtet wird, daß die Russen eigentlich erst von dem Augenblick an ihre Noten zu schreiben und sich einigermaßen ins Zeug zu legen begannen, als sie sahen, daß der Westen, durch die Schüsse von Korea und einiges andere mehr aus seiner Apathie aufgeschreckt, planvoll zu handeln begann und sogar nicht davor zurückscheute, Deutschland die gleichberechtigte Partnerschaft anzubieten.

    (Sehr gut! in der Mitte.)

    Es wird auch in diesen Tagen darüber geredet werden, ob oder daß es richtiger wäre, um den Preis des Verzichts auf einen deutschen Wehrbeitrag die Sowjets zum Abzug zu bringen. Das Bemerkenswerte, meine Damen und Herren, an diesem Vorschlag ist, daß an dem Fortgang der politischen und wirtschaftlichen Einigung Europas festgehalten, auf die Teilnahme an der militärischen Integration aber verzichtet werden soll. Auch in diesem oppositionellen Kompromißvorschlag wird Moskau ein Preis angeboten, der zunächst ausschließlich ein Ergebnis der so hart bekämpften Politik des Herrn Bundeskanzlers und der drei Mächte ist. Ob dieses Angebot — und das scheint mir nun weit wichtiger — von den Russen indessen als ausreichend oder als nicht ausreichend betrachtet wird und ob der Preis von unserer Seite als erbringbar angesehen werden kann, das, meine Damen und Herren, ist eine offene Frage.
    Nun erlauben Sie mir einmal, auch in diesem Hause folgendes zu sagen. Ich glaube, es ist der Augenblick, in dem wir alle nun doch noch einmal mit denkbar großem Nachdruck aussprechen müssen, daß wir, ich glaube, wie wir hier versammelt sind, von ganzem Herzen nicht für die Aufrüstung in der Welt, sondern für die Abrüstung in der Welt sind.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Was uns betrifft, würden wir in der Tat die politische Integration ausschließlich etwa auf dem Weg, den die entschlossenen Föderalisten Europas in Straßburg seit Jahr und Tag unverdrossen zu gehen versuchen — also mit einer europäischen Verfassung und einer europäischen Legislative, mit einer gemeinsamen europäischen Außen- und Wirtschaftspolitik —, bei weitem allem anderen vorziehen. Die total abgerüsteten Vereinigten Staaten von Europa in einer ebenso total abgerüsteten Welt, — das ist das Ideal unserer Herzen!

    (Zustimmung bei den Regierungsparteien.)

    Nun hat der Herr Bundeskanzler schon mit Recht auf den Tatbestand hingewiesen, der zum Nachteil der freien Welt, zum Nachteil der Freiheit und der Rechtssicherheit in der Welt überhaupt jahrelang ignoriert wurde, auf den Tatbestand nämlich, daß nach dem zweiten Weltkrieg niemand ernsthaft abgerüstet hat als ausgerechnet die drei Großmächte, die nun unsere Partner sein werden.

    (Sehr richtig! in der Mitte.)

    Während sie abgerüstet haben, hat Rußland mit seinen Satelliten — ganz gleichgültig, ob es ihnen gefiel oder nicht gefiel; ich bin der Meinung, daß es ihnen nicht gefallen hat — in einem unerhörten Umfang weiter aufgerüstet.

    (Sehr richtig!)

    Abrüstung aber muß, wenn sie einen Sinn haben soll, auf beiden Seiten durchgeführt werden. Das sollten uns nun endlich auch die zugestehen, die uns immer im Verdacht haben, daß wir irgend etwas für die Aufrüstung übrig hätten. Wir haben
    gar nichts für die Aufrüstung übrig, wir haben aber etwas für die Überlegung übrig, daß Abrüstung, wenn sie einen Sinn haben soll, auf beiden Seiten in gleichem Maße durchgeführt werden muß.
    Und wie steht es hier? Ich weiß nicht, ob Sachverständige und Militärexperten dazu das Wort nehmen. Sie werden uns vielleicht eine Bilanz über die Ergebnisse der Abrüstung in der Welt aufmachen können.
    Ich sage also, ein Verzicht auf den deutschen Wehrbeitrag würde bei dieser Lage der Dinge weder die Abrüstung im Osten noch im Westen zur Folge haben. Er würde lediglich bedeuten, daß wir Niemandsland würden,

    (Richtig! in der Mitte)

    daß wir ein Objekt strategischer Erwägungen und
    militärischer Maßnahmen anderer würden, bei
    denen wir ganz bestimmt nichts zu sagen hätten.

    (Sehr gut! in der Mitte.)

    Bei näherem Zusehen erweist sich deshalb auch dieser zunächst ansprechende Vorschlag, der an dem Gedanken der europäischen Integration festzuhalten wünscht, de facto leider als nichts anderes als eine Variante der Neutralisierung; denn die Verteidigungsgemeinschaft unter Beteiligung der Bundesrepublik ist heute, wie gesagt, ein so integraler Bestandteil der europäischen Einigung, daß der Ausfall dieses Verteidigungsbeitrags den Integrationsprozeß überhaupt, insbesondere in politischer Hinsicht, schwer beeinträchtigen, ja wahrscheinlich zerstören müßte. Täte er das nicht, dann wäre nämlich auch nicht einzusehen, was sich die Russen von diesem Teilverzicht versprechen sollen.
    Denn es ist nun doch wahr: weit bedeutsamer als 12 Divisionen mehr oder weniger ist schließlich auch für die Russen, ob die Einigung der freien Völker Europas überhaupt zustande kommt oder ob die Stunde dafür vertan wird und dem einheitlich organisierten und hochgerüsteten kommunistischen Rußland und Asien ein Haufen von europäischen Nationalstaaten gegenüberliegen wird, die sich untereinander in häuslichen Fehden und Wirtschaftskämpfen bekriegen und im Flitterglanz ihrer überfällig gewordenen nationalen Souveränität dem Untergang zutreiben.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Gesetzt den Fall, die europäische Integration würde scheitern und die USA würden aufhören, den damit verbundenen politischen Bankrott Europas unbegrenzt zu sanieren, wer würde denn dann in der Lage sein, einem vom Rhein bis zur Oder vereinten Deutschland Freiheit und Rechtssicherheit zu gewährleisten?

    (Abg. Dr. Wuermeling: Sehr richtig!)

    Wenn wir die überwältigende Mehrheit der deutschen Männer und Frauen, der alten und der jungen, hinter dem Eisernen Vorhang in ihrer Knebelung richtig verstanden haben, so ist es doch nicht nur der Wunsch, daß sie mit uns in dem vereinten Vaterland endlich wieder zusammenleben können, sondern es ist die Sehnsucht, daß sie in einem vereinten Deutschland in Freiheit und Frieden leben dürfen.

    (Lebhafter Beifall bei den Regierungsparteien.) Wenn im Falle der Wiedervereinigung nicht gewährleistet ist, daß nachher in Leipzig ebenso gelebt werden kann wie jetzt in Düsseldorf oder in München, sondern wenn die Gefahr besteht, daß



    (Dr. Gerstenmaier)

    sich über kurz oder lang die Dinge in Düsseldorf oder in München den jetzigen Zuständen in Leipzig oder Magdeburg nähern, dann, meine Damen und Herren, hat die Vereinigung vielleicht nicht jeden, wohl aber ihren entscheidenden Sinn verfehlt.

    (Erneuter lebhafter Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Deshalb ist es doch unsere legitime, gar nicht abweisbare Aufgabe, Tag und Nacht nicht nur an die Wiedervereinigung zu denken, sondern auch auf die Mittel und Wege zu sinnen, auf denen diese Vereinigung in Freiheit und Frieden zustande gebracht und gesichert werden kann.

    (Beifall bei der CDU.)

    Ich glaube, daß auch in der Art, wie der Gedanke einer Viermächtekonferenz über die Wiedervereinigung Deutschlands in der Bundesrepublik aufgenommen wurde, der gute Wille zur friedlichen Wiedervereinigung soeben einen überzeugenden Ausdruck gefunden hat. Aber nun hat man leider auch versucht, der Bundesregierung eine Schlinge daraus zu drehen, daß sie sich freimütig und von Herzen immer wieder zur Wiedervereinigung bekannt hat. Wenn es ihr höchstes Ziel sei — so wird gesagt —, diese Wiedervereinigung herbeizuführen, dann müsse sie auch bereit sein, auf die Ratifizierung der Verträge mindestens so lange zu verzichten, bis alle Möglichkeiten der Viermächtekonferenz erschöpft seien. Nun will ich hier über die dergestalt heraufbeschworene Rangordnung der Termine oder der dahinterliegenden Werte nicht rechten. Ich will deshalb nicht streiten, weil es sich hier in Wahrheit nicht um eine Hierarchie der Werte handelt, nämlich etwa Wiedervereinigung Deutschlands Numero eins. europäische Integration Numero zwei oder umgekehrt. Das Wesenhafte unserer deutschen Politik. wie es sich in dem hier angesprochenen politischen Leitbild darstellt. beruht gerade in der polaren Zusammenspannung beider. Auf der polaren Zusammenspannung beider Werte, beider Grundaufgaben, beruht das politische Leitbild. dem wir folgen. Um es einfach zu sagen: wir halten dafür. daß die Wiedervereinigung Deutschlands unlösbar verbunden, ia hineingewickelt ist in das Problem der europäischen Integration und daß umgekehrt die europäische Integration unter keinen Umständen darauf verzichten kann, Deutschland als Ganzes zu integrieren.

    (Abg. Dr. Schröder [Düsseldorf]: Sehr gut!)

    Auch einem anerkannten Europäer wie M. Aron gegenüber muß ich darauf verweisen. daß die europäische Integration unter keinem Betracht über Anfangs- und Mittelstufen hinauskommt, solange sie nicht Deutschland als ganzes zu erfassen vermag; und wenn unser verehrter luxemburgischer Kollege Herr Margue in der Beratenden Versammlung des Europarats in einem bewundernswert klaren und einprägsamen Bericht — den ich nur Ihrem Studium empfehlen kann — über die europäische Verteidigungsgemeinschaft dargelegt hat, daß Deutschland es eben hinnehmen müsse, sich heute nur partikulär den Aufgaben der europäischen Integration zuwenden zu können. so besagt uns auch das nicht, daß wir eine Rangordnung anzuerkennen bereit wären von der Art: Integration in erster Linie. Wiedervereinigung in zweiter Linie. Das können und wollen wir Deutsche nicht tun.
    Aber wer sagt uns eigentlich, daß wir es zu tun bhrauchen? So liegen die Dinge doch genau nicht. Würde nämlich der Antrieb der europäischen Einigung hinfällig, so könnte ich nicht mehr sehen,
    was die Russen noch veranlassen könnte, über ihren Abzug, sagen wir einmal, bis wenigstens hinter die Oder-Neiße-Linie ernsthaft mit sich reden zu lassen. Andererseits ist einstweilen auch die Behauptung nicht zu widerlegen, daß ohne den garantierten definitiven Verzicht Deutschlands, und zwar auch Gesamtdeutschlands, auf die Teilnahme an der europäischen Integration die Russen nicht räumen werden. Was folgt daraus? Zunächst nur dies, daß jene Rangordnung, wie sie uns — sei es polemisch, sei es reflektierend — vorgehalten wird, eben eine Abstraktion ist. Hingegen ist es eine Tatsache: das einzige Element der Bewegung, das im seitherigen status quo der Zweiteilung Deutschlands erschienen ist, ist geboren aus der Politik der Integration und wirkt einstweilen geradezu automatisch als ein Anstoß zur Wiedervereinigung.

    (Beifall in der Mitte.)

    Der Einwand, der von mancher Seite in diesen Wochen gegen diese Politik laut geworden ist, hat sich schließlich dahin zusammengefaßt, daß die Ratifizierung so lange unterbleiben müsse, bis die Viermächtekonferenz — sei es mit, sei es ohne Ergebnis — beendet sei. Wenn man aber schon von einer derartigen Abstraktion ausgeht und wenn man sich schon für die alternative Behandlung von Ratifizierung und Viermächtekonferenz ausspricht, dann muß gefragt werden, ob damit die Bereitschaft verbunden werden soll, im Namen etwa der Priorität der Wiedervereinigung auch den definitiven Verzicht auf die deutsche Mitwirkung an der europäischen Integration zu erbringen. Denn wenn schon bezahlt werden soll und wenn man schon bereit ist, auf russische Forderungen einzugehen, dann sehe ich nicht, was Moskau daran hindern sollte, wirksame Garantien gerade für diesen definitiven Verzicht Deutschlands auf die Beteiligung an der europäischen Föderation zu verlangen. Sollte der Kreml so schlecht über die freiheitliche Grundrichtung der überwältigenden Mehrzahl der 18 Millionen zwischen Elbe und Oder unterrichtet sein, daß er nicht wüßte, daß eine gesamtdeutsche Regierung, daß eine deutsche Nationalversammlung, daß die 18 Millionen, wenn sie sich mit uns einmal in Freiheit vereinen könnten, sich alsbald auch mit uns für das in Freiheit geeinte Europa entscheiden würden?

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    In Anbetracht dieser Sachlage halten wir dafür, daß der wahrscheinlich beste Beitrag, den wir Deutsche für diese Viermächtekonferenz liefern können, der unbeirrte Vollzug der Ratifizierung dieser Verträge ist. Denn Ratifizierung heißt: Schach den Verhandlungsmethoden der Sowjets, wie sie sie in Osterreich exerzieren, heißt Schach den Verhandlungsmethoden der Sowjets, wie sie im Marbre-Rose-Palais in Paris angewandt wurden, und heißt schließlich auch Schach den Methoden, wie wir sie in den Waffenstillstandsverhandlungen in Korea seit mehr als einem Jahr erleben. Wir glauben, daß man — genau umgekehrt, wie Sie, meine Herren von der Opposition, es wollen — sagen muß: in dem Maße, in dem das Leitbild der europäischen Integration mit Deutschland sich verwirklicht, in dem Maße steigen die Chancen für eine ernsthafte Verhandlung mit Rußland.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Zu den seltsamen, aber realen gedanklichen Tatbeständen, mit denen wir es in dieser Gesprächssituation in Deutschland immer wieder zu tun haben, gehört die Anschauung, daß mit der voll-


    (Dr. Gerstenmaier)

    zogenen Ratifizierung der Verträge die Möglichkeit für Verhandlungen mit der Sowjetunion ein für allemal vorbei sein werde. Meine Damen und Herren, es gibt nichts, aber auch gar nichts, was diese Annahme auch nur annähernd zu rechtfertigen vermöchte. Steht hinter diesem Gedanken nicht doch vor allem die apokalyptische Angst, daß die Ratifizierung den Krieg, und zwar den Angriffskrieg von seiten Rußlands auslösen könnte? Auch dafür gibt es keinen Anhaltspunkt. Diese Angst ist nicht nur ein Ergebnis des Erbes aus dem letzten Krieg; sie ist auch ein Ergebnis unserer ungemeisterten Nervosität und des mit allen Mitteln — auch mit allen unerlaubten Mitteln — geschürten politischen Kampfes.
    Wir sind der Meinung, daß die Viererkonferenz angestrebt werden muß. Wir sind das nicht nur den 18 Millionen hinter dem Eisernen Vorhang schuldig - ihnen vor allem und zuerst —, sondern wir sind es uns selber und Europa schuldig, daß wir allen Ernstes und mit dem nachdrücklichsten Willen alles tun, was wir vermögen, um nicht nur zum Zustandekommen, sondern auch zum Gelingen dieser Konferenz beizutragen. Aber man täte denen hinter dem Eisernen Vorhang, uns und Europa einen schlechten Dienst, wenn man sich dabei unter Verzicht auf unerläßliche Voraussetzungen zum Objekt des russischen Verfahrens machte. Darum sind wir den 18 Millionen gleichermaßen die Ratifizierung schuldig. Sie schafft auch insofern keine neue Situation gegenüber Rußland, als nicht einzusehen ist, warum Rußland nicht auch nach der Ratifizierung und selbst nach einer gescheiterten Viererkonferenz immer wieder verhandeln würde.
    Was uns betrifft, so sollten auch wir frei und
    unbefangen dazu bereit bleiben, weil die Wiedervereinigung und die europäische Integration heute schon tatsächlich ineinanderliegen und ineinandergreifen wie ein Gelenk. Darum muß auch die Konsequenz daraus gezogen werden, daß die Verwirklichung unseres politischen Leitbildes und unser ernstes und nachdrückliches Bestreben zur Wiedervereinigung Deutschlands miteinandergehen. Im Blick auf die Verträge bedeutet das, daß wir revisionsbereit und revisionswillig sind, insbesondere im Blick auf die Fragen, ja die Nuancen, die es mit der Wiedervereinigung Deutschlands zu tun haben. Wir bekennen uns also zu einer Politik der ruhigen, aber der festen Hand in Sachen der deutschen Wiedervereinigung. Wir sind der Meinung, daß dieses Vertragswerk dafür eine brauchbare Grundlage schafft.
    Wir sprechen aber auch frei aus, daß uns kein noch so ansprechender oder auch abschreckender Begründungszusammenhang dazu veranlassen kann, an die Wiedervereinigung Deutschlands anders als mit den Mitteln des Friedens zu denken. Kreuzzugstheorien finden bei uns keinen Boden.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Wir kennen den Krieg so sehr, daß wir gewillt sind, alles zu seiner Verhinderung beizutragen. auch dort, wo er uns selber möglicherweise oder voraussichtlich sogar verschonen würde. Aber so entschieden wir jeden Gedanken an Kreuzzug und Gewalt abweisen, so sehr werden wir der Tyrannei widerstehen, der Tyrannei, meine Damen und Herren, die wir auch kennengelernt haben und deren Male noch mancher unter uns am Leibe trägt. Wir werden der Tyrannei widerstehen, wo sie den Versuch macht, nach uns und unserer Freiheit zu greifen. Es ist wahr — es ist vielleicht leider wahr —: zur Entschlossenheit eines solchen Widerstandes gehören auch Waffen. Aber weit wichtiger als sie ist uns — ich wiederhole es —jeder friedliche Schritt zur Einigung Deutschlands und Europas. Nicht nur durch unser Volk, sondern durch die Völker der Welt — ich glaube, diesseits und jenseits des Vorhangs — geht ein unüberhörbar tiefes Bedürfnis und Sehnen nach Frieden und nach einer gefestigten Ordnung der Freiheit. Daran teilzunehmen, daß sich diese Sehnsucht noch zu unseren Lebzeiten erfüllt und in unserm Kontinent eine gemeinsame politische, wirtschaftlich und sozial vollziehbare Gestalt gewinnt, das ist unser Wille.
    Wir glauben mit dem Herrn Bundeskanzler, daß in dem Maße, in dem eine solche Einigung zum Hort der Freiheit wird, die Chancen für den Frieden und die friedliche Vereinigung aller Deutschen in einem vereinten Europa wachsen. Denen aber, denen dieser Begriff Europas als Mythos verdächtig sein sollte oder die glauben, ihn bagatellisieren zu können, weil er sich in seiner einstweiligen Gestalt leider nur auf den europäischen Kontinent zu begrenzen scheint, möchten wir doch sagen, daß uns die Theorie des „Alles oder nichts" keinen Eindruck macht, am wenigsten in der Politik und angesichts der Aufgabe, vor die wir gestellt sind.
    Wir sagen auch zu diesem Kontinentaleuropa ja, weil hier in der Gemeinschaft der sechs Vertragspartner der Montanunion und der Verteidigungsgemeinschaft Europa endlich in seinem Kern Wirklichkeit wird. Auch eine solche Wirklichkeit ist uns noch immer unendlich viel mehr als jedes noch so schöne Konzept eines Gesamteuropas, das leider einstweilen in den Sternen steht.
    Meine Damen und Herren, lassen Sie mich mit einer persönlichen Bemerkung schließen. Als ich im April 1945 den Kerker verließ, da wehten über den Dörfern und Städten Deutschlands die weißen Fahnen. Die Sieger des letzten Krieges haben uns nut einer freundlichen Geste längst die Fahne des Bundes konzediert. Aber es ist kein Geheimnis, meine Damen und Herren, daß diese Lehne, so-large es ein Besatzungsstatut gibt, mehr als ein Zeichen der Verheißung denn als ein Symbol der verbürgten Freiheit über uns weht. Nun, die Zeit der weißen Fahne ist für Deutschland vorüber und muß vorüber sein! Lassen Sie uns die Fahne einer schwer errungenen Freiheit nunmehr so über unserem Vaterlande befestigen, daß sie von keinem Sturm der Zeit geworfen werden kann und daß sie nicht nur uns, sondern auch den 18 Millionen Deutschen in der Knechtschaft täglich und stündlich das Zeichen ist für die auch ahnen mit Gottes Hilfe schlagende Stunde der Freiheit.
    Wir, meine Damen und Herren, sagen ja zu diesem Vertragswerk.

    (Lebhafter Beifall bei den Regierungsparteien.)



Rede von Dr. Hermann Schäfer
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Schmid von der sozialdemokratischen Fraktion.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Carlo Schmid


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Bundeskanzler hat in seiner Regierungserklärung das große Vertragswerk, über das wir zu beraten haben, in die Reihe der großen Bündnissysteme gestellt, die die Geschichte des 19. und des Beginns unseres Jahrhunderts charakterisiert haben: Dreibund, Tripel-


    (Dr. Schmid [Tübingen])

    allianz, Entente cordiale usw. Er hat uns weiter in seinen Ausführungen dargelegt, die Lage, in der sich Deutschland befinde, schlösse es aus, daß wir ohne Bündniszusammenhang mit anderen Staaten lebten, und er hat uns gesagt, daß dieses Vertragswerk gerade dies leisten werde und daß es den alten Bündnissystemen gegenüber einen grundsätzlichen Wandel bringe. Es integriere nämlich — wenn ich ihn recht verstanden habe — ehemalige Feinde, künftige mögliche Feinde zu neuen politischen Einheiten und mache so Kriege unter ihnen unmöglich; schon das sei ein absoluter Wert.
    Ich frage mich, ob diese Feststellung ganz schlüssig ist. Wenn ich mir die alten Bündnisverträge anschaue, so stelle ich fest, daß sie mit dem neuen Vertragswerk sicher eines gemein haben: sie waren Militärbündnisse wie dieses Vertragswerk auch, und sie haben ein anderes gemein: sie haben die Integration einer Gruppe von Staaten, wenn auch eine lose, bewirkt und damit die Verhärtung des Zusammenhangs einer anderen Gruppe von Staaten eingeleitet. Zwischen beiden blieb aber und verbreiterte sich die Kluft. Zwar gab es innerhalb dieser Bündnissysteme keine Kriege mehr, aber zwischen den beiden Gruppen von Bündnissystemen gab es leider noch Kriege,

    (Sehr richtig! bei der SPD)

    obwohl sie beide mit der Behauptung und mit der ernsten Versicherung angetreten sind, sie seien nur zu Verteidigungszwecken geschlossen worden.
    Ich will daraus keine Folgerungen ziehen. Ich glaube nicht daran, daß man in einer ernsthaften politischen Auseinandersetzung allzu viel mit Analogien operieren sollte. Ich glaube auch nicht, daß, was sich einmal ereignet hat, sich auch bei einigermaßen vergleichbaren äußeren Voraussetzungen notwendig wieder ereignen müsse. Aber es scheint mir eine gefährliche Sache zu sein, mit historischen Analogien überzeugen zu wollen.

    (Zustimmung bei der SPD.)

    Man kann nämlich Analogien und Antithesen recht nach Belieben zusammensuchen, wenn man in den Handbüchern der Geschichte blättert.

    (Abg. Strauß: Siehe jetzt!)

    — Herr Strauß, sehen Sie, ich verzichte darauf, Ihnen die Freude zu machen, etwa mit der Rheinbundakte zu operieren und daraus Analogieschlüsse zu ziehen.

    (Beifall bei der SPD.)

    Es wäre vielleicht reizvoll und würde Sie sicher
    unterhalten, aber es wäre eine schlechte Methode,

    (Abg. Strauß: Aber auch eine schlechte Analogie!)

    und darum will ich es nicht tun.
    Ich glaube, in der Regierungserklärung des Herrn Bundeskanzlers ist mit voller Wahrheit gesagt worden, daß es diesen Vertragswerken gegenüber nur ein fundamentales Ja oder ein fundamentales Nein geben kann; aber ich glaube nicht, daß es richtig ist, zu sagen, es sei deswegen nötig, auf die Betrachtung von Einzelheiten zu verzichten. Denn die Einzelheiten in ihrer richtigen Zusammenfügung ergeben ja das Diagramm, die große Linie, in der der Sinn und die Möglichkeiten dieser Verträge zum Ausdruck kommen.
    In der Begründung zu den Verträgen ist gesagt worden, daß mit diesen Verträgen ein Stück Weltgeschichte gemacht worden sei. Nun, sicher! Weltgeschichte geschieht immer und geschieht meistens
    dort, wo man nicht weiß, daß man sie bewegt und wer sie bewegt. Es gibt da ein beherzigenswertes Wort Oliver Cromwells ... Ich glaube, daß es da schon richtiger ist, auf die Behauptung einzugehen, die heute morgen aufgestellt worden ist, durch diese Verträge sei die Geschichte Deutschlands an einen Wendepunkt gekommen. Denn die Frage, die sich uns stellt, ist doch in Wirklichkeit die: Begründen diese Verträge einen neuen Anfang oder sind sie der krönende und konservierende Abschluß einer Politik, die 1945 begonnen hat? Das ist die Frage. Ich glaube. darüber muß man sich auseinandersetzen, und darüber sollte man sich leidenschaftslos auseinandersetzen in dem Bewußsein, daß jeder nach bestem Vermögen sich zu den Gründen bekennt, von denen er annehmen muß, daß sie die guten sind.
    Es ist viel davon gesprochen worden, was alles seit 1945 erreicht worden ist, und es unendlich viel erreicht worden.

    (Beifall des Abg. Majonica.)

    Aber ich glaube, daß man bei der Buchführung darüber — Herr Kollege Majonica, Sie haben zu früh geklatscht — zwischen den Abschnitten 1945 his 1949 und 1949 bis 1952 trennen muß.

    (Beifall bei der SPD. — Abg. Euler: Auch da sieht es nicht anders aus!)

    Denn es ist schon in der ersten Periode, Herr Euler, eine Reihe von Dingen geschehen, in denen sehr viel Geschichte steckt und die Wendepunkte brachten, ehe es eine Bundesrepublik und eine Bundesregierung gab.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Diese Wenden sind eingetreten auf Grund der Schwerkraft der Tatsachen, denn die Zeit bleibt nicht stehen am Tage nach dem Siege, sondern sie wandelt sich und verschiebt dabei die Machtverhältnisse durch sich selbst. Koalitionen zerfallen, und man weiß — es hat das schon sehr oft gegeben —, daß sich nach Koalitionskriegen das Bedürfnis erweist, die Bündnissysteme herumzuwerfen. Der entscheidende Wandel ist aber bewirkt worden durch den elementaren Willen des deutschen Volkes, nicht nur zu überleben, sondern sein Schicksal neu zu bezwingen.

    (Lebhafter Beifall bei der SPD.)

    Nach dem Zusammenbruch vor 7 Jahren haben die Sieger dieses zweiten Weltkrieges sich nicht damit begnügt, nur die obrigkeitliche Gewalt in Deutschland an sich zu reißen. Sie haben sehr viel mehr getan: sie haben versucht, dieses Deutschland aus dem Kräftefeld des politischen Geschehens auszuklammern. Das ist mehr, als es nur zu einem Objekt zu degradieren, — sie haben es zu einem Stück ihrer eigenen Politik gemacht, und was man Besatzungsregime nennt, war zumindest im Anfang nichts anderes als die Technik, Deutschland nicht nur zum Gegenstand, sondern zum Feld ihrer eigenen Politik machen zu können.
    Diese Politik haben sie nicht von ungefähr und nicht zusammenhanglos gemacht. Sie haben diese Politik in Teheran vereinbart, und ein Stück dieser Vereinbarung war, daß Deutschland dadurch aus dem Kräftefeld der Politik ausgemerzt werden sollte, daß man einen Teil des Landes in den Westen hinein integriert und den anderen in den Osten. Alles, was nach 1945 zunächst kam, sollte diesem Zweck dienen. Sogar das Zonenregime, das man eingeführt hatte, sollte so etwas wie Integrationswasserscheiden in Deutschland bilden, und zwar nicht nur in der Richtung Nord-Süd, sondern


    (Dr. Schmid [Tübingen])

    auch in der Richtung Ost-West. Man hat deutsches Gebiet abgegliedert, obwohl man in den Urkunden, die wir kennen, erklärt hat, daß man deutsches Gebiet nicht annektieren wolle, und im Potsdamer Abkommen heißt es, daß die endgültige Festlegung der Ostgrenze durch einen Friedensvertrag erfolgen soll und daß Rußland und Polen in diesem Friedensvertrag die Gebiete östlich Oder und Neiße zugeschlagen bekommen sollten. Nun, wir wissen, daß die Russen und daß die Kommunisten bei uns in Deutschland der Meinung sind, daß damit eine endgültige Grenze im Osten Deutschlands geschaffen worden sei, obwohl die Texte des Potsdamer Abkommens klar sind, und in einer der letzten Noten auf die sowjetische Anregungsnote hin haben die Besatzungsmächte im Westen erklärt, daß die russische Behauptung, die Ostgrenze sei endgültig, nicht richtig sei. Aber — und darauf muß hingewiesen werden! — in diesem Potsdamer Abkommen, auf das man sich auch im Westen heute noch beruft, haben sich der Präsident der Vereinigten Staaten und der britische Premierminister verpflichtet, auf dieser Friedens-Konferenz den Vorschlag der Potsdamer Konferenz zu unterstützen.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Und nun frage ich: Haben unsere Vertragspartner mit ihrer Versicherung, ihre Politik auf die Herstellung der Einheit Deutschlands zu richten, diese Verpflichtung den Russen gegenüber für gegenstandslos erklärt oder nicht?

    (Sehr gut! bei der SPD.)

    Ich glaube nicht, daß man das wird ohne weiteres annehmen können. Denn in Art. 1 des ersten Teils des „Vertrages zur Regelung aus Krieg und Besatzung entstandener Fragen" heißt es, daß Rechtsvorschriften. welche die vorläufigen Grenzen der Bundesrepublik festlegen, nur mit Zustimmung der drei Mächte geändert oder aufgehoben werden dürfen. Ich muß gestehen, daß ich den Sinn dieser Bestimmung nicht recht begriffen habe. Ich wäre dankbar dafür, wenn man uns hier Aufklärung geben könnte, und ich glaube, daß wir im Ausschuß sehr lange über den Sinn und die Tragweite dieser Bestimmung werden sprechen müssen.
    Zu diesen vorläufig abgetrennten Gebieten gehört ja auch das Saargebiet. Das Saargebiet liegt im Westen. Über das Saargebiet kann man sprechen, ohne mit den Russen verhandeln zu müssen.

    (Lebhafter Beifall bei der SPD.)

    Frankreich ist einer der Vertragspartner, und Frankreich kann das Recht an der Saar herstellen, wenn es das Recht und die Einheit Deuschlands will.

    (Erneuter starker Beifall bei der SPD.)

    Ich hoffe nicht und ich glaube nicht, daß es hier Leute gibt, die sagen werden: „Angesichts der großen Vorhaben, die vor uns stehen, ist die Sache mit der Saar eine relativ gleichgültige Angelegenheit." Ich glaube nicht, daß irgend jemand hier so denkt. Aber wenn wir weiter so verfahren, daß wir die Sache der Saar bei jeder Verhandlung ausklammern, könnte doch im deutschen Volk da und dort eine schlimme Vermutung wachsen und Nahrung bekommen;

    (Sehr wahr! bei der SPD)

    und ich meine, daß alles geschehen sollte, um das zu verhindern.
    Man erklärt uns, wenn wir davon sprechen, immer wieder, es seien sich doch alle darüber einig, daß der Zustand an der Saar nur ein vorläufiger Zustand sei und daß die endgültige Regelung im Friedensvertrag erfolgen werde. Aber schon darüber, was „vorläufiger Zustand" heißt, bestehen offizielle Kontroversen und Meinungsverschiedenheiten, die man noch nicht einmal auszutragen versucht hat.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Für uns bedeutet „vorläufig": Es ist dort nur de facto ein anderer als der alte Rechtszustand geschaffen worden. Aber die französische Regierung hat uns zu wiederholten Malen erklärt, daß dort etwas materiell Endgültiges geschaffen worden sei und daß ..Vorläufigkeit" nicht mehr bedeute, als daß der Notar noch nicht erschienen sei, der die Begebenheiten und die Unterschriften beurkundet und beglaubigt.
    Wir wissen auch, daß die Vereinigten Staaten und Großbritannien auf der Londoner Konferenz des Jahres 1948 Frankreich die Zusicherung gemacht haben, auf der Friedenskonferenz für die französischen Saarpläne einzutreten. Ich frage: Hat sich an dieser Haltung unserer Vertragspartner durch den Abschluß dieser Verträge etwas geändert? Vielleicht kann uns die Bundesregierung darüber Auskunft geben und auch darüber, was in Anbetracht der wiederholten Erklärungen des offiziellen Frankreich, daß die Saar nie wieder deutsch werden werde, die jüngsten Erklärungen — auch des offiziellen Frankreich — bedeuten: die Saarfrage müsse vor Ratifikation des Generalvertrages und des EVG-Vertrages endgültig geregelt werden. Man konnte in der Presse lesen, daß Herr Staatssekretär Hallstein mit Mr. Acheson darüber Gespräche geführt habe; vielleicht können wir Auskunft über den Inhalt dieser Gespräche bekommen.
    Die Haltung, die in diesen Dingen zum Ausdruck kommt, hätte man noch verstehen können zu der Zeit, in der uns die Gedanken des heute so oft.— und mit Recht oft — zitierten Herrn Morgenthau regieren sollten, der unser Land in ein Land von Hirten und Bauern verwandeln wollte. Das ist ihm nicht geglückt, obwohl zu Anfang einiges getan wurde, um diesen Plan zu verwirklichen; er ist letzten Endes gescheitert an seiner eigenen Stupidität, und er ist gescheitert an dem unorganisierten, anonymen inneren Widerstand des ganzen deutschen Volkes. Ich werde nie vergessen, wie im südlichen Württemberg ein alter Arbeiter dem französischen Offizier, der Maschinen, die demontiert werden sollten, mit weißer Farbe abzeichnete, sagte: „Wenn ihr es nicht fertig bringt, uns die Hände abzuhacken — solange wir noch einen rostigen Nagel und einen Stein haben, mit dem wir klopfen können, werden wir in unserem Lande Maschinen bauen!" An dieser Haltung des deutschen Volkes ist das Morgenthaudenken primär gescheitert. Aber man hat uns Böses genug angetan; im Bereich des rein Politischen mit jenem negativistischen Föderalismus der Amerikaner und Franzosen — ich betone, Herr Strauß, negativistischen Föderalismus —,

    (Heiterkeit — Abg. Strauß: Daran tun Sie auch gut!)

    mit den Maßnahmen zur wirtschaftlichen Niederhaltung Deutschlands, der politischen Entmündigung und dem uferlosen Interventionismus der ersten Jahre. Eine Weile ist das gegangen. Man


    (Dr. Schmid [Tübingen])

    glaubte ja am Anfang auf beiden Seiten an die Allmacht der Besatzungsmächte. Aber dieser Glaube schwand; er schwand auch in Ihrer Heimat, Herr Kollege Strauß.
    Da gab eines Tages eine Rede des Außenministers Byrnes — die Rede, die er in Stuttgart hielt das Zeichen, daß ein neues Denken im Begriff war zu wachsen. Ich möchte es hier offen sagen: es ist ein Ruhm der Vereinigten Staaten von Amerika, daß sie als erste umzudenken begonnen haben!

    (Lebhafter Beifall bei der SPD.)

    Ich glaube, sie haben es nicht getan aus sentimentalen Gründen, sie haben es nicht getan, weil wir so besonders sympathisch geworden wären, sondern sie haben es getan, weil man erkannte, daß ein verfaulendes Deutschland die ganze übrige Welt krank machen mußte.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Es war vernünftiges Selbstschutzdenken, das den Wandel gebracht hat!

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Richtiges Denken in der Politik geht meistens aus vom richtig verstandenen Eigeninteresse. Man sollte das nicht beklagen, Herr Kollege Gerstenmaier; man sollte diese Tatsache hinnehmen und versuchen, damit etwas anzufangen. Schließlich haben die Besatzungsmächte eingesehen, was für ein schweres Erbe ein totaler Sieg ist. Mancher hat früh erkannt. daß es recht schwer ist, sein eigenes Land zu regieren, und auf die Dauer unmöglich, ein zweites dazu — vor allen Dingen ein zweites in der Lage Deutschlands!
    Aber das entscheidende Ereignis war dann schließlich doch der von dem Außenminister General Marshall eingeleitete Akt: die Marshallhilfe. Das war ein echtes Stück weltgeschichtliche; Leistung, die erste wirklich große Tat der Solidarität einer großen Demokratie mit den anderen Demokratien in der Welt. Ich glaube. wir, nicht nur wir, die ganze Welt, hätten alle Ursache, dafür dankbar zu sein!

    (Lebhafter Beifall hei der SPD und FDP. — Abg. Strauß: Und die Konsequenzen zu ziehen!)

    Die Notwendigkeit, für die Verteilung der
    Marshallgelder ein Instrument zu schiffen, führte zur Bildur:g der Bizone und des Frankfurter Wirtschaftsrates. Frankreich blieb fern, weil es sich seine Zustimmung durch die Anerkennung seiner Saarpolitik abkaufen lassen wollte. Es kam die Währungsreform, die die Russen zum Anlaß nahmen, Deutschland zu spalten und den Kontrollrat lahmzulegen. Es kann die Blockade Berlins, und es kam der Widerstand des deutschen Volkes in Berlin; und dieser Widerstand war abermals etwas. das eine weltgeschichtliche Wende herbeigeführt hat.

    (Beifall bei der SPD.)

    Denn was dort geschah, hat die Welt davon überzeugt, daß das deutsche Volk ein unentbehrlicher Aktivfaktor einer jeglichen Politik des Westens ist.

    (Erneute Zustimmung bei der SPD.)

    Das brachte, wie ich glaube, die radikale Umkehr.
    Während vorher die politische Weisheit darin bestand, das deutsche Volk aus dem Kräftefeld der
    Politik auszuklammern, begann man nunmehr einzusehen, daß man Deutschland braucht, wenn man
    den Westen politisch verteidigen will. Denn der
    Westen kann ja in Deutschland selber tödlich getroffen werden, und ohne daß das deutsche Volk sich an diesem politischen Kampf mit allen Kräften beteiligt, kann er nicht verteidigt werden. Aber mit dem deutschen Volk kann er wirksam verteidigt werden.

    (Zustimmung in der Mitte und rechts.)

    Man ist auf die Deutschen so angewiesen — hat man damals gelernt — wie wir auf die Völker des Westens. Sie können die Grenzwerte unserer politischen Möglichkeiten letztlich nicht mehr bestimmen als wir die übrigen trotz aller vorhandenen oder fehlenden Divisionen. Diese Erkenntnis hat die entscheidende Wendung gebracht, noch bevor es eine Bundesrepublik gab.
    Die Erkenntnisse, die damals entstanden, führten zu den Londoner Empfehlungen vom Juni 1948, durch die den Deutschen im Westen die Möglichkeit gegeben werden sollte, auf dem Gebiet der drei westlichen Besatzungszonen — ohne das Saargebiet — ein eigenes Staatswesen zu schaffen. Ich erlaube mir — ich bitte um die Erlaubnis des Herrn Präsidenten, zitieren zu dürfen —, aus den Londoner Empfehlungen einen Satz anzuführen. Er heißt:
    Die Verfassung soll so beschaffen sein, daß die den Deutschen ermöglicht, ihr Teil dazu beizutragen, die augenblickliche Teilung Deutschlands wieder aufzuheben.
    Die Wiederherstellung der Einheit Deutschlands war also damals schon das erklärte Ziel und ein Faktor der westalliierten Politik, zu einer Zeit, als man noch nicht an deutsche Soldaten dachte und als noch nicht von Gegenleistungen die Rede war, wie sie heute verlangt werden.

    (Zustimmung bei der SPD.)

    Man hat diese Einheitspolitik zu einem Stück alliierter Politik gemacht, weil man eingesehen hatte, daß jede andere Politik gegen die eigenen Interessen gehen mußte.
    Inmitten der Freude über die neuen Möglichkeiten, die sich durch diese Londoner Erklärung boten, wurde von einer Reihe verantwortlicher Leute in Deutschland eine besondere Gefahr erkannt, die Gefahr nämlich, ein westdeutscher Staat mit eigenem Staatsgefühl und eigener Geschichtspersönlichkeit müsse sich zwangsläufig der östlichen Hälfte Deutschlands gegenüber absetzen. Es tauchte das Bild von den möglichen „Zwei Deutschland" auf. Der nicht erfaßte Teil Deutschlands wäre damit selber zu einer eigenen Staatspersönlichkeit gepreßt worden, und die Spaltung wäre dann ein Stück öffentlichen Rechtes Deutschlands geworden. Das mußte vermieden werden; und das Verdienst, es vermieden zu haben, liegt bei den deutschen Länderministerpräsidenten. die in der Mantelnote vom 10. Juli 1948 einstimmig feststellten — und ich bitte auch hier, mir zu erlauben, zu zitieren —:
    Die Minister glauben jedoch, daß unbeschadet der Gewährung möglichst vollständiger Autonomie an die Bevölkerung dieses Gebietes alles vermieden werden müßte, was dem zu schaffenden Gebilde den Charakter eines Staates verleihen würde. Sie sind darum der Ansicht, daß auch durch das hierfür einzuschlagende Verfahren zum Ausdruck kommen müsse, daß es sich ausdrücklich um ein Provisorium handelt sowie um eine Institution, die ihre Entstehung lediglich dem augenblicklichen Zu-


    (Dr. Schmid [Tübingen])

    stand der mit der gegenwärtigen Besetzung
    Deutschlands verbundenen Umstände verdankt. In Anbetracht der bisherigen Unmöglichkeit — heißt es weiter
    einer Einigung der vier Besatzungsmächte über Deutschland müssen die Ministerpräsidenten besonderen Wert darauf legen, daß bei der bevorstehenden Neuregelung alles vermieden wird, was geeignet sein könnte, die Spaltung zwischen Ost und West zu vertiefen.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Das war politisch und gesamtdeutsch gedacht. Es beruhte auf der Erkenntnis, daß die Spaltung Deutschlands nur beseitigt werden kann, wenn man seine Politik auf die Anerkennung gewisser Konsequenzen der durch die Spaltung geschaffenen Voraussetzungen einer jeden möglichen gesamtdeutschen Politik im Westen aufbaut. Wer sich verhält, als sei Westdeutschland eine eigenständigpolitische Potenz, macht Westdeutschland zu einem Staat mit eigenem politischen Schicksal und macht so das andere Stück Deutschland auch zu einem Wesen mit eigenem geschichtlichen Schicksal. Und umgekehrt macht jener, der seine Politik auf der Erkenntnis des fragmentarischen Charakters jeder Organisation deutscher Staatsgewalt im Zustand der Spaltung einrichtet, gesamtdeutsche Politik; denn er erhält die Einheit der politischen Schicksalslinie aller Teile Deutschlands.

    (Beifall bei der SPD.)

    Diese Koblenzer Erklärung der Ministerpräsidenten widerlegt jene, die behaupten, daß unsere Opposition gegen die Schaffung gewisser vollendeter Tatsachen im Westen nur Opposition um des Opponierens willen sei. Schon ehe es eine Bundesregierung gab, der man opponieren konnte, haben sich verantwortliche Männer in Deutschland dagegen gewehrt, daß man durch Schaffung definitiver politischer Realitäten und Bindungen im Westen der Separierungspolitik im Osten Vorschub leiste und Tatbestände schaffe, die die Wiederherstellung der Einheit Deutschlands erschweren könnten.

    (Beifall bei der SPD.)

    Und dann begann der Kampf um das Grundgesetz. Heute morgen wurde Herrenchiemsee zitiert. Ich erinnere mich mit Kummer daran, daß sich in Herrenchiemsee noch eine Reihe deutscher Landesregierungen auf den Standpunkt stellte, daß Deutschland nicht mehr existiere und neu geschaffen werden müßte. Doch lassen wir das. Das Grundgesetz sagt in seiner Präambel ausdrücklich, daß die Bundesrepublik geschaffen werde, um dem staatlichen Leben für die Übergangszeit eine neue Ordnung zu geben. Damit ist wiederum klar zum Ausdruck gekommen, daß die Bundesrepublik nur ein Provisorium sein sollte, und ein Provisorium kann nur Provisorisches schaffen und sich nicht anmaßen, Endgültiges aufzurichten, das den Status Gesamtdeutschlands präjudizieren könnte; es sei denn, dieses Provisorium könne sich so stark machen — und es kann das nun einmal nicht —, daß es eine Chance hätte, eine Irredenta zu befreien. Ich zitiere hier nicht aus dem Artikel von Herrn Ingrim im „Rheinischen Merkur".

    (Heiterkeit.)

    So wurde auf einem Teil des gesamtdeutschen Staatsgebietes eine fragmentarische deutsche Staatsgewalt geschaffen, wobei vermieden wurde, daß die Bundesrepublik zu- einem eigenen west-
    deutschen Staat wurde. Die Bundesrepublik ist kein Selbstzweck und sollte es von Anfang an nicht sein, und diese Erkenntnis mußte die Außenpolitik, die in diesem Teil Deutschlands betrieben wurde, bestimmen.

    (Abg. Euler: Hat sie auch bestimmt!)

    Für diese Außenpolitik gab es eine ganze Reihe sicher bestimmbarer Aufgaben zu bewältigen. Zunächst die Schaffung des richtigen Verhältnisses zu den Besatzungsmächten; ich glaube, darüber braucht man nicht besonders viel zu sagen. Daneben aber mußten und das war eine Aufgabe jedes einzelnen Tages — mit allen Kräften die Voraussetzungen für die Wiederherstellung der deutschen Einheit geschaffen und gefördert werden, wozu auch nicht nur die Modifizierung des Besatzungs statuts, sondern die Aufhebung des Besatzungs regimes selbst gehört. Das sollte das erste Ziel aller Politik der Bundesregierung und das oberste politische Ziel von uns allen sein. Demgegenüber konnten und können alle anderen Ziele nur sekundär sein, weil wir ohne die Erreichung dieses obersten Zieles die anderen nicht mit Aussicht auf Dauerwirkung erreichen können. Mit diesem Geist mußte man darangehen, an der Gestaltung der Voraussetzungen mitzuwirken, ohne deren vorherige Verwirklichung ein politisch geeintes Europa nicht zustandekommen kann. Man mußte das tun im ständigen Bewußtsein, daß dieses Europa nicht auf Kosten der deutschen Einheit geschaffen werden kann, nicht aus deutschem Interesse allein, sondern im Interesse Europas selbst. Denn ein halbes Deutschland in Europa einzubringen, das wäre ein Danaergeschenk für Europa,

    (Beifall bei der SPD.)

    Man mußte verhindern, daß das deutsche Volk aufs neue zu der verhängnisvollen Außenpolitik des Revisionismus gezwungen wurde, zu der es nach 1919 gezwungen worden ist. Deswegen darf man keine Verträge unterzeichnen, von denen man bei der Unterzeichnung schon weiß, daß man sie in Bälde nicht mehr wird halten können und wollen. Revisionismus ist noch nicht Dynamik, Herr Gerstenmaier.

    (Unruhe und Zurufe von der Mitte.)

    So mußte vermieden werden, daß man mit Dauerwirkung als eigene vertragliche Verpflichtung übernahm oder wenigstens zum Teil übernahm, was einst auf Grund Besatzungsrechts einseitig auferlegt worden war. Denn durch diese Methode verewigt man die Deklassierung Deutschlands, und die Folgen für die Chancen der Demokratie in Deutschland werden gefährlich sein.

    (Abg. Arnholz: Sehr wahr!)

    Der Herr Bundeskanzler hat uns heute morgen dargelegt, von welchen großen Prinzipien seine Politik getragen ist. Ich glaube, man kann diese Prinzipien noch durch ein weiteres ergänzen, und das heißt: eine der großen Aufgaben, die bewältigt werden müssen, sei, das Mißtrauen Frankreichs zu beseitigen — was richtig ist —, und das könne nur geschehen durch Integration der Bundesrepublik in ein westlich bestimmtes politisches System, das im Zeichen Europas das, was den Franzosen als deutsche Gefahr erscheinen könnte, einer supranationalen Autorität unterstellt, d. h. der alleinigen Verfügungsmacht der Deutschen entzieht, was nicht schlüssig ist und in seinen Erfolgschancen durch das bisherige Verhalten der Franzosen widerlegt worden ist. Daraus sollte schließ-


    (Dr. Schmid [Tübingen])

    lich das Europa der Sechs hervorgehen. Dieses Europa der Sechs würde dann aus innerer Notwendigkeit unseren deutschen Anliegen die Erfüllung bringen.
    Was ist auf diesem Wege geschehen und mit welchem Erfolg? Es ist da manches geschehen, das jeder von uns wird bejahen können. Es ist aber auch manches geschehen, das gegen die elementarsten Notwendigkeiten verstieß. Man hat heute morgen das Petersberger Abkommen gerühmt. Sicher hat es Erleichterungen gebracht,

    (Abg. Dr. Hasemann: Aha!)

    wenn auch nicht in entscheidenden Punkten, Herr Hasemann.

    (Abg. Euler: Könnten Sie denn die anderen verurteilen, mehr zu geben?)

    Wenn man vom Geiste spricht, der durch dieses Abkommen zu wehen begonnen hat, warum verhindern dann die Interessenten, daß die AugustThyssen-Hütte und Watenstedt-Salzgitter die Kredite bekommen, die sie brauchen, um wiederaufgebaut werden zu können?

    (Beifall bei der SPD.)

    Es ist aber noch ein anderes geschehen. Man hat diese Erleichterungen dadurch erkauft, daß durch die Unterschrift einer deutschen Regierung das Verfügungsrecht der Besatzungsmächte über Kohle und Eisen der Ruhr - das diese sich bisher nur kraft ihrer tatsächlichen Macht angeeignet hatten — als für Deutschland rechtlich verbindlich anerkannt worden ist. Damit hat man sich auf einen schlechten Weg begeben.

    (Abg. Strauß: Theoretiker!)

    Wir sind in den Europarat eingetreten und haben
    es hingenommen, daß auch die Saar dort vertreten wird, als wäre sie ein selbständiger Staat, statt daß wir darauf gedrängt hätten, daß vorher das Unrecht an der Saar in das Recht zurückverwandelt wird.

    (Beifall bei der SPD.)

    Wir haben in der Zwischenzeit erfahren, welche rechtlichen Konsequenzen Außenminister Schuman im französischen Parlament aus dieser Tatsache gezogen hat. Wir haben den Schumanplan ratifiziert und damit die Verfügung über die Wirtschaftskraft der Ruhr in die Hand der Konkurrenten Deutschlands gelegt und haben diesen ganzen Bereich der parlamentarischen Kontrolle in Deutschland entzogen.

    (Abg. Euler: Die Gaullisten in Paris behaupten genau das Gegenteil!)

    Dazu kommt, daß dieser Vertrag so geschlossen worden ist, daß die Ausdehnung seines Anwendungsbereichs auf Gesamtdeutschland nur mit Zustimmung aller Vertragspartner erfolgen kann. Wenn bei einem Vertrag, dann sind bei diesem Vertrag die Deutschen die Gebenden und Angeforderten gewesen, und ich frage: warum hat man diese Situation nicht genutzt, um diesmal wenigstens die Saarfrage ein Stück vorwärtszubringen?

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Mit dem Schumanplan hat man weiter eine Reihe von Staaten, die kein Mitspracherecht bei der Regelung der gesamtdeutschen Frage gehabt hätten, ökonomisch an der Aufrechterhaltung der deutschen Spaltung interessiert.
    Das Thema der deutschen Einheit ist nicht erst in diesen Jahren auf die Tagesordnung gesetzt worden. Schon im Jahre 1947 und 1949 ist darüber

    (Bildung einer westeuropäischen Armee Deutschland bereit sei, einen Beitrag in Form eines deutschen Kontingents zu leisten. Dieses Angebot wurde angenommen, und im Deutschland-Kommuniqué der New Yorker Außenministerkonferenz von 1950 heißt es, daß die Streitkräfte... der Besatzungsmächte in Deutschland außer ihrer Besatzungsaufgabe noch die wichtige Rolle zu übernehmen hätten, als Sicherheitstruppen zum Schutz und zur Verteidigung der freien Welt einschließlich der Bundesrepublik und Westberlins zu dienen; sie würden jeglichen Angriff auf die Bundesrepublik und Berlin, von welcher Seite er auch kommen möge, als einen Angriff auf sich selber betrachten. Das ist genau das, was im Generalvertrag steht. Ich frage: Wo liegt demgegenüber im Generalvertrag der Fortschritt? Ein Fortschritt hätte vorausgesetzt, daß über diese allgemeinen Erklärungen, die jeder einseitigen Interpretation offenstehen, hinaus präzise quantitative und qualitative Verpflichtungen übernommen worden wären, und das ist nicht der Fall. Dann kamen die Beratungen der Außenminister der Atlantikpaktstaaten in Brüssel; es kamen die Verhandlungen über den EVG-Vertrag und schließlich die Washingtoner Erklärungen, in denen man uns zur Förderung unserer Zustimmungsbereitschaft gesagt hat, wir würden gleichberechtigt werden, wir bekämen „Sicherheit" und wir würden nunmehr Partner sein. Das Ergebnis der Verhandlungen sind die Verträge, über die wir heute beraten. Man hat uns den amerikanischen Senat •gepriesen, der so einmütig ratifiziert habe, und man sprach von dem großen Mut, den dieser Senat dabei aufgebracht habe. Ich glaube aber, zur Ratifikation in Washington brauchte es nicht viel Mut; die Amerikaner erhalten doch einen Vertrag, der ihre Politik krönt, einen Vertrag, der ihnen nunmehr vertraglich einschneidende Rechte in Deutschland einräumt, ohne daß sie dadurch Verpflichtungen übernommen hätten, (lebhafter Widerspruch bei den Regierungsparteien — Abg. Dr. Wuermeling: Was heißt denn das?)


    (Abg. Arnholz: Sehr gut!)


    (Abg. Dr. von Brentano: Welche zum Beispiel?) — „Welche z. B." fragen Sie? Nun, die Verpflichtung, was man bereit ist für die Verteidigung Europas einzusetzen und was man bereit ist für die Wiederherstellung der Einheit Deutschlands konkret zu tun.


    (Sehr richtig! bei der SPD)

    die über das hinausgehen, was von ihnen schon übernommen worden ist und in ihrem unmittelbaren Interesse liegt.

    (Lebhafter Beifall bei der SPD. — Zurufe von den Regierungsparteien. — Abg. Kunze: Präzise!)

    Für die Amerikaner sind diese Verträge die Ordnung eines Stückes ihrer Außenpolitik; für uns sind sie etwas, das die Existenz des deutschen Volkes unmittelbar betrifft, und das ist ein Unterschied!

    (Abg. Euler: Unmittelbar sicherstellt!)



    (Dr. Schmid [Tübingen])

    — Das werden wir sehen, Herr Euler!

    (Abg. Kunze: Nicht in so allgemeinen Redensarten! Bitte klare Tatsachen! — Abg. Schoettle: Herr Kunze, wir haben auch alles angehört, was Sie uns gesagt haben!)

    Dieser EVG-Vertrag — Herr Kunze, ich komme jetzt darauf — ist in Wirklichkeit die Verpflichtung, die Bundesrepublik unlöslich in ein politisches und militärisches Vertragssystem einzubringen, das die russische Besatzungsmacht, ohne deren Zustimmung wir die Voraussetzungen für die Schaffung der Einheit Deutschlands nicht erfüllen können — ob mit Recht oder Unrecht —, nun einmal als gegen sich gerichtet betrachtet, und wir übernehmen darin recht präzise Verpflichtungen. Aber weder die Briten noch die Amerikaner übernehmen präzise Verpflichtungen für konkrete Leistungen, und wenn NATO ihnen solche Verpflichtungen auferlegen sollte, dann wird das ohne unsere Beteiligung geschehen, und nichts im Generalvertrag außer der allzu allgemeinen Generalklausel hindert die Vereinigten Staaten, ihre Truppen zurückzuziehen oder das Maß ,der Truppen, die sie in Europa halten, nach ihren Vorstellungen zu bestimmen.
    Gewiß, wir haben die Garantieerklärung der Vereinigten Staaten erhalten. Aber der amerikanische Senat hat sie mit dem einstimmigen Vorbehalt ratifiziert, daß diese Garantieerklärung und ihre Ratifikation keine Ermächtigung für den Präsidenten der Vereinigten Staaten bedeute, mehr Truppen nach Europa zu schicken, als bisher schon dort stehen.

    (Hört! Hört! bei der SPD. — Zurufe rechts.)

    Also jede Vermehrung der Streitkräfte der Vereinigten Staaten in Europa wird einen besonderen Kongreßbeschluß nötig machen, und dieser Beschluß

    (Abg. Dr. von Brentano: Haben Sie dafür kein Verständnis?)

    wird nur dann im Sinne unserer Wünsche ergehen, wenn der Kongreß die Vermehrung der USA-Truppen als im Interesse der Vereinigten Staaten liegend betrachtet, und der Generalvertrag zwingt ihn nicht, einen solchen Beschluß zu fassen.

    (Abg. Dr. Hasemann: Wenn wir nichts tun, werden sie nichts schicken!)

    Gleichzeitig übernehmen wir die Verpflichtung, Kosten zu tragen, von denen ich nicht weiß, wie man sie je wird aufbringen können, wenn man an die Zahlen denkt, die der Herr Kollege Blank neulich bekanntgegeben hat, Aufwendungen, von denen ich fürchte, daß sie die Widerstandskraft des deutschen Volkes im Kalten Krieg recht nachteilig beeinflussen könnten, und ich frage Sie: was geschieht denn in der Welt, wenn der Kalte Krieg in Deutschland verlorengehen sollte, und wer hat ihn geführt und wer kann ihn denn letzten Endes führen, wenn nicht in erster Linie die breiten Massen unseres Volkes?

    (Zurufe und Unruhe.)

    Es heißt in der Begründung der 'Bundesregierung zu den Verträgen, daß zu echter Partnerschaft wechselseitiges Vertrauen gehöre.

    (Zuruf von der FDP.)

    Warum gestattet man dann nicht den Deutschen den Eintritt in das Atlantikpaktsystem, wo die eigentlichen Entscheidungen fallen? Dieses deutsche Kontingent steht doch zur Verfügung von
    NATO, und wer nicht in NATO vertreten ist, der bleibt das Objekt, das er heute schon ist.

    (Zustimmung bei .der SPD.)

    Und wenn Partnerschaft wechselseitiges Vertrauen bedeutet, warum dann die Erklärung des französischen Außenministers kurz vor der Unterzeichnung der Verträge, daß er nur unterzeichnen könne, wenn Großbritannien und die Vereinigten Staaten die Garantie übernehmen, daß die Bundesrepublik nicht aus diesem Vertragssystem ausbrechen kann? Das könnte sich eines Tages seltsam auswirken. Genau betrachtet ist damit ein neues Bündnis gegen Deutschland geschaffen worden, und die Garantieverträge von 1947 und 1949, von denen heute morgen die Rede war und die gegen Deutschland gerichtet waren, scheinen von unseren Vertragspartnern aufrechterhalten werden zu wollen. Jedenfalls hat man bisher noch nichts davon gehört, daß man sie für gegenstandslos erklärt hätte.
    Wir schaffen durch diesen Vertrag die Organisation des Europäischen Verteidigungskommissariats, das nicht nur weithin Herr über Maßnahmen sein wird, die tief in das Leben unseres Volkes eingreifen werden, — auf wichtigsten Lebensgebieten wird durch seine Kompetenzen die Kontrolle des Parlaments, die doch ein Kernstück unserer Demokratie sein soll, gegenstandslos gemacht werden,

    (Zustimmung bei der SPD)

    und durch die „europäische" Zentralisierung der Beschaffung und der Verwendung der finanziellen Verteidigungsbeiträge wird dieses Kommissariat zusammen mit der Hohen Behörde des Schumanplans ohne jede echte parlamentarische Kontrolle zum Herrn über die Wirtschaft unseres Landes werden.

    (Abg. Dr. Hasemann: Bei Väterchen Stalin haben Sie gar nichts zu sagen!)

    — Ach, Herr Hasemann, reden Sie doch nicht so gemütlich und sinnig von Väterchen Stalin, bleiben Sie ernsthaft!

    (Heiterkeit und Zustimmung bei der SPD.)

    Man erklärt, dies alles sei der Preis dafür, daß wir nunmehr verteidigt würden;

    (Abg. Ewers: Europäer werden!)

    denn ohne diese Unterwerfungen hätten wir weder die EVG-Garantien noch die NATO-Garantien noch die Großbritanniens und der Vereinigten Staaten erhalten. Nun, man soll Garantien, wie sie erklärt werden, gewiß nicht unterschätzen. Man sollte sie aber auch nicht überschätzen und man sollte insbesondere nicht vergessen, was sich hinter diesen Garantien in Wirklichkeit vollzieht. Schließlich ist es doch so, daß diese Garantiemächte mit den Truppen in unserem Lande auch ihr eigenes Land verteidigen wollen und daß sie die von uns zu stellenden Truppen haben wollen, damit auch ihr Land besser verteidigt werden kann.

    (Zuruf von der Mitte: Unerhört! — Weitere lebhafte Zurufe von den Regierungsparteien. — Große Unruhe.)

    Man hat uns schon oft genug gesagt: „Wir können Frankreich nur in Deutschland verteidigen" und „wir können es nur unter Mitwirkung der Deutschen verteidigen".

    (Abg. Euler: Wir können Deutschland nur hier verteidigen und mit Hilfe der anderen!)



    (Dr. Schmid [Tübingen])

    Die Vertragspartner garantieren in Deutschland, Herr Euler, ihre eigene Sicherheit mit,

    (fortgesetzte Zurufe von den Regierungsparteien)

    und es hätte auf dieser Grundlage vielleicht nicht jeder Preis bezahlt zu werden brauchen, den Sie zu bezahlen bereit sind.

    (Beifall bei der SPD.)

    Wir wissen durch die Erklärung Mr. Achesons zu der Garantieerklärung der USA, daß die dort vorgesehenen Leistungen nicht automatisch ausgelöst werden, und wir wissen aus anderen Erklärungen, daß jede der Garantiemächte selbst beurteilen wird, ob die Voraussetzungen für die Garantieleistungen vorliegen oder nicht. Dieses ganze Geflecht von Verträgen verbindet uns mit Staaten, von denen einige heute noch Bündnisverträge mit Sowjetrußland unterhalten.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Wie stellt man sich denn das Wechselspiel der Verpflichtungen aus beiden Vertragssystemen vor? Wofür wird sich denn im konkreten Fall Frankreich entscheiden, wenn wir in die Krise kommen? Es ist doch nach zwei Seiten hin gebunden! Wird es sich entscheiden für die Verpflichtungen aus seinem Bündnisvertrag mit Rußland oder für die Verpflichtungen aus den Verträgen mit uns? Und ich wiederhole, daß auch die Bündnisverträge des Westens, die gegen uns gerichtet sind, noch weiter aufrechterhalten werden sollen.

    (Abg. Dr. Schröder [Düsseldorf]: Wollen Sie denn angreifen? — Das ist doch der Punkt! — Heiterkeit bei den Regierungsparteien.)

    — Herr Schröder, Sie bleiben unterhalb Ihres Niveaus! In allen diesen Verträgen gehen die echten Leistungen — von wenigen Ausnahmen abgesehen — zu unseren Lasten. Was man im Generalvertrag „Leistungen" unserer Vertragspartner nennt, das ist doch im wesentlichen nicht mehr als Verzicht auf Befugnisse und Kommandohebel, die man sich kraft des Sieges angeeignet hatte. Und man verzichtet dabei im Grunde doch nur auf das, was sowieso nach sieben Jahren einseitig nicht mehr zu halten war oder was bis zum heutigen Tage schon durch Erfüllung konsumiert worden ist.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Wir haben kein Vertragswerk vor uns, das gleichwertige gegenseitige Leistungen vorsieht. Wir haben ein Vertragswerk vor uns, in dem zum Teil wenigstens Deutschland Leistungen zugemutet werden, die freien Völkern nicht zugemutet zu werden pflegen. Wir sollen dadurch Souveränität und Gleichberechtigung bekommen, und das Besatzungsregime soll dadurch verschwinden: Nun — wir erhalten weder Souveränität noch Gleichberechtigung, noch wird in der Wirklichkeit. das Besatzungsregime abgeschafft. Sicherlich erhalten wir gewisse Erleichterungen und auf manchen Gebieten auch sehr schätzbare Erleichterungen.

    (Lebhafte Rufe bei den Regierungsparteien: Aha!)

    Aber um welchen Preis erhalten wir sie?

    (Zurufe rechts.)

    Wir erkaufen sie durch die vertragliche Übernahme von Lasten, die bisher alle Nachteile des einseitig Auferlegten an sich trugen und

    (Zuruf des Abg. Euler)

    darum jedem politischen Angriff deutscherseits offen standen. Das wird nunmehr für uns unangreifbar, es sei denn, wir wollten unsere Unterschrift verleugnen. Wir erkaufen diese Erleichterungen weiter dadurch, daß wir bei allen vitalen Entscheidungen, die unser Volk betreffen, in den Schatten der Politik der Drei zu treten haben.
    Gleich in Art. 1 des Generalvertrages sagt man uns, wie es um die Souveränität der Bundesrepublik stehen soll. Herr Kollege Gerstenmaier, ich bin wie Sie der Meinung, daß Souveränität eine alte Sache, eine abgestandene Sache ist. Aber man überwindet sie nicht schon dadurch, daß man sich Souveränitätsansprüchen Dritter unterwirft!

    (Beifall bei der SPD. — Zuruf des Abg. Dr. Gerstenmaier.)

    Es heißt im Generalvertrag:
    Die Bundesrepublik hat volle Macht über ihre inneren und äußeren Angelegenheiten, vorbehaltlich der Bestimmungen dieses Vertrages.
    Im alten Besatzungsstatut hieß es in Ziffer 1:
    Der Bund und die Länder haben — lediglich
    den Bestimmungen dieses Statuts unterworfen — volle gesetzgebende, vollziehende und
    rechtsprechende Gewalt gemäß dem Grundgesetz und den Länderverfassungen. Zugegeben, die heutige Ausdrucksweise ist konzilianter, dem Inhalt, dem Prinzip nach aber ist die neue Regelung von der alten nicht sehr verschieden. Aber zum Unterschied gegen früher sollen wir uns jetzt rechtlich verpflichten, diesen zustand als Internationales Statut Deutschlands anzuerkennnen!

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Die Vorbehaltsrechte der Drei im Generalvertrag betreffen letztlich die Grenzwerte unserer staatlichen Existenz. Das Recht, den Grenzfall zu be- stimmen, ist aber, was die Souveränität ausmacht. Der Unterschied gegen früher ist, daß auf einer Reihe von Randgebieten Vorbehalte gefallen sind, daß auf wesentlichen Sachgebieten die Vorbehalte des Besatzungsstatuts in die Zusatzverträge verbannt worden sind und daß ihr eigentlicher politischer Kern nunmehr im Generalvertrag als öffentliches Recht Deutschlands anerkannt wird. Diese Vorbehalte sind — wenigstens in Krisenzeiten — unsere Oberverfassung. Es gibt ein Schiedsgericht, das Schiedsgericht des Generalvertrages kann die Ausübung der wesentlichen unter diesen Vorbehalten nicht kontrollieren. Dagegen kann dieses Schiedsgericht jedes Gesetz, das im Bundesgebiet gilt, aufheben; es kann jeden Verwaltungsakt, jedes Urteil aufheben, ja dieses Gericht kann sogar Urteile des Bundesverfassungsgerichts aufheben, wenn es der Meinung ist, eines seiner Urteile stehe Bestimmungen des Generalvertrages entgegen. Dagegen können Urteile der alliierten Militärgerichte nicht aufgehoben werden!

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Über diese Grenzfälle entscheiden nach dem Generalvertrag die Besatzungsmächte selbst und allein. Dadurch, daß man sie in Schutzmächte umbenannt hat, ändert man nichts an der Tatsache, daß sie Besatzungsmächte geblieben sind.

    (Abg. Arnholz: Sehr richtig!) Außenminister Schuman hat gleich nach der Unterzeichnung dieser Verträge erklärt — ich bitte ihn zitieren zu dürfen —

    Deutschland wird besetzt bleiben, nicht weil
    es damit einverstanden ist, sondern weil


    (Dr. Schmid [Tübingen])

    es unser Recht ist, das wir durch die Unterzeichnung der Verträge nicht verlieren.

    (Abg. Dr. von Brentano: Bis zur Ratifizierung!)

    Die Substanz der Souveränität liegt weiter bei den Besatzungsmächten.

    (Abg. Dr. von Brentano: Bis zur Ratifizierung!)

    — Hat er diese Einschränkung wirklich gemacht?

    (Abg. Dr. von Brentano: Es stand am nächsten Tage drin!)

    — Ich bedanke mich für die Belehrung.

    (Abg. Strauß: Darum schnell ratifizieren!)

    Die Substanz der Souveränität liegt jedenfalls auch nach der Ratifizierung weiter bei den Besatzungsmächten; so steht es im Vertrag. Diese treten ihre Ausübung für normale Zeiten an die Bundesregierung ab. In den Krisenzeiten aber nehmen sie sie für sich in Anspruch.

    (Abg. Dr. von Brentano: Nein!)

    Die Alliierte Hohe Kommission wird auf gehoben. Die Drei Mächte sollen nunmehr mit der Bundesrepublik nur noch durch Botschafter verkehren. Das Wort Botschafter hat seit einigen Ereignissen im Nahen Westen einen schlechten Klang bekommen. (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Es steht fest: Überall, wo es sich um die für Deutschland entscheidenden politischen Fragen handelt, handeln die drei Botschafter gegenüber der Bundesregierung als Gemeinschaft. Im Bereich der Administration treten sie weit zurück — das ist richtig —, soweit nicht die Zusatzverträge alliierte Befugnisse aufrechterhalten. Aber ist im
    des
    Zentrum des Politischen, hei den zentralen Fragen
    unserer politischen und nationalen Existenz der Unterschied gegenüber der bisherigen Hohen Kommission wirklich so sehr groß? Das Entscheidende ist doch, daß dieser Botschafterrat das Monopol der auf die Herstellung der Einheit Deutschlands gerichteten Politik erhalten soll.

    (Abg. Dr. von Brentano: Es gibt keinen Botschafterrat!)

    Was bleibt dann noch an eigenständigen politischen Möglichkeiten für Deutschland dort übrig, wo es um unsere Existenz als Nation geht?
    Man sagt uns, diese Rechtsfigur habe vereinbart werden müssen wegen der Verträge von Jalta und Potsdam, damit die Geschäftsgrundlage der Verträge nicht zerstört werde, die zugunsten Berlins geschlossen worden sind. Das ist ein Gesichtspunkt, den ich anerkenne. Aber warum hat man nicht darauf verzichtet, ein Recht, das man der Substanz nach im Verkehr mit den Russen braucht, den Deutschen gegenüber im Innenverhältnis tatsächlich auszuüben?
    Art. 5 spricht vom Notstandsrecht. Man sollte dieses Recht nicht verkennen: es handelt sich dabei nicht um den bloßen polizeilichen Notstand — die Besatzungsmächte erhalten in gewissen Situationen, und zwar in den besonders schicksalsgeladenen Situationen, entscheidende Verfügungsmacht über unser Land!

    (Abg. Dr. Hasemann: Die auch in unserem Interesse angewendet werden kann!)

    authentische Interpretation dieser Einschränkungen ausschließlich bei den Alliierten liegt!

    (Sehr richtig! bei der SPD.) Dieser Notstand kann schon erklärt werden, wenn einer der vorgesehenen Fälle auch nur droht. Das gibt einen Spielraum, der Mißbrauch allzu leicht macht. Und was bedeutet denn im einzelnen die Klausel: Maßnahmen, die erforderlich sind, die Ordnung aufrechtzuerhalten oder wiederherzustellen? Es gibt da einen verhängnisvollen Vorgang: das Urteil im Prozeß der Papen-Regierung gegen Preußen über die Auslegung des Art. 48 der Weimarer Verfassung. Das Gericht hat damals ausgesprochen, daß Art. 48 der Weimarer Verfassung der Reichsregierung das Recht gebe, für die preußische Regierung zu handeln. Ich hoffe nicht, daß man eines Tages bei der Anwendung des Art. 5 auf dieses Urteil zurückgreifen wird.

    Am schlimmsten ist aber, daß der Notstand schon im Falle eines drohenden Krieges erklärt werden kann. Was bedeutet denn das im einzelnen? Im Falle drohender Kriegsgefahr werden fremde Mächte bestimmen, was zur Aufrechterhaltung der Ordnung und Sicherheit der Verteidigungstruppen notwendig ist! Freilich — die Bundesregierung soll konsultiert werden - aber Konsultation bedeutet doch nicht Mitwirkung! Und was bedeutet die Möglichkeit der Berufung an NATO? Das bedeutet doch Berufung gegen eine Entscheidung der Drei an ein Organ, in dem die Drei vertreten sind, wir selber aber nicht!
    Und was bedeutet die gesamtdeutsche Klausel des Art. 7. Al s. 3? Der ursprüngliche Text ging dahin, daß die Verträge automatisch auch Gesamtdeutschland verpflichten sollten. Nun, das hat man als die völkerrechtliche Unmöglichkeit, die es ist, erkannt, und man hat nunmehr eine neue Formel gefunden. Nunmehr besagt die Klausel, daß Gesamtdeutschland die Rechte, die der Bundesrepublik eingeräumt werden, erwerben kann, wenn es gleichzeitig die Verpflichtungen der Bundesrepublik aus dem Generalvertrag und EVG-Vertrag übernimmt. Da kann man doch nicht gut davon sprechen, daß die künftige deutsche Regierung frei sei, sich zu entscheiden, wie sie wolle!

    (Abg. Dr. von Brentano: Wieso?)

    Wenn sie sich nämlich anders entscheidet, als es in diesen Verträgen vorgesehen ist, dann müßte — zumindest bei strikter Anwendung des Vertragstextes — ihr Statut geringer werden als das Statut, das die Bundesrepublik hat.

    (Zurufe von der Mitte: Wo steht denn das? Das steht nicht drin! — Das ist falsch!)

    (Abg. Dr. von Brentano: „Maximal" steht
    auch nicht drin!)
    einverstanden, wenn Gesamtdeutschland alle Verpflichtungen aus dem Generalvertrag und dem EVG-Vertrag übernimmt.
    Nun kann die Einheit Deutschlands doch nur zustandekommen, wenn die Russen — ja auch die Russen — mit gesamtdeutschen freien Wahlen einverstanden sind. Und glaubt man denn, daß sie dazu bereit sein werden, wenn von vornherein feststehen soll, daß der Teil Deutschlands, den sie aufgeben, auf Grund einer heute geschaffenen vertraglichen Verpflichtung einem Block zugeschlagen werden soll, den dieses Rußland nun einmal als feindselig empfindet? Als ich das in Straßburg einem Delegierten eines nordischen Landes sagte, gab er mir zur Antwort: „Ihr müßt euch eben damit abfinden: uns ist es lieber, wir haben das halbe Deutschland ganz als das


    (Dr. Schmid [Tübingen])

    ganze Deutschland halb." Das mag da ein Gesichtspunkt für Dritte sein, aber für uns Deutsche kann das kein Gesichtspunkt sein!

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Wir können uns dagegen nicht mit den Worten trösten, daß wir durch diese Verträge nunmehr zusammen mit dem Westen so stark werden, daß wir mit den Russen endlich die Sprache sprechen können, die sie allein verstehen. Glaubt man denn wirklich, mit diesen Verträgen die Russen zur politischen Kapitulation zwingen zu können? Wenn man die Zustimmung der Russen will, muß man ihnen doch eine Chance lassen, durch die sie kompensiert finden könnten, was sie aufgeben!
    Es hat allerdings keinen Sinn, von uns Deutschen, wie das gelegentlich geschieht, zu verlangen, daß wir einen Preis nennen sollten. Es ist nicht Sache der Deutschen, einen Preis vorzuschlagen; denn sie sind es ja nicht, die aushandeln können, was geschehen soll. Es ist Sache der Russen und der Amerikaner — der beiden einzigen Mächte, die den Frieden der Welt in der Hand haben und die Macht, ihn zu verwirklichen —, sich über das Soll und Haben auseinanderzusetzen, das ihrer Einigung zugrunde gelegt werden soll. Denn ohne eine Grundeinigung dieser beiden einzigen noch übriggebliebenen weltgeschichtlichen Mächte wird es keine echte Einigung über die Fehlordnungen irgendwo in der Welt geben. Wir sollten diesen Mächten sagen, daß sie es sind, die verhandeln, und nicht wir. Wir sollten aber nicht die Hand dazu bieten, was solche Verhandlungen erschweren könnte. Und es wird unsere Sache sein, diesen großen Mächten im rechten Augenblick zu sagen, was Deutschland akzeptieren kann und was es nicht akzeptieren wird.
    Ich brauche über die Revisionsklausel nicht sehr viel zu sagen. Diese Revisionsklausel spricht nichts aus als die Binsenwahrheit, daß revidiert werden kann, wenn alle einverstanden sind. Das versteht sich auch dann von selbst, wenn ein Vertrag keine Revisionsklausel enthält. Und ich brauche über die Reparationsbestimmungen in den Verträgen nichts zu sagen, darüber und über die Zusatzverträge wird ein anderer sprechen.
    Was haben wir letzten Endes unserer Entscheidung zugrundezulegen? Ein Vertragssystem, das mit dem Schumanplan anhebt, der die Verfügung über das mächtigste deutsche Wirtschaftspotential aus der deutschen Souveränität nimmt, wobei die Gleichheit der Vertragspartner nur scheinbar ist, denn nur Deutschland gibt in Wirklichkeit etwas her; wir haben vor uns den EVG-Vertrag, der die Verfügung über das deutsche militärische und einen Teil des finanziellen Potentials deutscher parlamentarischer Kontrolle entzieht und zur Verfügung Dritter stellt; wir haben den Generalvertrag zu beurteilen, durch den wir uns verpflichten, die Rolle eines besetzten Landes — partiell wenigstens — zu akzeptieren, und durch den wir uns das Recht zu einer eigenen aktiven, auf Wiederherstellung der Einheit Deutschlands gerichteten Politik blockieren lassen. Und wir werden in den Verband der westlichen Staaten aufgenommen um den Preis des Verzichts auf Wirkungsmöglichkeiten, die sich die anderen vorbehalten wollen. Das ist kein Neubeginn; das ist der Schlußstein des Gebäudes, das 1945 begonnen worden ist — und es geschieht sicher nicht mit Wissen und Wollen, aber aus Resignation. Im Grunde wollen wir uns damit begnügen, uns in der durch den Zusammenbruch geschaffenen und durch den Wandel der Zeit modifizierten Situation so gut wie möglich einzurichten — um den Preis des Verzichts auf die Möglichkeiten einer eigenständigen Politik, die uns geblieben sind, so schwer es auch sein mag, sie je und je zu aktualisieren. Wir haben zugelassen, daß deutsche Schicksalsfragen ausgeklammert wurden, die wir zusammen mit dem Westen lösen müssen, wenn wir zu einer tragfähigen Westintegration kommen wollen, zu einer Westintegration, die den Namen „europäische Politik" verdient. Es genügt nicht, die Europaflagge zu hissen, um die Gefahr, die in ungelösten Problemen liegt, zu bannen! Nicht das Europa, auf das Sie ohne Kompaß hinsteuern, wird die Probleme lösen, die auch Sie gelten lassen, sondern die Lösung dieser Probleme — zumindest aber die echte Bemühung um ihre Lösung — ist die Voraussetzung dafür, daß wir Europa bauen können!
    Ich glaube nicht, daß die Antithesen schlüssig sind, die heute morgen vorgetragen wurden: ob Anschluß an den Westen oder nicht; ob Schutz durch das Atlantikpaktsystem oder nicht; ob Integration Europas oder nicht; ob Integration Deutschlands in Europa oder nicht. Die Frage ist anders zu stellen: ob alle diese Dinge auf diese Weise und mit den Konsequenzen geschehen sollen, die diese Verträge vorsehen! Das ist die eigentliche Frage! Echt scheint mir nur die eine Antithese zu sein: ob die Teilung Deutschlands oder die Wiedervereinigung in Freiheit angestrebt werden soll. Die Frage ist, ob die Verträge uns diese Wiedervereinigung bringen können.

    (Zuruf des Abg. Dr. von Brentano.)

    Man sagt uns: durch den EVG-Vertrag und die militärische Beteiligung Deutschlands an der militärischen Verteidigung Europas schaffen wir Sicherheit und legen wir den Grund zur Möglichkeit einer wirksamen Verteidigung der Freiheit in Deutschland. So sagen S i e.

    (Abg. Dr. von Brentano: Sagen Sie uns doch, wie wir es machen sollen!)

    Sehen wir völlig ab von der Frage, ob diese Koalitionsarmee des Mißtrauens wirklich ein taugliches Instrument der Verteidigung sein kann und sein wird; sehen wir auch davon ab, den Widerspruch zu diskutieren, der zwischen Ihren Forderungen und der Behauptung besteht, die wir heute morgen hörten, daß der Westen auch ohne unseren Beitrag heute schon so stark sei, daß die Russen keinen Angriff riskieren könnten: ohne präzise Verpflichtungen der Westmächte für bestimmte konkrete militärische Leistungen werden uns Generalvertrag und EVG-Vertrag nur die Illusion der Sicherheit bringen. Aber darüber hinaus werden in den Verträgen Leistungen von uns verlangt, die uns in die Gefahr bringen, den Kalten Krieg zu verlieren!
    Sie sagen: Wir machen durch die Verträge uns und den Westen stark, und nur, wenn wir den Westen stark machen — in einer früheren Debatte wurde einmal gesagt: militärisch stark machen —, kann man den Russen gegenüber eine offensive Deutschland-Politik betreiben, denn sie verstehen nur die Sprache der Macht. Dazu sagen wir Ihnen: die Macht, die wir dazu brauchten, schaffen diese Verträge nicht.

    (Abg. Dr. von Brentano: Also, was sollen wir dann tun?)



    (Dr. Schmid [Tübingen])

    Keiner unserer Partner ist durch diese Verträge zu konkreten politischen Maßnahmen für die Einheit Deutschlands verpflichtet.

    (Abg. Dr. von Brentano: Was sollen wir machen?)

    Jeder einzelne bleibt in jedem einzelnen Falle Herr seiner Entscheidungen.

    (Abg. Dr. von Brentano: Und was sollen wir machen?)

    Wie weit muß denn, Herr von Brentano, die militärische Kraft des Westens wachsen, bis — nach Ihrer Voraussetzung — die Russen ihre Zone unter den Bedingungen des Generalvertrages freigeben werden?

    (Abg. Dr. von Brentano: Was sollen wir machen?)

    Werden die Russen nicht jeden Machtzuwachs im Westen durch Schaffung neuer eigener Machtmittel — vielleicht sogar in dem von ihnen besetzten Deutschland — kompensieren und überkompensieren?

    (Abg. Dr. von Brentano: Welchen Weg sollen wir denn gehen?)

    Herr Kollege Ger s t e n m a i e r sagte uns, die Abrüstung sei sein Ideal. Es ist auch unseres; aber glauben Sie, auf Ihrem Wege kämen wir zur Abrüstung? Auf Ihrem Wege kommen wir zum Wettrüsten und nicht zur Abrüstung!

    (Beifall bei der SPD. — Abg. Dr. Gerstenmaier: Das dürfen die Russen sagen, aber nicht unsere Vertreter!)

    Wir sagen Ihnen weiter, daß es gefährlich ist, eine
    politische Offensive auf Macht stützen zu wollen,

    (Abg. Strauß: Auf Reden kann man sie nicht stützen!)

    denn man muß dann auch bereit sein, seine Machtmittel anzuwenden — es sei denn, man sei überzeugt, der andere werde von vornherein in die Knie gehen. Aber niemand — keiner unserer Partner und auch nicht das deutsche Volk — will doch Machtmittel einsetzen, um die Wiederherstellung der Einheit Deutschlands auf dem Wege der Gewalt zu erzwingen, denn niemand will den dritten Weltkrieg! Aber es ist eine Illusion, zu glauben, daß im Umgang mit den Russen die Kapitulation v o r dem Kriege komme!

    (Beifall bei der SPD.)

    Sie sagen weiter: Deutschland kann nicht neutral bleiben, es gehört zum Westen, es muß sich daher für den Westen entscheiden, und die Entscheidung für den Westen fordert Entscheidung für diesen konkreten EVG-Vertrag und für diesen konkreten Generalvertrag! Dazu sagen wir Ihnen: Ja, Deutschland will keinen Neutralismus und kann ihn nicht wollen! Es hat sich längst für ein Leben auf Grund von Ordnungen entschieden, die heute nur im Westen dieses Kontinents existieren können.

    (Zurufe von der CDU: Bravo! — Also!)

    Und daß es diesen Willen hat, hat dieses deutsche Volk auch dort bewiesen, wo der Osten lockte. Aber diese Entscheidung für den Westen bedeutet doch nicht, daß man auf die Möglichkeit eigener deutscher Politik verzichten und eine Politik betreiben müsse, deren machtpolitische Versuche mit Sicherheit durch Gegenmaßnahmen im anderen Teile Deutschlands kompensiert werden!

    (Abg. Euler: Wann lüften Sie denn Ihren Schleier?)

    Was S i e Neutralität nennen, nennen wir die Weigerung, alle Möglichkeiten einer deutschen Politik zu Funktionen der Politik anderer reduzieren zu lassen. Es ist nicht wahr, daß es nur die eine Alternative gebe, Satellit des Ostens oder Vasall des Westens zu sein. Es gibt die dritte:

    (Zuruf von der CDU: Aha, jetzt kommt es!) sich dem Westen in Formen zu verbinden, die der Osten nicht bedrohlich zu finden braucht,


    (Lachen bei den Regierungsparteien)

    und mit dem Osten in ein Verhältnis freien Austausches zu treten,

    (Beifall bei der SPD)

    das den Westen stärkt, statt ihn zu schwächen.

    (Zuruf von der CDU: Eine Halbheit! — Abg. Dr. Wuermeling: Wie unwirklich!)

    Nur so können wir zur Wiederherstellung eines freien einheitlichen Deutschland kommen. Für die Einzel-Etappen .des Weges gibt es kein Patentrezept,

    (Zurufe: Aha! und Beifall bei der CDU) aber man muß auf dieses Ziel hin verhandeln, und das ist besser, als militärisch zu denken, wo politisch gedacht werden muß!


    (Beifall bei der SPD.)

    Sie sagen, auf dem Wege über den Generalvertrag und die anderen Verträge kämen wir zu den Vereinigten Staaten von Europa und über sie dann schließlich zur deutschen Einheit. — Auf Ihrem Wege kommt man vielleicht zu einer engen Verbindung von sechs Staaten im äußersten Westen Europas — aber dieses Klein-Europa, zu dem wir so kommen könnten, wird nichts anderes sein als bestenfalls ein neuer Bundesstaat, der einen Teil Europas staatlich organisiert. Das wird aber die Probleme des Kontinents als Ganzes nicht gegenstandslos machen, sondern wird zu den alten neue schaffen und vielleicht auf dramatischere Weise, als es heute der Falle ist. Denn auch dieses Europa der Sechs wird vor der Frage stehen: entweder mit den Russen auf eine gütliche Einigung hin zu verhandeln oder den Versuch zu machen, sie zu zwingen. Die Lage wird nicht anders sein als sie heute ist, sie wird nur gefährlicher sein!
    Und schließlich: Sie fragen mich immer wieder, Herr von Brentano: „Was wollen S i e denn?" Nun, jetzt frage ich Sie, Herr von Brentano: Glauben Sie denn, daß die Verträge die Einheit Deutschlands automatisch wirken werden?

    (Zuruf von der CDU: Automatisch?)

    Sie haben uns bisher nicht gesagt,

    (Zuruf von der CDU: Wir sind keine politischen Automaten!)

    Sie haben uns bisher nicht gesagt, Herr Tillmanns, was Sie mit diesen Verträgen m a c h en wollen, auf daß die Einheit Deutschlands zustande komme!

    (Sehr gut! bei der SPD.)

    Und das dem deutschen Volke zu sagen, wäre doch die entscheidende Frage.

    (Beifall bei der SPD.)

    Was wollen Sie mit dem Instrument dieser Verträge konkret anfangen? Denn mehr als ein Instrument ist das, was Sie schaffen wollen, nicht! Aber Sie können uns die Frage nicht beantworten; denn die Entscheidung liegt durch den Generalvertrag nicht in Ihrer Hand!

    (Anhaltende Unruhe. — Glocke des Präsidenten.)



    (Dr. Schmid [Tübingen])

    Wir können die Einheit Deutschlands nur bekommen, wenn die vier Besatzungsmächte — und zu ihnen gehört leider auch Rußland — sich über gesamtdeutsche Wahlen einigen. Das ist auch Ihre Auffassung, wie wir heute hörten.

    (Zuruf von der CDU: Das ist unser aller Auffassung!)

    Wir sollten dabei die Initiative nicht den Russen überlassen, wie das bisher — zum mindesten von außen her gesehen — der Fall gewesen ist,

    (Zuruf von der CDU: Es ist traurig, daß Sie diese These aufnehmen!)

    und wir sollten alles tun — und die Westmächte mit uns —, um die Russen in die Situation dessen zu bringen, der antworten muß. Bisher haben wir uns immer in die Situation dessen drängen lassen, der antworten muß!

    (Abg. Dr. von Brentano: Sie vielleicht, wir nicht!)

    Es sollte das vornehmste Nahziel 'unserer Politik sein, auf die Abhaltung einer Viermächtekonferenz hinzuwirken, auf der der Osten und der Westen klipp und klar zum Ausdruck bringen sollen, wie man sich dort, wo man noch Geschichte machen kann, die Lösung unserer Schicksalsfrage vorstellt und welche Voraussetzungen von der einen oder von der anderen Seite für das Einverständnis verlangt werden. Einen anderen Weg gibt es schlechthin nicht!
    Aber das setzt voraus, daß wir heute keine vollendeten Tatsachen schaffen, die den Russen jedes Interesse an Verhandlungen nehmen könnten.
    Sie sagen uns: Die Ratifikation mache Verhandlungen nicht unmöglich. — Das ist natürlich theoretisch richtig. Aber sind einmal die Verträge in Kraft, sind einmal Rechte erworben und Institutionen geschaffen, dann bedeutet doch Einigung notwendig Verzicht auf erworbene Rechte oder das Eingeständnis der Schwäche, sich zu behaupten. Solche Verzichte sind verständlicherweise schwerer zu erzielen als der vorherige Ausgleich möglicher Chancen. Was heute noch möglich sein könnte, wird so morgen vielleicht unmöglich geworden sein.

    (Abg. Dr. von Brentano: Sehr richtig!)

    Sie scherzen, Herr von Brentano, aber bedenken Sie: die Verhärtung zu lösen, die durch die Verträge eintreten wird, wird einen viel größeren Kraftaufwand verlangen als den, den die heutige Lage erfordern mag.

    (Zuruf rechts: Also zurück?)

    So meine ich denn, daß unsere Bemühungen darauf konzentriert werden sollten, die Chancen für das Zustandekommen einer Viermächtekonferenz zu verstärken,

    (Sehr richtig! bei der CDU)

    zu einer Konferenz, in der ein echter Versuch gemacht werden muß, zu einer Einigung zu kommen, ein Versuch, der Entschlossenheit, Energie, Zielsicherheit, aber auch Geduld erfordert.

    (Beifall bei der SPD.)

    Wir möchten nicht, daß man eine Viermächtekonferenz allein zu dem Zweck einberuft, Herr Strauß, zu beweisen, daß es keinen Sinn habe, mit den Russen über gesamtdeutsche Wahlen zu verhandeln.

    (Abg. Euler: Wie wollen Sie es denn machen?)

    Wenn so verhandelt wird, daß das 'deutsche Volk
    die Überzeugung gewinnt, daß es dem Westen
    wirklich ernst ist, zu einem positiven Resultat zu kommen, und sollten die Russen durch ihr Verhalten unmißverständlich zeigen, daß sie die Einheit Deutschlands nicht wollen — es sei denn, in der Form einer russischen Provinz —, nun, dann wird eine neue Lage geschaffen sein;

    (Aha-Rufe von den Regierungsparteien — lebhafter Beifall bei der SPD — Abg. Dr. Wuermeling: Das wissen Sie noch nicht?)

    dann wird man sich überlegen müssen, was auf
    Grund dieser neuen Lage zu geschehen haben wird.

    (Unruhe. — Glocke des Präsidenten.)

    Was es sein wird, ist heute noch nicht zu sagen; denn wir kennen die Umstände nicht, die in jenem kritischen Zeitpunkt herrschen werden. Eines aber ist sicher: Sollte es nötig werden — und es mag nötig werden —, mit dem Westen Verträge zu schließen, dann werden es keine Verträge sein dürfen, die der Bundesrepublik Hypotheken auferlegen, wie der Generalvertrag und die anderen Verträge sie vorsehen. Denn diese Hypotheken sind nicht nur lästig, sondern sie sind eine Gefahr für den Bestand der Demokratie in Deutschland, die nur wachsen kann, wenn dieses Volk spürt, daß es in seinem ganzen Lebenskreis frei über sich entscheiden und sein Schicksal selbst verantworten kann.
    Und es wird auf der Grundlage einer anderen Europakonzeption verhandelt werden müssen als der bisherigen: es wird verhandelt werden müssen von der Vorstellung eines Europa aus, in dem alle gleiche Rechte und Pflichten haben — und zwar nicht nur auf dem Papier, sondern in der Welt der Wirklichkeiten —, eines Europa, das nicht Angsttraum des Mißtrauens ist, sondern Frucht des Vertrauens und der Solidarität der Völker!

    (Lebhafter Beifall bei der SPD.)

    Ein solches Europa, Herr Euler, weisen uns die von Ihnen gewollten Verträge noch nicht.
    Man hat uns gesagt, die Haltung der Opposition, auf jeden Fall Viererverhandlungen zu fordern, ehe ratifiziert wird, sei Obstruktion, und es sei Obstruktion, wenn wir verlangen, daß erst das Bundesverfassungsgericht sein Urteil zu fallen habe, ehe wir uns über den politischen Wert dieser Verträge unterhalten. — Meine Damen und Herren! Wenn jemand nach sorgfältiger Prüfung zu sehen meint, daß die Weichen falsch gestellt sind und der Zug dem Unheil zutreibt, wenn der dann die Notleine zieht, dann treibt er keine Obstruktion, sondern dann tut er seine Pflicht.

    (Stürmischer Beifall bei der SPD.)

    So wie diese Verträge die Weichen für die künftige Entwicklung stellen, kommen wir nicht an das Ziel, das auch Sie sich als die Patrioten, die Sie sind, vorgenommen haben: die friedliche Wiederherstellung der Einheit eines freien Deutschland in einem Europa von Gleichberechtigten! Wir kommen so nicht nur nicht ans Ziel, sondern wir laufen Gefahr, der Ausweglosigkeit zuzutreiben. Darum sollten wir alle zusammen helfen, der verderblichen Entwicklung Einhalt zu gebieten, die diese Verträge unausweislich macht. Wir können es, wenn wir diesem Vertragswerk die Zustimmung verweigern.

    (Anhaltender lebhafter Beifall bei der SPD.)